Luther, Martin - Der Kanzelsegen

Luther, Martin - Der Kanzelsegen

„Und der Friede Gottes, welcher höher ist, denn alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christo Jesu.“
(Philipper 4,7)

Siehe, wie ordentlich und fein St. Paulus einen Christen lehret. Zum ersten soll er durch den Glauben in Gott fröhlich sein, danach den Menschen gelinde und gütig. So er aber spräche: Wie kann ich?, antwortet er: „Der HERR ist nahe.“ Wie aber, wenn ich verfolgt würde und jedermann mich beraubte? Spricht er: Sorge nicht, bitte Gott, und laß ihn sorgen. Ja, ich werde dieweil müde und wüste? Nicht, der Friede Gottes wird dich verwahren. Davon lasset uns nun sehen.

Dieser Friede Gottes ist nicht zu verstehen von dem Frieden, damit Gott bei sich selbst stille und zufrieden ist; sondern den er uns gibt ins Herz, daß wir zufrieden sind. Gleichwie das Wort Gottes heißt, das wir aus ihm reden, hören und glauben. Es ist Gottes Gabe, darum heißet's sein Friede, auch darum, daß er mit Gott Frieden mache, ob wir bei den Menschen Unfrieden haben.

Derselbige Friede überschwebet alle Sinne, Vernunft und Verständnis. Das mußt du nicht also verstehen, daß ihn niemand fühlen noch empfinden möge; denn sollen wir mit Gott Frieden haben, so müssen wir's je fühlen im Herzen und im Gewissen. Wie könnte sonst unser Herz und Sinn bewahret werden durch ihn? Sondern also sollst du es verstehen: Wenn Trübsal und Widerwärtigkeit kommt über die, so nicht wissen mit Gbet zu Gott zu fliehen und sorgfältig sind, so fahren sie zu und suchen auch Frieden, aber nur den, den die Vernunft begreift und erlangt. Die Vernunft aber weiß von keinem Frieden, denn von dem, wenn das Übel aufhört. Dieser Friede schwebet nicht über alle Vernunft, sondern ist ihr gemäß. Darum toben und streben sie auch der Vernunft nach, bis daß sie denselbigen Frieden durch Abtun des Übels erlangen, es sei mit Gewalt oder mit List. Also wer eine Wunde hat, der versteht und sucht die Gesundheit. Aber die an Gott sich freuen, lassen sich begnügen, daß sie mit Gott Frieden haben, bleiben männlich in Trübsal, begehren nicht den Frieden, den die Vernunft stimmt, nämlich des Übels Aufhören; sondern stehen fest und warten der inwendigen Stärke durch den Glauben, fragen nichts danach, ob das Übel kurz, lang, zeitlich oder ewig sei und bleibe, denken und sorgen auch nicht, wie das Ende werden wolle, lassen Gott walten immerhin, wollen nicht wissen, wann, wie, wo und durch welchen. Darum tut ihnen auch Gott wieder die Gnade, und schafft ihrem Übel ein solch Ende, mit so großem Vorteil, daß kein Mensch hätte können denken und wünschen.

Siehe, das heißt der Friede des Kreuzes, der Friede Gottes, der Friede des Gewissens, der christliche Friede, der macht, daß der Mensch auch auswendig stille und mit jedermann zufrieden ist, und niemanden beunruhigt. Denn das begreift noch tut keine Vernunft, daß ein Mensch unter dem Kreuze Lust, unter dem Unfrieden Frieden haben. Es ist ein Gottes Werk, das niemand bekannt ist, denn dem, der es erfahren hat; davon auch droben gesagt ist, an dem andern Sonntag in der Epistel: „Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben.“ Das er da „Frieden im Glauben“,das nennt er hier „Frieden Gottes“.

So zeiget St. Paulus damit an, daß wer sich in Gott freuen und lindiglich leben will, dem wird der Teufel ein Kreuz auftreiben, daß er ihn von der Meinung ja und wende sein Hrz um. Darum müsse er dagegen gerüstet sein, daß er seinen Frieden dahin stelle, da ihn der Teufel nicht erlangen kann, nämlich in Gott, und muß nicht denken, wie er des loswerde, daß der Teufel auf ihn treibt; sondern muß ihn lassen seinen Mutwillen üben, so lange, bis Gott selbst komme und mach's ein Ende. So wird sein Herz, Sinn und Meinung bewahret und erhalten im Frieden. Denn auch die Geduld nicht möchte die Länge bestehen, wo das herz nicht über sich selbst im höheren Frieden bestünde, und ließe sich begnügen, daß es mit Gott Friede hat.

Herz und Sinn soll hier nicht verstanden werden von natürlichem Willen und Verständnis, sondern wie sie Paulus selbst deutet, Herz und Sinn in Christo Jesu, das ist, den Willen und Verstand, den man in Christo, und von Christo und unter Christo hat und führt. Das ist der Glaube und Liebe mit allem ihrem Wesen. wie der gesinnet und geneigt ist mit Herz und Sinn, zu tun Gott und dem Nächsten, was und mehr denn er kann. Solchen Sinn und Herz sucht der Teufel mit Furcht und Schrecken, Tod und allem Unglück abzuwenden, und Menschendinge aufzurichten, daß der Mensch Trost und Hilfe bei sich selbst sucht; so ist er denn schon von Gott auf seine eigene Sorge gefallen.

So ist nun diese Epistel aufs allerkürzeste ein Unterricht eines christlichen Lebens gegen Gott und die Menschen, nämlich, daß er lasse Gott ihm allerlei sein, und er sei auch also allen Menschen einerlei; daß er den Menschen ein solcher sei, welcherlei Gott ihm ist: empfange von Gott und gebe den Menschen; das ist Summa Summarum, Glaube und Liebe.

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