Magnus, Albertus - Das Anhangen an Gott - Das 12. Capitel.

Von der Liebe Gottes, wie kräftig sie sey.

Alle angezogene Stücke, nemlich alles was nur zur Seligkeit nöthig ist, kann nicht besser, näher, heilsamer erhalten werden, als durch die Liebe, durch welche alle Nothdurft deren zur Seligkeit ersprießlichen Güter wieder erstattet wird. Darinnen befindet sich der Ueberfluß alles Guten, es ermangelt nicht die Gegenwart der höchsten Begierde, um alles mit der Glaubens-Hand zu ergreifen. Die Liebe ist es allein, mit der wir uns zu Gott wenden, in Gott verändert werden, Gott anhangen, mit Gott uns vereinigen, damit wir begabet werden, mit seiner Gnade hier, dort aber mit seiner Herrlichkeit. Die Liebe ruhet nicht, als in dem Geliebten, welches geschiehet, wann man ihn mit völliger und friedsamer Besitzung erlanget. Die Liebe ist der Weg Gottes zu dem Menschen, und der Weg des Menschens zu Gott. Gott kann keine Wohnung haben, wo die Liebe nicht ist. Wenn wir nur die Liebe haben, so haben wir Gott, dann Gott ist die Liebe. Es ist nichts durchdringenders, nichts scharfsichtigers als die Liebe, die nicht ruhet, bis sie die ganze Natur und Kraft durchdringet im Liebhaber. Sie vereinet sich mit dem Geliebten so ganz, daß, wann es geschehen könnte, der Liebhaber mit dem Geliebten in ein Wesen verwandelt würde. Darum erduldet sie kein Mittel zwischen ihr und dem Gegenwurf, zwischen dem nemlich, den sie liebet, welcher Gott ist, sondern sie verlanget inniglich nach ihm. Derohalben ist sie nimmer ruhig, bis sie alle Dinge übersteiget, und zu ihm, ja gar in ihn anlanget. Die Liebe hat eine vereinbahrende und ähnlich machende Kraft, daß eines von den Geliebten im andern sey. Auch die süsse und annmuthige Erinnerung der Liebhabenden, die grosse Bemühung auch, wie eines dem andern zu gefallen möge alles tief und vollkommen erkennen und thun, bekräftigen dieses. Eines Gefallen, ruhet in des andern Belustigung. Eines ist mit dem andern in gleichem wollen und nicht wollen, in gleicher Freud oder Traurigkeit, als wann man alles selbst also zu geniessen und zu empfinden hätte. Die Liebe zeucht an sich, weil sie stark ist, als der Tod. Sie setzet den Liebhaber ganz ausser sich, und vereinigt ihn so mit dem Geliebten, daß sie ihm inniglich anhange. Die Seele ist vielmehr da gegenwärtig, wo sie liebet, als wo sie lebendig machet. Dann also ist die Liebe in dem Geliebten nach ihrer eigenen Natur, aber in dem, was sie lebendig macht, ist sie nur nach ihrem Vermögen, welches auch denen Thieren gemein ist. So ists dann nicht anders, was uns vom äusserlichen zu dem innerlichen, ja selbsten in die Gottheit ziehet, als die Liebe, die Begierde die Süßigkeit Gottes in Christo zu empfinden, zu kosten, und zu geniessen. Nichts ists anders, als die Kraft der Liebe, welche die Seele von der Erden zu dem höchsten Gipfel des Himmels führet. Es kann auch niemand zu Seligkeit gelangen, wo ihn nicht die Liebes-Begierde anlocket. Die Liebe selbst ist das Leben der Seelen, das hochzeitliche Kleid und ihre Vollkommenheit, darinnen Gesetz und Propheten bestehen; dann die Liebe ist des Gesetzes Fülle, das Ziel und Ende.

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