Krummacher, Gottfried Daniel - Der Regenbogen (1)

Krummacher, Gottfried Daniel - Der Regenbogen (1)

Erste Predigt

(Die drei Predigten über den Regenbogen sind im Jahre 1828 gehalten und im Jahre 1837 durch Friedrich Wilhelm Krummacher herausgegeben worden.)

Die Wandelbarkeit der Erde und alles dessen, was drauf ist und vorgeht, ist schon so oft ausgesprochen und erwähnt worden, daß es zu den abgedroschenen Gemeinplätzen gerechnet wird, darum aber doch nicht weniger wahr und beherzigenswert ist, auch immer aufs neue verdient, gesagt und gehört zu werden.

Gegenwärtig scheint der Boden doch absonderlich unter unsern Füßen zu schwanken. Die Oberfläche des Meeres kräuselt sich, und in der Tiefe desselben scheint's zu gären, daß es bald kochen könnte wie ein siedender Kessel unmäßigen Umfangs. Das lang vom Krieg geschüttelte Europa schien durch die Gewalthaber eine so wohl garantierte Festigkeit im Frieden erlangt zu haben, daß er auf Zeiten hinaus ganz gesichert erschien. Mit einemmal geht die Sonne blutig auf. Ein paar Nationen, beide zum Teil der Kultur, zum größten Teil aber einer halben oder ganzen Barbarei angehörend, rüsten sich und ziehen gegen einander, grimmig, drohend, fest.

Bisher vergebens wollten diplomatische Verhandlungen den drohenden Sturm beschwören. Jetzt tritt das Schwert an die Stelle der Feder, das Schlachtfeld an die Stelle des Papiers, und der Donner des Geschützes will Worte überflüssig machen.

Erschrocken und ängstlich blickt man umher, nicht ohne Ursache. Erfolge sind gewiß, ungewiß aber, was für welche es sein werden.

Jedoch bietet uns das Wort Gottes etwas Festes an, und es hängt von uns ab, ob wir auf dasjenige eingehen mögen, was es uns vorhält, oder nicht, ob unser Sinn ihm entgegen kommt, oder sich davon entfernt. Es zeigt uns den alles beschließenden, alles regierenden Gott, der von seinem festen Thron siehet auf alle, die auf Erden wohnen. Er lenket ihnen allen das Herz, er merket auf alle ihre Werke. Er ist's, auf den alles ankommt, von dem alles abhängt, der alles wirkt. Diese große Majestät will sogar unser Vater werden und weiset uns dazu einen Weg an. Denn wer zum Vater kommen will, muß glauben, daß er sei und denen, die ihn suchen, ein Vergelter sein werde.

Es zeigt uns ein unbewegliches Reich und unwandelbare Verheißungen.

Es ist so leicht nicht, ihnen zu trauen. Zur Stärkung hat er verschiedene Mittel angeordnet.

Laßt uns das älteste derselben betrachten.

Und Gott sprach: Das ist das Zeichen des Bundes, den ich gemacht habe zwischen mir und euch und allem lebendigen Tier bei euch hinfort ewiglich: Meinen Bogen habe ich gesetzt in die Wolken, der soll das Zeichen sein des Bundes, zwischen mir und der Erde. Und wenn es kommt, daß ich Wolken über die Erde führe, so soll man meinen Bogen sehen in den Wolken. Alsdann will ich gedenken an meinen Bund zwischen mir und euch und allem lebendigen Tief in allerlei Fleisch, daß nicht mehr hinfort eine Sündflut komme, die alles Fleisch verderbe.
1 Mose 9,12-15

Die Natur erscheint jetzt in ihrer lieblichsten Pracht. Das entzückendste Farbenspiel schmückt die Erde. Wohin man blickt, siehet man Anmut und kann sich nicht satt sehen. Das Ohr vernimmt die mannigfaltigsten muntern Stimmen, und liebliche Wohlgerüche ergötzen und erquicken den Geruch. Diese angenehme Jahreszeit hat mich auf den Gedanken gebracht, eine der schönsten Naturerscheinungen in eine christliche Betrachtung zu ziehen, ich meine den Regenbogen. Ich sage christliche Betrachtung. Denn das göttliche Wort belehrt uns über die angenehme Bedeutung desselben, wie schon unser Text ausweiset, und weiset uns an, ihn noch mit andern als bloß natürlichen Augen, ihn mit dem Herzen anzusehen, uns auch durch das beredte Farbenspiel desselben zum Glauben und zur Liebe erwecken zu lassen.

Die Sündflut mit ihren Schrecknissen und Verheerungen war vorüber. Die Ursache, warum sie über den Erdboden gekommen war, dauerte noch fort, das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens war nach derselben bös von Jugend auf und immerdar, wie es vorher gewesen war, wie Gott selbst bezeuget. War da einmal mit einer gänzlichen Vertilgung des menschlichen Geschlechts bis auf 8 Personen bestraft worden, so konnte es sich von Zeit zu Zeit wiederholen. Aber Gott versichert, es solle nie wieder geschehen, und hinfort nicht aufhören Sommer und Winter, Frost und Hitze, Saat und Ernte.

Er versichert, er wolle die Erde nicht mehr verfluchen um der oder vielmehr um des Menschen willen, und ein evangelischer Sinn weiß wohl, was das für ein einziger Mensch ist, um deswillen Gott des ganzen menschlichen Geschlechts verschont, mag desselben hier auch auf eine verdeckte Weise und als im Vorbeigehen gedacht werden.

Es wäre an dem einfachen Worte des Herrn genug gewesen. Er weiß aber, wie schwerfällig wir zum Glauben sind, und wie sehr wir's bedürfen, daß er unserm schwachen Glauben zu Hilfe komme. Das hat er auch von Anfang an dadurch getan, daß er seine Verheißungen in sichtbare Eidschwüre umgestaltet hat. Wir meinen damit die fünf Hauptsakramente. Man hat sie sehr gottselig Sakrament, d. i. Eidschwur genannt, weil sie das auch sind und sich so dem Gesicht, dem Geruch, dem Geschmack und dem Gefühl, wie die Verheißungen dem Gehör, darstellen sollen und mitteilen. Der Regenbogen ist unter den fünf Sakramenten das erste, älteste und allgemeinste, dessen Bedeutung und Kraft noch fortfährt, wenn es gleich insbesondere der Zeit der Verheißung angehörte, welche von Noah bis Abraham verfloß, und dies Sakrament hat das Besondere, daß es die Allgemeinheit der Gnade beweiset, wie sie sich nicht an ein einzelnes Volk, wenigstens nicht für immer, bindet, sondern sich über die ganze Erde erstreckt. Das erste Sakrament wird also auch das letzte sein und dann sein völliges Ziel erreichen, wenn sie alle den Herrn erkennen, und die Erde voll wird sein von Erkenntnis des Herrn, wie Wasser des Meeres Grund bedeckt, wogegen die aussondernden Sakramente der Beschneidung und des Osterlamms, welche bloß Abrahams Nachkommen angingen, schon längst aufgehört haben; die beiden übrigen aber, die Taufe und das Abendmahl nämlich, werden freilich fortdauern, bis daß er kommt.

Bei einem jeden Sakrament kommen zwei Umstände vor, nämlich das äußere Zeichen und Siegel und die bezeichnete Sache selbst, und bei dem lehrreichen Zeichen achtet man billig auf die Übereinstimmung und Ähnlichkeit derselben mit der Sache, die sie auf eine sehr entsprechende und zweckmäßige Weise abschildern. Der Gegenstand, den der Regenbogen bezeichnet und versiegelt, liegt teils näher, teils entfernter. Das Nächste ist die Erhaltung der Erde und ihrer Bewohner samt alle dem, was dazu nötig ist, als Saat und Ernte, Sommer und Winter bis auf die von Gott bestimmte Zeit, wo ein neuer Himmel und eine neue Erde entstehen, die alten aber vergehen werden. Dies war das Nächste, aber auch das Geringste. Das Entferntere und Höhere, was dies wolkigste Sakrament beabsichtigte, war die Ausführung der Friedensgedanken, welche Gott durch Christum über das Geschlecht der Menschen gefaßt hat, die Sendung des einen Menschen, wodurch die übrigen gesegnet werden sollten. Diese aus der Sündflut wie neu erstandene Erde sollte der Schauplatz der allerherrlichsten und segensreichsten Wundertaten der göttlichen Gnade sein, sonderlich in der letzten Zeit, die jetzt ist. Nicht das Verdienst der Menschen, deren Herzensdichten du Trachten böse ist von Jugend auf und immerdar, überhaupt, sondern das Verdienst eines einzigen Menschen, dessen Vorbild Noah war, sollte den Maßstab zu ihrer Behandlung abgeben. Was wäre die Erhaltung der Erde ohne dieses für eine Wohltat! Ja wäre es nicht wünschenswert, die Erde wäre damals hintereinander schon vor 3000 Jahren untergegangen, da Salomo Recht haben würde, wenn er Prediger 4 sagt: Ich preise die Toten glücklicher, als die noch das Leben haben und den, der gar nicht ist, als sie alle beide? Dann wäre die Erde ja weiter nichts als eine Pflanz- und Baumschule für die Hölle, und Schrecken und Entsetzen müßten einen ja bei dem Gedanken ergreifen, daß eine solche zahllose Menge von Menschen bloß dazu bestimmt wäre, sie zu bevölkern. Weil der Bund Gottes mit Noah aber dieses höhere Absehen hat, so vergleicht Gott auch Jes. 54 seine Barmherzigkeit mit derselben, die er an seinem Volke erweisen will. Denn es war ein Gnadenbund, auf den Bürgen gegründet.

Die Frage ist überflüssig, ob schon vor der Sündflut sich der Regenbogen in den Wolken gezeigt habe, und man kann unbedenklich es bejahen oder verneinen, wie man will. Jedoch scheint's uns, daß Noah der erste war, welcher, als er nun aus seinem Kasten, in welchem er ein ganzes langweiliges Jahr hatte zubringen müssen, herausgegangen war und sein Gott gefälliges Opfer gebracht hatte, das herrliche Schauspiel dieses bunten, majestätischen Bogens genoß, eines Bogens, dessen Anblick an sich schon etwas Ehrfurchterregendes mit sich führt, an welchem sich aber jetzt vollends die süßesten Hoffnungen knüpften. Es scheint nämlich vor der Sündflut nicht geregnet zu haben, sondern nach Kap. 2,6 ein Nebel aufgegangen zu sein, welcher alles Land feuchtete. Dem sei aber wie ihm wolle, so ist doch so viel gewiß, daß er in dieser neuen Eigenschaft, als Bundeszeichen, zum erstenmal am Himmel erschien, wovon jemand nicht uneben gesagt hat, Gott habe der Erde dieses schöne Band als ein Gnadenzeichen umgehängt.

Wir betrachten den Regenbogen als ein Sinnbild des Gnadenreiches oder der Kirche Gottes auf Erden. So finden wir Offenb. 4 den Gnadenthron mit einem Regenbogen umgeben. Gleichwie nun der Thron selbst die Regierung Gottes in seinem Gnadenreiche andeutet, so bezeichnet der farbige Bogen, der ihn umgibt, die Kirche, welche von dem, der auf dem Stuhle sitzt, regiert wird. Offenb. 10 erscheint Christus mit einem Regenbogen statt einer Krone auf dem Haupte, weil er König in seinem Reiche ist, und seine Kirche sonderlich im neuen Testamente als eine Krone betrachtet wird. Zwischen beiden, nämlich der Kirche und dem Regenbogen, finden sich hauptsächlich fünf Vergleichspunkte, und diese sind der Ursprung, die Farben, die Figur, der Standpunkt und die Ordnung.

Der Ursprung des Regenbogens und aller Pracht desselben ist das herrliche Sonnenlicht. Ohne dieses kann jener nicht sein. Reimt sich das nicht ganz vollkommen auf das Verhältnis der Gemeine überhaupt und jedes einzelnen Gliedes derselben insbesondere zu Jesu Christo? Ohne ihn würde nicht sie, ohne ihn würde kein wahrer Christ, kein gottseliger Mensch, kein Heiliger und kein Seliger sein. Daher heißt die Kirche auch eine christliche. Er ist ja so notwendig wie das Brot oder das Wasser, so unentbehrlich wie das Licht. Er ist ja das Leben. Er ist unser alles. Fragt ihr nach der Weisheit der Christen, es ist Christus, nach ihrer Gerechtigkeit, sie hat nichts anders vorzuzeigen. Fragt ihr nach der Quelle ihrer Heiligung, es ist kein anderer, wollt ihr vernehmen, von wem sie ihre Befreiung von allem Übel erwartet, es ist wiederum der nämigliche. Er ist ihre Hoffnung und um alles in eins zusammen zu fassen, ihr Leben. In keinem andern ist das Heil, und ist kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, darin sie mögen selig werden, als allein in dem Namen Jesu. Ist der Anblick des Regenbogens etwas ungemein schönes, so daß derjenige sehr fühllos sein müßte, der diesen unermeßlichen Bogen unbewegt sich am Himmel ausbreiten sehen könnte, so ist gewiß die Gemeine der Christen so schön, daß Christus selbst sich nicht enthalten kann, sie also zu nennen, wenn er dort sagt: Du bist allerdings schön, meine Freundin, und ist kein Flecken an dir. Sie wird Offenb. 14 als mit der Sonne bekleidet vorgestellt, ein Diadem von 12 Sternen auf dem Haupte und den Mond unter ihren Füßen. Kann etwas Majestätischeres erdacht werden? Ist die Rose der Königin unter den Blumen, sie wird als ihr Bild gebraucht. Was ist ihrer Gerechtigkeit zu vergleichen, da sie eine Gottesgerechtigkeit ist? Niemand kann ihr etwas anhaben, wie viel Grund übrigens dazu auch vorhanden ist, niemand kann sie verdammen, darf sie nicht einmal beschuldigen, mögen auch ihrer Sünden mehr sein als Haare auf ihrem Haupte. Wie groß ist ihre Kraft, die immer wieder erneut und verjüngt. Wie viele Wetter sind schon über ihrem Haupte hingezogen, wie mancher Sturmwind hat sie umrauscht, wie manches Donnerwetter sie umtobt. Nicht genug, daß die Erde sich wider sie aufmachte und Feuer und Schwert wider sie in Bewegung setzte, ja sich der Gewogenheit der Gottheit und der ewigen Seligkeit um so gewisser versicherte, je grausamer sie verfolgte, machte auch die Hölle gemeinschaftliche Sache mit ihr und bot alles auf, was es Lockendes und Schreckendes gibt, sie zu verderben. Es flossen Ströme von Blut, und in England fing es einmal wirklich an, an Holz zu gebrechen, so viele Christen hatte man verbrannt. Mehrmals schien es aus mit ihr. Aber noch steht sie da, ein Fels im Meer, den aller Wellen Wut nicht einmal zittern macht, und woran sie nur brechen. Alles ist ihr möglich. Alles vermag sie. In allem überwindet sie weit. Alles muß ihr weichen. Sie spricht, und es geschieht. Wie freudig ist sie, gleich einem Einhorn. Der Tod nahe sich ihr in seiner gräßlichsten Gestalt, man wende alle Marterwerkzeuge bei ihr an, sie zittert nicht, sie lächelt voll himmlischen Friedens. Ich liege wie auf kühlen Rasen, sagte jener auf einem Rost über glühenden Kohlen liegend, und sprach: Wende mich um, die eine Seite ist gar. Wohl ist der schöne Regenbogen ein Bild von ihr; doch nicht bloß in seiner Schönheit, sondern auch in seiner Entstehung. Was eins ihrer ausgezeichneten Mitglieder sagt: Ich bin nichts, durch die Gnade bin ich was ich bin, ist ihr allgemeines Bekenntnis. Was hast du, Kirche Gottes, daß du nicht empfangen hättest? Gleichwie der Regenbogen kein Wesen noch Bestehen hat außer den Strahlen der Sonne, so daß sie nicht nur da sein, sondern auch leuchten und scheinen muß, wenn er sich soll zeigen können, so auch du. Kann denn etwas bezeichnender sein wie dies? Darauf deutet Schrift und Erfahrung. Was bezeugt jenes einfache, aber so oft wiederkehrende: „In ihm“ oder „durch ihn“, anders als dies ganz vom Herrn und seinen Einflüssen abhängige Bestehen der Gemeine Gottes. Wir haben ihre Gerechtigkeit und Tadellosigkeit gepriesen, wo hat sie die denn? Da ist ja nicht, der gerecht sei. Sind diejenigen, aus welchen sie besteht, nicht aus sündlichem Samen gezeuget? Wer unter ihnen kann merken, wie oft er fehle? Ist ihre Gerechtigkeit was anders als ein unflätiges Kleid? Und niemand sollte sie auch nur beschuldigen, will geschweigen verdammen können, sie nicht, die auf Tausend nicht eins antworten kann, sie nicht wo keiner ist, der nicht mannigfaltig fehlte? Wo hat sie denn ihre Gerechtigkeit? In ihm. Wie wollt ihr die Stärke der Kirche rühmen! Der des Regenbogens mag sie gleichen, den ein Luftzug mit den Wolken zerreißt. Sie stark, die selbst bekennt: In uns ist keine Kraft, sie, die sich in ihren ausgezeichneten Gliedern nur ihrer Schwachheit rühmen darf, sie stark, die da bekennt, nicht tüchtig zu sein, etwas zu denken, sie, die so manche klägliche Proben ihrer Schwäche abzulegen fortfährt, sie, die einem Schaf verglichen wird, dem wehrlosesten unter allen Tieren, und den Reben, dem schwächsten unter allem Holze? Sie stark? Und wo hätte sie ihre Stärke? Freilich nirgends als in ihm, ohne welchen sie nichts, durch den sie alles vermag. Bestrahlt er diesen Dunst, so strahlt auch er in siebenfarbiger Pracht, außerdem farblos und grau. Sie soll gar freudig sein wie ein Einhorn.

Seht ihr sie denn nicht gehend und weinend säen, hört ihr sie nicht klagen: Ach ich elender Mensch, und von einer Traurigkeit über der andern reden? Ja. Aber das Licht ist ihnen doch gesät und Freude den aufrichtigen Herzen, mag es auch zuweilen mit einer tiefen Schneedecke belegt sein. Wo und wie soll sie sich denn freuen? In dem Herrn. Sind dann auch für jetzt nichts als trübe Wolken, vom Winde gejagt, am ganzen Himmel zu sehen, sie müssen eben da sein, damit, wenn die Sonne gleich durchdringt, die ganze stille Pracht des Regenbogens hervortrete. Du mußt aber töricht werden in dir selbst, damit du stark seist in dem Herrn, trostlos werden in dir selbst, damit du dich in dem Herrn freuen lernest, sogar nichts werden, nicht damit du etwas, sondern daß er in dir alles werde. Dann seid ihr als die Traurigen, aber allezeit fröhlich, als die nichts inne haben und doch alles haben. Siehe, so lange du noch meinst, du wissest etwas, weißt du doch nichts, wie du es wissen sollst; du seiest etwas, so du doch nichts bist, betrügest du dich selbst; bezeugt dies nicht auch so deine Erfahrung? Mag dein Berg noch so fest stehen, was wird aus dir, sobald er sein Angesicht verbirgt? Siehe den Regenbogen an. Da stehet er in seiner majestätischen Herrlichkeit von einem Ende des Himmels bis ans andere. Die Spalte schließt sich, durch welche die Sonne strahlet, und weg ist er, und keine Spur mehr da. Oder sie scheint wohl, aber die Wolken der Demut fehlen, so kommt kein Regenbogen zum Vorschein. Wie der Regenbogen der Sonne, so verdankt die Kirche ihr Dasein und Bestehen allein der Sonne der Gerechtigkeit. Unser Heil steht allein bei dir. Bei dir ist die Quelle des Lebens, und in deinem Lichte sehen wir das Licht.

Niemand kann etwas nehmen, es werde ihm denn vom Himmel gegeben. Niemand kann zu mir kommen, es sei denn, daß ihn ziehe der Vater, der mich gesandt hat. Aus seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade.

Jetzt achten wir auf das sinnbildliche und Lehrreiche der Farben des Regenbogens. Farbe ist eigentlich nur die Brechung des Lichtstrahls, da das Licht an sich weiß ist, welches eigentlich keine Farbe, sondern der gleichmäßige, vollkommene Inbegriff aller Farben, so wie schwarz die gänzliche Abwesenheit derselben ist. Wenn daher Gott, wenn Jesus Christus das Licht genannt wird, so bezeichnet ihn dieses als den gleichmäßigen höchsten Inbegriff aller Vollkommenheiten. Licht ist das Kleid, da du anhast. Bei dir ist lauter Licht. Christus ist das wahrhaftige Licht, und das Buch der Weisheit nennt's mit Recht einig und mannigfaltig. Im Regenbogen bricht und offenbart sich das einfache Licht in siebenfacher Mannigfaltigkeit. Es sind sieben Geister vor seinem Stuhl. In der Kirche ist ein Geist, aber mannigfaltige Gaben, deren der Apostel 1. Korinth. 12,9 namhaft macht. So wird die mannigfaltige Weisheit Gottes kund an der Gemeine, und sie ist ein Schauspiel der Welt, den Engeln und den Menschen. (1. Korinth. 4)

Zwei sich vollkommen gleichende Personen sind in der Gnade wie in der Natur eine große Seltenheit. Jedoch bemerken wir beim Regenbogen nebst mehreren Schatten zwei Hauptfarben, nämlich die grüne und rote, worauf auch das göttliche Wort Offenb. 4 hindeutet. Da öffnete sich der Himmel. Und Johannes sah einen Thron gesetzt, und auf demselben saß einer, und der da saß war anzusehen wie der Stein Jaspis und Sardis; und ein Regenbogen war um den Thron, gleich anzusehen wie ein Smaragd. Der heilige Apostel braucht nicht ohne Ursache das Sinnbild dieser kostbaren Edelsteine, damit verschiedene göttliche Tugenden zu bezeichnen, welche sich in der Regierung der Kirche offenbaren, und berücksichtigt dabei insonderheit die Farben dieser Edelsteine, da der Sardis feuerrot, der Jaspis gelblich, der Smaragd aber grün ist. Johannes sah also einen Zirkel, welcher inwendig von einem feuerroten, gelblichen Glanz erglühte, auswendig aber mit einem grünen Rand umgeben war, also einem ganzen Regenbogen glich. Diese zwei Farben sind Sinnbilder der zwei Haupttugenden, die Gott in dem Gnadenwerke offenbaret, nämlich seiner Heiligkeit, welche durch die feuerrote, und seiner Barmherzigkeit, welche durch die anmutige, den Augen wohltätige, grüne Smaragdfarbe vorgestellt wird. Die feuerrote, den Augen unleidliche, Farbe bildet sehr wohl die Heiligkeit und Gerechtigkeit Gottes ab, die seines Thrones Festung sind, der von lauter Feuerflammen ist, und dessen Räder brennen mit Feuer. sie fordern eine vollkommene Genugtuung für die Sünde. Ist der Blick des Sünders bloß darauf gerichtet, so wirft dieser Sardis solche blitzende und funkelnde Strahlen von sich, daß das Gemüt des Sünders in Angst und Schrecken gesetzt und in die Flucht getrieben wird, wie das Exempel des Jesaias beweiset. Aber wie erwünscht! Dieser so unerträglich blickende Feuerglanz ist mit dem allerlieblichsten Smaragdgrün umgeben, das kranken Augen so wohltut, und diese liebliche Farbe ist eine Abbildung der unendlichen Erbarmung Gottes in Christo Jesu, welche mit ihrer Lindigkeit und Leutseligkeit das erschrockene Gemüt des bußfertigen Sünders erquicket, es zu neuen Hoffnungen erhebet und sich so zwischen Gottes Heiligkeit und den sich zu ihm nahenden Sünder stellet, daß er nicht zu besorgen braucht, von den Flammen derselben verzehrt zu werden. Diesen Regenbogen sehen wir noch stets um den Thron. Der feurige Glanz der Heiligkeit demütige, der liebliche Smaragd-Schimmer erhebe uns! Die Heiligkeit werfe uns in den Staub, die erbarmende Gnade richte uns auf, beide leiten uns zur Buße, zum Glauben, zur Gottseligkeit. Leuchtet besonders der glühende Sardis, so werden wir beklemmt, schimmert der sanfte Smaragd, so jauchzen wir vor gutem Mut, beide gehörig verbunden, befestigen das Gemüt in ehrfurchtsvollem Vertrauen.

Die Figur des Regenbogens ist ein runder Zirkel, wovon sich aber höchstens die Hälfte unsern Blicken zeigt, so daß die andere Hälfte der uns entgegengesetzten Halbkugel vorbehalten scheint. Dies erinnert an drei Eigenschaften der Kirche Jesu Christi, an ihre Vollkommenheit in ihm, also daß sie keinen Mangel, und obwohl nichts inne, doch alles hat, denn er ist ihr gut; ihre Allgemeinheit, die sie über Himmel und Erde ausbreitet, wozu alle Kreatur ihr behilflich sein muß, so daß selbst Engel ausgesandt werden zum Dienste derer, die die Seligkeit ererben sollen; ihre Beständigkeit und Ewigkeit. Sie hat kein Ende, sie hört nie auf; und wenn wir ihr einen Anfang zuschreiben wollen, so müssen wir denselben in der ewigen Erwählung vor Grundlegung der Welt suchen. Der Regenbogen und die Kirche sind kaum halb zu sehen, und letztere offenbart nur ihren allerkleinsten Teil, welcher im Streit ist hier auf Erden. Die triumphierende Kirche ist vor unsern Augen verborgen. Verborgen ist euer Leben mit Christo in Gott. Nur ein klein wenig von eurer Herrlichkeit offenbart sich und oft nur für wenig Augenblicke. wenn aber Christus, euer Leben, offenbar werden wird, dann werdet ihr auch mit ihm offenbar in der Herrlichkeit.

Laßt uns auch den Ort und Standpunkt des Regenbogens nicht unbeachtet lassen. Er ist in der Höhe. Die Kirche ist über alles Irdische erhaben. Sie ist kein weltliches Reich, keine irdische, menschliche Anstalt, hat keine irdischen Absichten und Zwecke, als da ist Kultur u. dgl., sie paßt zu jeder Regierungsform. Die Welt kann's mit ihr halten, wie sie will, sie dulden oder verfolgen, wie sie's für gut findet. Durch Duldung kann sie sie nicht fördern, durch Verfolgung nicht dämpfen. Ist jene angenehmer, so möchte man beinahe von dieser sagen, sie sei nützlicher. Ecclesia pressa, ist ein altes Sprichwort. Sie ist eine Stadt auf dem hohen Berge, und es heißt zu ihr: Zion, steig' auf einen hohen Berg. Sie erhebt sich mit Flügeln wie ein Adler. Es ist wahr, sie ist in der Welt, und das hat viel zu bedeuten. Sie scheint durch den Leib des Todes an die Erde festgebunden. Sie wandelt wie ihr Herr und Haupt in Knechtsgestalt, von der Welt verhöhnt, vom Satan angefochten, vom Fleisch bestritten, vom Vater gezüchtigt, von sich selbst oft nicht gekannt, oft verkannt, mit dem Kreuz belegt, gedrückt, fast erdrückt. Aber ihr Haupt, ihr Vaterland, ihre Stadt, ihre Güter, ihr Bürgerrecht sind droben in der Höhe. Da ist ihre Gerechtigkeit, ihre Stärke, ihr ganzes Gut. Von dannen erwartet sie ihre Hülfe, ihr Heil, ihren Trost, so wie ihres Leibes Erlösung. Dahin richtet sich ihr Ziel, ihr Verlangen, ihr Streben, ihre Hoffnungen; dazu begehrt sie tüchtig gemacht, zubereitet zu werden. Das ist ihr Kanaan, dem sie durch die Kreuz- und Quergänge der Wüste entgegenzieht. Hinaus die Herzen! Zwar in der Höhe ist der Standpunkt des Regenbogens, aber wo? In den wässerigen Dünsten der Wolken. Seltsamer Spiegel, im das Sonnenlicht aufzufassen und in so lieblichen Farben zurückzustrahlen. Weit entfernt, dies schöne Farbenspiel von selbst hervorbringen zu können, scheinen diese Dünste ein ganz ungeeignetes Material, darauf so herrlich zu malen. Und was ist's? Diese Wolken sind nicht vermögend, das Geringste von dieser Herrlichkeit nur einen Augenblick festzuhalten. Sie sind und bleiben schwarze, düstere Wolken, und dennoch schimmern sie so schön. sie dürfen sich selbst nicht das Mindeste davon anmaßen und tun es auch nicht. Die Sonne ist die Urheberin und Erhalterin ihrer Pracht, und mit ihr büßen sie sie wieder ein. Was ist der Mensch von Natur, was ist er, daß du sein gedenkst? aus dem Munde der Unmündigen und Säuglinge hast du dir ein Lob zubereitet. Du hast ihn ein wenig geringer gemacht als die Engel. Mit Ehre und Schmuck wirst du ihn krönen. Du wirst ihn zum Herrn machen über deiner Hände Werk. Alles hast du unter seine Füße getan. Ist es möglich, daß aus dem halsstarrigen, widerspenstigen Sünder, ein folgsames Kind, aus dem Feinde ein Freund Gottes und seiner Kinder, aus dem Wolfe ein Lamm, aus dem Überwundenen ein Sieger wird? Wie kann es zugehen, daß aus dem fehlsamen Christen, ein vollkommen heiliger und seliger Himmelsbürger werde? Bei den Menschen ist es freilich unmöglich und undenkbar, aber bei Gott sind alle Dinge möglich und werden durch seine Gnade wirklich. Und o, wie viele Regenbogen erblicken wir an so vielen begnadigten Seelen, mögen sie auch von Natur dunstigen Wolken gleichen, denn die Herrlichkeit des Herrn spiegelt sich in ihnen.

Endlich ist es die festgesetzte Ordnung des Regenbogens, daß er sich immer aufs neue offenbart, wenn die Wolken sich der Sonne gegenüber zusammenziehen, und sich bald in dieser, bald in einer andern Gegend des Himmels zeigt. Also erhält der Herr seine Kirche in allen Trübsalen und Verfolgungen, und wenn sie schon an einem Orte unterdrückt wird, bricht sie doch an dem andern oft glorreicher wieder empor. Das Gefühl der göttlichen Gnade und Inwohnung kann in einer begnadigten Seele für eine Zeit lang untergehen, aber oft unversehens taucht's wieder empor und tut sich mit neuer Lieblichkeit und Lebendigkeit kund.

O, so scheine die Sonne der Gerechtigkeit, in deren Flügeln Heil ist, also in das dunkle Gewölke unserer Seelen, daß der lieblichste Regenbogen in denselben erglänze, und wir die Tugenden dessen verkündigen, der uns berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Lichte! Amen.

Quelle: Krummacher, G. D. - Gesammelte Ähren

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