MacDuff, John Ross - Die Gedanken Gottes - Wie köstlich sind vor mir, Gott! Deine Gedanken. 7. Tag: Trost für Trauernde
„Da ich ihre Wege ansah, heilte Ich sie, und leitete sie und gab ihnen wieder Trost, und denen, die über Jene Leid trugen.“
Jes. 57,18.
Hier finden wir Gottes Gedanken an trauernde Herzen ausgesprochen. Derselbe, der vor Alters auf das geknechtete Volk Israel hernieder sah, seiner gedachte und seine Not kannte - Derselbe, der später vom Ufer des Sees Tiberias aus die Gefahr des Schiffes überwachte, in welchem Seine Jünger sich befanden, und ihnen zu Hilfe kam - Derselbe sagt zu einer jeden trauernden Seele: Ich kenne deinen Schmerz, Meine Gedanken sind bei dir. Ich habe dein Geschick geleitet, habe diesen schmerzlichen Verlust, den du erlitten, vorher bestimmt. Lass deinen Glauben nicht schwach werden in dieser dunkeln Stunde, wo dein armer menschlicher Verstand das Geheimnis Meiner Führung nicht zu ergründen vermag.
In den Worten unseres Verses ist eine herrliche Steigerung enthalten. Erst „sieht“ Gott, dann „heilt“ Er, weiter „leitet“ und „tröstet“ Er.
Er sieht. Er kennt auf das genaueste meine ganze Lage, meine Natur, meine Umstände - Er allein kann beurteilen, ob mir Trübsal notwendig ist, Seine Behandlung hat die weisesten Gründe. Er heilt. Er kommt mit dem Balsam Seiner göttlichen Tröstungen - wenn die Wogen der Trübsal das ausgerichtet haben, wozu er sie sandte, dann spricht Er: „bis hierher und nicht weiter.“ Er leitet. Er wendet sich nicht ab, nachdem Er uns geschlagen hat, und geht vorüber, er führt uns an Seiner Hand durch die Öde, leitet und versorgt den müden Pilger auf seinem schweren Weg. Er tröstet. Die Liebe einer Mutter zu ihrem Kind erweist sich nicht allein in dem Augenblick, wo es eine schwere Verletzung erhält, sondern auch in dem nachhaltigen, geduldigen, treuen Pflegen desselben, in der unermüdlichen Aufmerksamkeit. „Wie Einen seine Mutter tröstet, so will ich euch trösten,“ spricht Gott. Die Stunde eines überaus schmerzlichen Verlustes ist für manche Seele die Offenbarung des vorher ihr verborgenen oder unbekannten Gottes geworden. Wenn die Seele, wie einst Jakob, mit dem Bundesengel ringt, dann empfindet sie vielleicht zum ersten Mal, dass Er sie anrührt, dass Er ihr nahe ist, was sie vorher nur dunkel geahnt hat. Gleich ihm hinken wir vielleicht bis zu unserm Ende, aber der Ort und die Stunde dieser schweren Heimsuchung bleibt uns für immer ein Pniel, denn da haben wir Gott von Angesicht gesehen, und von dieser Stunde an pilgern wir weiter, wenn auch als die Traurigen, doch allezeit fröhlich. Lasst uns den Gedanken an diese mächtige Stütze festhalten. Die Gedanken anderer Herzen sind vergänglich - die Lieben, die vormals unsrer gedachten und mit denen wir Gedanken austauschten, deren Lippen sind vielleicht stumm geworden, die liebenden Herzen, die für uns schlugen, und uns so gern trösteten, haben aufgehört zu schlagen. Was unsrer Augen Lust war, ist von uns genommen, wir wandern im einsamen und dürren Lande. Aber - Gott lebt noch! für den Trauernden schlägt noch immer ein Herz mit Gedanken unwandelbarer Liebe. Und die Weinenden können, auch inmitten ihrer Verlassenheit und durch bittere Tränen hindurch sprechen: ich bin arm und elend, aber der Herr denkt an mich.
Gott lebet noch!
Seele, was verzagst du doch?
Sollt' Der schlummern oder schlafen,
Der das Aug' hat zugericht't?
Der die Ohren hat erschaffen,
Sollte Dieser hören nicht?
Gott ist Gott, der hört und siehet,
Wo den Seinen Weh geschiehet
Seele, so bedenke doch:
Lebt doch unser Herr Gott noch!