Wie der Mensch alles verachten und Christo allein anhangen soll.

Wer einen solchen Stand anzufangen und einzutreten sich befleisset, dem ist höchst nöthig, daß er verschlossene Sinne zu allen Creaturen habe, um sich um nichts fremdes zu bekümmern und damit zu beschäftigen, sondern alles, als unnöthige, ihn nichts angehende, unnütze und schädliche Sachen von sich abzuweisen. Alsdann muß er sich ganz in das Innerste begeben, und mit dem Herzen an keine andere Dinge gedenken, verlangen, hangen, als an den alleinigen verwundeten Jesum Christum, um durch und in ihm, d. i. durch diesen Menschen in Gott, durch die Wunden der Menschheit in das Innerste seiner Gottheit, mit allem Fleiß, Ernst, Treu zu zielen und zu dringen. So muß er auch also alle seine übrige Anliiegenheit ohne rath- und Hülfholung bey seiner eigenen Fürsichtigkeit und Kräften dem Herrn ganz anbefehlen, nach dem göttlichen Rath: Werfet eure Sorge auf den, der alles vermag. Seyd nicht sorglich. Wirf deine Gedanken auf den Herrn, der wird dich ernähren. Es ist mir gut, daß ich dem Herrn anhange. Ich habe den Herrn allezeit vor meinem Angesichte. Und so spricht die Braut über solches Anhangen: Ich habe funden, den meine Seele lieb hat. Denn es sind mir mit ihm zugleich alle Güther heimgekommen. Dieses ist der verborgene himmlische Schatz, und das köstliche Perlein, welches mit demüthiger Zuversicht, mit beständigem Fleiß, mit ruhigem Stillschweigen, auch mit Entäußerung alles äussern Nutzens, Lobes und anderer Vortheil in der Stärke des Geistes gesuchet werden muß. Was nutzet sonst einem Menschen, sonderlich einem Geistlichen, wenn er die ganze Welt gewinnet, und an seiner Seelen Schaden leidet? Sein Stand und Wandel von aussen, sein Wissen und Gebehrden im Geistlichen, kann ihn nicht seelig machen, wenn nicht Christus in ihm durch einen mit Liebe gezierten Glauben wohnet. Dahero der Herr selber spricht: Das Reich Gottes ist in euch und unter euch, welches ist Christus.