Krummacher, Gottfried Daniel - Die hohepriesterliche Segensformel - 7. Predigt.

Krummacher, Gottfried Daniel - Die hohepriesterliche Segensformel - 7. Predigt.

4. Mos. 6, 26
Der Herr hebe sein Angesicht über dich

In diesem dritten Teile des hohepriesterlichen Segens wird das Werk des Heiligen Geistes bezeichnet, denn die Mitteilung der Gnade geschieht durch den Heiligen Geist. Wie in dem apostolischen Gnadenwunsche die Gemeinschaft des Heiligen Geistes das Dritte und Letzte ist, so auch in dem hohepriesterlichen Segen. Wenden wir denn unsere Andacht

1. auf die Lehre vom Heiligen Geist,
2. auf sein Werk: Hebe sein Angesicht!

I.

Laßt uns zuvörderst einiges aus der Lehre vom Heiligen Geiste bemerken. Der Heilige Geist ist vom Vater und vom Sohne verschieden und ein anderer. Es wird verschiedenes von ihm gesagt, was vom Vater und dem Sohne nicht gesagt wird. Zum Beispiel: Alle Schrift ist von Gott eingegeben, nicht aber vom Vater und dem Sohne, sondern die Heiligen Menschen Gottes haben geredet, getrieben vom Heiligen Geiste. Die Menschheit Jesu wurde dadurch bereitet, daß der Heilige Geist über die Heilige Jungfrau Maria kam; sie, die Menschheit, wurde mit dem Heiligen Geiste gesalbt ohne Maß. Er wird als ein Pfand ins Herz gegeben, leitet in alle Wahrheit, verkläret Christum, nimmt's von dem Seinigen und verkündigt's uns. Er heißt ein Geist der Zucht, der Kraft, des Gebets, des Glaubens, weil er dies alles wirkt. Er wird gegeben, und der Sohn hat den Vater gebeten, daß er uns den Heiligen Geist als einen andern Tröster sendete, der bei uns bleibe ewig. Übrigens wissen wir, daß nicht der Heilige Geist, sondern der Sohn für uns Mensch geworden ist, daß der Vater Christum auferwecket hat, daß dieser uns durch sein Verdienst die Gerechtigkeit und den Heiligen Geist erworben hat, daß der Heilige Geist das erworbene Heil denen zueignet, die daran Teil haben. Die Verschiedenheit der drei Personen in dem einen göttlichen Wesen ward besonders bei der Taufe Jesu Christi bekundet, da der Vater vom Himmel herab redete, der Sohn im Jordan von Johannes getauft wurde, der Heilige Geist aber in Gestalt einer Taube auf ihn herabfuhr; und bei unserer Taufe wird ja der Vater, der Sohn und der Heilige Geist von einander unterschieden, unterschieden, aber nicht getrennt, denn diese drei sind eins. Sind wir nicht imstande, nachzuweisen, wie bei uns die beiden entgegengesetzten Teile, Leib und Seele, also Geist und Körper, bis zu ihrer Trennung durch den Tod nur eins sind, nicht imstande, bis zur Deutlichkeit nachzuweisen, wie eins aufs andere wirkt, welchen Einfluß der Körper, welchen der Geist auf diese oder jene Handlung hat, inwiefern z.B. meine Freude oder Traurigkeit ein Ergebnis körperlicher Disposition, meines Temperaments ist, und sich mit einer Veränderung, die im Körperlichen vorginge, auch anders gestalten würde, sind wir nicht imstande, die Frage immer genauer zu beantworten: Befindet sich mein Körper besser, wenn mein Geist heiter ist, oder ist mein Geist heiter, wenn es meinem Körper besser geht, würden diese, jene Anfechtungen, welche die Seele quälen, nicht mit einer gewissen körperlichen, krankhaften Beschaffenheit aufhören? wieviel weniger dürfen wir uns vermessen, von dem unergründlichen göttlichen Wesen, das auch in seinen Wirkungen eins ist, überall genau bestimmen zu wollen, was für einen Anteil die eine oder die andere Person an diesen Wirkungen hat. Genug, der Vater zieht durch den Heiligen Geist dasjenige zum Sohne, was ihm der Vater gegeben hat, und der Sohn führet es durch den Heiligen Geist zum Vater. Der Glaube z.B. ist eine Gabe des Vaters, aber Christus heißt auch nicht nur der Anfänger und Vollender des Glaubens, sondern Paulus sagt auch zu den Thessalonichern: Wir gedenken allezeit eures Werks des Glaubens, der Arbeit, der Liebe und der Geduld der Hoffnung mit dem Zusatz unsers Herrn Jesu Christi, und warum der Heilige Geist der Geist des Glaubens heißt, haben wir soeben bemerkt. Demnach wendeten sich die Jünger, ohne zu irren, an den Herrn Jesum mit der Bitte: „Herr, stärke uns den Glauben,“ so wie sie ihn darum ansprachen: „Herr, lehre uns beten,“ obschon der Geist es ist, der uns aufs Beste vertritt. Wer den Sohn hat, hat auch den Vater und den Heiligen Geist. Wer den Sohn nicht hat, der hat keinen Gott.

Der Heilige Geist ist gleich ewiger Gott mit dem Vater und dem Sohne. Die Beweise dafür sind euch noch aus euerm Katechisations-Unterricht in der Jugend bekannt und hoffentlich geläufig und gegenwärtig. Der daraus fließende Trost ist groß. Ist's ein allmächtiger Gott, der uns Frieden giebt, der uns Glauben schenkt, der uns beten lehrt, der uns Trost verleiht, uns heiligt: Wie sollten wir dies alles nicht erlangen, nicht üben können, wie ungeschickt wir auch aus uns selbst dazu sein mögen! Die genannten Werke sind göttliche Werke, worin sich eine göttliche Kraft, d.i. Allmacht offenbart. Derjenige also, der sie wirkt, muß Gott sein. Paulus vergleicht die Erleuchtung Epheser 5 nicht nur dem Erwachen eines Schlafenden, sondern einer Auferstehung von den Toten. Und sie ist ein Werk des Heiligen Geistes. Nach dem ersten Kapitel desselben Briefes erweiset sich an denen, die da glauben, eine überschwängliche Größe der Kraft und eine Wirkung der mächtigen Stärke Gottes, wie er sie in der Auferweckung seines gekreuzigten Sohnes erwies; und wir glauben, wenn wir den Geist des Glaubens überkommen, der dann seine gnädige Allmacht erweiset, wovon wir, die wir glauben, glückselige Beweise sind. Die Bekehrung ist nichts anders als eine Schöpfung aus nichts, weshalb der Christ im zweiten Kapitel des mehrgenannten Briefs ein erschaffenes Werk Gottes in Christo genannt wird, sie ist ein Rufen der Dinge, die nicht sind, daß sie seien; sie ist das Schaffen eines neuen Herzens, das Hervorrufen des Lichts aus der Finsternis, was nur Gott vermag. Er heißt der Tröster. Und wahrlich, ein rechter Trost ist nichts anderes, als ein göttliches Werk. Darüber mag uns Salomo belehren, welcher auf der einen Seite fragt: Einen niedergeschlagenen Geist, wer mag den aufrichten? auf der andern Seite aber bekennt: Ein zufriedenes Herz ist eine Gabe Gottes.

Meint ihr, wer alles in der Welt hat, was man wünschen kann, der sei auch zufrieden, so irret ihr sehr, denn teils giebt es keinen Menschen, der alles bei einander hat, was er wünschen kann, so lange er nämlich unbekehrt ist, teils ist das nicht gesagt, daß jemand auch zufrieden sei, der sich in den vorteilhaftesten Verhältnissen befindet. Der Besitz alles dessen, was in der Welt besessen werden kann, sättigt ein Menschenherz nicht; dessen Begierden sind wie Sand am Meer. Nur der allgenugsame Gott vermag das, nur der Tröster, der Heilige Geist. Betrachtet einen Menschen in Sünden- und Seelennot, predigt ihm aufs geflissentlichste die frohe Botschaft von Jesu, schildert seine Bereitwilligkeit, Sünder selig zu machen mit den lieblichsten Farben, reihet ihm Verheißungen an Verheißungen: Was werdet ihr ausrichten, wenn der Tröster nicht dabei ist? Ihr werdet ihn nicht bewegen können, zu glauben, daß auch er einer von den Sündern sei, die Jesus selig machen wolle. Er wird euch mit seinen unablässigen Einwendungen endlich müde und stumm machen und euch nötigen, Salomo recht zu geben. Und wie gern der Geängstete getröstet wäre, er kann und kann es nicht annehmen, wie er sich auch anstrengt. kaum aber kommt der Heilige Geist über ihn, um sich über den zu erbarmen, der unter dem Unglauben verschlossen war, wie wird's so ganz anders, so selig, so herrlich mit ihm, daß es ein Wunder ist vor seinen eigenen und anderer Augen, denn der Herr hat es gethan. Wir müssen sterben. Hinter uns liegt dann ein Leben voll Sünden, die Gegenwart häuft auf unsern armen Leib Elend aller Art; die Erde sinkt vor unsern Augen in nichts zurück, wenigstens nehmen wir unser Liebstes nicht mit heraus; vor uns öffnet sich das ungeheure Meer der Ewigkeit, und über demselben steht ein flammender Richterstuhl, und darauf sitzt einer. Sehet aber die Unverzagtheit dieses Sterbenden, ja sehet sein liebliches Lächeln, hört sein Halleluja! woher ihm das unter diesen Umständen? Der Tröster, der Heilige Geist ist über ihm, denn er ist wiedergeboren. Er geht durchs Wasser, aber dieser ist bei ihm, daß ihn die Ströme nicht ersäufen; er geht durchs Feuer, aber dieser ist bei ihm, daß ihn die Flamme nicht anzünde. Endlich: Was ist denn die Heiligung anders, als ein großes Gottes-Werk? Den göttlichen Samen bei so vielem Widerstande nicht nur zu erhalten, sondern denselben auch wachsen zu machen und zu fördern, das ist Gottes Werk. Denn bin ich, der Herr, es nicht, der euch heiligt, daß auch die Heiden sollen erfahren, daß ich der Herr bin, der Israel heilig machet? (Hesekiel 37,28) Was hat kräftigern Widerstand als eben die Heiligung? Welch' ein ungleicher Kampf wird hier geführt! So ungleich, daß wir den ganzen Harnisch Gottes bedürfen, sogar bedürfen, stark in ihm zu sein und in der Macht seiner Stärke, wenn wir alles wohl ausrichten und das Feld behalten sollen, wie Paulus in dem bekannten Spruche sagt. Christen heißen Tempel des Heiligen Geistes und das deswegen, weil er seine Wohnung und sein Werk in ihnen hat. Der Geist Gottes treibet Gottes Kinder, welche voll Geistes werden sollen. Mag aber die Heiligung noch so viele Schwierigkeiten haben, mag sie ein Ding der Unmöglichkeit für menschliche Kräfte und Bestrebungen sein, so gilt doch davon jenes Wort Gottes, wo er bei dem Propheten Sacharia 8 sagt: Dünket euch solches unmöglich zu sein, sollte es deswegen auch unmöglich sein vor mir, spricht der Herr. damit sollen sich diejenigen Seelen stärken und ermahnen, welche bei sich selbst nur einen geringen Anfang gewahr werden, doch so, daß sie nicht, allein nach etlichen, sondern nach allen Geboten anfangen zu leben. Derjenige, der verheißen hat: „Ihr sollt rein werden“ wird es auch thun. Am Ende wird jeder Christ im ganzen Umfange des Worts mit Hiob sagen: Der Geist Gottes hat mich gemacht, und der Odem des Allmächtigen hat mir das Leben gegeben. Aus den Werken, die dem Heiligen Geiste zugeschrieben werden, machen wir denn einen richtigen Schluß auf sein Wesen, daß er solche Werke nicht würde thun können, wäre er nicht eine göttliche Person.

Auf diese Bezeichnung als Person haben wir den gehörigen Nachdruck zulegen. Es ist wahr, das Wort Person kommt in der Heiligen Schrift nicht einmal von Menschen, vielweniger von Gott vor, ja in der lateinischen Sprache, woraus dies Wort entlehnt ist, hat es eine ganz andere Bedeutung, wie in den neuern Sprachen, und der unsrigen ist es blos eingebürgert. Die Schrift redet nur ein einziges Mal in der angefochtenen Stelle 1. Joh. 5,7 von Dreien, aber ohne Zusatz. Es fällt überhaupt schwer, ja es ist unmöglich, von einem solchen Geheimnis, wie die Dreieinigkeit ist, geziemend zu reden, und wenn wir von einem weit geringeren, aber ebenso unbegreiflichen Geheimnis, nämlich der Vereinigung des Leibes und der Seele zu einer Person, nicht deutlich reden können, wie wollten wir es hier vermögen, oder uns auch nur verwundern, daß wir's nicht vermögen? Wie unwissend sind wir überhaupt in der eigentlichen Beschaffenheit aller Dinge, so daß wir nicht einmal begreifen, wie es zugeht, daß wir sehen und hören, riechen, schmecken und fühlen, welches doch nur körperliche Dinge sind. Der Heilige Geist nun ist ein anderer als der Vater, ein anderer als der Sohn, ist eine Person. Reden wir von dem Heiligen Geist, so meinen wir nicht den Vater, auch nicht den Sohn. Er teilt einem jeglichen das Seinige, das ihm Zugedachte zu, je nachdem er will, wiewohl er nichts anders will, als auch der Vater und der Sohn. Er ist eine Person.

Sein Amt und Geschäft besteht darin, aus der Allgenugsamkeit Gottes und aus der Fülle Jesu Christi natürliche und insbesondere seligmachende Gaben auszuspenden. Auch natürliche Gaben sind Geschenke des Geistes Gottes. Besitzt jemand eine besondere Tüchtigkeit zu irgend einer natürlichen Kunst und Wissenschaft, so ist sie seine Gabe, die er in verschiedenem Maße, und wohl in einem so großen austeilt, daß es in Erstaunen setzt. Beim Bau der Stiftshütte sagte Gott ausdrücklich zu Mose, er habe einigen benannten Männern, namentliche dem Bezaleel seinen Geist gegeben, allerlei künstliche Werke zu verfertigen, insbesondere in Edelsteine zu gravieren. In dieser Beziehung heißt es auch: Was hast du, o Mensch, das du nicht empfangen hast? Und hast du es empfangen, was rühmest du dich denn, als der es nicht empfangen hätte? (1. Kor. 4,7) Auch von natürlichen Vorzügen, Fähigkeiten und Fertigkeiten gebühret Gott der Ruhm, der sie giebt, vermehrt, mindert, erhält, nimmt, wie es ihm gefällt. Vornehmlich aber ist der Heilige Geist der Spender der geistlichen, seligmachenden Gaben aus der Fülle Jesu Christi. Er ist das Organ, der Kanal der Gnade Jesu Christi, wodurch sie in die Herzen fließt, das Band zwischen Christo und der Seele durch den Glauben. Er nimmt von dem, was Christi ist und teilt's mit. Er schenkt die Güter Christi: Gerechtigkeit und Leben und schenkt zugleich die Hand, womit man sie annimmt, das Auge, das ihre Vortrefflichkeit sieht, den Mund, der sie isset. Ohne ihn würden wir nie verstehen, was wir an Christo haben, nie einsehen, was er uns erworben, nie glauben, nie beten, nie lieben. Weil wir aber denselbigen Geist des Glaubens haben, darum glauben wir auch, beten wir auch, lieben wir auch. Wer aber Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein.

II.

Laßt uns jetzt auf das Gut sehen, das der Hohepriester der Gemeine in dem segnenden Worte zuwünscht und zudienet: Er erhebe sein Angesicht über dir.

Er erhebe sein Angesicht über dir. Dies ist eine Art zu reden, wie sie in unserer Sprache nicht vorkommt. Wir pflegen uns nicht so auszudrücken und verstehen nicht gleich, was damit gemeint sei, sein Angesicht über jemand erheben. Die französische Übersetzung giebt es sehr gut und hat: „Der Ewige wende sein Angesicht zu dir.“ Das Wegwenden des göttlichen Angesichts von jemand, das Verbergen desselben bezeichnet in der Heiligen Schrift ein großes, Schmerz und Schrecken verursachendes Übel, das Erheben desselben über, das Wenden zu jemand also ein teueres Gut, mit Friede und Freude verknüpft. Das göttliche Angesicht bezeichnet Wohlwollen, Gnade, Liebe und das Erheben desselben über jemand, die Mitteilung der daraus quillenden Güter, die alle in dem Frieden zusammengefaßt werden.

Hoffend, es werde euch nicht unerbaulich sein, möchte ich mich über einige Bedeutungen aussprechen, welche das hebräische Wort, das hier durch „erheben“ übersetzt ist, oft annimmt. Zunächst bedeutet das Wort tragen. Es wird von Priestern gebraucht und von ihnen, namentlich dem Hohenpriester, gesagt: Sie tragen die Missethat der Gemeine. Wir wissen aber, daß Jesus das Lamm Gottes war, welches die Sünde der Welt trug, indem er dafür büßte und sie bezahlte. Von der Gemeine wird gesagt: Gott nahm sie und trug sie auf seinen Flügeln, und Jesaias 63,9 heißt es: Wer sie ängstigte, ängstigte auch ihn, und der Engel des Angesichts machte sie selig. Durch seine Liebe und Gnade kaufte er sie los durch ein Lösegeld. Er nahm und trug sie alle Tage von Alters her. Liebliche Worte, die keiner Auslegung bedürfen. Höret mir zu, ihr vom Hause Jakobs und alle übrigen vom Hause Israel, die ihr von mir im Leibe getragen werdet und mir in der Mutter lieget. Ja, ich will euch tragen bis ins Alter und bis ihr grau werdet. Ich will es thun, ich will heben, tragen und erretten (Jes. 46,1.2). Diesem nach betet die Gemeine Ps. 28,9: Mach’ selig dein Volk und segne dein Erbe und weide sie und erhöhe, trage sie ewiglich. Das Wort bedeutet auch bekommen, wie wir im Deutschen sagen: Davon tragen. Von der Esther wird gesagt: Sie bekam Gnade bei allen, die sie sahen. Und ach, was bekommen wir alles, wenn der Herr sein Angesicht über uns trägt! In seinen Strahlen genesen wir. Darum, Herr, laß leuchten dein Angesicht! Was für ein ganz anderer König, als die arme Esther zum Gemahl bekam, ist der, welcher sich mit uns vertrauen will in Gerechtigkeit! Das Wort, durch „erheben“ übersetzt, bezeichnet ferner hochschätzen, lieb und wert achten. In diesem Sinne sagt Gott von Hiob (42,8): Ihn will ich achten, wenn er für dich, Eliphas von Theman und deine zwei Freunde, über die mein Zorn ergrimmet ist, opfert und bittet, daß ich euch nicht sehen lasse, wie ihr Thorheit begangen habt. Wir kennen aber denjenigen, unvergleichlichen Mann, der sich selbst Gott geopfert hat zum süßen Geruch, dessen Opfer und Fürbitte gilt, allein und vollkommen gilt, und der auch uns angenehm gemacht hat. Der Herr erhebe sein Angesicht über dir“ Du müssest dem Herrn lieb und wert geachtet sein in seinen Augen! Das Wort „erheben“ wird auch in dem Sinne gebraucht, daß es eine Vereinigung bezeichnet, besonders durch die Ehe, wodurch zwei ein Leib werden. Der Herr erhebe sein Angesicht also über dir, daß er sich mit dir vereinige! Was kann uns Segensreicheres zu teil werden! Die Vereinigung mit Christo ist ja die Wurzel des ganzen Geheimnisses der Gottseligkeit und der Schlüssel dazu, sowie das ewige Leben selbst. Sie wird auch unter dem Bilde einer ehelichen Verbindung vorgestellt, worauf Paulus jene Worte deutet: Ein Mann wird Vater und Mutter verlassen und seinem Weibe anhangen und werden zwei ein Fleisch. Das Geheimnis ist groß, ich sage aber von Christo und der Gemeine (Epheser 5,31.32). Ihr seid euerm ersten Manne, dem Gesetz, getötet und bei dem andern Manne, Christo, daß ihr Gott Frucht bringet (Röm. 7). Das Wort „erheben“ deutet auch an, etwas über jemand bringen. Und, wie meist du, was für Gutes wird ein segnender Gott über dich bringen, wenn er sein Angesicht über dich hebt: Ich will sie reinigen von aller ihrer Missethat, womit sie wider mich gesündigt haben und will ihnen vergeben alle Missethat, damit sie übertreten haben, und das soll mir ein fröhlicher Name und Preis sein unter allen Heiden auf Erden, wenn sie hören all das Gute, das ich ihnen thun will, und werden sich verwundern und entsetzen über all dem Guten und all dem Frieden, den ich ihnen geben will (Jeremia 33), so daß man sie nennen wird: Herr, unsere Gerechtigkeit (V. 16). Auch kann nicht unterlassen, zu bemerken, daß das Wort wegnehmen bedeutet. Und ach, was kann, was muß, was wird das Angesicht des Herrn nicht alles von seinem Volke wegnehmen! Moses rühmt: Du hast diesem Volke seine Sünde weggenommen. David rühmt Psalm 99,8: Du warst ihnen ein, die Sünde wegnehmender, starker Gott, rühmt von sich selbst Psalm 32.: Du nahmst meine Sünde von mir, und preist in dem nämlichen Psalme den Mann selig, dessen Sünde weggenommen ist. Und Jesajas behauptet (Cap. 33): Niemand wird sagen: Ich bin schwach, denn des Volks Sünde ist von ihm weggenommen. Erhebe, o Herr, dein Angesicht über uns, von uns zu nehmen, was uns von dir scheiden will und uns drückt und bekümmert! Endlich will ich noch anführen, daß das Wort „erheben“ auch die deutsche Bedeutung des Großmachens in sich fasse. Der Herr mache sein Angesicht groß über dir und erhebe dich dadurch, denn er sieht auf das Niedrige im Himmel und auf Erden, der den Geringen aufrichtet aus dem Staube und erhöhet den Armen aus dem Kot, daß er ihn setze neben die Fürsten, neben die Fürsten seines Volks (Ps. 113,7.8).

Sehet, alle diese herrlichen Nebenbegriffe liegen in dem segnenden Worte des Hohepriesters: Erhebe.

Welche Beugung, welche Liebe, welches Verlangen, welches Vertrauen konnte und mußte, kann und wird sich der Seele bemeistern, die es verstand und versteht. Schon dies allein konnte des gläubigen Davids Herz mit innigster Sehnsucht nach dem Tempel erfüllen, wo der Hohepriester diese Segensformel, wenn auch jährlich nur einmal und mit großer Feierlichkeit, aussprach, während alles umher mit dem Angesicht auf der Erde lag.

O ihr, die ihr so vieles begehrt, seid ihr so fleischlich, so irdisch, so versteinert und so gottlos, daß ihr das Allerbegehrungswerteste nicht begehrt, hasset, verabscheuet! Wehe euch! Ihr wollet den Fluch, der wird euch werden. Ihr wollet den Segen nicht, so wird er ferne bleiben.

Er begehret mein, so will ich ihm aushelfen. Er kennet meinen Namen, darum will ich ihn schützen. Er ruft mich an, so will ich ihn hören. Ich bin bei ihm in der Not und will ihn herausreißen und zu Ehren machen (Psalm 91,14.15). Amen.

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