Lassenius, Johann - Heilige und erbauliche Passions-Andachten - Sechste Woche

Lassenius, Johann - Heilige und erbauliche Passions-Andachten - Sechste Woche

vorstellend Zweimal sieben Marterstücke, von den Feinden des Heilandes bei seinem Leiden gebraucht.

Je näher wir dem Balsambaume stehen, um so mehren und süßern Geruch empfinden wir. Je öfter und mehr wir das bittere Leiden und Sterben unsers Heilandes betrachten, desto mehr Nutzen läßt es hinter sich und erhebt unsre Sinnen zu himmlischen Betrachtungen. Es reinigt ja

l. Die Greulichkeit der Sünde.

Das Blut des Herrn Jesu macht uns rein von aller Sünde, l Joh. 1. V. 7. Wie er uns damit gewaschen hat von allen Sünden, Offenb. Joh. l. V. 5. Hier sehen wir gedämpft: die Hoffart, durch das Neigen seines allerheiligsten Hauptes; - den Neid, durch die Ausstreckung seiner Arme, damit er alle Welt geliebt hat; - den Geiz, durch die Dargebung seines Fleisches zur Speise und seines Blutes zum Tranke, des Wassers aus seiner Seite zur Abwaschung und der Kleider an seine Peiniger; - die Trägheit, durch seine Freiwilligkeit des Leidens; - den Zorn, mit der Lindigkeit seiner Antwort; - die Völlerei, durch den Genuß der Galle, und die Unlauterkeit, durch die Verwundung seiner allerheiligsten Seite. Es stärkt

2. Die Kleinmüthigkeit der Krieger.

Wir sind alle Streiter, so lange wir auf Erden leben; den Sieg haben wir allein von dem Leiden Christi, und Gott sei Dank, der uns wider Tod, Sünde, Hölle und Teufel den Sieg gegeben hat, 1 Cor. 15. V. 57. Es ermuntert

3. Die Trägheit der Christen.

Darum ermahnt Paulus Ebr. 12. V. 3: Gedenket an den, der ein solches Widersprechen von den Sündern wider sich erlitten hat, daß ihr nicht laß und matt werdet, noch ablasset in eurem Gemüthe. Es vertreibt

4. Die Gewalt des Teufels.

Der böse Geist wich von Saul, wenn David auf der Harfe spielte; der Teufel muß um destomehr weichen vor dem Leiden Christi und vor dem, der den gekreuzigten Jesus im Herzen hat: Ein Wörtlein kann ihn fällen! Es löscht aus

5. Die Neigung zur Sünde.

Wenn mich jemand an meinen Gedanken angreift, sagt Augustinus, nehme ich meine Zuflucht zu den Wunden Christi, und wenn mich das Fleisch ängstigt, stehe ich wieder auf durch die Betrachtung der Wunden meines Herrn. Wer das Bild des Gekreuzigten stets vor Augen hat, kreuzigt sein Fleisch sammt den Lüsten und Begierden, und so wird in ihm gedämpft alles Feuer der Sünden. Es erleuchtet

6. Die Blindheit des Verstandes.

Denn hier ist die rechte Augensalbe, Offenb. 3. V. 18. und lehrt uns, daß die edelste Wissenschaft bestehe in der Erkenntniß Jesu des Gekreuzigten, l Cor. 2. V. 2. Es erweckt endlich

7. Große Freudigkeit zu sterben.

Ich trage die Malzeichen des Herrn Jesu an meinem Leibe, Gal. 6. V. 17. und habe Lust abzuscheiden und bei Christo zu sein, denn er ist mein Leben und Sterben ist mein Gewinn, war die Meinung des Apostels, Phil. 2. V. 23. - Tausend anderer Früchte und Nutzbarkeiten will ich geschweigen.

Und Weil ich mich in dem Herrn zu E. L. versehe, daß ihr die Freundlichkeit des Heilandes in der Bitterkeit seines Leidens bisher kräftig empfunden haben werdet und die Frucht seines Leidens Euerm Gaumen süß gewesen sei, bitte ich in der angefangenen heiligen Fastenfeier anhaltend zu verbleiben und will dazu meines Orts ferner etwas behülflich sein, indem ich für die Frühstunden der sechsten Woche zu Eurer herzlichen Erbauung weiter darstelle die ersten

Sieben Marterstücke,

womit dem Herrn sein Leiden angethan, vergrößert und endlich sein Tod befördert worden. Ich ersuche zu betrachten

I. Die dreißig Silberlinge.

Da ging hin der Zwölfen einer, mit Namen Judas Ischarioth, zu den Hohenpriestern und sprach: Was wollt ihr mir geben, ich will ihn euch verrathen? Und sie boten ihm dreißig Silberlinge. Und von dem an suchte er Gelegenheit, daß er ihn verriethe, Matth. 26. V. 14. Als er aber sahe, daß Jesus verdammt war zum Tode, reuete es ihm und er brachte wieder die dreißig Silberlinge den Hohenpriestern und den Aeltesten, warf sie in den Tempel, hub sich davon, ging hin und erhenkte sich selbst. Aber die Hohen-Priester kauften einen Töpfers-Acker darum, zum Begräbniß der Pilger, Matth. 27 V. 3. Dreißig Silberlinge. nach dem Sekel des Heiligthums gerechnet, machen nach unsrer Münze 15 Reichsthaler. Um dieselbe Summe bezahlte man einen Knecht im Alten Testament, 2 Mos. 21. V. 31. Es wollte aber Christus verkauft werden, um seinem Vorbilde Joseph gleich zu sein, der von seinen untreuen Brüdern Aehnliches leiden mußte, 1 Mos. 37. V. 27. auf daß erfüllet würde, was von ihm geweissagt ist, Zachar. 2. V. 12: Und sie wogen dar, wie viel ich galt, dreißig Silberlinge. Wir waren alle verkauft, Böses zu thun, wie Achab, 1. Kön. 21. V. 25. darum muhte der Gerechte für uns um Geld verkauft werden, Amos 2. V. 6. Von Seiten des Verräthers Judas gab zu diesem schnöden Handel Anlaß sein Geiz, der eine Wurzel ist alles Uebels, 1 Tim. 6. V. 10. Er hatte einen Schein der Gottseligkeit, so lange er unter den Aposteln war, aber ihre Kraft hatte er verleugnet, 2 Tim. 3. V. 5. Er war ein Jünger des Herrn, aber sein Herz hing nicht an ihm. Er war ein Skorpion, in Christi Schoß ernährt; obgleich er des Herrn Brot bisher gegessen, tritt er ihn jetzt mit Füßen, Joh. !3. V. 18. So werden oft eigene Hausgenossen unsere ärgsten Feinde, Mich. 7. V. 6. Doch gefiel es also unserm liebsten Heilande, von seinem gottlosen Jünger verkauft zu werden, damit er uns gefangene Knechte erlösete, Hebr. 2. V. 15. und erfüllt bliebe, was der Apostel sagt: Ihr seid theuer erkauft, 1 Petr. 1. V. 18. 1 Cor. 1. V. 20. durch sein eigen Blut, Apost. Gesch. 20. V. 28. Es sind aber dem Judas noch heute die gleich, welche beides im geistlichen und weltlichen Stande den gerechten Jesum und seine Glieder Geizes wegen verkaufen, das Recht absprechen und um zeitlichen Gewinnes halber Gottes Ehre und ehrbare Sitten für Geld feil haben; Wider welche der Prophet eifert, Mich. 3. V. 2: Ihre Fürsten richten um Geschenk und ihre Priester lehren um Lohn. Wiewohl aber aller Sünde die Buße entgegengesetzt werden kann, steht es doch dahin, ob Gott den muthwilligen, boshaftigen Sündern, den Frevlern und allen Todsündern Zeit zur Buße und Erleuchtung des heiligen Geistes geben wolle oder werde, oder ob nicht vielmehr der gerechte Richter sie in ihres Herzens Sinn werde verstockt bleiben lassen, daß die, so ihn nicht gewollt haben, da sie gekonnt, ihn auch nicht haben können, da sie wollen. Der späten Buße darf man die Gnade nicht absprechen, es macht aber die Schrift keine gewisse Regel daraus, daß alle, so die ganze Zeit des Lebens dem Teufel sich geopfert haben, etwa in der Stunde des Todes von Gott mit beiden Armen werden umfangen werden. Die, welche heute gerufen werden zu kommen und ausbleiben, stehen morgen in Gefahr, nicht zu erhalten, was sie wollten. Den thörichten Jungfrauen wurde der Himmel verschlossen, und, ob sie gleich anklopften, dennoch nicht wieder aufgethan. Der, welchen Judas Exempel nicht bewegen kann, bei dem ist alles Rufen des heiligen Geistes verloren. Der handelt am sichersten, welcher alle Tage seine Seligkeit schafft mit Furcht und Zittern. Den Töpfersacker anlangend, welchen die Hohenpriester für das Blutgeld kauften und welcher vor dem Töpfersthore zu Jerusalem gelegen war, von woher er auch seinen Namen haben soll: so haben damit die Hohenpriester ihre Sache nicht verbessert und so wenig Heiligthums damit gemacht, obwohl sie mit diesem Mordgelde ein sogenanntes heiliges Werk der Barmherzigkeit gestiftet, wie jene, welche die Schuhe den Armen umsonst gegeben, das Geld dazu aber von Andern gestohlen haben. Werke der Barmherzigkeit sollen aus unserm eignen Vermögen gestiftet und Kirchen und Schulen von gerechtem und wohlerworbenem Gelde erbaut werden. Die anders thun, opfern ein unheiliges Opfer und verdienen für ihrer Hände Werk geringen Dank. Betet:

O grausame Gottlosigkeit! O betrügerische Schalkheit! die Kreatur verkauft ihren Schöpfer, der Jünger seinen Meister, der Knecht den Herrn, der Hausgenosse seinen Freund. Ach allerliebreichster HERR JESU! laß mich jenem schändlichen Menschen nimmer gleich werden, dich, meinen Erlöser und Seligmacher, um zeitlicher Dinge willen muthwillig. wissentlich und wider besseres Gewissen zu verkaufen. Zeuch mein Herz zuvörderst ab von allem Geiz, Eigensinn und aller Liebe zur Welt und ihrer Eitelkeit, und laß den Teufel meine Gedanken nimmer so weit einnehmen, daß ich den Himmel geringer achte als die Erde und mein zeitliches Vergnügen höher als das Genügen, das ich an dir habe. Ach HERR JESU! erleuchte meine Augen, daß ich der Welt und alles weltlichen und fleischlichen Wesens Vergänglichkeit wohl betrachte, stets an den Himmel und meine letzte Rechenschaft gedenke und mich nimmer zum Bösen halte, auf daß ich nicht mit seinem Fürsten zur ewigen Verdammniß fahren müsse. Du bist mein Heiland, für mich verkauft und du hast mich dir zum Eigenthum erkauft. So hilf mir, mein theuerster Erlöser, daß ich, als dein so theuer erkauftes Kind, dir allein lebe und sterbe. Denn von dir allein habe ich mein zeitliches und geistliches Leben, ich vertraue dir allein. zu dir allein steht alle meine Zuflucht und du bist mein Alles in Allem. Laß mich all' mein Thun und Wandeln nach deinem Willen und zu deinen Ehren richten und dir in Heiligkeit und Gerechtigkeit allezeit also dienen, daß es dir gefällig sei. Ich sterbe dir in lebendigem Glauben, in fröhlicher Hoffnung des ewigen Lebens, in andächtigem Gebet und in herzlichem Verlangen nach dir, auch in willigem Gehorsam gegen dich. So werde ich nicht sterben, wenn ich sterbe, sondern durch den Tod in das ewige Leben eingehen. Amen.

II. Die Stricke und Bande

Die Schar aber und der Oberhauptmann und die Diener der Juden nahmen Jesum und banden ihn, Joh. 18. V. 12. und also gebunden ward er zu Caiphas geführt, zu Herodes und wieder zu Pilatus, Matth. 27. 35. 2, auch dergestalt zum Kreuze auf Golgatha gebracht; höchst unnöthiger Weise, weil er als ein geduldiges Lamm zu dieser Schlachtbank sich willig eingestellt, Jes. 53. V. 7. Ihrem Grimme aber ein Genüge zu thun, warfen sie den Herrn am Oelberge zu Boden, banden ihm die Hände auf den Rücken und geberdeten sich mit ihm aufs Allergrausamste. Das hatte ihnen Judas eingegeben: Welchen ich küsse, den bindet und haltet ihn fest. Und es war die Gewohnheit der Römer, die des Todes Schuldigen so grausam zu binden, zum Angeld ihres künftigen Leidens. So wollte auch der Herr dergestalt gebunden werden, weil Adam im Paradiese einen Raub begangen, als er von dem verbotenen Baume gegessen hatte und deswegen das ganze menschliche Geschlecht in Ketten und Banden gehalten ward. Es sei nun, daß der Herr gebunden worden mit Stricken um die Hände, mit einer eisernen Kette um den Hals und einem Seile um die Lenden, wie einige der Kirchenväter sagen, dies kann sicherlich geglaubt werden, daß dieser Pöbel nichts wird unterlassen haben, woraus dem Erlöser sowohl Schimpf als Schmerzen haben erwachsen können. So wollte dieser Weinstock gebunden werden, daß er die Reben, die Glieder seines Leibes, erhielte und von dem ewigen Verderben befreite. Nun hat er die Bande unsrer Sünde aufgelöst und mit dem Bande der Liebe uns ihm verknüpft, und er ist geworden das rothe Seil, welches Rahab geknüpft hatte ans Fenster zum Zeichen ihrer Erhaltung, Joh. 2. V. 21. Um dieser Bande willen können wir getrost mit Paulo sagen, Röm. 8: Wer will uns scheiden von der Liebe Jesu Christi? Und wir sind schuldig, alle unsere Glieder mit dem Seile der Gebote Gottes also zu binden, daß sie nimmer aufgelöst werden, etwas wider die Gebote und den Willen Gottes muthwillig zu verrichten. So werden Christus und wir eins bleiben. Betet:

Süßester HERR JESU! ich sehe mit den Augen meines Gemüths dich mit harten Banden gebunden wie einen Mörder. Ich erschrecke über dies Seil, erkenne aber, daß du mit den Banden der Liebe dein Herz an mich gefesselt und meinetwegen ein Gefangener und Gebundener geworden bist, damit ich nicht ewig in Banden der Hölle und Verdammniß sein dürfte. Ach ja, HERR! löse durch deine Bande auf die Bande meiner Sünden und verbinde mich dir mit den Banden deiner Liebe und mit den Seilen deiner Gebote, daß die Glieder meines Leibes und die Kräfte meiner Seele niemals aufgelöst werden zu dem, was deinem göttlichen Willen zuwider ist. Du hast durch deine Bande mich erlöst, der ich aus Furcht des Todes und der Hölle ewig hätte ein Gefangener sein müssen. Zeuch mit dieser Bande mich nach dir, daß ich den Weg des Gehorsams und der Liebe beständig laufe, keine Last des Kreuzes oder der Trübsal achte, auch vor allen Dingen mich nicht mehr in die Stricke und Banden der Sünde bringen lasse. Liebster JESU! du hast meine Bande zerrissen, darum will ich dir Dank opfern und deinen Namen predigen allezeit, auch meine Gelübde dir bezahlen vor allem Volk. Hilf, HERR! daß ich mich der Welt nimmer gleich stelle, allezeit aber mich erneuere durch Verneuerung meines Sinnes; daß ich den Rock der Sünden welchen ich einmal ausgezogen, nicht wieder anziehe, noch weniger mich wiederum der Sünde verbinde, die du mit so vielen Banden schmerzlich gelöst hast. Laß mich auch bereit sein, für die Ehre deines Namens mich willig binden zu lassen, daß ich mit dir, mein König, dermaleinst die Krone der Gerechtigkeit und des ewigen Lebens ererbe. Amen.

III. Die Schwerter und Stangen.

Jesus aber sprach zu den Hohenpriestern und Hauptleuten des Tempels und den Aeltesten, die über ihn gekommen waren: Ihr seid als zu einem Mörder mit Schwertern und Stangen ausgegangen, Luc. 22. V. 52. Matth. 26. V. 42. Der Herr gebot dem Petro, das Schwert in die Scheide zu stecken, und ließ es zu, daß seiner Feinde Schwert ihm die Freiheit nahm und ihn zu einem gefangenen Knechte machte. Der, welcher kurz zuvor die ganze Mannschaft mit einem Worte zu Boden geworfen, verbietet jetzt den Schwertern seiner Gegner, daß sie thun, wozu sie gesandt waren. Adam und Eva waren durch ein bloßes hauendes Schwert des Engels von dem Paradiese vertrieben worden, 1 Mos. 3. V. 24. darum wollte der andere Adam, Christus, mit Schwertern und Stangen gefangen werden, daß er ihren Kindern die Freiheit erwürbe. Womit jene gestraft worden waren, damit wollte der Herr ihre Sünde, die er jetzt trug, auch abstrafen lassen. Er war kein Mörder und ertrug doch die mörderischen Waffen über sich, daß erfüllet würde, was Ps. 37. V. 14. steht: Errette meine Seele vom Schwert! Es wäre ihm leicht gewesen. diese Schwerter und Stangen zu zerbrechen, Ps. 76. V. 4. weil aber die Zeit da war, daß er in die Hände seiner Mörder gegeben werde, ließ er der Zeit und ihrer Bosheit ungehinderten Lauf, doch strafte er deren Thorheit, die ein Lamm zu fangen Schwerter und Stangen gebrauchten und sonder Gefahr das Herz nicht hatten, einen Unbewehrten anzugreifen und das zahme Wild, das in ihre Hände lief, ohne Eisen und Stahl zu nehmen. Hätte die Allmacht des Herrn sich hier äußern wollen, es wäre diesem Löwen vom Stamme Juda ein Geringes gewesen, jene ohnmächtige Macht zu brechen. Er erwies aber mit eignem Beispiel, daß Gewalt abzuhalten unerlaubt sein kann, wie etwa zur Zeit, wenn Gottes Kirche der Gewalt ihrer Feinde von Gott zur Strafe übergeben ist. Gute Obrigkeit trägt das Schwert zum Schutze der Unterthanen, und dann muß sie geehrt werden; braucht sie es zu ihrer Unterdrückung, so ist es nirgends den Unterthanen vergönnt, sich wider sie aufzulehnen; sie sündigt wider Gott allein und ist seiner Rache auch allein unterworfen. Die unter ihr stehen, sind beauftragt, sowohl der guten Obrigkeit als der wunderlichen zu gehorchen. Wir müssen nicht allemal thun, was wir können und wollen, sondern was wir dem göttlichen Gesetze nach sollen. Dieses gebeut den Unterthanen Gehorsam gegen die Obern bei Wohl- oder Uebelthun, und das des Herrn wegen. So war es auch nicht der Macht der Schwerter zuzuschreiben, daß Jesus sich gefangen nehmen ließ, sondern seiner eignen Willigkeit. Die Tyrannen könnten mit Minderm ihr Werk erreichen, wenn die Kinder des Himmels sich versündigt haben; Gott gibt sie in ihre Hände. Geschieht dies aber auch noch heute, so ist es um so mehr unsre Pflicht, geduldig zu tragen, je mehr der unschuldige Christus sich selbst also behandeln läßt. Wenn die Stunde der Welt kommt, die Gott ihr zuläßt, und die Macht der Finsterniß, so ist die beste Gegenwehr Geduld und Gebet. Wenn das böse Stündlein vorüber ist, wird's besser werden, wo nicht auf Erden, gewiß im Himmel. Betet:

HERR JESU, du Sohn des lebendigen Gottes! du gibst der ganzen Welt das Leben und wurdest doch als ein Mörder gestraft; du kamst den ewigen Tod aufzuheben, und wurdest als ein Todtschläger getödtet. Dein gnädiger Wille war, alle Menschen in Freiheit zu setzen, und sie stürmten gegen dich mit Schwertern und mit Stangen. Es gefiel dir also, mein Heiland, deinen Feinden dich zu übergeben, und was sie thaten, zu dulden. Ach HERR! erwecke auch meinen Geist zu schuldigem Gehorsam gegen dich, daß ich alle meine Sünde unter deinen Dienst gefangen nehme und zu deinem Gehorsam. Laß mich nicht sehen auf die Schmach der Welt, die ich als Schuldiger vielleicht auch leiden muß, um deiner Unschuld willen, darin du alles für mich so gutwillig erlitten hast, wie auch die Welt mich nennen, was sie von mir halten und wie sie mit mir umgehen möchte. Laß mich alles, um deiner Liebe willen zu mir, wenig achten, weil ich versichert bin, daß ich deswegen von dir nicht werde verschmäht werden. Sollten der Gottlosen Schwerter und Stangen über mich kommen, so komme du mir zu Hilfe wider ihr Wüthen und gib mir ein beständiges Herz in allem Leiden, dir zu folgen, wohin ich gehen soll, und es für eine Ehre zu achten, wenn ich also deinem Ebenbilde gleich werden soll. Ich will mich keiner Scharfe der Schwerter noch der Zungen entziehen, denn du, mein Heiland, wirst mich kräftig machen in allem Leide, und die von dir überstandene Angst und Gefangenschaft wird mich zur ewigen Freiheit bringen. Weil du als ein Mörder geachtet wurdest, wird der höllische Mörder an mir keine Macht finden. Und wiewohl von Adam der Tod auf mich gekommen ist und der Seelenmord im Paradiese seinen Anfang genommen hat, so kommt doch nun das Leben meiner Seele von dir und nimmt seinen Anfang am Oelberge. Laß mich ein Erbe werden des ewigen Lebens in deinem himmlischen Zion, o du König der Ehren, JESU! So lebe ich dir und werde, anstatt der wohlverdienten Racheschwerter, die Palmen des ewigen Friedens in deinem Reiche genießen. Das hilf mir, o mein HERR und Heiland! Amen.

IV. Die Säule.

Da nahm Malus Jesum und geißelte ihn. Ob er selbst nach der Römer Art den Anfang damit gemacht hat. will ich dahin gestellt sein lassen, das aber kann als gewiß bejaht werden, der Wunden, die der allerheiligste Heiland bei dieser Geißelung empfangen hat, werden viele gewesen sein. Eine Schar bestand bei den Römern aus hundert Mann und mehr, und man darf nicht zweifeln, daß ein jeder sein Müthlein hier werde haben kühlen wollen. Es standen hier die Hunde, Ps. 22. um die frühgejagte Hindin und haben ein jeder ihr Bestes gethan, daß dem Heilande an Schmerzen, Schande und Schmach nichts abginge. Paulus empfand das Seinige von den Römern. dem Meister selbst wird man das verdoppelt haben, so daß von der Fußsohle bis auf den Scheitel nichts Gesundes an ihm erfunden worden, Jes. 1. V. 6. Denn er hatte seinen Leib den Schlagenden dargeboten und seine Wangen seinen Feinden, Jes. 12. V. 6. Klägliches Schauspiel! Der von seinem himmlischen Vater so hochgeliebte Sohn, an dem seine Seele Wohlgefallen hatte, Matth. 12. V. 18. in dem niemals etwas Böses erfunden worden, 1 Petr. 2. V. 22. der Sohn des Allerhöchsten, Luc. 2. V. 32. der Schönste unter allen Menschenkindern, Ps. 45. V. 3. steht hier an eine Säule gebunden, nackt und bloß, zu jedermanns, insonderheit der ruchlosen und spöttischen Kriegsknechte Gelächter, Spott und Verachtung. Der, vor dem die Engel ihr Angesicht verhüllen, steht an seinem ganzen allerheiligsten Leibe aufgedeckt, an eine Schandsäule gebunden und also scheußlich zerschlagen, daß er hat alle seine Gebeine zählen können, Ps. 22. V. 18. Die Juden warfen ihre zur Stäupung verdammten Uebelthäter auf die Erde, 5 Mos. 25. V. 2. die Romer aber banden sie an eine Säule, die ihnen bis an die Kniee reichte, damit der ganze Leib den Streichen und Schlägen ausgesetzt sei. Die Sulamithin rühmt von ihrem Sulamith, Hoheslied Salom. 5. V. 10: Mein Freund ist weiß und roth. Das ward hier augenscheinlich erfüllt, der allerheiligste göttliche Leib mußte von diesen Bösewichtern blutig geschlagen werden, er mußte entblößt werden, damit die Schmach Adams, Evas und ihrer Kinder aufgehoben würde, 1 Mos. 3. V. 7. Der theuerste Heiland mußte mit seiner Blöße unsre Schande decken. Und weil der Knecht, der seines Herrn Willen weiß mit doppelten Schlägen gestraft werden muß, wenn er ihn übertritt, Luc. 12. V. 47. so mußte der ehrwürdige Seligmacher so viele Schläge leiden, auf daß, woran jene gesündigt, daran dieser bezahlte, als ein gerechter und gerecht machender Knecht Gottes. Weil Adam mit seinem Weibe am Holze der bösen Lust sich versündigt, mußte auch der Anfang des Leidens des gütigsten Heiland am Holze geschehen, bis das Ende daran die völlige Erlösung brächte. Betet:

O JESU, meine Liebe! ich kann unmöglich begreifen die Größe deiner Güte, wie viel weniger ausreden die Höhe deiner Barmherzigkeit. Dieses Meer kann ich nicht ergründen, darum werfe ich mich mit allem meinen Gemüthe, meiner Seele, meinen Sinnen und meinem Nachdenken in das Meer deiner unendlichen Gnade und den Fluß deiner himmlischen mir unbegreiflichen Liebe und danke dir von Herzen, daß es dir gefallen, so viele Brünnlein der Liebe an deinem allerheiligsten Leibe zu meiner armen Seele Trost und Heil dir öffnen zu lassen und so manchen Geißel' streich um meinetwillen zu erdulden. Ach', HERR JESU, ich verlangte nur ein Tröpflein deines Blutes, und du gabest mir ein ganzes Meer; ein Brosamlein wünsche ich nur, und du speisest mich mit einem ganzen Himmel voll Manna! Was mir genug thun konnte, war nicht genug deiner Liebe! O du heiliges Gottes Kind, deine Liebe zu den elenden Kindern Adams und Evas war so brünstig, daß sie aus allen Adern deines heiligen Leibes nicht allein reichlich quellen, sondern grausam daraus wollte geschlagen werden, so daß, was dein Herz wünschte, dein Leib empfand und das Lösegeld für die Welt dir sauer ankam, damit du durch diese bittern Schmerzen deine süße Liebe in unsere Herzen flößtest. Allerheiligster Heiland! jetzt stoß das Blut überall aus deinem Leibe, daß die todten Weltkinder das Leben wieder empfingen. Hier wurde nicht allein das Haupt, sondern der ganze Leib verwundet, nicht ein, sondern alle Glieder, daß wie viele Blutstropfen hier auf die verfluchte Erde fielen, so unendliche Barmherzigkeit dieselbe empfinge und von diesem heiligen Blute wieder gesegnet würde. Es mußten sich wohl die Gräber hernach aufthun und ihre Todten hervor geben, weil die Erde durch das lebendige Blut aufgelöst, geöffnet und gezwungen wurde, wieder zu geben dazumal und nicht zu behalten künftig die, welche sie in ihren Schlafkammern eine kleine Zeitlang aufbehalten mag. Du bist, o JESU, der Fels unsers Heils, der Berg unsrer Hoffnung, das Holz des Lebens. Nun wurdest du ein Stein, den die Bauleute verwarfen, darum brachten sie dich an die Säule der Uebelthäter, daß durch dich das Ueble abgethan würde, so alle Menschen, die je gelebt, gethan haben, und die noch künftig leben können, thun werden. Man band dich fest, daß der ewige Tod durch dich gefangen genommen, die Sünde und der Teufel gebunden und die Macht genommen würde dem, der des Todes Macht hatte. Nun liegt die Strafe auf dir, daß wir Friede hätten, und durch deine Wunden sind wir heil worden. Nimm mich an zur Säule deines allerheiligsten Leibes, o JESU! daß ich an dich gebunden mit dir im ewigen Leben erfunden werde, ein Glied an deinem Leibe. Würdige mich, mein Heiland, so es dir gefällt, der Bande deiner allerheiligsten Hände und Füße, auf daß ich einst ähnlich werde deinem glorwürdigsten Leibe. Aufs Wenigste gib mir gnädiglich, daß. wie du in dem Richthofe zu Jerusalem zur Schande an die Säule gebunden warst, ich an dir mich fest halte als an meine Säule in allem Leide des Lebens und aller Angst des Todes. So werde ich nimmer fallen, ob ich gleich wanke: und wer wird mich zur Erde werfen können, so du, meine Säule, mich hältst? Ich halte dich denn und lasse dich nimmer, mein Leben; verlaß auch du mich nicht, meines Herzens Freude! Du sollst meine Säule sein, worauf ich mich lehne; deine Bande sind meine Freiheit geworden, deine Schande meine Ehre und dein allerheiligstes Blut mein höchstes Gut. Ich verbinde mich mit dir im Glauben, wie es dir gefallen hat, dich mit mir zu verloben in Gerechtigkeit und Gericht. Setze mich, meine Lebens- und Hoffnungssäule, wie ein Siegel auf dein Herz und bleibe auch deiner Kirche auf Erden beständige und feste Säule wider alle Pforten der Hölle. Du hast durch dein Blut dich ihr zu eigen gegeben und sie erlöst, auch dich ihr verbunden. Sollte sie bundbrüchig werden, so erbarme dich ihrer Schwachheit und gedenke an deine Allmacht, daß du das irrende Schaf wieder zurecht bringest und das gefallene wieder aufrichtest.

Du bist darum an die irdische Säule gebunden worden, daß du ein Gedächtniß uns hinterließest. Du himmlischer Bräutigam und Schöpfer aller Dinge wollest dein zerbrechliches Gefäß und das zerbrechliche Werk deiner Hände nicht verwerfen, das irdische himmlisch machen, das glimmende Docht nicht auslöschen und insonderheit deine Kraft in unsrer Schwachheit mächtig sein lassen. Bleibe das unser JESU! so leiden wir geduldig und lieben dich beständig; denn in deiner Kraft vermögen wir alles. Amen.

V. Die Dornenkrone.

Sie flochten eine Dornenkrone und setzten sie auf sein Haupt, Matth. 27. V. 29. Marc. 15. V. 17. Joh. 19. V. 2. Adam wollte Gott gleich und ein König sein, seinetwegen wurde die Erde verflucht, daß sie sollte Disteln und Dornen tragen, 1 Mos. 3. V. 18. die Erde aber, welche Disteln und Dornen trägt, ist untüchtig und dem Fluche nahe, welche man zuletzt verbrennet, Hebr. 6. V. 8. Daß dieser Fluch in einen Segen verwandelt und Adams Kinder nicht ewig verflucht würden, büßte der Heiland die Schuld durch eine gekrönte Schmach. Denn eine solche war die Krönung, deshalb dem Heiland angethan, daß man fälschlich vorgab, er hätte sich selbst zum Könige gemacht, obwohl er ausdrücklich dagegen gelehrt: sein Reich wäre nicht von dieser Welt, auch seinen Jüngern verboten hatte, nach weltlicher Herrschaft zu trachten. Dessen ungeachtet verdrehte man seine Worte und, um dem Pilato im Namen des Römischen Kaisers einen Dienst zu thun, stellten die Kriegsknechte Jesum zum Schimpf als einen König vor, als einen armen und verächtlichen König, der mit einer Krone von Dornen gekrönt zu werden verdiene. So wurde dieses unschuldige Haupt mit den allergrausamsten und empfindlichsten Schmerzen der Welt gekrönt und sein allerheiligstes Haupt mit spitzigen Dornen von einem Kreuzdornenstrauche so durchstochen und durchbohrt, daß seine Wangen davon gepurpurt, blutig und zugleich so entstellt wurden, daß ihn kein Mensch vor Blut und Wunden erkennen konnte.

Was aber auch seine Feinde thun konnten, sie vermochten doch nicht, ihm die Ehre zu nehmen, noch weniger den Titel, welchen seine Gottheit verdiente, und der seiner Menschheit durch die persönliche Vereinigung mitgetheilt war. Seines Königreichs ist dennoch kein Ende, Luc. 1. V. 33. und seine Gewalt vergeht nicht, Dan. 7. V. 14. Er war und ist dennoch ein König aller Könige und ein hochgelobter Gott in Ewigkeit. Seine Widersacher konnten ihm wohl Schmach anthun, aber seine Ehre nicht rauben, denn sein Vater hat ihn gekrönet durch Leiden mit Preis und Ehre. Hebr. 2. V. ?.

Im Dornbusch erschien einst der Allmächtige dem Mose, 2 Mos. 3. V. 2. Hier erschien das Heil der ganzen Welt, Jesus, mit Dornen gekrönet, als ein König allen Menschen, sie zu erlösen von den Dornen der ewigen Pein. Wir sollten alle wie Wurzeln in das ewige Feuer geworfen und wie die Dornen verbrannt werden. Jes. 33. V. 12. Darum war es allerdings nöthig. daß der Herr der Herrlichkeit erschien und was Adam und seine Nachkommen in Hoffart gesündigt, durch Demuth büßte, und daß, damit die angemaßte Herrschaft jene nicht zu ewigen Knechten machte, der ein Knecht würde, dessen Herrschaft ist ohne Ende.

Sehet hier Abrahams Widder in des Dornbusches Hecken, 1 Mos. 22. V. 13. Gehet nun heraus und schauet an, ihr Töchter Zion, den König Salomon in der Krone, damit ihn seine Mutter gekrönet am Tage seiner Hochzeit und am Tage der Freude seines Herzens, Hohes!. Salom. 3. V. 12. Schauet doch und sehet, ob irgend ein Schmerz sei wie sein Schmerz, der ihn getroffen hat; denn der Herr hat ihn voll Jammers gemacht am Tage seines grimmigen Zorns, Klagl. Jerem. 1 V. 12. Nun trug er fürwahr unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen. Aber er ist um unsrer Missethat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen; die Strafe liegt auf ihm, auf daß wir Friede hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilet, Jes. 53. V. 4. 5. Er klagte wohl, Ps. 69. V. 21: Die Schmach bricht mir mein Herz und kränkt mich; ich warte, ob es jemand jammerte, aber da ist niemand, auf Tröster, aber ich finde keine. David rächte wohl durch Joab die Schmach, welche seinen Knechten durch Hamon den Ammoniter angethan worden war, 2 Sam. 10. V. 4. aber der Herr des Heilandes sah diesem Trauerspiele stillschweigend zu, denn es war im Rathe des Himmels also beschlossen, daß der Herr leiden und auch diese Verhöhnung dulden sollte.

Die Priester Jupiters brachten Ochsen und Kränze vor das Thor und wollten opfern sammt dem Volke, Apost. Gesch. 14. V. 13. Solche Weise hielten die Heiden bei ihren Opfern. Jesus war gekommen, sich aufzuopfern für die ganze Welt als der ewige Hohepriester, Gott zu einem süßen Geruche. Darum wollte er gekrönt werden als ein Opfer für die Heiden, und seine Feinde mußten mit dieser Krönung auch wider Willen der ganzen Welt das Amt, dazu er in die Welt gekommen war, verkündigen.

So wurde auch ehedem die Braut bekränzt und der Bräutigam; der Heiland hat sich verlobt mit uns in Ewigkeit und vertrauet in Gerechtigkeit und Gericht, in Gnade und Barmherzigkeit, Hos. 2. V. 19. Nun ruft er seiner Braut, der gläubigen Seele zu: Thue mir auf, liebe Freundin, meine Schwester, meine Taube, meine Fromme, denn mein Haupt ist voll Thaues und meine Locken sind voll Nachttropfen, Hohesl. Salom. 5. V. 2.

Wie es dem Herrn ergangen, so müssen es auch die Knechte erwarten. Sie haben den Hausvater Beelzebub geheißen, Matth. 10. V. 25, so werden sie seine Diener nicht anders ehren. Wir sind dazu gesetzt, daß wir Trübsal haben müssen, 1 Thessal. 3. V. 1. Wen es nun träfe, der muß Geduld haben um Christi willen: Niemand wird gekrönet, er kämpfe denn recht, 2 Tim. 2. V. 5. Aller Leidenskrone auf Erden folgt die Gnadenkrone im Himmel. Die wir mit Christo leiden, werden auch mit ihm dermaleinst zur ewigen Herrlichkeit erhöhet werden, wo uns eine schöne Krone bereitet ist. V. d. Weish. 5. V. 15., denn dieser Zeit Leiden ist nicht werth der Herrlichkeit, die an jenem Tage soll an uns offenbaret werden, Röm. 6. V. 18. wenn der unverwelkliche Kranz der Ehren uns erwartet 1 Petr. 5. V. 4. die Krone des ewigen Lebens, Offenb. 2'. V. 10. die wir haben durch den Glauben an ihn, Joh. 3 V. 16. Die Krone dieser Welt währet nicht für und für^ Sprüchw. 24. 35. 27. darum lassen wir Andere sich immer freuen im Leben. Wir gehen traurig unter den Dornen mancher Angst, des Spott und der Trübsal, auch der Verfolgung der Welt einher und erwarten das Bessere im Himmel, wo wir gleich werden sollen dem Ebenbilde Christi, Hebr. 13. V. 13. und gekrönt mit Gnade und Barmherzigkeit Psal. 103. V. 4. Betet:

HERR JESU! Du König der Ehren in der ewigen Herrlichkeit und immerdar anzubeten und zu verehren in der Sterblichkeit, deine Majestät war würdig zu nehmen von den Menschen und Engeln Ehre und Anbetung. Und man begegnet dir überall mit Schimpf und Spott; dein allerheiligstes Haupt, das kronenfähig und werth war aller himmlischen Herrlichkeit, mußte in der Zeit sich so spöttisch mißhandeln lassen! Doch, weil durch diesen deinen Spott ich auf den Weg der Ehren kommen soll und durch jene schmerzliche Krönung die Krone des ewigen Lebens mir aufgesetzt werden: wie kann ich dir des genugsam danken! O du mehr als geduldiges Gottes-Lamm, es ist alles zu wenig, was ich zu thun vermag, gegen das überschwängliche. was du gethan und erlitten hast! Meine Sünden gingen über mein Haupt und waren, wie eine schwere Last, mir viel zu schwer geworden. Ich war voller Schmach und Schande, und hätte so ewig bleiben müssen. Es gefiel aber deiner unaussprechlichen Liebe, von dem Haupte anfangend mich zu heilen; und darum ließest du dein heiliges Haupt mit Dornen krönen, daß ich die Krone der himmlischen Freuden durch dich erben konnte. Ich, mein Heiland, war durch Adam, meinen Vater, entsetzt der Erbschaft des ewigen Lebens; und diese mir wiederum zu bringen, hast du, mein himmlischer Bruder, dich nicht entzogen, das Hauptwerk meiner Seligkeit an deinem allerwerthesten Haupte zu vollziehen. Ach! daß ich die spitzigen Dornen der Sünde hinfort so meiden könnte, wie ich wollte, auf daß dein liebreiches Haupt nicht Schmerzen meiner Untugend halber empfinde. Zerstich meine Seele mit viel tausend Dornen deiner Liebe, daß. was irdisch darin ist, vergehe, und alles Himmlische hinein. Du bist um meinetwillen so blutrünstig gekrönt worden: hilf mir, mein Heiland, daß ich meinen ganzen Leib, von dem Haupt an bis zu den Füßen, dir zu Ehren und mir zum Besten kreuzige sammt allen Lüsten und Begierden. Hilf mir auch mich selbst überwinden, die Welt zu verachten und alle Eitelkeit zu verfluchen, nach ihren Rosen nicht verlangen und ihre Dornen nicht fürchten, das aber immer fliehen, was zu tilgen du so willig dich in alle Schmach gegeben hast, um mir dadurch ewige Ehre zu erwerben. Gekrönter Heiland, kröne mich mit Gnade und Barmherzigkeit, wenn ich sterbe, und laß deine Dornenkrone ihr Gedächtniß bei mir nimmer verlieren, daß ich dich als einen König ehre, als einen Bräutigam liebe, als mein Opfer anbete und als meinen Erlöser küsse, weil ich noch mit dir auf dem Wege bin. Deine Dornenkrone müsse mein Trost sein in meiner letzten Stunde, daß ich einem Könige zugehöre, der Tod, Teufel, Sünde und Hölle für mich zu Schanden gemacht und durch seinen Spott mir die königliche Würde im Himmel erworben hat, da wir alle Könige und Priester unter ihm sein werden. HERR JESU! deine Kirche ist eine Rose unter den Dornen, du aber herrschest mitten unter deinen Feinden. Laß deine Dornenkrone stehen über alle goldnen Machtkronen der Welt und deine Rosen unter ihnen nicht verwelken. Wir wollen mit dir Rosen und Dornen Heilen und alles leiden, was wir sollen. Laß uns nur Theil haben an deinem Leibe, im Leben, Lieben, Leiden und Sterben, und also dir dienen unter den Dornen dieser Welt, daß wir ihr nimmer gleich werden, allezeit aber einen Geruch behalten, dir angenehm; und wenn wir auf Erden nimmer blühen sollen, so versetze uns ins Land der Lebendigen, dir zu Ehren und uns zur ewigen Freude, Amen.

VI. Der Purpur-Mantel.

Sie zogen ihm sein Kleid aus und legten ihm einen Purpur-Mantel an, Matth. 27. V. 18. Marc. 15. V. 15. Joh. 19. V. 2. Josua hatte unreine Kleider an und stand vor dem Engel, welcher antwortete und sprach zu denen, die vor ihm standen: Thut die unreinen Kleider von ihm! Und er sprach zu ihm: Siehe, ich habe deine Sünde von dir genommen und habe dich mit Feierkleidern angezogen. Zach. 3. V. 3. Wir hatten im Paradiese durch Adam das Kleid des Ebenbildes Gottes verloren, darum mußte und wollte Christus mit einem spöttischen Purpurmantel sich bekleiden lassen, daß durch diesen Spott unsere Ehre und durch dieses verachtete Kleid die Kleider des Heils uns wieder angelegt würden. Er wollte sein Kleid mit Blut besprengen, Offenb. 17. V. 13. daß er uns in weiße Seide kleiden könnte. lieber den goldnen Altar des Tempels im Alten Testament mußte eine Scharlachdecke gebreitet werden, 4 Mos. 4. V. 12. Christus war von seinem Vater vorgestellt zum Gnadenstuhl durch den Glauben in seinem Blut, Röm. 3. V. 25. darum wollte er mit einem Purpurmantel bedeckt werden, weil er von Gott uns gemacht ist zur Heiligung und zur Erlösung, 1 Cor. 1. V. 30. daß unsere Kleider der Finsternis) in seinem Blute helle würden, Offenb. ?. V. 14. Es gefiel ihm, solchen Mantel zu tragen, auf daß wir durch ihn angethan würden mit Kleidern des Heils und mit dem Rocke der Gerechtigkeit gekleidet, wie ein Bräutigam mit priesterlichem Schmuck geziert und Wie eine Braut mit ihrem Geschmeide beladen, Jes. 61. V. 10. Sein Kleid ist das hochzeitliche Kleid, in welchem wir vor Gott treten und erscheinen können, Matth. 22. V. 12. Wir werden unser Seelenheil sehr klüglich befördern, wenn wir von Christo weiße Kleider kaufen, damit unsere Schande und Blöße nicht offenbar werde, Offenb 3. V. 18.

In diesem Purpurmantel wurde der Heiland dem Volke vorgestellt, mit den Worten: Sehet, welch ein Mensch ist das! Es war nothwendig, daß er Allen zuriefe: Kommet her zu mir alle! und daß der öffentlich gesehen würde in seinem königlichen Schmucke, der Jerusalem kurz zuvor zugerufen hatte: Ich habe euch versammeln wollen, wie eine Henne versammelt ihre Küchlein unter ihre Flügel. Sehet, welch ein Mensch! durch welchen alle Dinge gemacht sind und ohne welchen nichts gemacht ist. Ein Mensch, ohne welchen wir alle sterben, und durch welchen wir alle selig werden, der über allem Anfang ein ewiger Gott ist. Ein Mensch, dem gegeben ist alle Gewalt im Himmel und auf Erden; ein Mensch, in dem wir leben, uns bewegen und das Wesen haben, aus welchem alles, durch welchen alles und in welchem alles ist; ein Mensch, der Engel Anbetung würdig, welchem unterthan zu sein die höchste Ehre ist, dienen die höchste Würdigkeit, gehorsamen die höchste Freiheit, lieben die wahre Glückseligkeit. Ein Mensch, in dem verschlossen liegen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntniß; ein Mensch, in dem die Menschen alle Güter der Erde und des Himmels besitzen. Unter diesem spöttischen Purpurmantel ist Raum für alle Bußfertige, Erquickung für alle Trostlosen, Schuh für die im Leben Beleidigten, Platz für die im Sterben Bekümmerten. In des Vaters Hause im Himmel sind viele Wohnungen, die werden beziehen alle, welche auf Erden unter dieses Purpurmantels Zeichen gewohnt haben. Betet:

Süßester HERR JESU! Ich bin nackt vom Mutterleibe gekommen, werde auch nackt wieder dahin fahren, und meine Schande würde ewig gewesen sein, wenn du meinen Vater Adam und mich nicht gerufen und mit den Kleidern der Unschuld bedeckt hättest. Ja, HERR JESU, du selbst bist das theuerste Gottes-Lamm und kleidest deine mit deinem heiligen Blute erkauften und erlösten Kinder in weiße Seide. Blutiger Mann von Edom, also hat es dir gefallen, die Bloße meines ganzen Geschlechts zu verhüllen und eine Schmach mit der andern aufzuheben. So oft ich an deinen Purpurmantel gedenke, den man meiner Blöße halben dir angelegt hat, gedenke ich auch an das Kleid des Heils und den Rock der Gerechtigkeit, den ich damit erlangt habe. Ich prange in diesem Kleide, wie eine Braut in dem Zierrathe ihres Bräutigams; denn du, mein Blut-Bräutigam hast über meine Leibes- und Seelenblöße diesen Mantel werfen wollen, daß mich niemand höhnete, und es hat dir gefallen, mich zu decken, auf daß der Zorn deines himmlischen Vaters vorüber ginge und unter dieser Wolke kein Ungewitter mich rührte. Von mir selbst bin ich nackt und arm, in dir aber so reich geworden und so wohl gekleidet, daß. ich selbst mich höher achte als die Engel; denn du hast nicht um ihretwillen, sondern aus Liebe zu mir dich so erniedrigt, daß dein Schimpf und Ehre und deine Knechtsgestalt mich zum Herrn und Erben des Himmels machte. Nun begehre ich keinen Jonas-Kürbis, mich vor der Sonnenhitze zu verbergen; du bist mir, HERR JESU, eine sichere Zuflucht in aller Hitze der Anfechtung, auch gegen den feurigen Zorn deines Vaters, welchen deine Liebe mir versühnt, und dein Blut mir gütig und barmherzig gemacht hat. Denn in dir, du Geliebter, bin ich lieb und angenehm geworden, und durch dich werde ich künftig da sein, wo du bist, und das Reich mit ererben, das du so sauer erworben hast. Es kommt die Zeit einmal zu sterben: komm JESU! komm alsdann auch zu mir und zeige meinem Leibe deinen Purpurmantel, daß er wisse, worin er sich vor dem Grauen des Todes verhüllen kann. Zeige meiner Seele dich selbst, daß sie nicht verzage, die Reise nach dem Himmel anzutreten. Sei mir gnädig, weil ich lebe, und erbarme dich meiner Asche, wenn ich sterbe. Dein Angesicht müsse mein Spiegel, und dein Purpurmantel meine Zuflucht sein. Wenn in der letzten Roth Teufel, Sünde und Hölle an mich wollen, und wenn alle Welt in meiner äußersten Dürftigkeit mir zurufen würde: Sieh, welch ein elender Mensch ist das! ach, laß dann deinen heiligen Geist dankbar rufen in meinem Herzen: Siehe an den Menschen Jesum, der deinethalben gelitten und deine Krankheit auf sich genommen hat, daß du Friede hättest. Dieser gerechte Mensch leidet für die Ungerechten, daß er dich erlöse, versöhne und heilige. So wird mein sterblicher Mensch in dir, du Gottesmensch, leben, und meine Ohnmacht wird durch deine Allmacht erhoben werden, daß, ob ich gleich dem Leibe nach sterbe, der Seele nach zu dir in den Himmel komme, und ob mein Leib zur Erde werden muß, ich dennoch an jenem Tage dich. du wahrer Gott und Mensch, sehen werde von Angesicht zu Angesicht. So bedecke mich hier, so lange ich lebe, und bewahre meine Glieder, wenn ich sterbe, bis ich an jenem Tage, durch deine Kraft, zum ewigen Leben wieder auferstehe. Amen.

VII. Das Rohr.

Sie flochten eine Dornenkrone und setzten sie auf sein Haupt, und gaben ihm ein Rohr in seine rechte Hand, beugten die Kniee vor ihm und verspotteten ihn, Matth. 27. V. 29. Sie schlugen ihm das Haupt mit dem Rohr und verspeieten ihn und fielen auf die Kniee und beteten ihn an Marc. 15. V. 19. Weil er sich des Reiches angemaßt, wie seine Ankläger wider besseres Wissen und Gewissen gezeugt hatten, wurde ihm ein leeres Rohr in die Hand gegeben, die Eitelkeit solcher Einbildung zu beschimpfen. Und daß die Schwach zugleich empfindlich würde, schlugen sie den Heiland gar mit dem Rohre und verletzten sein Haupt, indem es ihrer Meinung nach von den Dornen nicht genug geritzt und verwundet war, so sehr, daß weder Gestalt noch Schöne übrig blieb, die einem Menschen gliche, wie des Pilatus, seines Richters, eigner Ausruf erweist: Sehet, welch ein Mensch! wie häßlich und scheußlich zugerichtet, so daß er keinem Menschen mehr gleich oder ähnlich ist. In solcher Gestalt beugten diese Bösewichter ihre Kniee vor ihm, die vielleicht selten oder nimmer die Kniee vor seinem Vater gebeugt, und verspotteten den Herrn des Tempels, da ihnen verboten war, das irdische Tempelgebäude bei Androhung einer Strafe zu verspeien. Was aber auch die Juden und Romer dem Herrn für Spott anthun konnten, blieb es doch dabei, was sein himmlischer Vater von ihm gesagt hatte: Ich habe meinen König eingesetzt auf meinem heiligen Berge, Ps. 2. V. 6. und er wird doch König sein über das Haus Jakob ewiglich und seines Königsreichs kein Ende, Luc. l. V. 33. denn Gott hat ihn gesetzt zum Erben über alles, Hebr. 1. V. 2. und zum Haupte der Gemeine, Eph. 2. V. 22. daß alle Zungen bekennen müssen, Christus sei der Herr, zur Ehre Gottes des Vaters, Phil. 2. V. 12. Im übrigen war sein Reich nicht von dieser Welt, darum entzog er sich denen, die ihn zum Könige machen wollten, Joh. 6. V. 15. und schlug aus, nur ein Erbschichter zu sein, Luc. 12. V. 14. gab gern den Zinsgroschen für sich und seine Jünger, Matth. 17. V. 27. und befahl auch Andern, dergleichen zu thun, Matth. 22. V. 21. So bekannte auch Christus vor Pilato ein gut Bekenntniß, 1 Tim. 6. V. 13. daß er ein König der Wahrheit sei, Joh. 18. V. 37. und lehrte, daß sein Königreich so weit alle irdischen Königreiche übertreffe, als das himmlische Reich allen irdischen überlegen ist. Darum ist dieser mit Dornen gekrönte Jesus nunmehr mit Ehr und Schmuck gekrönt und trägt viel Kronen auf seinem Haupte, Hebr. 2. V. 7. Offenb. 19. V. 12. und sein Stuhl und Reich währet von Ewigkeit zu Ewigkeit, Hebr. 1. V. 2. Und der, welcher jetzt ein Rohr zum Scepter tragen muß, wird alle seine Feinde mit einem eisernen Scepter und mit Ruthen zerschlagen, Ps. 2. V. 9. Er lebt ewig und seine Gewalt ist ewig, und sein Reich währet für und für. Der, welcher jetzt verspottet wird, ist höher denn die Engel, und sie beten ihn alle an; er wird aber künftig auf dem Stuhle seiner Herrlichkeit kommen, Gericht zu halten über Todte und Lebendige, und alsdann werden seine Feinde sehen, wen sie verspottet, wen sie verspeiet und in wen sie gestochen haben, Zach. 12. V. 10. Joh. 19. V. 37. Es wollte aber der liebste Heiland dieses Rohr tragen zum öffentlichen Beweise, daß er die Schwachen stärken, die Bebenden aufrichten und das zerstoßene Rohr nicht gar zerstoßen wolle, und insonderheit, daß er mit einem Scepter der Gnaden zu regieren nimmer vergessen werde, und durch ihn aller menschliche Unbestand zur beständigen Glückseligkeit im Himmel gedeihen solle. Werfet Euch nieder vor diesem König und betet:

O JESU! ich ehre und kröne dich in meinem Herzen zu meinem Könige/Herrn und Haupte, dem wir alle leben und sterben. Wie wünschte ich, daß ich dir in Heiligkeit dienen könnte, wie du verdienst. Ich fürchte dein Scepter, deine Macht und dein Gericht; ich bete aber auch dich und dein Scepter an im Geist und in der Wahrheit und glaube, wer deinen Namen anruft, soll selig werden. Nimm mich denn an, mein König und mein Gott, zu dem Geringsten deiner Unterthanen und laß deine Verachtung wider allen Spott und Hohn der Welt meinen Trost sein. Ich will in deiner Kraft alle deine Schmach dir nachtragen, Mühe und Arbeit, auch Trübsal und Elend und endlich den bittern Tod selbst nicht achten. Denn du bist mein Leben und wirst am Ende meines Lebens meine Krone und Ehre werden. Ich bitte dich demüthigst, süßester HERR JESU, halte dein Scepter stets über mir, daß, wenn mein Feind an mich will, er es sehe und sich fürchte, erschrecke und mich nimmer aus deiner Sicherheit raube. Mache das Rohr in deiner Hand zur Feder, mich, dein Kind, ins Buch des Lebens unter die Zahl der Auserwählten zu schreiben. Ich bin ein schwaches Gefäß aus Leimen gemacht, und das bedeutet das Rohr in deiner Hand; wirst du mich aber halten, so werde ich nicht fallen. Und ob ich im Tode zerbreche, wird deine Allmachtshand mein Gebein wieder zusammen sammeln und an jenem Tage mir wieder geben. Ich bin schwach, HERR, hilf mir, so deine Hand mich nicht hält, bin ich verloren! Ich bin leer von Gnade, fülle jenes Rohr für mich mit dem Oel deiner Barmherzigkeit. Ich thue meinen Mund weit auf, laß mich nicht ungetröstet und unerfüllt von dir gehen. HERR JESU! erhalte meine Schwachheit durch die rechte Hand deiner Macht, habe Mitleiden mit meiner Schwachheit und behüte mich vor aller Bosheit. Ich ehre dich als meinen König, schütze mich als deinen Unterthanen. Ich bete dich an als meinen Gott; erhöre mich, wenn ich rufe, und vergiß nicht eines armen Knechtes, der sich allein auf dich verläßt. Behalte im Gedächtniß, HERR JESU, mich schwaches Rohr und unterstütze mich durch deine Güte, daß ich beständig erfunden werde in deinem Dienste, halte was ich habe, und mir niemand meine Krone raube. Und wenn dies mein Lebens- und Leibesrohr sich künftig neigen, abfallen, und in die Erde fallen wird, so bleibe bei mir, du Morgenstern, auch am Abend der Todesfinsterniß. Laß meine Seele dir befohlen sein und meinen Leib deiner Barmherzigkeit, daß, wenn er in der Erde geworden ist, was er sollte, und der Leib dieses Todes seine Verwesung zu schuldiger Strafe seiner Sünde gesehen hat, er mit Freuden wieder auferstehe, dich, mein Licht, von Angesicht zu Angesicht zu sehen. So sei es in deinem Namen. Amen.

Für die Abendstunden der sechsten Woche überreiche ich . E. L. zu heiligem Nachsinnen und reiflicher Betrachtung ferner die andern

Sieben Marterstücke,

mit denen das Leiden des Herrn um viel schmerzlicher und bittrer gemacht worden.

I. Die verfluchte Hand.

Als er aber solches redete, gab der Diener einer, die dabei standen, Jesu einen Backenstreich, Joh. 13. V. 22. Da speieten sie aus in sein Angesicht und schlugen ihn mit Fäusten; etliche aber schlugen ihn ins Angesicht, Matth. 26. V. 62. Marc. 14. V. 65. Ich mag wohl unter die Marterstücke des Heilandes insonderheit die grausame Hand der Boshaften mitrechnen, die sein heiliges Angesicht geschlagen und das Haupt, das die Engel anbeten, so schmählich verunehrt haben. Der Herr selbst klagt über dieses Stück seines Leidens, wenn er spricht: Die Schmach bricht mir mein Herz, Ps. 69. V. 21. Es ist wohl unerhört beim Gericht, daß jeder Bube die Freiheit hat, einen Beklagten zu schlagen und zu verhöhnen; aber in dem Gericht, wo der gerechteste Richter gerichtet wird, steht alles frei der Schar dieser brüllenden und reißenden Löwen, die ihren Rachen wider ihn aufgesperrt halten, dieser großen Farren, die ihn umgeben und umringt hatten, Ps. 22. V. 13. 14. Für die höchste Schmach ward gehalten, daß Micha einen Backenstreich bekam. Mich. 5. Und hier mußten wir den Schönsten unter den Menschenkindern so schmählich und grausam zugerichtet sehen, und das Angesicht zerschlagen, das die ganze Natur verehren muß. Der Himmel mag erzittern und die Erde erschrecken über die Geduld des Heilandes. Der Schuldige schlägt den Unschuldigen, der Knecht seinen Herrn, das Geschöpf seinen Schöpfer. Es wird der Töpfer von seinem Thon, Gott von einem Sünder geschlagen, von der Hand, die er gemacht und im Mutterleibe bereitet hat. Die Hand bewegt sich gegen den Erhalter aller Dinge, die sich ohne ihn nicht bewegen könnte, und gebraucht die Kräfte, die sie von ihm hat, gegen ihn selbst.

Ich weiß nicht, geduldigster JESU, ob ich mich mehr über deine Geduld oder den Reichthum deine Liebe verwundern soll. Du schlägst mit einem Wort deine Feinde im Garten zu Boden, und wie hätte nicht die Hand deiner Allmacht diese frevelnde Hand zerknicken können, die dein anbetungswürdiges Angesicht verunehrte. Aber deine Liebt und Geduld halten deine Allmacht zurück. Du lassest dich schlagen und verhöhnen, daß ich nicht ewig von des Satans Engeln doppelte Schläge empfahen und verhöhnt werden möchte. Ach! HERR JESU, du gedenkest so meiner in deinem Leiden, daß du deiner vergißst. Hilf, daß ich auch deiner so gedenke, daß ich darüber meiner und dessen, was dahinten ist, vergesse. Laß mich in Geduld laufen nach dem Kleinode, welches mir vorhält die himmlische Berufung Gottes in Christo Jesu, und hilf, daß ich mich vor Sünden hüte, die dir so viele Marter und Schmerzen verursacht haben. Ich weiß wohl, o meine Liebe, daß meine Sünde jenem Bösewichte die Hand geführt hat; ich erkenne wohl, daß meine Missethat dir die Schmach bereitet hat. die dein Angesicht getroffen. Ich erkenne es, o HERR, mit Weinen und bereue es von ganzer Seele. Ich falle dir zu Füßen und bitte mit dem verlornen Sohne um Gnade. Richte mich wieder auf, mein Hort, und erquicke mich mit den Freuden deines Angesichts. Du hast dich ja, mein Erbarmer, darum schmähen lassen, daß ich von der ewigen Schmach errettet mit Freuden treten möchte vor das Angesicht deines Vaters und an jenem Tage des Gerichts nicht beschämt zu stehen brauche. Dein Angesicht war voller Schande, auf daß du mich erfülltest mit dem Glanze deines himmlischen Antlitzes. Du hältst deine Wange dar denen, die dich raufen, du Schönster unter den Menschenkindern. Dein Angesicht verbirgst du nicht vor Schmach und Speichel, du Sonne der Gerechtigkeit. Ist aber dein Angesicht für mich zerschlagen und bleich geworden, so werden die nicht erbleichen oder schamroth werden, die dich suchen, Gott Israels. Meine Seele sucht dich, mein König und mein Gott, sie freuet sich deiner Hülfe und will dir dafür danken in Ewigkeit. O daß ich aber auch in deine heiligen Fußtapfen treten möchte und die Schmach der Welt mit Geduld tragen; daß ich, wie dein Knecht Moses, deine Schmach für größern Reichthum hielte, denn die Schätze Egyptens und um deinethalben zu leiden mir die höchste Ehre sein ließe! Gib aber zuvor, HERR JESU, daß ich dich nicht mit meinem Leben schmähe, sondern Hand und Mund und alle Kräfte, die du mir, deinem schwachen Geschöpfe, gegeben hast, zu deinen Ehren anwende. Leite mich als ein schwaches Kind an deiner Hand, nimm mich als einen Säugling in deinen Schoß und endlich mit Ehren an. Soll ich auch hienieden durchbrechen durch Ehre und Schande, durch böse Gerüchte und gute Gerüchte, so gib mir Kraft, alles mit Freudigkeit zu überwinden, daß, weil du, mein Meister, ein verhöhntes Schauspiel der gottlosen Rotte gewesen bist, ich, dein Jünger, auch will ein Schauspiel der Welt und ein Fegopfer der Leute werden. Laß mich nicht irre werden, wenn ich die geehrt sehe, die dich hassen, und die geschmähet, die du von der Welt erwählt hast. Es sei ferne, das ich sehe aus das Sichtbare, was da zeitlich ist; es wartet ja auf uns das Unsichtbare, das ewig ist. Was schadet es, daß hier mein Angesicht vor einem Caiphas beschämt wird, weil ich dort mein Haupt empor heben soll und mit verklärten Augen das Angesicht meines Gottes schauen.

II. Der böse Mund.

Ist Spott und Schmachrede der größte Schmerz der Redlichen, so ist leicht zu ermessen, wie empfindlich die Schmachreden derer dem unschuldigen Heilande gewesen sein müssen, die ihn am Kreuze lästerten. Da sprach bald eine mitleidlose Lippe: Pfui dir, wie fein zerbrichst du den Tempel und bauest ihn in dreien Tagen. Hilf dir selber. Bist du Gottes Sohn, so steige herab vom Kreuz! Bald riefen die gottlosen Hohenpriester: Er hat Andern geholfen und kann sich selbst nichthelfen! Wie tief muß diese Rede ins Herz dessen gedrungen sein, der schon im Alten Testament geklagt hatte, daß die Schmach ihm sein Herz breche. Ich bin, sagt er im 22. Ps., ein Spott der Leute und eine Verachtung des Volks. Alle, dienlich sehen, spotten mein, sperren das Maul auf und schütteln den Kopf wider mich. Er klage es dem Herrn, der helfe ihm aus und rette ihn, hat er Lust zu ihm. Und im 69. Ps. V. 27 -. Sie verfolgen den, den du geschlagen hast, und rühmen, daß du die Deinen übel schlägst. So muß zwar der gottlose Lästermund dem Heilande wehe thun, aber auch zugleich wider seinen Willen durch die Schmähworte selbst ein Zeugniß ablegen, daß Christus der rechte Messias sei, von dem lange vorher über die Worte geklagt worden ist, die sie nun gesprochen. Aber wie er es zuvor versehen hat, also hat er es mir zu Gute willig und geduldig gelitten. Hier steht ein geduldiger David unter den Schmähreden Simei, hier leidet der rechte Simson mehr von der Zunge als jener von den Waffen der Heiden, und der, welcher die Traurigen aufrichtet mit seinem göttlichen Troste, findet in seiner größten Betrübniß, wie Hiob, leidige Tröster. Das Spotten jener Knaben über den Propheten mußten die Bären aus dem Walde rächen. Hier wird der große Prophet, der in diese Welt kommen sollte, verspottet und die That bleibt scheinbar ungerächt. Ja. was der spöttische Mund verschuldet, das büßt der Verspottete und hegt Gedanken des Friedens über die, so ihn feindlich verfolgen.

Geduldigster JESU! es war nicht genug, daß dein heiliger Leib gekreuzigt wurde, es mußten auch deine Augen und Ohren gekreuzigt werden. Was kein Speer und keine Geißel ausrichten konnte, hat die Zunge deiner Spötter zur Verunehrung deines Leidens beigetragen. So hörst du die allergrausamsten Lästerungen, auf daß ich hören möchte Freude und Wonne, daß die Gebeine fröhlich werden, die du zerschlagen hast. Der Mund der Spötter redet zwar Bitterkeit gegen dich, aber für mich sind unter ihren Stacheln lauter Rosen verborgen, und aus den Träbern der Lästerworte lese ich den Kern göttlichen Trostes. Man spottet deiner, geduldigster JESU, daß du dir selber nicht hast helfen wollen, und dies ist eben meines Herzens Freude und Trost, daß du nicht für dich, sondern für mich hast leiden, nicht dir selbst, sondern mir Armen und Elenden hast helfen wollen. Deshalb bleibst du ohne Hülfe, daß du helfen könnest denen die versucht worden; darum wirst du verwundet, daß du Andere heilen könnest; darum leidest du den Tod, daß ich das Leben ererbe! So hast du freilich, o du Hülfe in der Noth, nicht dir selbst, sondern mir geholfen, und bist meiner Seele ein gewaltiger Erretter, weil du selbst ohne Errettung am Kreuze geblieben. Man ruft dir zu, du sollest vom Kreuze steigen, wenn du Gottes Sohn seist, und eben, weil du Gottes Sohn und mein Erlöser bist, hat man dich ans Kreuz geheftet. O, wie leicht war es dir, das Kreuz zu verlassen, wenn dich nicht die Liebe fester als die Nägel angeheftet gehabt hätten! Weil du aber, du beständiger Liebhaber des Lebens, bis in den Tod am Kreuze geblieben, so will ich auch an dir fest halten bis ans Ende und dir getreu bleiben bis in den Tod. Wenn die Welt mir dein Kreuz leid machen will und mit jenen Spöttern rathen, daß ich es verlassen soll, so will ich doch, o meine gekreuzigte Liebe, beständig deine Schmach tragen und deine Last lieber haben, als die Lust der Erden. Man wirft dir vor, daß du den Tempel nicht habest zerbrechen können, und der Tempel deines Leibes war doch nahe daran, zerbrochen zu werden, auch der Tempel zu Jerusalem ist zerbrochen worden, daß kein Stein auf dem andern geblieben ist. Jenes hat deine Liebe, dieses deine gerechte Rache gethan. Beides gibt mir zu erkennen, was deine Liebe könne mir zu helfen, und was dein Zorn vermöge, mich gegen meine Feinde zu schützen. Wie du aber den Tempel deines Leibes in drei Tagen wieder gebaut hast, so weiß ich auch, o Herzog des Lebens, daß du den Tempel meines Leibes, wenn er im Tode zerbrochen ist, zum Leben wieder aufbauen werdest, und wenn ich diese sterbliche Hütte abgelegt habe, mir einen Bau im Himmel geben, der nicht mit Händen gemacht ist. Es komme der letzte Feind, der Tod, und zerbreche diesen Tempel, deine Hand wird ihn wieder bauen und aus der Asche herrlich machen. Ich habe ja an dir, mein treuer Heiland, einen Gott, der da hilft, und einen Herrn Herrn, der vom Tode errettet. Ich habe an dir eine Hülfe in der Noth, wenn die ganze Welt mir weder zu rathen noch zu helfen weiß. Zwar spricht die spöttische Welt zu meiner Seele, was deine Feinde zu dir selbst sagten, daß keine Hülfe bei dir sei, und mein Mißtrauen will mir oft das Wort wiederholen, welches dort Zion quält: Wo ist nun dein Gott? Aber mein Glaube dringt durch den Nebel des Zweifels und erblickt bei dir Hilflosen lauter Hilfe, bei der Schmach deines Kreuzes lauter Ehre, bei dem verfluchten Holze lauter Segen. Du ewiger Gottessohn, laß mich doch nimmer darein die Probe deiner Gotteskindschaft sehen, worin sie deine Feinde suchten, frei vom Kreuz zu sein und unbeladen. Vielmehr lehre mich durch deinen Geist, daß, wie die Probe deiner Kindschaft am Kreuz vollendet worden ist, so auch ich dadurch meiner Kindschaft versichert werde, daß mich dein Vater züchtigt. Hilf, daß ich die Hand seiner Züchtigung küsse und in allem weit überwinde. Und weil du eben darum ohne Hülfe am Kreuz geblieben bist, daß du mir aus aller Noth helfest, so stehe mir bei, meine Hülfe im Leben und im Tode, und unterstütze meine Kniee durch deine Kraft, daß, wenn ich gleich des Leidens viel habe, ich doch in dir reichlich getröstet werde. Amen.

III. Die Geißel.

Da nahm Pilatus Jesum und geißelte ihn, Joh. 19. Matth. 27. V. 26. Marc. 15. V. 16. Es ist nicht ohne Ursache, daß die Ordnung der schmerzhaften Geißelung Christi anders bei Johannes als bei Matthäus und Marcus angedeutet wird; aber daraus folgt nicht, daß der Heiland zu verschiedenen Zeiten und also mehr als einmal gegeißelt worden sei. Wir wollen uns nicht bemühen zu zeigen, wie viel Streiche unser gekreuzigter Herr empfangen. Es genügt zu wissen, daß er hart genug geschlagen worden sei im Hause derer, die er liebte, und daß es ihm ergangen sei, wie er klagt. Ps. 129. V. 3: Die Pflüger haben auf meinem Rücken geackert und ihre Furchen lang gezogen, und Jes. 50. 35. 6: Ich hielt meinen Rücken dar denen, die mich schlugen. Dem Volke Gottes ward geboten, daß sie die Schläge der Geißelung zählen sollten, 5 Mos. 25. V. 2. der Heiland wird von Heiden ohne Zahl und Maße gegeißelt, auf daß unsre unzählichen Sünden gebüßt würden. Die Ruthe gehört für die Thoren, und die Schläge gebühren den Gottlosen, Sprüchw. 22. V. 15. 28. V. 3. 5 Mos. 25. V. 2. Wir Elende auf der Erde, wir unverständigen Uebertreter des göttlichen Gesetzes hatten verdient, daß die Zorngeißel des erzürnten Gottes, die eiserne Ruthe alles Elendes, die marterhafte Geißel der höllischen Qual uns träfe. Aber unser Bürge nimmt diese Strafe auf sich, damit wir Friede hätten; durch seine Wunden sind wir heil worden. Ein Knecht, der seines Herrn Willen weiß und ihn nicht thut, muß doppelte Streiche leiden, Luc. 12. V. 47. Hier aber steht der gerechte Knecht des Höchsten, der den Willen seines himmlischen Vaters in Allem erfüllt hat, und empfängt doppelte Streiche an meiner Statt, daß ich durch seine Striemen heil würde, 1 Petr. 2. V. 24. So waren es meine Sünden, die den Herzog des Lebens bis aufs Blut zerfleischt haben. Die, die haben ihn an die Säule gefesselt, die haben jenen Henkerbuben die Hände geführt, die sind selbst die Geißel gewesen, welche den heiligen Leib zerkerbt hat. Nun aber bin ich los von des Satans Geißel, frei von den Stricken der Hölle und kann hinfort in lauter Liebesbanden gehen, Hos. 2. V. 4.

O liebreicher JESU, wie groß ist deine Liebe und wie schwer meine Missethat, die dir solche schmähliche Marter verursacht hat. Dein Leiden ist ohne Zahl, auf daß meine Sünden, die ohne Zahl sind, abgethan werden. Deine Geißel wird eine Schreckruthe gegen meine Feinde, die halte ich dem Satan vor, wenn er mich wie dein auserwähltes Rüstzeug Paulum mit Fäusten schlagen will. Auch wenn ich die Geißel meines bösen Gewissens fühle, werden die Schläge gemindert, wenn ich an deine Schläge gedenke. Die Geißel des zornigen Vaters ist an dir zerrissen, und weil ihre Schärfe deinen heiligen Leib getroffen, wird meine Seele davor sicher sein. Aber wenn du willst, daß die Geißel deines Kreuzes auch von mir soll gekostet werden, wie denn dein Wort mir sagt, daß du einen jeglichen Sohn, den du aufnimmst, stäupest, so gib, HERR JESU, daß ich diese Geißel nicht minder küsse als koste und mich ja nicht weigere, deinem leidenden Leibe ähnlich zu werden, der ich dort deinem verklärten Leibe soll ähnlich werden in der Herrlichkeit. Und weil die Größe deiner Liebe dich dahin gebracht hat, daß du deinen entblößten Leib der unbarmherzigen Geißel deiner Feinde unterworfen, so will ich hinfort aus Liebe zu dir auch betäuben, zähmen und züchtigen mein Fleisch sammt den sündlichen Lüsten und Begierden, daß ich nicht mit meinen Sünden dich aufs Neue betrübe, sondern der Welt absterbe und der Gerechtigkeit lebe. O unbeflecktes Gotteslamm, öffne mir die Quelle des unschuldigen Blutes, die von deinem heiligen Leibe in deiner Geißelung geflossen ist. und laß meine Seele darin die Felsenlöcher des Heils finden! So viel Striemen an deinem Leibe zu finden gewesen find, so viele ewige Merkmale deiner Liebe lese ich daran; aber auch so viele Zungen finden sich, die für mich bei deinem himmlischen Vater um Gnade und Vergebung schreien. HERR JESU! reinige meine Seele durch dein Blut und laß mein Gemüth durch deine Striemen und Wunden wie mit Freudenöl gesalbt und zur Hoffnung des ewigen Erbes aufgerichtet werden. Amen.

IV. Der Gall- und Essigschwamm.

Sie aber tränketen einen Schwamm mit Essig und legten ihn um einen Ysop, und hielten es ihm dar zum Munde, Joh. 19. V. 29. Sie gaben ihm Essig zu trinken mit Galle vermischt, Matth. 27. V. 48. Marc. 15. V. 36. Wir wollen hier den Streit nicht erörtern, ob der Heiland sowohl vor seiner Kreuzigung als am Kreuze selbst mit Essig und Galle getränkt worden sei, denn die Evangelisten reden einhellig von einem doppelten Trunke. Wir wollen auch mit einigen Auslegern nicht zweifeln, ob der Essigtrank mit zu Christi Marter gehört habe, oder, wie Andere vorgeben, vielmehr zu seiner Erquickung. Denn wie kann man zweifeln, ob auch das mit zu Christi Leiden gehöre, was er ja selbst vor mehr als tausend Jahren als ein Stück seiner Marter angegeben hat, wenn er im Ps. 69. V. 23. klagt: Sie geben mir Galle zu essen und Essig zu trinken in meinem großen Durst. So hat er auch für unser sündliches Wohlleben in Speise und Trank sammt dem Mißbrauche der göttlichen Gaben auf diese Weise büßen wollen und damit für die unglückselige Lust unsrer ersten Eltern im Paradiese genug thun. Wenn aber auch wir, die wir Glieder sind an seinem Leibe, mit Essig und mit Galle getränkt werden, daß wir Nagen müssen aus Klagl. 3. V. 19: Gedenke doch, wie ich so verlassen, mit Wermut!) und mit Galle getränkt bin; so wird uns dieser bittere Kreuzeskelch versüßt werden, wenn wir bedenken, daß unserm Haupte ein so bitterer und schmerzlicher Trunk gereicht worden ist, und daß der Erhalter aller Dinge, der alles, was Odem hat, mit Wohlgefallen sättigt, in seinem großen Durste nicht einmal eines Labetrunkes theilhaft geworden ist.

O HERR JESU! du Quelle alles Guten, du Brunn alles Trostes, der du mit den Strömen deiner Güte den Erdboden füllest, hat denn die ganze Welt, dein Gebäude, und das Werk deiner Hände nicht einen Tropfen übrig, dich zu laben, und ist kein Mitleidiger in Zion, dich zu erquicken? Dein Wort (Sprüchw. Sal. 31. V. 6.) gönnt doch den Traurigen und denen, die umkommen sollen, starkes Getränk und Wein den betrübten Seelen, und die Gewohnheit deiner Feinde war es sonst, den zum Tode Verdammten wohlgewürzten Wein zu reichen. Aber du allein, du Trost aller Betrübten, du Freude aller Traurigen, wirst aller Erquickung beraubt! Dein Vater hat für dich im Garten Gethsemane keinen andern Kelch als den bittern Kreuzeskelch, und ob du gleich noch so beweglich bittest, daß er vorüber gehe, hast du ihn doch trinken müssen. Hier auf Golgatha wird dir auch ein Wermuthtrank bereitet, und so müssen Freunde und Feinde die Bitterkeit deines Leidens vermehren, auf daß der Wermuth unsers Leidens versüßt werde. Simson rief nicht lange vergebens in seinem Durst. Ehe es diesem Helden an Labsal fehlen sollte, mußte auch gegen die Natur eines Esels Kinnbacken Wasser geben. Aber du starker Held rufst mit beweglicher Stimme: Mich dürstet! und man hat nichts deinen Durst als mit Essig und Galle zu vertreiben. Aber, ach geduldigster Jesu! wie oft wirst du noch jetzt in deiner Herrlichkeit mit Essig und mit Galle getränkt von denen, die dich und deinen Geist betrüben! Wie oft suchst du in deinem Weinberge süße Trauben und du findest nichts als bittere Herlinge! Wie oft findest du mitten in deinem Zion den Weinstock Sodoms und den Acker Gomorras, davon es heißet, 5 Mos. 32. V. 32: Ihre Trauben sind Galle, sie haben bittere Beeren: ihr Wein ist Drachengift und wüthiger Ottern Galle! Wie oft werden auch noch deine Glieder von der unbarmherzigen Schar ihrer Verfolger mit Galle und Essig getränkt! Aber wenn auch, HERR JESU, deine Hand solche Bitterkeit über mich verhangen sollte, will ich freudig den Wermuthbecher ansetzen, weil er mit deinem Willen so wohl versüßt als mit deinem Exempel geheiligt ist. Behaltet für euch selbst, ihr wollüstigen Einwohner der Erde, was den Geschmack vergnügt und den zärtlichen Mund oft sündlich genug erfüllt! der Galt- und Essigschwamm meines Freundes soll im Leben meine süße Kost und im Tode meine Erquickung sein. Was Wunder, wenn die Welt nichts für mich als Essig und Galle übrig hat; sie hat ja auch für meinen Meister nichts als das gehabt: wie will denn ich, sein Jünger, einen süßern Trank begehren? Nein, HERR JESU, mir genügt an allem, was du mir reichen läßt, und keine Galle soll mir so bitter sein, daß ich sie nicht um deinetwillen kosten wollte. Nur hilf, daß, da dir geekelt hat vor diesem Tranke, ich durch dich den Ekel des Fleisches überwinde und mir an deiner Gnade genügen lasse, daß du mitten in der Bitterkeit des Kreuzes doch auch mich schmecken lässest die Süßigkeit deines Wortes, den Honigseim deines Trostes und die Kräfte der zukünftigen Welt. Wie wirst du, mein Hort, im ewigen Leben die Deinen erquicken, wenn du ihnen den Freudenbecher reichen und sie tränken wirst mit Wollust wie mit einem Strome. Da wird Freude die Fülle und liebliches Wesen zu deiner Rechten sein immer und ewiglich.

V. Die Nägel.

Die Kreuzigung Christi wird ohne Meldung der Umstände nur dürftig beschrieben: Und sie kreuzigten ihn; es sei, daß die Evangelisten nicht mit Worten eine so grausame Marter beschreiben konnten, oder daß die gewöhnlichen Umstände dieser schrecklichen Todesweise ohnedem genug bekannt gewesen sind. Es herrscht kein Zweifel, daß man dem Herrn der Herrlichkeit Hände und Füße ans Kreuz genagelt habe, und dadurch erfüllt worden sei, was schon vorher im Ps. 22. V. 17. gesagt ist: Sie haben meine Hände und Füße durchgraben, ich möchte alle meine Gebeine zählen; weshalb auch Petrus, Apost. Gesch. 2. V. 23. spricht, daß er durch die Hände der Ungerechten ans Kreuz geheftet worden sei. Die welche sagen, daß dies nicht mit scharfen sondern stumpfen Nägeln geschehen, damit der Schmerz um so viel größer würde, irren wohl nicht weit. Denn was werden diese grausamen Wölfe nicht erdacht haben, um dies unschuldige Lamm zu martern! Ob er mit drei oder vier Nägeln angeheftet worden, ist ebenfalls zum seligen Andenken nicht nöthig zu erörtern, die gewöhnliche Abbildung des Gekreuzigten läßt uns nur drei Nägel blicken. Dies aber ist gewiß, daß er durch diese Nägel seine Liebe gefestigt hat, und durch diese Werkzeuge an unser Herz geheftet worden ist, damit wir an ihm hangen. O HERR JESU, diese Nägel durchbohren mich aufs Schmerzlichste; wie sollte ihre Qual nicht auch mein Gewissen rühren! Ach, meine Hände, die so viel Böses verrichtet haben, sollten durchbohrt werden, und diese Füße, die auf dem breiten Wege zum Verderben laufen, sollten durchgraben werden ;'mein Leib, der dem Dienste der Ungerechtigkeit ergeben ist, sollte ausgedehnt und gemartert werden! Aber der Fürst des Lebens läßt seine Hände ausdehnen, daß er mich umfange, seine Füße anfesseln, daß die meinigen los werden, seinen Leib martern, daß mein Leib ähnlich werde seinem verklärten Leibe.

O liebreicher JESU, wie wirst du doch an allen Theilen deines allerheiligsten Leibes zugerichtet! Ist doch von der Fußsohle an bis auf den Scheitel nichts Gesundes an dir. Weil meine Sünde den ganzen Leib verderbt hat, muß die Strafe der Sünde allenthalben an deinem Leibe erfüllt werden. Deine durchbohrten Hände büßen für die Ungerechtigkeit meiner Hände; deine durchnagelten Füße haben genug gethan für meinen bösen Wandel. Wie hat dich doch, o Bräutigam meiner Seelen, die Liebe gefesselt, wie stark ist deine Erbarmung, die mit Stahl und Eisen mir versichert wird! Was soll noch meine Seele zweifeln, ob du sie liebest? Hast du doch deine Treue mir so fest ans Kreuz geheftet.. O daß meine Seele dich halte und nicht lasse, daß mein Herz das Zeichen eines Kreuzes sei, daran du ewig geheftet bleibest! Laß mich, meine gekreuzigte Liebe, im Leben und Tode an dir hangen! Reiche mir die Nägel des Glaubens, dich zu umfassen, der Liebe, mich an dich zu halten, der Hoffnung, nimmer von dir getrennt zu werden; und durch diese drei Nägel laß mich mit dir vereinigt und verknüpft sein ewiglich. Aber laß mich auch dadurch alle meine Begierden an dein Kreuz heften, daß der dreifache Feind meiner Seele, Fleischeslust, Augenlust und hoffärtiges Wesen kräftig durchbohrt werde und sich nicht zu meinem Verderben weiter regen könne. Ihr heiligen ausgestreckten Hände, die ihr den ganzen Tag bereit seid, alle armen Sünder zu umfangen, nehmet wahr meiner nachlässigen Seele, daß sie sich nicht verirre! Ihr heiligen Füße, seid mir stets das Ziel, dahin meine Füße laufen, und wenn ich strauchle, so müsse ich durch die Kraft eurer Marter wieder aufgerichtet werden auf den Weg des Friedens! O ihr Felsenlöcher des Heils, wie ruhig ist es für eine gescheuchte Taube, in euch zu wohnen; wie sicher ist es in euch zu bleiben! Gib mir, mein HERRN JESU, daß ich in deinen Wunden allein meine Freistadt suche, in deinen Wunden meine Sicherheit finde und in deinen Wunden endlich selig einschlafe. Sei mir ans Herz geheftet, daß weder Tod noch Leben, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges mich von deiner Liebe trenne. Amen.

VI. Das Kreuz.

Wie die Kreuzigung des Herrn von den Evangelisten nicht umständlich beschrieben wird, sondern allein mit den Worten angedeutet: Und sie kreuzigten ihn; so wird auch das Kreuz nach seiner Größe oder Form nicht beschrieben, damit wir nicht so sehr an das hölzerne Kreuz als an Jesum den Gekreuzigten denken sollten. Doch ehren wir das Kreuz billig, in so weit es den Gekreuzigten mit vorstellt, der zwar den Juden ein Aergerniß und den Griechen eine Thorheit, uns aber göttliche Kraft und göttliche Weisheit ist, l Cor. 1. V. 23. 24. Es ist uns das Kreuz ein rechter Baum des Lebens, weil der Herzog des Lebens daran gehangen, durch dessen Tod uns das Leben erworben ist. Hier ist der Baum der Erkenntniß Gutes und Bösen, daran wir deutlich sehen können, wie viel Böses wir verdient haben und wie viel Gutes uns der Heiland gegeben hat. Hier ist die Himmelsleiter, auf welcher wir sicherer von der Erde zum Himmel steigen, als die Engel auf jener Jakobsleiter, 1 Mos. 28. V. 12. Hier ist der hölzerne Altar (2 Mos. 30. V. 1.) auf welchem das allerheiligste Opfer Gott zu einem süßen Geruch dargebracht wurde. Das Kreuz Christi ist das aufgerichtete Panier des Heils, worunter die Völker zu einer geistlichen Ritterschaft sich sammeln sollen. Es ist die Siegesfahne aller Christen, wodurch sie die geistlichen Philister, die Feinde der Seelen, überwinden. In diesem Zeichen will ich überwinden, war die Ueberschrift der Kreuzesfahne des Kaisers Constantin des Großen. Das wisse Tod und Teufel, Hölle und Verdammniß, daß wir in dem Zeichen des Kreuzes und in der Kraft des Gekreuzigten alles überwinden wollen! Betet herzlich:

O JESU, meine gekreuzigte Liebe, wie sehe ich dich an dem verfluchten Holze des Kreuzes gemartert, auf daß du den abtrünnigen und verstoßenen Kindern den Segen wieder brächtest! Ich sehe deine heiligen Hände durchbohrt, damit ich ja nicht zweifle, du habest mich in deine Hände gezeichnet, und da die Sünde Jacobs mit eisernen Griffeln geschrieben war, nun meine Erlösung mit eisernen Griffeln geätzt und mit deinem Blute versiegelt. Damit hast du die Handschrift, die wider mich war, getilgt und eine neue Handschrift der ewigen Liebe und Erbarmung durch den Bund deines Blutes befestigt. Da hängst du, meine Liebe, unter dem Fluch, und ich erbe den Segen; da hängst du unter der Schmach, und ich erbe die Herrlichkeit! Da bist du, ein Abbild der erhöhten Schlange, aufgerichtet, daß, wer dich ansieht, leben möge! Du hängst mitten zwischen Himmel und Erde, damit ich lerne, du seist der Mittler zwischen Gott und den Menschen und habest die verfluchte Erde mit dem Himmel wieder versöhnt. Hier neigst du dein Haupt, mir den letzten Kuß der Liebe zu geben. Du streckst deine Hände aus, mich in Erbarmung zu umfangen. So wirst du ein Opfer für mich, o unschuldiges Gotteslamm, und vollendest meine Erlösung an dem Altare des Kreuzes und mit dem Feuer deiner Liebe. Du hast mit diesem einzigen Opfer vollendet alle, die geheiligt werden. Du bist die Versöhnung für unsere Sünde, nicht allein aber für die unsrige, sondern auch für der ganzen Welt Sünde. Was sollte ich daran zweifeln? Steht doch dein Kreuz unter bloßem Himmel erhöht und auf freiem Felde, und reicht mit seinen vier Ecken an alle vier Theile der Erde. Wer sollte denn von der Frucht deines Leidens ausgeschlossen sein? Ach, gib mir doch Gnade, mein Erlöser, daß ich alle meine Begierden ans Kreuz hefte und bei dem verfluchten Holze mein voriges Leben verfluche und ablege. O daß ich doch mit Paulo mich nichts rühmen möge als allein deines Kreuzes, mein theuerster JESU! durch welches mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt. Gib mir deinen heiligen Geist, der mich stark mache nach dem inwendigen Menschen, daß ich kreuzigen könne mein Fleisch sammt den Lüsten und Begierden, daß ich auch mein Kreuz, welches dein heiliger Wille mir auferlegen sollte, willig auf mich nehme und dir nachtrage. Und weil du selbst versprochen hast, daß, wenn du würdest erhöhet werden von der Erde, wollest du alle deine Jünger nach dir ziehen: so zeuch mich dir nach, auf daß ich laufen möge auf der Bahn des Himmels und das unvergängliche Erbe empfangen, daß du durch deinen Kreuzestod mir erworben hast. Unterdeß soll mir dein Kreuz das grünende Ruhebette sein, darin meine Seele Frieden findet. Es soll mir sein das süße Holz, womit das bittre Wasser zu Mara, die Trübsal der Erde, mir versüßt wird. Es soll mir sein das auserwählte Holz, woran du, schönste Blume, hängst, die mit dem heilsamen Safte meiner dürstenden Seele große Erquickung gibt. O hilf, HERR JESU, daß mir dein Kreuz allezeit göttliche Kraft und göttliche Weisheit sei; und wie du ans Kreuz bis zum Tode geheftet gewesen bist, so ich an dir bleibe und hange im Leben und im Tode, und endlich an dem Orte, wo du die Schmach deines Kreuzes mit Herrlichkeit vertauscht hast, bei dir sei und lebe in Ewigkeit! Amen.

VII. Der Speer.

Unter die Marterstücke, welche von den Feinden des Heilandes bei. seiner Passion gebraucht worden sind, gehört auch der Speer, womit man seine heilige Seite durchstochen hat. Zwar hat dieser Speer dem todten Heilande keine Schmerzen mehr verursachen können, weil vorher schon alles vollendet war, von dem grausamen Kriegsknechte aber ist er doch zur Marter gebraucht worden. O die Härte, die auch gegen einen entseelten Körper rast! Wie geht doch der Menschen Haß und Wuth so weit gegen den Erlöser der Menschen, daß er auch durch den Tod, der sonst alles endigt, nicht geendigt wird! Aber auch die Liebe unsers Erlösers war mit seinem Tode nicht geendigt; denn als sein Herz schon gebrochen, bricht es noch einmal aus in Liebe zu uns und läßt hervorquellen den Strom des Lebens. Es öffnete einer von den Kriegsknechten seine Seite mit einem Speer sagt der Evangelist Johannes (Kap. l9. V. 34.) und öffnete dadurch zugleich die Thür zu. der rechten Arche Noä, in der wir vor der Sündfluth des göttlichen Zornes sicher sein können. Er bereitete in dem Herzen Jesu eine süße Friedenswohnung, von welcher wir mit größerm Fug sagen können, was Petrus auf dem Berg Thabor sagte: Hier ist gut sein. Durch diese Oeffnung sehe ich in das Herz meines Freundes und lese darin von tausend Merkmalen seiner Liebe. Der, welcher im Ps. 22. klagt: Mein Herz ist in meinem Leibe wie zerschmolzen Wachs, läßt mich durch die offne Seite sehen, daß er das Herz mit mir getheilt und mich wie einen Siegelstein auf dasselbe gesetzt hat. O unbegreifliche Liebe, wie soll ich dich ergründen! Der Mund meines Bräutigams schweigt zwar, weil kein Leben mehr in ihm ist, aber das Herz dieses Todten lebt noch in Liebe, und obgleich keine Summe mehr gehört wird, ist der Schall dieses Herzens doch zu hören. Wie hat wohl der Speer, der dem Heiland die Seite durchstochen, auch zugleich das Herz Marias durchbohrt, die unter dem Kreuz ihres Sohnes mit dem Ende doch nicht das Ende der Grausamkeit sah! Mein Herz wird zwar durch diese Wunde tief verwundet, doch auch so getröstet, daß ich Tod und Teufel trotze.

O JESU, du wahre Quelle des Lebens, wie lieblich sind die Ströme deiner Liebe, die du auf meine Seele fließen läßt! Wie sicher ist die Wohnung, die du mir in deiner heiligen Seite, ja in deinem Herzen hast eröffnen lassen! O du Fels meines Heils, wie lieblich ist es an dir zu hangen und im Leben und Tode mit dir vereinigt zu bleiben! Deine geöffnete Seite ist meine Freistadt gegen die Feinde, dein entblößtes Herz mir die Quelle des Lebens. Du hast gesagt, daß in deines Vaters Hause viele Wohnungen seien; darin werde ich gewiß eine finden, wenn ich erst hier eine in deiner Seite gefunden habe. O stärke meinen Glauben, HERR JESU, du Anfänger und Vollender des Glaubens, daß er durch deine Kraft bewahrt und erhalten werde! Du hast dir deine Beine nicht zerbrechen lassen; zerbrich auch nicht das zerstoßene Rohr meines Glaubens, sondern gedenke, o mein Haupt, daß ich ein Glied bin an deinem Leibe, das auch nicht soll zerbrochen werden. Zerbrich aber die Kräfte meines alten Menschen, auf daß der neue gestärkt werde. Brich den Willen des Fleisches, daß der willige Geist nicht gehindert werde. Bewahre aber meine Gebeine, daß deren nicht eins verloren gehe, und wenn sie auch nach deinem Willen zerstreut würden, so sammle sie wieder in dein Bündlein der Lebendigen. Tilge alle meine Uebertretungen mit deinem Blute, und laß mich in deiner geöffneten Seite stets den unerschöpften Brunnen des Trostes finden. O wie bebt mir mein Herz, wenn ich an die Oeffnung deines Herzens denke! Denn ich, mein liebster Heiland, ich habe deine heilige Seite durchstochen, meine Sünden haben jenem Kriegsknechte die Hand geführt und der Speer meiner Missethaten war seinem Speere zuvor gekommen. Aber mein bebendes Herz wird erquickt, wenn ich bedenke, daß du aus Liebe zu mir, die stärker ist als der Tod, dir auch nach dem Tode Herz und Seite hast offnen lassen, daß ich darin als deine Braut den Himmel fände. Nun, weil du im Leben und Tode dein Herz mit mir getheilt hast, so soll mein Herz hinfort nur dir, o meine gekreuzigte Liebe, gewidmet sein. Es wisse die Welt und der Herr der Welt, daß ich niemand als dir angehöre und daß dies Herz, für welches du allein dein Herz hast offnen lassen, dir-in Liebe geopfert sei. Nimm es an, HERR JESU! als das einzige Opfer, das ich habe, und damit es auf deinem Altar gelten möge, zerknirsche, zerschlage und reinige es von aller Unreinigkeit. Wasche es mit dem hellen Wasser, das aus deiner Seite floß, und reinige es mit deinem rosinfarbnen Blute, daß meine blutrothen Sünden schneeweiß werden. Laß nur einen Tropfen von dieser heilsamen Quelle auf meine matte Seele fließen, daß sie genese. Ach, wie ist deine Frucht meinem Gaumen so süß! Du Baum des Lebens, wirst geritzt und in deinem Inwendigen verwundet, aber du läßt den köstlichen Balsam auf mein Gewissen treufeln, daß es geheilt und von den todten Werken gereinigt werde. Durchstich auch mein Herz kräftiglich mit dem Speer deiner Liebe, daß daraus hinfort nebst angenehmen Bußthränen nichts als reine Gedanken, heilige Worte und gute Werke fließen. Verwunde mein Herz, daß es heil werde, tödte es. daß es lebendig werde, und wenn es in Angst beklommen ist, so öffne es wieder zum Trost und zur Erquickung. Laß die Seufzer, die aus meinem Herzen quellen, angenehm sein vor deinem Throne und vermische das Opfer meiner Lippen mit dem Opfer deines Blutes, daß es zu dem Herzen deines Vaters dringe. Vertritt mich bei demselben, wenn sein Zorn entbrennt und wenn das Feuer seiner Rache zu meinen Grenzen dringen will, so lösche es aus mit dem Blute, das aus deiner Seite floß. Sprich das Wort für mich, wenn die Hölle mich anklagt, und zeige deinem himmlischen Vater die verwundete Seite, wo meine Heilsburg ist. Laß mich in deinen Wunden selig einschlafen und, so lange ich hier bin, in ihnen meine einzige Ruhe suchen. Ich verlange nicht mit Thomas meine Hand in deine Seite zu legen, aber mein Glaube soll stets diese Stelle suchen und mit dieser Hand will ich dein Herz selbst ergreifen. Wenn die Angst meines Herzens groß sein wird, will ich an deine Angst gedenken und im Tode getrost sein, weil mir dein Tod das Leben geworden ist. Im ertödteten Löwen hat Simson Honigseim gefunden, der Löwe vom Stamme Juda hat auch im Tode Süßigkeit für meine Seele. Damit will ich des Todes Bitterkeit vertreiben und an jenem großen Tage des Gerichts, wo die Gottlosen sehen werden, in wen sie gestochen haben, will ich unerschrocken vor deinen Thron HERR JESU, treten und dich sehen von Angesicht zu Angesicht. Amen.

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