Hauser, Markus - Blicke in die Ewigkeit - 19

Hauser, Markus - Blicke in die Ewigkeit - 19

Von den bösen Geistern unter den Himmeln handelte mein letzter Brief. Für diesmal will ich dir nun, mein Lieber, Johann Kaspar Lavaters Gedanken über das „Elend der Verdammten“ mitteilen.

Die, welche der Richter der Welt verdammen, das ist, als schlechterdings unfähig in den Staat Gottes erklären wird; die, welche keine moralische Ähnlichkeit mit Ihm haben und also auch keine leibliche haben können; die, welche die allgemeine Ordnung und Harmonie der Guten auf Erden gestört haben und auch, nachdem sich ihnen Gott in seinem Ebenbild, in Jesus Christus, geoffenbart hat, Jesus nicht als ihrem Herrn huldigen wollten, oder wenn sie Ihm gehuldigt hatten, sich wiederrum gegen Ihn auflehnten, diese unverbesserlichen Empörer gegen das Recht und Wahrheit und Ordnung, welche keine Freude an dem an Seligkeit reichen Gotteswillen haben, sondern in Lügen, Unordnung, Zerrüttung ihre Freude suchen, die keine andere Fertigkeit besitzen, als die Fertigkeit zu schaden, und die (wenn sie könnten) nichts anderes tun würden als die Seligen hindern, so viel Gutes zu tun, als sie nach dem Grad ihrer moralischen Vollkommenheit wollen und nach dem Maß der geistigen und körperlichen Kräfte wirken können; die, welche das Anschauen Gottes nicht ertragen, das Leben Gottes nicht in sich aufnehmen können; die, welche zum Gericht auferstanden sind, die hienieden auf ihr Fleisch gesät und den unsterblichen Teil ihrer Natur vernachlässigt, ihren Sinnen, ihrem Eigennutz und Stolz alles, auch das Beste aller anderen aufgeopfert haben – diese alle müssen wohl, wenngleich in sehr verschiedenem Grade, sehr unglücklich sein! Empfinden, mehr als es mit Worten gesagt werden kann, empfinden müssen sie, dass das Urteil des Richters wahr, dass seine Verdammung gerecht ist, so empfinden, dass sie den Gedanken, unter die Gesellschaft der Seligen aufgenommen zu werden, so wenig und weniger ertragen könnten als den unerträglichen Gedanken an ihre Verdammnis.

Ihre eigene ganze Natur, die lauter Disharmonie und Zerrüttung ist, wird sie unendlich schrecklicher verdammen, als jeder richterliche Ausspruch es tun kann.

Ihre wesentliche Antipathie, ihre Abneigung gegen Christus und alles, was Ihm ähnlich ist und zu seinem Reich gehört, wird sie von selbst unermesslich weit von dem Gesichtskreis der Seligen entfernen.

Und dennoch werden sie sich in der peinlichen Notwendigkeit befinden, den Glanz ihrer Herrlichkeit und Gottähnlichkeit zu ihrer unauslöschlichen Beschämung – anfangs gewiss sehr nahe – zu gewissen Zeiten vermutlich wiederum in einer majestätischen Schrecklichkeit und vielleicht immer in der weitesten Entfernung zu erblicken.

Der hellste Sonnenglanz, der tausend gesunden Augen erquicklich ist, und den des Adlers kühner Blick austrinkt, kann einem Triefäugigen, der noch dazu lange in einem dunklen Gefängnis gesessen, nicht so unerträglich sein, als der entfernteste, matteste Strahl, der dem Gewand eines Verklärten entsinken mag – dem Auge eines Verdammten sein muss.

Und dann die moralische Disharmonie zwischen beiden, wie schrecklich, wie unversöhnlich, wie wesentlich muss sie sein! Wie unendlich demütigend die erhabene Heiligkeit und Güte derer, welcher sie einst spotteten, die sie verfolgten und mit mehr als richterlichem Ansehen verdammten!

Auf der einen Seite lauter Ordnung, auf der anderen Zerrüttung! Auf der einen das erhabenste Wohlwollen und die allgemeinste Güte, auf der anderen aufgedeckte, schadenfrohe Eigensucht und Bitterkeit und Grimm und Rache. Was für Gemeinschaft sollte unter diesen statthaben können?

Aber auch diejenigen Wesen, die dem Verdammten gleichartig sind, auch alle mit ihm verworfenen Geschöpfe haben ganz schreckliche Antipathie gegen ihn. Das hässliche Laster gesellt sich nirgendwohin gut. Nicht zu der Tugend, denn die wird dem Laster ewig unerträglich bleiben; nicht zu dem Laster, denn auch dieses ist ihm in jeder fremden Gestalt außer ihm selbst ekelhaft. So darf das Laster die Tugend niemals verfolgen, wie es das Laster verfolgen darf. In dunklen Gefängnissen, in den grauenvollen Behältnissen unverbesserlicher Menschen (wo ich jedoch, im Vorbeigehen zu sagen, oft mehr große moralische Anlagen gefunden habe als auf den glänzendsten Schaubühnen der berühmtesten Tugend), da habe ich die traurige Beobachtung zu machen Gelegenheit gehabt, dass lasterhafte Unglückliche einander mehr quälen, einander beißendere und schamlosere Vorwürfe machen, als sie jemals der erhabensten Tugend machen durften, auf die ihr giftiger Neid gerichtet war.

Scham, die weder sich noch andere, weder den Himmel noch die Hölle, weder Selige noch Verdammte ansehen darf; Scham, mit Entsetzen über sich selbst und dem schmerzvollsten Gefühl der eigenen inneren Verdammungswürdigkeit und des unaustilgbaren Giftes der Bosheit, das man lachend über seine unsterbliche Natur ausgegossen hat. –

Die heftigsten und brausendsten Leidenschaften, ohne Hoffnung, ohne Möglichkeit, sie zu befriedigen, oder von ihrer Befriedigung die allermindeste Ruhe einzuernten; Leidenschaften, die mit dem Interesse des Verdammten und aller seiner Mitverdammten streiten und sich mit jedem Augenblick verstärken, mit jedem unersättlicher werden, und diese marternden Leidenschaften immer mit dem allerlebhaftesten Gefühl verbunden, dass sie unmittelbare Folgen vormaliger unbekämpfter Leidenschaften sind, die doch so leicht hätten bekämpft werden können. –

Ein Körper, der sich selbst zur qualvollsten Last ist sich immer schwer gegen den Boden senkt, aus dessen giftigem und ekelhaften Stoff er gebaut ist; ein Körper, von der allerschiefsten, hässlichsten, ausdrucksvollsten Gestalt, wodurch jede Verstellung unmöglich gemacht wird, und die kein Auge in der Schöpfung ohne Abscheu ansehen kann; ein Körper, der in allen Zügen, der allen Augen die Abgründe der Verdorbenheit, wodurch er auf diese Weise missgestaltet worden, – darstellt und aufdringt; ein Körper, der immer nach Nahrung schmachtet, und dem dennoch die durch die mühsamste Arbeit errungene Nahrung nur neue Qualen zuführt; ein Körper, dessen Sinne und Glieder alle zum Verderben zugerichtet sind, der keiner süßen, erquickenden Sensation fähig ist. –

Und dieser Körper auf einem Weltkörper, oder in dem finsteren Mittelpunkt eines Weltkörpers, wohin sich alle Hässlichkeiten, alle Herbheiten und Exkremente desselben aufgehäuft haben. – Ein Wohnort, den kein Strahl einer Sonne beleuchtet, wohin kein sanftes Mondlicht dringt, den kein Frühlingswind anhaucht, wo Dornen die schönsten Rosen, wo die vielen Disteln sind; dessen Boden unfruchtbar, dürr und lauter brennender Sand ist, auf dem vielleicht die schrecklichsten Gewitter aufdonnern, und der oft von einer peinreichen Lava feuerspeiender Berge übergossen wird. –

Geschäfte, die getan werden müssen (denn in der ganzen Schöpfung soll und kann kein Müßiggänger geduldet werden, weder im Himmel noch in den übrigen Welten noch in der untersten Hölle, dem Zucht- und Arbeitshause derer, die in dem gegenwärtigen Leben für Gottes Ehre und die Wohlfahrt der Menschen müßig waren), Geschäfte, sage ich, die getan werden müssen und nicht gelingen, und sehr oft, wenn sie getan sind, bald wieder zertrümmern oder sehr wenig Frucht bringen; und wenn sie zertrümmert sind, sogleich wieder in Ordnung gebracht werden wollen. –

Gesellschaften der allerboshaftesten, verabscheuungswürdigsten Kreaturen, ekelhafte Missgestalten, die nichts als Zerrüttung wollen und wirken, die in den Tiefen des Elends, worin sie sich selbst und andere, trotz aller Warnungen Gottes, der besseren Menschen und ihres Gewissens, gestürzt haben, ohne Möglichkeit des Mitleidens über alle anderen rasen, welche sie um sich erblicken, oder von denen sie das Geschrei der Verzweiflung von fern her hören, und die über sich selbst am wildesten verzweifeln, weder sich noch andere, weder die Seligkeit der Verklärten noch die Verdammnis der Verworfenen ertragen können und wollen, und dennoch beides ertragen müssen, die einander mit allen Verhöhnungen und Beleidigungsarten, die die konzentrierte und gereizte Bosheit eines Verzweifelten ausrasen kann, unaufhörlich übertäuben und einander ihre Arbeiten erschweren und verderben.

Fruchtbare Oberherren, die Urheber der Verdammnis, Spötter und Sklaven derselben sind und ihre grimmige Wut wider sich selbst unter einer schäumenden Wut wider ihre Untertanen zu verbergen suchen und dieselbe auf eine zerschmetternde Weise, auch wenn sie ihren Willen mit sklavischer Ängstlichkeit erfüllt haben, pünktlich ausdonnern. Welch schwache Züge aus dem schrecklichen Gemälde von den Elend der Verdammten!

Aber den schrecklichsten unter allen habe ich noch nicht berührt – die Hoffnungslosigkeit! Kein Strahl einer Erlösung! Alles wider sie! Für sie nichts! Kein Geschöpf! Nicht eines – und am wenigsten der, von dem sich allein noch etwas dürfte hoffen lassen, wenn etwas zu hoffen wäre.

Gott, der unerträglichste aller unerträglichsten Gedanken, Gott, ein verzehrenderes Feuer als alle Flammen der Hölle, ihr Gewissen, ihr Herz, der Mittelpunkt der Hölle, die Hölle der Hölle, ein unsterblicher, immer tiefer nagender, immer tötender, nie ertötender Wurm, Ketten der Finsternis; eine Natur, die sich nicht erheben kann, die sich mit unwiderstehlicher Gewalt immer nur in die Hölle senkt. Ein Qualgeschrei und Peinrauch, die von Ära zu Ära aufsteigen und nur in der Hölle widerhallen, Feuerseen, Schwefelmoräste! Welche schreckensvolle Bilder von Qual, die alle Qualen der Erde vermutlich ebensoviel übertrifft, als die Freuden des Himmels alle Freuden der Erde übertreffen.

Doch, ich kann nicht weiter kommen; ich muss abbrechen, unerträglich sind sie mir, diese Vorstellungen! denn Freuden sind alle Ängste und Wollust, alle Schmerzen der Erde gegen die inneren und äußeren Qualen eines Menschen, zu dem sein Gewissen, dem Richter der Welt vor allen Welten sagt: Verfluchter! Freund der Ungerechtigkeit! Dein Teil ist der unauslöschbare Feuersee und die Gesellschaft Satans und seiner Engel!

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