Hofacker, Ludwig - Predigt am Sonntage Jubilate.

Hofacker, Ludwig - Predigt am Sonntage Jubilate.

Text: Epistel 1. Petr. 2,11 - 17.

Lieben Brüder, ich ermahne euch, als die Fremdlinge und Pilgrimme: Enthaltet euch von fleischlichen Lüsten, welche wider die Seele streiten; und führet einen guten Wandel unter den Heiden, auf daß die, so von euch afterreden als von Uebelthätern, eure guten Werke sehen, und Gott preisen, wenn es nun an den Tag kommen wird. Seyd unterthan aller menschlichen Ordnung, um des HErrn willen, es sey dem Könige als dem Obersten, oder den Hauptleuten als den Gesandten von ihm zur Rache über die Uebelthäter, und zu Lobe den Frommen, Denn das ist der Wille Gottes, daß ihr mit Wohlthun verstopfet die Unwissenheit der thörichten Menschen, als die Freyen, und nicht als hättet ihr die Freiheit zum Deckel der Bosheit; sondern als die Knechte Gottes. Thut Ehre Jedermann. Habt die Brüder lieb. Fürchtet Gott. Ehret den König.

„Ich will euch ein neues Herz geben, und einen neuen Geist in euch geben, und will das steinerne Herz aus eurem Fleisch wegnehmen, und euch ein fleischern Herz geben.“ (Ezech. 36,26.) Dieß ist eine der Hauptverheißungen auf die Zeit des Neuen Bundes, in der wir leben. Was versteht man nun unter einem steinernen und unter einem fleischernen Herzen? Ein steinernes Herz ist ein hartes, ein unwiedergebornes Herz; und ein fleischernes Herz heißt ein durch die Gnade erweichtes, durch die Kraft Christi erneuertes Herz. Warum sind aber so viele Herzen so steinhart? Es kommt daher, weil die Menschen von Natur verschiedene falsche Grundgedanken von Gott und göttlichen Dingen haben, durch welche sie Gott den Zugang, den Er zu einem weichen Herzen hat, verschließen. So hat vielleicht Einer die Meinung, Gott sey ein harter Mann, und deßwegen zieht er sich scheu vor Ihm zurück, und hat kein Zutrauen zu Ihm. Ein Anderer hält die Welt für ein Paradies. Ein Dritter weiß nicht recht, was er aus der Sünde machen soll; er nimmt sie zu leicht; er glaubt, man dürfe mit der Sünde spielen, und daher sind die Menschen lässig in ihrem Lauf. Wenn sie auch in der Bibel lesen, fällt ihnen nichts auf; die Wahrheit ist ihnen gleichgültig. Kurz, die ganze Natur des Menschen ist voll falscher Grundgedanken und Grundbegriffe, und zwar bey Allen, welche noch nicht durch die neue Geburt von Oben den neuen Sinn und das neue Herz empfangen haben. ich will nun aus unserer Abend-Lection

  • I. einige Grundgedanken der neuen Gesinnung, welche durch das Wort Gottes in die Herzen der Menschen gepflanzt wird, ausheben;
  • II. kurz sehen, wie solches zugehe.

Gütiger HErr und Heiland! „Schaffe in uns ein reines Herz, und schenke uns einen neuen gewissen Geist.“ Laß durch Deinen Geist Alle, die hier sind, erleuchtet werden, damit sie sich aus der Lüge und Finsterniß heraus in die Wahrheit, die Du bist, einführen lassen. Amen!

I.

In unserer Abend-Lection schreibt der Apostel gleich am Anfang: „Ich ermahne euch als die Pilgrimme und Fremdlinge.“ Er nennt also die Christen, an die er schreibt, Pilgrimme und Fremdlinge. Christen, wahre Christen, sehen sich als Pilgrimme an und als Fremdlinge auf dieser Welt; so denken sie, so reden sie, so handeln sie, so bauen und pflanzen sie, so machen sie Anschläge und Pläne, so arbeiten sie, nicht als Leute, die hier wohnhaft sind, sondern als die hinwegeilen, keine bleibende Stätte haben, sondern die zukünftige suchen. Nicht als ob nur zu gewissen Stunden der besondern Andacht und Anfassung es ihnen klar würde, daß sie hienieden kein Bürgerrecht haben, sondern nur sich für die zukünftige Stadt und für den Eingang in dieselbe bereiten sollen; es ist diese Gesinnung: ich bin ein Pilger und Fremdling hienieden, - nicht bloß so ein vorübergehendes Gefühl des Herzens, das, wenn es lange genug von der Eitelkeit gefesselt, sich einmal in einem gewissen Stolze erheben will, wie oft Weltmenschen in Stunden des gesteigerten Gefühls sich über das Irdische und Vergängliche hinaussehnen, sondern es ist bey einem Christen ein bleibender Grundgedanke seiner Seele: ich bin ein Pilgrimm und Fremdling, und habe keine bleibende Stätte; ein Grundgedanke, der ihm nicht immer in die Vorstellung fällt, aber aus welchem heraus er unbewußt handelt und wandelt; es ist etwas Festes, etwas mit dem innersten Seelenleben selbst Verwobenes, das er sich nicht erst recht klar machen darf durch allerhand Vorstellungen, sondern das ihm ganz zu eigen worden, und in seinem innersten Seelengrunde Ja und Amen ist.

Es halten eitele Gemüther
Die Erde für ihr Vaterland;
Wer aber JEsum hat erkannt
Und die wahrhaften Himmelsgüter,
Der sieht den ganzen Kreis der Erden
Für eine fremde Heimath an,
Und sehnet sich, erlöst zu werden
Von seiner rauhen Pilgerbahn.

Wer den Sohn Gottes noch nicht an seinem Herzen erfahren hat, der kann nicht anders, er muß die Erde für sein Vaterland halten, er kennet ja nichts Edleres, er kennet ja die höchste Liebe, er kennet JEsum nicht; ach! er ist so arm in seinem tiefsten Herzensgrunde, und eine Heimath will er doch haben - jeder Mensch hat eine tiefe Sehnsucht darnach: wo sollte er also seine Heimath suchen und finden als hienieden? Wer von unten, von der Erde ist, der redet von der Erde und denkt von der Erde, und sehnet sich nach der Erde. Es ist nichts natürlicher, als daß ein Herz, das JEsum nicht hat, eine recht tiefe, oft ihm selbst verborgene Liebe zu dieser Welt, zu der Erde hat. Sehet, wir werden auf diese Welt hereingeboren; unser Leib ist von der Welt, und bringt uns mit der Welt in tausendfältige Berührungen; die ersten Begriffe, die wir einsaugen, sind von der Welt, in den Herzen ist von Natur eine so entschiedene Anhänglichkeit an die Welt. Denn, was vom Fleisch geboren ist, das ist Fleisch und bleibt Fleisch. So wächst der Mensch meistentheils auf; die Erde umgibt ihn, und er hat größtentheils kein Gefühl von etwas Höherem, Edlerem. Darum nimmt er diese Welt, ohne daß er sich besinnt, als seine Heimath an; es ist dieß ein Grundgedanke in ihm, ein Grundgedanke, den er mit auf die Welt bringt, und der nach und nach immer mehr in ihm einwurzelt durch die verschiedenen ihn anziehenden Einwirkungen der irdischen Dinge. Freilich gibt es manche Geister, die, ohne daß sie gerade den HErrn JEsum kenneten, doch eine entschiedene Abneigung gegen das niederträchtige Hangen und Kleben an der Erde haben; sie steigern ihre natürlichen Kräfte, durch die Umstände begünstigt, etwas höher; sie halten es unter ihrer Würde, so gemeine Erdenwürmer zu seyn, die am Boden kriechen, und deren Blick und Sehnsucht auf das, was unter ihren Füßen liegt, geht. Aber nach Etwas muß der Mensch trachten, und - fraget sie einmal, diese Geister, die sich höher denken; forschet nach, was denn eigentlich ihr Streben ausmache; ihr werdet finden, wie sie doch auch nach dem, das auf Erden ist, trachten, wie sie doch auch irdisch denken und reden, wie in ihnen doch auch der Grundgedanke liegt, daß die Erde ihr Vaterland sey. Man sollte es freilich nicht glauben; die Erde hat doch so gar nichts, was das Herz sättigen und stillen kann; es ist so viel Mühe und Arbeit, so viel Last und Plage und Unlust bey Allem, was man in dieser Welt genießt; es ist Alles so gar eitel; auch Weltmenschen müssen es bekennen, daß Alles so gar eitel ist, so gar nichts Rechtes dahinter. Und zudem müssen wir davon. Liebe Zuhörer! wir müssen davon! in die Ewigkeit! Es kommt die Stunde früh oder spät, daß wir aus dieser Welt hinaus müssen. Warum soll denn unser Geist, der in seinem tiefsten Grunde ahnet, daß er zu etwas Besserem geschaffen und aufgehoben ist, doch sich an diese arme Erde hinhängen, doch für diese arme Erde leben, doch sie für unsere Heimath halten, doch sich nicht aus diesem Jammerthale hinaussehnen? Es ist fast unbegreiflich, und doch ist es so bey allen Menschen, die JEsum nicht kennen: sie sind mit unauflöslichen Banden an diese Welt hingebunden, und auch wenn sie im tiefsten Leiden gefangen sind, so gefällt es ihnen doch auf dieser Welt. Es entsteht freilich manchmal in der Tiefe der Leiden auch bey solchen Geistern, die noch ferne von Christo sind, der ernstliche Wunsch: ach, wenn ich nur stürbe! Aber damit sehnen sie sich nicht, von der Welt loszukommen, sondern nur von ihren Leiden. Fraget einmal einen solchen Menschen, was ihm lieber sey: auf dieser Welt zu bleiben, ohne von seinen Leiden geplagt zu seyn, oder in den Himmel zu kommen? Er wird gewiß die Erde dem Himmel vorziehen, wenn nämlich kein Geistesleben von Oben in ihm angezündet ist. O dieß ist ein trauriger Zustand, in dem wir von Natur gefangen liegen; denn aus diesem Grundgedanken entsteht bey dem Menschen der Geiz und das viele Güter Haben-Wollen in dieser Welt; man will sich einrichten; man will sich versorgen; man ist zu Hause in dieser Welt; man meint, man dürfe mit dem, was einem anvertraut ist, schalten und walten wie man wolle; man hält es für sein eigen, nicht für geliehen, nicht für anvertraut, um darin sich als einen guten Haushalter zu beweisen. Daher kommt es, daß man sich an die Dinge dieser Welt gewöhnt, als wenn man sie ewiglich genießen dürfte; man fühlt sich so in seinem Eigenthum; man geht aus und ein, wie wenn man zu Hause wäre; man glaubt nicht, daß man seine Seele in den Händen tragen und rein halten müsse von den Dingen dieser Welt; man ist so damit verwoben und verwachsen, daß man die Gefahr gar nicht ahnet, die darunter verborgen liegt. Ach, wie mancher arme Mensch, der von der Gnade angefaßt war, hat Alles wieder verloren, weil er aus diesem Grundgedanken heraus diese und jene Dinge, dieses und jenes Mitmachen in der Welt für nicht so gefährlich hielt, als es wirklich war. Liebe Mitbrüder und Mitschwestern! die Welt ist nicht unser Vaterland; was suchen wir denn hienieden, so wir doch davon müssen, so doch Alles, was von der Welt ist, vergeht mit aller Lust, so doch Alles, was diese arme Erde beut, den Geist nicht wahrhaft sättigen und stillen kann?

Wer aber JEsum hat erkannt
Und die wahrhaften Himmelsgüter,
Der sieht den ganzen Kreis der Erden
Für eine fremde Heimath an.

Wer aber JEsum erkannt hat, der hat ein neues - das wahre Vaterland gefunden, der ist nicht mehr Bürger hienieden, sondern Bürger der obern Stadt; da ist ein Licht vom neuen Jerusalem in die Seele hineingefallen; da kann man sich nicht mehr hienieden als wie zu Hause betragen, sondern die Sehnsucht gehet nach Oben, gehet dahin, wo Christus das Haupt ist, in die himmlischen Wohnungen. Und diese Gesinnung senket sich in die Tiefe des Herzensgrundes; aus diesem neuen, durch den Geist Gottes gepflanzten, Grundgedanken heraus redet, denkt, handelt, betet, seufzt und sehnet man sich. Dieser Grundgedanke gebieret das, was die Offenbarung Johannis als den Seufzer der Gemeinde JEsu Christi ankündigt, die da spricht: o komm, HErr JEsu! Man kann sich nicht mehr in die Dinge der Welt hinein vertiefen; man sucht wo anders seine Schätze, wo anders seine Freuden, wo anders seine Wünsche, wo anders seine Hoffnungen, wo anders seinen Heiland; man führt seinen Wandel im Himmel mitten in einer argen Welt unter einem verkehrten, ehebrecherischen Geschlecht; man ist in Absicht auf diese Welt ein Fremdling, die Welt und die Weltmenschen kennen einen nicht, man ist nicht ihrer Art, gehört zu einem andern Geschlecht; man ist ein Pilgrimm, der da weiß, daß er fort muß, der darum Alles, was er genießt, auf seinem Wege so mitnimmt, und aus der Hand seines himmlischen Führers dankbarlich empfängt, dann aber doch sich nicht darein vertieft, sondern seinen Weg fortsetzt, und sein Angesicht immer stracks nach Jerusalem wendet, bis er dahin eingehen kann. Schon bey den Vätern des Alten Bundes war diese Gesinnung vorherrschend, wenigstens sagt Paulus (Hebr. 11,13.): „alle diese Glaubensleute haben bekannt, daß sie Fremdlinge und Gäste seyen auf dieser Welt.“ So war Abraham Fremdling in dem verheißenen Lande, und wartete auf eine Stadt, welcher Baumeister und Schöpfer Gott ist; so war Jakob ein Pilger und Fremdling, darum er zu Pharao sagte: „die Zeit meiner Wallfahrt ist hundert und dreißig Jahre“; so war auch David Pilgrimm, denn er sagt (Ps. 33.): „ich bin Dein Pilgrimm und Dein Bürger“, - ein Pilgrimm in dieser Welt, ein Bürger der oberen Stadt Gottes; so waren auch die Apostel Pilgrimme; denn der Apostel Paulus schreibt: „wir haben keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir“; und abermals: „der HErr wird mich erlösen von allem Uebel, und mir aushelfen zu Seinem himmlischen Reich“; und welch' ein feiner Pilgrimmssinn ist das, wenn er sagt: „ich sehne mich, daheim zu seyn bey dem HErrn.“ Alle, die selig gestorben, sind Fremdlinge und Pilgrimme gewesen hienieden, und sind jetzt hingegangen in das Vaterland, das sie suchten, das sie erwarteten, das der Zielpunkt ihres Laufes war. Aber, liebe Zuhörer! die Hauptfrage, über die wir uns Alle prüfen wollen, ist nun: sind wir auch solche Fremdlinge und Pilgrimme? Ist es dem Geiste Gottes gelungen, diesen Sinn in uns zu pflanzen? Oder sind wir unserem innersten Grunde nach hienieden noch daheim? Es fällt mir hier ein Lied ein; wer der Verfasser ist, weiß ich nicht; es zeigt aber einen wahren Fremdlingssinn an:

1. Ich habe von ferne,
HErr! Deinen Thron erblickt,
Und hätte so gerne
Mein Herz vorausgeschickt,
Und hätt' so gerne mein müdes Leben,
Schöpfer der Geister, Dir hingegeben.

2. Das war so prächtig,
Was ich im Geist geseh'n;
Du bist allmächtig,
D'rum ist Dein Licht so schön;
Könnt' ich an diesem hellen Throne
Doch schon von heut' an ewig wohnen.

3. Noch bin ich sündig,
Der Erde noch geneigt,
Das hat mir bündig
Dein Heil'ger Geist gezeigt.
Ich bin noch nicht genug gereinigt,
Noch nicht ganz innig mit Dir vereinigt.

4. Ich bin zufrieden,
Daß ich die Stadt geseh'n,
Und ohn' Ermüden
Will ich ihr näher geh'n.
Und ihre hellen, gold'nen Gassen
Lebenslang nicht aus den Augen lassen.

5. Doch bin ich fröhlich,
Daß mich kein Bann erschreckt;
Ich bin schon selig,
Seitdem ich das entdeckt.
Ich will mich noch im Leiden üben,
Und Dich Zeitlebens inbrünstig lieben -

bis ich heim darf, bis ich meine Hütte ablegen darf, und in die obere Stadt aufgenommen werde. Das ist ein Grundgedanke eines Pilgrimms.

Ich will nun in unserer heutigen Abend-Lection weiter gehen. Da fährt der Apostel fort: „Enthaltet euch von fleischlichen Lüsten, welche wider die Seele streiten.“ Durch das Wort Gottes werden auch ganz andere Grundgedanken von der Sünde in die Herzen der Menschen gepflanzt. So lange der Mensch noch kein wahres, göttliches Leben in sich, so lange er noch nicht geschmeckt hat die Kräfte der zukünftigen Welt: so lange hat er die allerelendesten Gedanken von der Sünde. Bald hält er etwas für Sünde, bald hält er etwas Anderes, das auch Sünde ist, nicht für Sünde. Er legt das Wort Gottes aus nach seinem Gutdünken; das eine Mal müssen bloß die Ausbrüche der Sünde für unrecht gelten, das andere Mal entschuldigt er auch diese. Heute fällt ihm eine Sünde auf's Gewissen, morgen kann er sich leicht wieder darüber hinwegsetzen; kurz, er ist einem irrenden Schafe gleich, das keinen Hirten hat, und das nicht recht weiß, wie es daran ist. Er kann durch sein Gewissen manche Ueberzeugung von der Sünde haben; aber daß sein Herz durch und durch verdorben ist, daß Alles, was aus dem Fleische kommt, der ersten Quelle nach, Sünde ist, das erkennt er nicht. Und dieß ist auch ganz natürlich, daß er in diesem Stücke sich in einer Blindheit befinden muß: er hat ja noch kein geistiges, göttliches Leben, die Sünde ist ja in sein innerstes Wesen verwoben, ihm eigenthümlich, mit ihm aufgewachsen. Wie könnte er mit der Finsterniß, die in ihm ist, die Finsterniß erkennen und prüfen? Wenn ein Blinder das Licht sehen soll, so müssen ihm vorher die Augen geöffnet seyn; wenn man die ganze Abscheulichkeit der Finsterniß sehen soll, so muß man vorher das Licht sehen. So geht also der Mensch dahin gefangen und gebunden in der Sünde, die sein ganzes Leben durchdrungen hat, und weiß nicht einmal mehr recht, was Sünde heißt, und was eigentlich der Grund und die Wurzel der Sünde ist. O liebe Zuhörer! die Sünde hat tiefer in uns eingefressen, als wir gewöhnlich glauben. Die weisen Leute dieser Zeit haben sie für etwas erklärt, das nur auf der Oberfläche des sonst guten Herzensgrundes als eine kleine Unreinigkeit sich befinde, - für etwas, dessen man leicht los werden könne durch gute Vorsätze, durch Gedanken und Entschließungen, durch Anwendung der guten Kräfte, die in uns von Natur liegen. Diese weisen Leute sind, während sie sich für weise hielten, zu Narren geworden. Diese gefährlichen weisen Leute haben in ihrer Krankheit den Hochmuths- und Lügen-Wein unserer Zeit in sich hineingetrunken; dadurch hat sich bey ihnen eine Art von Fieber entwickelt; in diesem Fieber gehen sie umher, bereden sich, sie seyen gesund, und sprechen ihren Mitkranken zu: Trinket doch auch von dem Weine, von welchem wir getrunken haben, so werdet ihr auch gesund seyn. Aber man fühlt es ihrem ganzen Wesen an, daß dieß eigentlich nur die letzte Aufraffung der Kraft ist, und daß sie mit schnellen schritten dem Tode entgegen gehen. Lasset euch nicht irren, liebe Brüder! die Sünde sitzt tiefer in uns, als Manche glauben möchten; wir sind von ihr durchdrungen wie ein glühendes Eisen vom Feuer. Aber wer glaubet das? Wer nicht wiedergeboren ist, der kann nicht anders, er muß sündigen. Erst, wenn das Wort Gottes als ein scharfes, zweyschneidiges Schwert in die Seele eindringt, erst, wenn Glaube und Liebe, diese Kraft Gottes, in des Herzens Grund eingesenkt wird, erst dann lernt man auch die Sünde im Fleisch als das anerkennen, was sie ist. Da wird denn durch die Kraft der Auferstehung JEsu Christi ein neuer Mensch geboren, und es tritt nun eine Scheidung ein im Menschen; es ist etwas da, das göttlich und rein ist durch das Blut JEsu Christi, und es ist noch das Ungöttliche und Unreine vorhanden; es sind zwey Menschen entstanden, ein alter und neuer Mensch, Fleisch und Geist. Und das Fleisch gelüstet nun wider den Geist, und den Geist wider das Fleisch; sie liegen beständig im Streite wider einander, und dieser Streit höret nicht auf, bis im Tode das Gericht über das Fleisch zum Siege ausgeführet wird. Sehet, was durch die Wiedergeburt neue Gedanken von der Sünde gepflanzt werden. Nun erkennt man die kleinste Sünde, die kleinste Lust als das Gift, als den größten Feind seiner Seele, die man ganz dem Wohlgefallen des HErrn, der uns erkauft hat, aufopfern möchte. Aber wie Viele wissen nichts von dem Allem! Sie sind noch in ihren Sünden, wissen nicht einmal, was Sünde heißt, wie sehr sie sich dadurch an dem HErrn vergreifen. Darum sind und bleiben sie auch ganz ruhig bey größeren oder kleineren Sünden. Und dieß kann oft sogar der Fall seyn bei solchen Menschen, die schon manche Züge des Vaters zum Sohne an ihrem Herzen erfahren haben. Z.B. es hat Einer in seinem natürlichen Zustande eine üble Gewohnheit gehabt, die in den Augen der Welt durchaus nicht sündlich ist; oder es hat Einer sich eines unrechten Handwerksvortheils bedient; er hat sich zu der oder jener Gesellschaft gehalten: nun tritt der Geist Gottes vor sein Herz, und sagt: wach' auf, o Mensch! wach' auf vom Sündenschlafe; es dringt sich dem Menschen die Nothwendigkeit auf; es muß anders bey mir werden; er nimmt's an, und greift das Werk seiner Bekehrung an.

Aber wie geht's? Seine vorigen Gewohnheiten will er doch nicht fahren lassen, die will er beybehalten, sie thun seinem Fleische gar zu wohl; und nun sucht er sich zu entschuldigen: man kann es ja nicht so genau nehmen; es ist etwas zu Unschuldiges; man kann doch nicht gar aus der Welt gehen; man muß doch leben und leben lassen; wer weiß, denkt er vielleicht, was ich da und dort Gutes stiften kann; vielleicht gibt mir Gott Gelegenheit, ein Wörtlein zu Seiner Ehre zu sagen, und so schweigt die Stimme des Geistes Gottes, der ihm heimlich das Verdammungs-Urtheil in die Seele spricht. Ein Anderer sagt auch: es schadet meiner Seele nichts, wenn ich auch Dieß oder Jenes mitmache, ich hab's erprobt; und so wagt man sich jedes Mal wieder auf des Teufels Grund und Boden, und ist in großer Gefahr, das, was man hat, vollends gar zu verlieren. O, liebe Zuhörer, nur kein hinkendes, kein halbes Christenthum; das ist dem Heilande zum Ausspeien eckelhaft. Macht euch von den Banden und Ketten des Satans los, so ist die Sache gethan! wer diese Bande nicht zerreißt, der wird sehen, wie es geht; es wird so weit kommen, daß ihn der Satan nicht mehr von seinen Stricken losläßt. Wer aber spricht: ich will nichts mehr davon, ich gehöre dem Heiland an, - der findet, was der Heiland sagt: „mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.“ Viele meinen, dieses Joch sey so gar schwer, sie halten Gott für einen harten Mann, der ernten will, wo er nicht gesäet hat; wer sich aber von dem Heilande leiten läßt, der wird finden, wie Johannes sagt, daß Seine Gebote nicht schwer sind.

In unserer Abend-Lection wird uns weiter gesagt: „führet einen guten Wandel unter den Heiden, auf daß Die, so von euch afterreden als von Uebelthätern, eure guten Werke sehen und Gott preisen, wenn's nun an den Tag kommen wird.“ Das Wort Gottes pflanzt auch andere Gedanken vom guten Wandel in die Herzen der Menschen. Warum stehlen so Viele nicht? warum betrügen sie nicht? warum morden sie nicht? warum brechen sie nicht die Ehe? warum fluchen und schelten sie nicht? Was hindert sie daran? die bürgerliche Ordnung. O! wenn die lieben Gesetze nicht wären, wenn dem Fleisch und Muthwillen der Menschen ganz Raum gelassen würde, wo würde es zuletzt hinkommen mit der Welt? die Welt würde ja eine wahre Mördergrube und Hölle werden! Es ist wahr, es gibt auch andere Menschen, welche durch einen besseren Sinn von diesen Sünden abgehalten werden: sie denken edler, sie hatten eine bessere Erziehung, sie würden sich schämen, die Rücksicht auf ihre Ehre, auf ihr Vermögen, auf ihr Ansehen, auf ihr Amt, auf ihre Reputation, oder ihr von Natur stillerer und sanfterer Charakter hält sie von groben und schändlichen Handlungen ab. Und solche Beweggründe, ob sie gleich in der Stunde der Anfechtung, wenn es darauf ankommt, nicht Stand und Stich halten, sind allerdings edler als die ersten; aber das ist doch noch nicht das Wahre, darin liegt es noch nicht, warum wir einen guten Wandel führen sollen unter den Heiden. Ein wiedergeborner Mensch hat in sich ganz andere Grundgedanken von dem äußeren frommen Wandel. Ein Christ hat eine andere Triebfeder; der Apostel sagt es: „auf daß Die, so von euch afterreden als von Uebelthätern, eure guten Werke sehen und Gott preisen, wenn's nun an den Tag kommen wird.“ Ein Christ will und thut Alles zur Ehre Gottes, zur Verherrlichung des großen Namens JEsu, der ihn erkauft und geliebet hat mit ewiger Liebe. Und ob er auch durch die Schwachheit des Fleisches aus dieser Uebung fiele, so rafft er sich doch immer wieder auf, und suchet den Heiland auf's Neue, und legt sich Ihm mit allen seinen Uebertretungen immer wieder auf's Neue zu Füßen, und sucht ein ganz neues Herz zu erhalten durch die Kraft des theuern JEsus-Namens, durch Sein Verdienst und Leiden, und so überwindet er auch die äußern Reizungen zur Sünde in der Liebe Christi, daß diesem keine Schande, sondern vielmehr Ehre gemacht werde in einer argen Welt, die Ihn verachtet, die ohnedieß geschäftig genug ist, alle Fehler, die sie an den Jüngern des Heilandes bemerkt, aufzuzählen. Und wer weiß denn, ob nicht durch sein Beispiel und seinen Wandel, wenn die Menschen seinen guten Wandel sehen, nicht manche Seele gewonnen und aufmerken wird auf das in Christo liegende Heil. O, das möchte ein Christ um aller Welt Schätze nicht, seinem Heilande durch seine Unachtsamkeit und Abweichung von Seinem Sinne die Beute Seines Todes schmälern, und Ihm ein Schäflein entreißen: vielmehr gebiert diese Liebe gegen den Heiland und Seine Miterlösten eine heilige Sorgsamkeit, eine heilige Aufmerksamkeit auf seinen Wandel, und Alles, was ein Christ thut, wird hineingeführt in das immerwährende Seufzen seines Herzens: „Dein Reich komme!“ Stehest du in diesem Sinne? Siehe, aus welch' anderem Grunde heraus ein Kind des Lichts in dieser Welt handelt und wandelt als die Kinder der Finsterniß; ja, es ist dieß ein solcher Unterschied wie zwischen Tag und Nacht, wie zwischen Liebe und Eigenliebe. Da geht's, wie Paulus sagt: „wir leben nicht uns selbst, sondern Dem, der uns geliebet hat und für uns gestorben ist.“ Andere wandeln nur um ihretwillen ehrbar in der Welt, ein Christ aber um des Heilandes willen - und das ist ein himmelweiter Unterschied, der jetzt nicht gehörig an den Menschen gekannt wird, der aber einst an's Licht kommen wird; da wird es ein Unterschied seyn wie zwischen einem Begnadigten und einem Verdammten. Ach, siehe zu, daß du dann ein rechtes Fundament für deine äußerlichen und bürgerlichen Tugenden gelegt habest. Denn alle andern Fundamente, die nicht aus der Liebe Christi kommen, werden die Feuerprobe nicht aushalten, sondern vergehen und verzehret werden vom ewigen Feuer.

Endlich pflanzt das Wort Gottes in die Herzen der Menschen, die sich ihm öffnen, auch ganz andere Gedanken von der Freiheit. Denn in unserer Abend-Lection heißt es: „Als die Freien, und nicht als hättet ihr die Freiheit zum Deckel der Bosheit, sondern als die Knechte Gottes.“ - „Freiheit!“ so hört man seit etlich und dreißig Jahren unaufhörlich auf allen Seiten rufen; der Eine sucht die Freiheit auf diese, ein Anderer auf jene Art in's Leben zu rufen. Die, welche sich zu Aerzten aufwerfen für den Schaden der Menschheit, haben schon alle möglichen Gedanken zu Tage gefördert, wie diesem Schaden abzuhelfen wäre, und ihr letztes Wort ist jedes Mal das: der Mensch muß frey werden. Ganz recht, der Mensch muß frey werden. Dazu ist Christus erschienen, daß Er den Menschen frey mache von der Knechtschaft der Sünde. Denn wer der Sünde Knecht ist, der ist nicht frey, und wenn er auch an gar kein Gesetz mehr gebunden wäre; er ist ja gebunden durch das Gesetz der Sünde in seinen sterblichen Gliedern; er ist der allerelendeste, jämmerlichste Sklave und Knecht des Teufels. Das ist die Freiheit, um welche sich der Mensch zuerst bekümmern sollte - die Freiheit von der Sünde, eine Freiheit, wobey man ein Knecht der Gerechtigkeit ist, eine Freiheit, die nicht durch das Treiben und Thun der äußern Welt kann entrissen werden, sondern die man hat und behält, auch in Banden, auch in Ketten, auch als Sklave. Wer diese Freiheit hat, der ist wahrhaftig frey, wer diese Freiheit nicht hat, der ist und bleibt ein Sklave. O, was ist es doch, wenn in einem Menschen die Sehnsucht nach dieser wahren Freiheit der Kinder Gottes aufgeht in seinem Herzen, wenn man anhebt zu flehen um den Anbruch des ewigen Freiheitsmorgens in der Seele, wenn es in der Seele heißt:

Ach, so schau doch uns're Ketten,
Da wir mit der Kreatur
Seufzen, ringen, schreyen, beten
Um Erlösung von Natur,

Von dem Dienst der Eitelkeiten,
Der uns noch so harte drückt,
Uneracht't der Geist der Zeiten
Sich auf etwas Bess'res schickt.

O! wenn solche Geister unter uns wären! - ich setze den Fall, es wären solche Geister unter uns, die sich sehnen nach der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes: euch sage ich, eure Sehnsucht wird ganz gewiß noch erfüllt werden. Es ist schon eine Seligkeit um die Sehnsucht nach der Freiheit, aber eine weit größere Seligkeit wird es seyn, den neutestamentlichen Freiheitsmorgen selbst zu sehen, der uns durch das Blut JEsu Christi, das vom Kreuze herunter strömte, versichert ist. Aber was soll ein Christ machen in dieser Zeit, wo an allen alten Formen gerüttelt wird, wo der große Wahn unserer Zeit, daß man sein Glück und seine Seligkeit in äußerer Freiheit suchen müsse, da man sie doch in der innern suchen sollte, immer weiter um sich greift? Was soll da ein Christ machen? Soll er auch mit einstimmen? Soll er sich von dem Strome des Zeitgeistes auch mit fortreißen lassen? Das sey ferne! Hier ist wieder ein großer Wendepunkt, wo die Kinder des Lichts und die Kinder der Finsterniß unterschieden werden. Ein Christ wird sich hierin ganz halten nach dem Worte des Apostels: „seyd unterthan aller menschlichen Ordnung um des HErrn willen; thut Ehre Jedermann; habt die Brüder lieb; fürchtet Gott; ehret den König.“ Er läßt die Menschen um sich herum machen, was sie wollen, und betet um den Anbruch des Reiches Gottes; er ringt in seinem Geiste unablässig nach größerer innerer Freiheit. Das ist seine Sorge, das ist sein Bestreben, das ist sein höchster Wunsch, daß er auch in dieser letzten, betrübten Zeit doch auf keine Art und Weise von dem Welt- und Zeitgeiste berückt und gefangen, sondern unbefleckt davon erhalten werde, und je mehr und mehr in die innere Freiheit hineinwachse, damit sein HErr und Meister ihn bewahren möge vor der Stunde der Versuchung, die da kommen wird über den ganzen Weltkreis, und ihn, wenn Er kommt, bereit finden möge. Es gibt eine innere Freiheit. glaubet es, ihr gefangenen, gebundenen Knechte der Sünde! Es gibt eine innere Freiheit! ihr könnet frey von den Banden der Sünde werden, nicht so frey, daß man keine Sünde mehr fühlt, aber so, daß man den Fuß auf dem Kopfe der Schlange hat. Es gibt eine innere Freiheit! und sie wird noch schöner, herrlicher, prächtiger werden, wenn es heißen wird. „Siehe da, eine Hütte Gottes bey den Menschen“; wenn die Thränen getrocknet und die Seufzer gestillet werden; wenn die herrliche Freiheit der Kinder Gottes hereinbricht.

II.

Ihr sehet, wie durch das Wort Gottes andere Grundgedanken in die Herzen der Menschen gepflanzt werden; aber - wie mag Solches zugehen? wie mögen alle diese Grundgedanken in mir lebendig werden? Fraget einmal die Menschen, wie ganz verschiedene Antworten sie euch geben werden. Der Eine wird sagen: man muß sich eben daran gewöhnen, so zu denken, so kommt man zuletzt in die Uebung. Aber, lieber Mensch, du sprichst ja, als ob du die Sache schon versucht hättest? Hast du es denn wirklich schon versucht? - O, wie oft muß man diese Sprache hören: „der Mensch muß sich daran gewöhnen!“ Wie kann man ein Herz zum Lobe Gottes gewöhnen, wenn es eiskalt ist? Wie kann man ein Herz zur Liebe des Nächsten gewöhnen, wenn es nichts als Eigenliebe in sich hat? Kann man auch einen Eichbaum gewöhnen, daß er Trauben trägt? Hänget nur Trauben darauf - sie werden verdorren; er wird eben Eicheln tragen, und keine Trauben. Den Kopf kann man wohl gewöhnen, aber das Herz nicht. Da gehört eine neue Geburt dazu. - Ein Anderer sagt: „vernünftige Vorstellungen würden einen solchen Eindruck auf das Herz machen, daß es sich entschließt, so zu denken und zu handeln.“ Aber wenn der Mensch durch vernünftige Vorstellungen geheilet würde, so hätte Gott einen Propheten in die Welt senden können; es hätte Seines Sohnes nicht bedurft; ja, es hätte Gott durch das Wort vom Kreuze, welches eine thörichte Predigt ist, ein recht falsches Mittel zur Bekehrung der Menschen ergriffen. Ein Dritter sagt: man muß Gott darum bitten. Das ist schon etwas besser; aber es erschöpft das Ganze noch nicht. Was sagt denn die Schrift? Als der Kerkermeister zu Philippi den Paulus und Silas fragte: „Liebe Herren, was muß ich thun, daß ich selig werde?“ sprachen diese: „glaub an den HErrn JEsum, so wirst du selig!“ Dieß ist auch die einzig richtige Antwort. Nimm das Zeugniß, das Gott von Seinem Sohn gezeuget hat, einfältig und demüthig an, so wirst du in alle Wahrheit geleitet werden. Dieß scheint uns freilich ein schwaches und leichtes Mittel, und es ist ein großer Anstoß für die stolze Vernunft, daß durch solch' ein geringes Mittel soll eine ganz neue Grundlage der Gedanken in ein Menschenherz gepflanzt werden. Aber es ist doch so. Freilich ist hier nicht vom todten Kopf- und Maul-Glauben die Rede - denn der lässet die Menschen, wie sie sind, - sondern von einem lebendigen Glauben, der von dem Sohne Gottes selbst geschenket wird Denen, die in ihrem Unglauben, in ihrer Hülfsbedürftigkeit, in ihrem Elende, in ihrer Sünde zu Ihm kommen, wie Er selbst gesagt hat: „Wer zu Mir kommt, den will ich nicht hinausstoßen.“ Versuche es einmal, wage es im Vertrauen auf deinen Gott, demüthige dich vor Ihm, laß dir deine falschen Gedanken aufgedeckt werden, bitte deinen Gott um den wahren Glauben, thue Buße, bitte Ihn einfältig darum, und wenn du das nicht kannst, so bitte um die Gabe, so beten zu können - und ich gebe dir, doch nicht ich, sondern das Wort gibt dir die Versicherung: du wirst glauben können und wirst selig werden. Der Glaube ist ein gar leichtes Mittel, auf dem Wege der Wahrheit zu wandeln. Aber nur, wenn man wahren Glauben hat, dann kommt ein neuer Mensch heraus; nur, wem Christus, der Gekreuzigte, an seinem Herzen verklärt wird, der erlangt Vergebung der Sünden; der ist fähig, durch den Geist der Wahrheit in alle Wahrheit geleitet zu werden. Wer das Blut der Versöhnung für unrein achtet, wer den Geist Gottes nicht annimmt, der bleibt in der Lüge, und kommt in Ewigkeit nimmermehr zu der Wahrheit. Ach, wie leicht ist der Weg der Gnade! Viele meinen, er sey so gar schwer, sie verirren sich, sie wollen dieses und jenes anfangen, auf den rechten Weg zu kommen. Lauter Vernunfts-Bedenklichkeiten! Der Heiland sagt: „wenn ihr glaubet, so werdet ihr selig, und wenn ihr bittet, so will Ich euch geben.“ Gibt es einen leichteren Weg? So ermahne ich euch nun als die Pilgrimme und Fremdlinge: glaubet an den HErrn JEsum! es wird euch in Ewigkeit nicht reuen; ihr werdet einen Fund machen wie der Kaufmann im Evangelium, der eine köstliche Perle fand. Wie dieser Alles, was er hatte, um der Perle willen verkaufte, so wird es euch, wenn ihr an JEsum glaubet, um JEsu willen ein Leichtes werden, eure mehr oder minder in die Augen fallenden unchristlichen Gewohnheiten, eure feineren oder gröberen, Zeit und Herz verderbenden Gesellschaften, wie sie auch heißen mögen, zu verlassen, und alle Bande und Stricke des Satans zu zerreißen, ihr werdet frey werden, der Sohn wird euch frei machen, und Seine Gnade wird immer mehr das ernstliche Verlangen in euch wecken, so gesinnet zu werden, wie Er gesinnet war.

Ach, großer Gott! wie thöricht sind wir! Du hast uns den Weg zu Dir gebahnt und geebnet, daß wir nur kommen dürfen; wir aber irren uns so sehr, wir suchen nicht das Heil, das wir suchen sollten; wie thöricht sind wir! Ach, schenke uns Weisheit, HErr JEsu, Du Quelle der Weisheit! daß wir Dich recht erkennen, und durch die Kraft Deiner Auferstehung auferstehen von dem Tode, von dem Schlafe, von dem Träume, daß wir nicht mehr schlafen und träumen, sondern, weil Du, die Sonne, aufgegangen bist, in Deinem Lichte wandeln. Thue Barmherzigkeit an uns! Ewiger! erbarme Dich über uns. Amen!

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