Krummacher, Gottfried Daniel - Die Wanderungen Israels durch die Wüste nach Kanaan (Hor-Gidgad)

Krummacher, Gottfried Daniel - Die Wanderungen Israels durch die Wüste nach Kanaan (Hor-Gidgad)

Vierundvierzigste Predigt.

Achtundzwanzigste Lagerstätte: Hor-Gidgad

Text: 4. Buch Mose 33,32.

Die ersten Christen nannten sich gern Fische, im Griechischen Ichthus. Sie taten das nicht nur mit Anspielung auf die Sündflut, in welcher allein die Fische am Leben blieben, sie taten es nicht nur mit Bezugnahme auf Christi Wort zu den Jüngern: Ich will euch zu Menschenfischern machen, wo denn auch sie gefangen worden waren, sondern sie nannten sich gern so in Betracht der Buchstaben des griechischen Worts Fisch, Ichthus; denn jeder derselben ist

der Anfangsbuchstabe eines für Christen sehr teuren und merkwürdigen Wortes. Der erste ist ein I, der Anfangsbuchstabe des teuren Namen Jesus. Der zweite ist ein Ch, womit der Amtsname Christus anhebt. Der dritte und vierte ist ein T, womit im Griechischen der Name Gott, der fünfte ein u, womit das Wort Sohn anhebt Gottes Sohn, ein Teil unseres Bekenntnisses. Der letzte Buchstabe ist ein S, Soter, Retter, Heiland. Der Name, den sich die Christen gaben, war also recht bedeutsam, lehrreich und wichtig und zugleich mystisch und geheim.

Wohl uns, wenn wir diesen Namen mit der Tat führen, dann wird es auch von uns heißen können: Sie lagerten sich in Hor-Hagidgad, welches diejenige Lagerstätte ist, von welcher wir heute handeln.

Der Name dieser 28sten Lagerstätte lautet wunderlich, Hor Gidgad, die Bedeutung aber ist so übel nicht. Von der vorigen Lagerstätte ist sie ziemlich weit, das ist 6 Meilen entfernt. Sie liegt an der Wüste Sinai, diesem Berge gegenüber. Ihre Richtung geht aufs rote Meer zu, in der Gegend, wo dasselbe sich mit dem großen Meer vereinigt, bis wohin sie noch zwei Lagerstätten haben. Kanaan haben sie im Rücken und entfernen sich immer weiter von dannen, als sollten sie nie hingelangen.

Die erste Bedeutung des Namens dieser Lagerstätte ist die: edles Kriegsheer oder edles Heer. Gad war bekanntlich der 7te Sohn Jakobs, und er bekam seinen Namen von dem Ausruf der Lea bei seiner Geburt: Bagad, da kommt ein Heer, oder wie es in unserer Übersetzung lautet, rüstig. Sein sterbender Vater sinnspielt auf diesen Namen in dem Segen, den er seinen Söhnen erteilte. Gad war nebst Ruben derjenige Stamm, welcher sein Erbteil diesseits des Jordans bekam, und er machte sich nach dem 17ten Vers des vorhergehenden Kapitels anheischig: Wir wollen uns rüsten vorne an vor den Kindern Israel, und alle gerüstet zum Heer in den Streit ziehen vor dem Herrn, welches Versprechen sie auch Wort hielten. David braucht dies Wort Ps. 94,21., wo er sagt: Sie rüsten sich wider die Seele des Gerechten, und Zion heißt Micha 4,14. Bath Gedud, du Kriegerin rüste dich, wo ihr zugleich verheißen wird: Ich will dir eiserne Hörner und eherne Klauen geben, und sollt viel Völker zerschmeißen, die über dich her wollen: aber ich habe sie zu Haufen gebracht, wie Garben auf der Tenne. So mache dich auf und dresche.

Gewiss ist die Gemeine Jesu Christi ein Heer, den König aller Könige und den Herrn aller Herren an seiner Spitze. Alle Glieder derselben, alle wahre Christen, nicht nur aller Zeiten und Orte, sondern auch hier auf Erden und droben im Himmel, machen Ein Ganzes, Ein Heer aus. Sie stehen jenem andern großen und zahlreichen Haufen gegenüber und entgegen, der Welt heißt, den Teufel an der Spitze hat, im Argen liegt und verdammt wird; jenem Haufen, für welchen Christus nicht bitten wollte. Dies Heer ist des Herrn Teil. Jakob ist die Schnur seines Erbes. Ihrer sind viele, aber alle Glieder eines Leibes, wiewohl ihrer viele sind, sind sie doch nur Ein Leib, also auch Christus 1. Kor. 12. Sie alle sind Werke Gottes vorzüglichster Art; denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christo Jesu zu guten Werken. An ihnen erweist Gott seine ganze Herrlichkeit und sie sind wie Spiegel, in welchem sich des Herrn Herrlichkeit spiegelt. Ihrer größten Zahl nach sind sie im Himmel. Ein bedeutender Teil ist hier auf Erden, der noch eine ansehnliche Vergrößerung erwartet.

Dieser Teil hier auf Erden heißt die streitende Kirche, heißt mit Recht Gidgad, ein Kriegsheer. Dies Volk ist durch einen Krieg gewonnen. Sie waren ein Raub jenes Starken, Gefangene jenes Riesen und sind ihm genommen und los geworden, da der Herr mit unsern Haderern haderte nach Jef. 49. Um sie führte der große Friedefürst jenen ewig denkwürdigen, gesegneten Krieg, da er sich für seine Schafe dem heranrennenden Wolf entgegenstellte, da gegen diesen Fürsten, der Fürst dieser Welt heraufzog, wiewohl er nichts an ihn hatte, da sich dieser brüllende Löwe über den Löwen aus dem Stamme Juda hermachte. Er gab sein Leben zum Schuldopfer und sieht dafür Samen. Er zog die Fürstentümer und Gewalten aus, machte einen Triumph aus ihnen und trug sie Schau öffentlich. Da hat er sich sein Volk errettet von der Obrigkeit der Finsternis. Diesen siegreichen Krieg, der dem ganzen Heer zu statten kommt, hat er auch in Absicht jedes einzelnen Gliedes desselben geführt, da er als der Stärkere über den stark Gewappneten kam, und ihm seinen Hausrat raubte, wie sorgfältig er ihn auch bewachte. Er gab sich ans Überreden, und die Seele ließ sich überreden. Er wurde ihr zu stark und übermochte. Er siegte, und nach seinem Siege opfert ihm sein Volk Willi glich im heiligen Schmuck. So bekam er eine große Menge zur Beute, und Starke zum Raube, darum, dass er sein Leben in den Tod gegeben, und hat vieler Sünde getragen, und für die Übeltäter gebeten.

Die Gemeine Jesu Christi heißt mit Recht Gidgad, ein Kriegsheer, denn sie ist wie Israel. Sie - zum Kriege bestimmt, sind Streiter Jesu Christi. Ihr letztes Wort ist: Ich habe einen guten Kampf gekämpft; ihre Aufgabe, zu kämpfen über dem Glauben, der den Heiligen übergeben ist. Wollen sie Alles ererben, so müssen sie überwinden, gleichwie ihr König überwunden hat, sie müssen Alles wohl ausrichten und das Feld behalten. Die Palme wird nur dem gereicht, der gekämpft und gesiegt hat.

Wahre Christen sind zum Kriege geboren, durch die Wiedergeburt ist der Geist in sie gelegt, der ein streitbarer Held ist wider das Fleisch, der es mit Gott wider alles Ungöttliche hält, und in einem unaufhörlichen Widerspruch gegen alle Sünde steht. Sobald aber ist dies Kindlein in der Krippe des Herzens geboren, trachtet ihm auch irgend ein Herodes nach dem Leben. Das Fleisch gelüstet wider den Geist, diese sind wider einander.

Sie sind auch zum Streit befähigt, und die Gemeine wird im Hohenliede beschrieben als schrecklich, wie Heeresspitzen. In Allem überwinden wir weit, sagt Paulus. Wie vortrefflich müssen sie denn nicht gerüstet und bewaffnet sein. Der Schwächste unter ihnen wird ja sein, wie David. Alle sind sie bewaffnet gegen die Schrecken der Nacht und haben Schwerter in ihren Händen. Gott lehret ihre Fäuste kriegen, und indem sie die ganze Waffenrüstung Gottes anlegen, sind sie stark in dem Herrn und in der Macht seiner Stärke, und also tüchtig, Kriegsvölker zu zerschmeißen.

Und so führen sie wirklich den allerwichtigsten Krieg. Freilich ist's kein fleischlicher, sondern ein geistlicher Krieg, denn mit Fleisch und Blut, mit körperlichen Dingen, zu denen körperliche Kraft gehört, haben sie's als Christen nicht zu tun. Die Waffenrüstung, wie die Ritterschaft ist geistlich, das Herz, das Innerste der Seele, ist das Schlachtfeld, ist der Tummelplatz, wo ohne äußeres Geräusch und unsichtbar die Kämpfe geführt, die Niederlagen erlitten, die Siege erfochten werden, deren eigentlicher Zenge nur Gott ist.

Es ist ein höchst wichtiger Krieg, wichtiger, wie die sonst erschrecklichen Kriege, welche doch nur um einen Strich Landes mehr oder weniger geführt werden. Hier aber handelt's sich um Seele und Seligkeit, um Hölle und Himmel, diesen zu erreichen, jener zu entgehen. Es handelt sich um die Gnade Gottes, und also um das höchste Gut, um die herrlichste Freiheit oder die schmählichste Knechtschaft, ewiges Leben und ewiger Tod.

Es ist ein notwendiger Krieg. So wenig Israel ohne Krieg zum Besitz Kanaans gelangen konnte, so wenig gelangt Jemand ohne Streit zum Himmel. Will Jemand sich nicht in den Kampf gegen Welt und Sünde begeben, so streitet Gott wider ihn, und ist der wider Jemand, wer mag für ihn sein? Neutral, wo man es weder mit der einen, noch mit der andern Partei halten will, kann hier Niemand bleiben, und da Niemand so ungleichen Herren, wie Gott und der Satan ist, zugleich dienen kann, so muss Jeder einem von ihnen an hangen. Die Schrift weiß nur von Kindern Gottes und Kindern des Teufels, nur von zwei Wegen, wovon der Eine zur Verdammnis, der Andere zum Leben führt.

Dieser Streit ist langwierig, denn er fängt gleich mit der geistlichen Geburt an, und hört erst bei ihrer Vollendung im Tode auf. Jedoch ist er freilich nicht immer gleich hitzig; das böse Stündlein, dessen Paulus Eph. 6. gedenkt, währet nicht an einem fort, es kann sich aber jeden Augenblick erneuern. Daher geziemt sich nicht für einen Christen zu schlafen, sondern stets zu beten in allem Anliegen, und dazu zu wachen mit allem Anhalten und Flehen im Geist. Es gibt auch Ruhestunden, wo es weiter keiner Anstrengung bedarf, sondern man nur genießt.

Der Kampf der Christen ist schwierig, sowohl wegen ihrer eignen Schwachheit, als wegen der Beschaffenheit ihrer Feinde. Sie selbst, die Streiter, sind schwach, und wohl so schwach, dass sie auch keinen Augenblick bestehen können. Sogar ist etwas in ihnen, das es mit den Widersachern hält, und ihnen zum Siege behilflich zu sein sucht, was die Gefahr verdoppelt. Ich bin zum Hinken geneigt, ruft David aus. Die Feinde sind kühn, so dass der Hauptsächlichste unter ihnen sich sogar an den Sohn Gottes selbst wagte. Sie sind so mächtig, dass sie schon die ausgezeichnetsten Heiligen zu Boden geworfen haben, und werden deswegen auch mit Löwen verglichen. Wurde Adam überlistet, was soll aus Andern werden? Sie sind so listig wie Schlangen und so giftig wie sie; Alles fallen sie an, die Keuschheit, die Geduld, die Demut, die Liebe. Sie schonen des historischen Glaubens nicht, und suchen vorab das Vertrauen und die Hoffnung wankend zu machen. Diesen suchen sie durch Vorhaltung seiner Sünden und Jenen durch Vorspiegelung seiner Tugenden zu stürzen, diesen durch Lust, den durch Furcht, den Einen durch Leichtsinn, den Andern aber durch übermäßige Traurigkeit zu Grunde zu richten. Ist der Kampf schwer, so ist selbst die Entschließung zu demselben nicht leicht. Wer sagt denn gern Allem ab, um Christo zu folgen, bei dem man zunächst das Kreuz findet? Wer misst1) wohl ohne die höchste Not ein Auge, Hand oder Fuß?

Jedoch ist's ein guter Kampf. Wohl dem, der sich in denselben einlässt, es wird ihn nie gereuen. Dieser Kampf nimmt ein gutes Ende, und Alle sind durch Geduld gelaufen in den Kampf, der uns verordnet ist. Sollte man auch in einem einzelnen Gefechte den Kürzeren ziehen, sollte man auch eine einzelne Schlacht verlieren, so ist darum doch noch nicht Alles verloren. Wunden werden wieder heil, Verrenkungen wieder eingerichtet, Verluste ersetzt. Wir haben einen guten Heerführer, guten Beistand und zuletzt ein herrliches Kleinod. Im Grunde haben wir's auch nur mit längst überwundenen Feinden zu tun. Denn es ist endlich ein übernatürlicher Krieg. Wir bedürfen dazu keiner eigenen Kraft und Klugheit, vielmehr werden wir um so geschickter zu demselben sein, je gründlicher unsere Seelen von dem Hoffen darauf ausgeleert sind. Man fällt weniger wegen seiner Schwachheit, als wegen seiner vermeintlichen Kraft. Zwar sollen wir gegen alle und jede Sünde streiten, besonders gegen diejenigen, wozu wir am leichtesten gereizt werden; unermüdet, auch wenn wir nicht sobald den Meister spielen können, wie wir's wohl wünschten; ernstlich, so dass es uns wirklich um den Sieg, um gänzliche Ausrottung alles Bösen, um gänzliche Erneuerung zu Gottes Bilde von ganzem Herzen zu tun ist; aber wir sollen mutig streiten, als solche, welche in dem Herrn Gerechtigkeit und Stärke haben und in Ihm in Allem weit überwinden, als solche, welche dem gewissen Siege und einer herrlichen Krone entgegeneilen.

Mit vollem Rechte heißt die Gemeine Jesu Christi also ein Kriegsheer, und wie sehr Israel das war, zeigte sich recht bei der Einnahme Kanaans, wo sie es mit Riesen zu tun bekamen, gegen welche sie nur wie ein Haufen Ameisen waren, und sie doch alle überwanden.

Lasst uns jetzt auch die Bedeutung der ersten Silbe des Namens dieser Lagerstätte erwägen, nach welcher sie Hor genannt wird. Hor bedeutet zuerst etwas Edles, Herrliches, Vorzügliches. So ließ die Jesabel wegen Naboths, dessen Weinberg Ahab gern gehabt hätte, Briefe an die Obersten, hebräisch Horim, seiner Stadt schreiben. 1. Kön. 21. Jesaias droht den Fürsten, den Horim Babels, sie würden heißen Herren ohne Land, Kön. 34,12., und mit Jehanja mussten alle Fürsten Horim Judas von Jerusalem nach Babel, wie Jeremias 27,20. meldet. In dem Beiwort Hor wird also dieses Heer als ein edles, herrliches, vorzügliches bezeichnet. Es hat auch geringe Namen. Es heißt z. B. ein Würmlein, ein armer Haufe, eine Elende und Trostlose, über die alle Wetter gehen; David nennt sie Ps. 74. sogar elende Tiere, wenn er im 19ten Vers betet: Du wollest nicht dem Tiere geben die Seele deiner Turteltaube und deiner armen Tiere nicht sogar vergessen. Gedenke an deinen Bund. Hier aber bekommen sie nach Gebühr einen ehrenvollen Namen. Denn sie heißen: Hor, Oberste, Herren, Fürsten, Edle. So kommt's ihnen auch zu. Sie sind etwas Edles schon wegen ihrer Geburt. Nicht meinen wir ihre natürliche Geburt, denn die wird mit Recht Ezech. 16. als eine so verächtliche beschrieben, dass du hinaus geworfen wurdest aufs Feld. Dein Vater war aus den Amoritern, deine Mutter von den Hethitern. Oder dass wir aus dem Neuen Testament reden: Wir waren Kinder des Zorns von Natur, Fleisch von Fleisch. Wahre Christen aber haben noch eine andere Geburt, nämlich die aus Gott. Sie sind aus Gott geboren und also göttlichen Geschlechts. Sie sind und heißen Kinder Gottes. Auch dem Fleische nach sind sie ihm nahe verwandt, denn wie sie Fleisch und Blut haben, ist der Sohn Gottes desselben ebenfalls teilhaftig worden. Christen sind bei aller äußern Niedrigkeit etwas Hohes: Horim, wegen ihrer man möchte sagen unglaublichen Würden. Sie heißen eine Braut des Lammes, Priester und Könige. Und sie heißen nicht bloß so, sondern besitzen und genießen alle die Vorzüge, welche mit diesen Benennungen verknüpft sind. Sie sind der Gegenstand einer so großen Liebe des Sohnes Gottes, dass er erklärt: Gleichwie mich mein Vater liebt, also liebe ich euch auch. Als Priester haben sie das Recht des Zutritts zu Gott, so wie die Verpflichtung, ihm täglich ihren alten Menschen zu opfern. Als Könige herrschen sie, und Alles muss ihnen dienen und dient ihnen bis zum Tode hin. Nichts aber schadet ihnen, selbst wenn sie etwas Tödliches tränken, nach Marci 16,18. Hor sind sie wegen ihres Standes.

Es sind Gerechte, Heilige, Geliebte. So gerecht, dass sie Alles herausfordern und fragen dürfen: Wer will verdammen? Wer will verdammen? So heilig, dass kein Flecken an ihnen ist; so lieb, dass des Herrn Eingeweide über sie brausen und gesagt wird: Mein Herz bricht mir gegen sie, dass ich mich ihrer erbarmen muss. Sie sind ein Tempel Gottes, in welchen er wohnt und wandelt, und Er selbst eine feurige Mauer um sie her. Ihr Stand ist so erhaben, dass Paulus 1. Kor. 6. eben die Korinther, welche er doch in mancherlei Betracht auch in dem angeführten Kapitel tadelt, fragt: Wisst ihr nicht, dass die Heiligen die Welt richten werden? Wisst ihr nicht, dass wir über die Engel richten werden? Er will, sie sollen deswegen sich selbst hochachten, und setzt hinzu: Seid ihr denn nicht gut genug, um geringere Sachen zu richten? Welche Vorzüge genießen sie nicht auch, wenn es auch nur das eine, aber freilich Alles umfassende Vorrecht wäre, dass ihnen Alles zum Besten dienen muss. Die Wolkensäule der Gerechtigkeit Christi deckt sie täglich, wie die Vögel tun, mit Flügeln. Die Feuersäule macht Bahn vor ihnen her. Welch' eine edle Gesinnung wohnt in ihnen, denn sie sind geistlich gesinnt. Sie haben Lust am Gesetz Gottes und dienen demselben mit dem Gemüte. Sie trachten nicht nach Dem, was auf Erden ist, sondern nach Dem, was droben ist. Sie lieben Gott und sind bereitwillig, um seinetwillen Alles zu meiden, Alles zu leiden, Alles zu verleugnen, und beweisen dies, wenn es darauf ankommt, auch mit der Tat. Es sollten nur einmal alle die Hindernisse aus dem Wege geräumt sein, wie herrlich würde ihr Geist herausbrechen und der niedergehaltene Palmbaum emporschnellen. Nun aber ist der Leib zwar tot um der Sünde willen, der Geist aber macht lebendig. Wenn das Vollkommene erscheinen wird, hört das Stückwerk auf. Hor, edel sind die Christen wegen ihres Reichtums, der so bedeutend ist, dass der Herr selbst sagt: Du bist reich. Offenb. 2,9. Ihr seid reich gemacht an allen Stücken, schreibt Paulus den Korinthern und sagt: Wir haben Alles. Und dieser Reichtum ist über die irdischen Wechselfälle erhaben, er ist unvergänglich. Zwar tragen sie diesen Schatz noch in irdischen Gefäßen, wenn aber Christus, ihr Reichtum, offenbar werden wird, so werden sie mit ihm offenbar werden in der Herrlichkeit. Sie können Alles bezahlen, sind Niemand was schuldig, können Alles kaufen, indem sie zugleich so arm sind, dass sie nichts haben. Endlich besitzen sie eine Kraft, vermöge welcher ihnen den Glaubenden kein Ding unmöglich ist, wodurch sie in Allem weit überwinden und Alles vermögen. Vergeblich werden sie mit Krieg überzogen, in Allem überwinden sie weit. Keiner hat Ursache zu sagen: Ich bin schwach.

Urteile nun ein Jeder, ob ein solches Heer nicht mit Recht Hor heiße, ob die Glieder, woraus es besteht, nicht mit Recht Horim, Obersten, Edle, Fürsten und Herren heißen. Jedoch verdient es diesen Namen nur wegen seines Hauptes, mit welchem es in Verbindung steht. Ohne dasselbe wäre es, wie ein enthaupteter Mensch, tot, scheußlich, nichts. Ihres Hauptes Herrlichkeit spiegelt sich in ihnen, und was sie sind, sind sie nur dadurch und in so fern, als sie sich an dem Haupte halten. Lasst uns deswegen rechtschaffen sein in der Liebe und in allen Stücken wachsen an dem, der das Haupt ist, Christus. Eph. 4,15. Lasst uns nach den besten Gaben streben und danach trachten, uns auch als ein rechtes Hor Gidgad, edles Kriegsheer, zu erweisen.

Das Wörtlein Hor hat aber noch eine andere, nicht so gar angenehme Bedeutung, denn es heißt auch ein Loch. So braucht die Braut im Hohenlied 5,4. dies Wort, wenn sie sagt! Mein Freund steckte seine Hand durchs Loch und mein Leib erzitterte davon, oder meine Eingeweide bewegten sich. Mit einem Loch verbinden wir einen unangenehmen Begriff. Es ist etwas Finsteres, Unsauberes, Enges, Unbequemes, woraus man, wenn man darin ist, je eher je lieber heraus wäre, wie denn das Wort auch allerlei Unflat bedeutet, wie Jes. 36,12. Wie kläglich wird's also herauskommen, wenn wir übersetzten: sie lagerten sich in einem unflätigen Loch, und wie angenehm wird es sein, wenn es gleich drauf heißt: Sie zogen aus und lagerten sich in Fathbatha, d. h. Gutstadt. Befremdend und unangenehm wird es uns vorkommen, dass die glänzende Bedeutung des Wörtleins Hor sich so bald und unerwartet in eine so trübe umwandelt, dass aus den Fürsten und Herren, ehe man sich's versieht, ein hässlich Loch wird! Aber geschieht's nicht wirklich also am Ende mit allen Gottlosen, deren Ausgang Schrecken ist? Ihre Herrlichkeit, ihre Lust, ihre Sicherheit wandelt sich zuletzt plötzlich in lauter Elend und Jammer um. Aber auch das edle Kriegsheer ist nicht selten in einem engen Loch eingezwängt, und wenn David Psalm 18 rühmt: Du führst mich in einen weiten Raum, so musste er vorher beengt gewesen sein.

Im Ganzen wandelt dies edle Heer in den Schranken der göttlichen Gebote und Führungen. Sie haben Jesu Joch auf sich genommen und tragen seine Last. Sie lassen ihren Begierden den Zügel nicht schießen, um zu tun, was ihren Augen gefällt, sondern halten ihr Fleisch gekreuzigt samt den Lüsten und Begierden und betäuben ihre Leiber, wie Paulus 1. Kor. 9,27. sagt. Sie wandeln nicht auf einem breiten, sondern einem schmalen und immer schmaler werdenden Wege und stehen unter einer genauen und scharfen Zucht, die ihnen nichts erlaubt. Wollen sie üppig werden und hinten ausschlagen, so sind auch Ruten und Geißeln da, sie herzunehmen. Sie rufen einen solchen als Vater an, der ohne Ansehen der Person richtet, nach eines Jeglichen Werk, und führen deshalb ihren Wandel, so lange sie hier wallen, mit Furcht. Schafft, heißt es deswegen zu ihnen, schafft, dass ihr selig werdet mit Furcht und Zittern, denn Gott ist es, der in euch wirkt beides das Wollen und Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen. Wo es so nicht ist, da gehört man auch nicht zu diesem edlen Kriegsheer, und nur die richtig gewandelt haben, kommen zum Frieden. Sie

alle schwören und wollen es halten, dass sie die Rechte seiner Gerechtigkeit halten wollen. Fangen welche an, hochzufahren und übers Ziel zu schreiten, verlassen sie die Bahn der Demut, der Armut am Geist und des Gebets, so werden sie wohl, ehe sie's denken, in ein enges Loch eingepfercht, und ihr Pochen wandelt sich in Ächzen und Seufzen. Sie lernen, wie so gar nichts alle Menschen sind, und dass der Herr alleine gut sei.

Niemand gelangt aber auch in das Reich Gottes als nur durch eine enge Tür, wo Alles zurückbleiben muss. Eigener Wille, Selbstvertrauen, eigne Weisheit und der ganze alte Mensch muss zum Opfer dargelegt werden. Sie ist niedrig, diese Tür, und eher ein Loch, als eine Tür zu nennen. Man muss sich bücken, um hindurch zu kommen, man darf wohl einem Wurm, aber auf keine Weise einem Kamel gleichen. Demütig muss man werden und stets noch geringer, bis man endlich nichts und Christus in uns Alles wird. - Dass man endlich durch viele Trübsale ins Reich Gottes gehen muss, ist bekannt. Wie oft glich nicht die Kirche im Ganzen einem Lager, das zu Hor, einem engen Loch, eingepfercht war, da sie von schweren Verfolgungen bedrängt wurde, und es ein Kapital-Verbrechen war, die Wahrheit zu bekennen. Und überhaupt zeigen ihre Dornenkronen, die in Salems Mauern wohnen. Sie sind aus großer Trübsal gekommen und haben ihre Kleider gewaschen und helle gemacht im Blute des Lammes.

Das Wörtlein Hor kommt noch in einer dritten Bedeutung als Körbe oder Gefäße vor. So träumte Pharaos Hofbäcker, er habe drei weiße Körbe, Hori, auf dem Haupte, 1. Mose 40,15. Wir haben, sagt Paulus, solchen Schatz in irdenen Gefäßen. Wir selbst sind Gefäße, und wenn der Herr nicht seine Gnade und Gaben hineinlegt, leer. Wir sollen auch leere Gefäße werden, in welche sich das Öl der göttlichen Gnade ergieße, und den Kindern Israel nachahmen, welche jeden Morgen hinausgingen mit einem leeren Gefäß, um sich ihr Manna zu holen. Mag's denn auch nur ein schwacher leerer Korb in sich selbst sein, dies Heer, mag es auch mit leichter Mühe überwunden werden zu können scheinen, das sonderlich keinen Widerstand tun kann: so ist's doch einer von jenen Körben, welche Jesus mit Brocken zu füllen befohlen hat, ein Gefäß, worin er selbst ist. Deshalb scheitern auch alle Anfälle auf dasselbe, auch wenn die Pforten der Hölle sie anfallen. Sic sind zugleich eins mit jenem Felsen. Wer auf denselben fällt, der wird zerschellen, und auf welchen er fällt, den wird er zermalmen. Matth. 21,44.

Endlich heißt das Wort auch Netze. So kommt's in dem merkwürdigen 19. Kap. des Propheten Jesaias vor, in welchem die Bekehrung Ägyptens nach schweren Gerichten verkündigt und unter andern gesagt wird: Der Herr wird die Ägypter plagen und heilen, denn sie werden sich bekehren zum Herrn, und der Herr wird sich von ihnen erbitten lassen und sie heilen. Denn der Herr wird den Ägyptern bekannt werden, und die Ägypter werden den Herrn kennen und ihm dienen samt den Assyrern. Alsdann wird Israel selb dritte sein mit den Ägyptern und Assyrern durch den Segen, so auf Erden sein wird. Denn der Herr Zebaoth wird sie segnen und sagen: Gesegnet bist du Ägypten, mein Volk, und du Assur, meiner Hände Werk, und du Israel, mein Erbe.

Wenn gleich Coccejus2) nicht Unrecht hat, unter denen, die nach Vers 9 Netze stricken, solche zu verstehen, die durch allerhand Sophistereien menschliches Ansehen befestigen und die Menschen vereinigen, so ist es doch auch wahr, dass die Kirche und deren Oberhaupt durch seine Diener ein großes Netz in das Meer dieser Welt wirft, um Menschen zu fahen. Sie selbst sind glücklicher Weise in dies Gnadengesetz gefangen, werden in demselben vereinigt und behalten, und endlich ans Land des ewigen Friedens gezogen. Die Kirche wirft auch noch immerdar ihr Netz aus, um Menschen zu fangen, und ist besonders jetzt in dem großen Meer der Heiden beschäftigt. Sie arbeitet bald eine Zeitlang ganz vergeblich, bald fähet sie etwas, bald reißt das Netz, bald tut sie einen guten Zug. Und so erfüllt sich das weissagende Gleichnis Christi Matth. 13, 47-50. Sehe denn ein Jeglicher zu, dass er nicht als ein fauler Fisch weggeworfen, sondern dass uns die Engel endlich als gute auslesen und in Ein Gefäß sammeln. Amen.

1)
verliert
2)
Johannes Coccejus eigentlich Johannes Coch oder Johannes Koch (* 30. Juli 1603 in Bremen; † 5. November 1669 in Leiden) war ein protestantischer Theologe.
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autoren/k/krummacher_g.d/predigt_44.txt · Zuletzt geändert: von aj
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