Harms, Theodor - Das Hohelied - Zweites Capitel

Gesang: Jesu komm doch selbst zu mir.

Vers 1-7

Ich bin eine Blume zu Saron, und eine Rose im Thal. Wie eine Rose unter den Dornen, so ist meine Freundin unter den Töchtern. Wie ein Apfelbaum unter den wilden Bäumen, so ist mein Freund unter den Söhnen. Ich sitze unter dem Schatten, deß ich begehre, und seine Frucht ist meiner Kehle süß. Er führet mich in den Weinkeller, und die Liebe ist Sein Panier über mir. Er erquicket mich mit Blumen, und labt mich mit Aepfeln, denn ich bin krank vor Liebe. Seine Linke liegt unter meinem Haupt, und Seine Rechte herzet mich. Ich schwöre euch, ihr Töchter Jerusalems, bei den Rehen, oder bei den Hinden auf dem Felde, daß ihr Meine Freundin nicht aufwecket, noch reget, bis daß es ihr selbst gefällt.

Nachdem Sulamith in der morgenländischen Bildersprache ihren Freund mit Myrrhen und Copher verglichen, fährt sie fort in ihrer Demuth, V. 1: Ich aber bin nichts, als eine unscheinbare Blume auf der Viehtrift, denn das bedeutet Saron, wo so manches Blümlein zertreten wird und verwelkt, was gar aus ist, wenn der Ostwind durch das Thal streicht. Wenn wir diese demüthige Einfalt der Sulamith hätten, wenn wir uns so niedrig fühlten, dann würde uns der HErr erhöhen. Wie selten ist es aber, daß wir uns so gering vor uns selbst achten, so nichtsnutzig wie ein Blümlein unter den Füßen der weidenden Schafe; so gering in den Augen Anderer; denn eine begnadigte Sünderseele ist von der Welt verachtet, ihr Glück ihr unerklärlich, ihr Glanz ihr verborgen. Wie selten ist's, daß die Vergänglichkeit alles Irdischen uns so klar gegenwärtig ist. Können wir aber auch sagen aus tiefster Seele: Ich bin eine Blume zu Saron, dann sind wir himmlisch gesinnt, dann sind wir dem HErrn Jesu lieb und werth. Darum dreht Er der Sulamith das Bild um und sagt: Du bist Mir eine Rose, die inmitten der Dornen blüht. Das sind Unkräuter, die ich ausraufen werde zu seiner Zeit und werfen, wohin sie gehören. Mögen diese Unkräuter, die Töchter der Welt, noch so üppig aufblühen und den ganzen Garten bedecken; dich, mein edles Pflänzlein, werd' ich einstens in Meinen Paradiesgarten verpflanzen. Diese Seine volle Zuneigung weiß der HErr durch den heiligen Geist so gewiß in das Herz einer begnadigten Sünderseele hineinzureden, daß sie es endlich glaubt, und wenn sie so seine Milde und Liebe erfahren, dann lobsingt sie, V. 3. - Gott der HErr hat zwar alle Bäume gepflanzt, aber vor allem hat der Apfelbaum seine Blüthenpracht und seinen Früchtereichthum voraus. Ursprünglich, ehe die Sünde alle Verhältnisse verwirrte, waren die Baumfrüchte als die edelste Speise ausschließlich dem Menschen zur Nahrung gegeben; das Getreide war für das Vieh bestimmt; insonderheit war es er Baum des Lebens, der die Menschen vor dem Tode bewahren sollte. Nach dem Fall war Christus dem Menschen der Baum des Lebens, Er ward der Seele, was der Lebensbaum dem Leibe sein sollte: die geistliche Speise, die sie wieder einführt in das bisher verschlossene Paradies. Nur Christus kann uns die Früchte des Lebensbaumes geben; durch Seine Innewohnung sind wir im Paradiese. So ist Er der rechte Apfelbaum im Gegensatz zu den verbotenen, den wilden Bäumen; nur bei Ihm finden wir Schutz in der Trübsalssonne. Mag Verfolgung und Noth hereinbrechen, kein Leid, keine Last wird uns zu schwer, wenn wir nur unter Seinem Schatten bleiben; da ist's frisch und kühl, da kann die Seele genesen. Und welche herrliche Früchte fallen uns in den Schooß: Gnade, Erbarmen, Trost, Friede, Liebe, Kraft. Eine köstliche Frucht ist Gottes Wort, aber die schönste Frucht ist doch das heilige Abendmahl, da Er Sich uns selbst giebt. Was können wir mehr begehren! Er trägt, V. 5, uns Blüthen und Früchte zu gleicher Zeit, und spendet uns den Himmelstrank, in dessen Kraft wir fröhlich unsere Straße ziehen. -

In diesem lieblichen Zwiegespräch wechselt das Bild oft, weil der Gegenstand so reich und weit ist, daß ein Bild nur immer Eine Seite davon darstellt. V. 4 vergleicht Sulamith ihren Freund mit einem Führer, der sie zu dem Himmelstrank bringt. Es ist bemerkenswerth, daß der HErr zur Form des heiligen Abendmahls nicht das ursprüngliche Element des Wassers oder Milch gewählt hat, sondern den gegohrenen Saft der Trauben, der kräftigt und die Seele fröhlich macht, und nach meiner Ueberzeugung enthält dieser Vers eine Hindeutung auf das heilige Abendmahl, wo des HErrn Liebe die Fahne ist, unter welcher Seine Streiter kämpfen, auf welcher wir die Worte lesen: Hier ist unser Führer zu finden; wer wagt anzutasten, wer darunter sich schaart! Und ob allein mit Ihm unter Tigern und Löwen, dieses Schutzes können wir uns allezeit getrösten, denn die Liebe des HErrn ist eine ganz besondere Fahne; durch Seine Allmacht hat Er wohl die Welt erschaffen, aber durch seine Liebe hat Er uns erlöst. -

Ich hab es wohl nöthig, sagt Sulamith weiter, von Seinen Blüthen und Früchten erquickt zu werden, denn ich bin krank vor Liebe. Hier in dieser Welt voll Sünde kann nie unsere Liebe zu dem HErrn so sein, wie sie sollte; sie ist nie gesund, ist nur Liebessehnsucht hier, wo wir Ihn nur im Glauben unser nennen. Einst, wenn wir schauen, dann wird diese oft krankhafte heiße Liebessehnsucht klare, kräftige, allumfassende Liebe werden. Es ist ein großer Unterschied, ob Zwei, die sich lieben, nur durch Briefe mit einander verkehren, oder ob sie im Beisammensein sich Aug' in Auge schauen können. Wir sind dem HErrn wohl sehr dankbar für all die Mittel, wodurch Er Seine Gemeinschaft mit uns unterhält: Gebet, Wort, Sacrament, Sündenvergebung, aber es fehlt doch immer das Eine: wir sehen Ihn nicht. Uns bleibt nur das selige Heimweh nach dem Himmel, und Heimweh ist eine Krankheit. Es wäre nicht auszuhalten in diesem Heimweh, wenn der HErr nicht Alles thäte, uns zu laben und zu trösten, und wir spüren wohl die Hand, die sich, V. 6, unter unser müdes Haupt legt, aber wir sehen sie nicht. Die Vollendung ist das Heimweh nicht, aber es ist eine schwere Anklage für uns Christen, daß wir so wenig diese Himmelssehnsucht kennen; das kommt daher, weil wir nicht mehr im Feuer der ersten Liebe stehen. Ach, meine Lieben, wir wollen uns tief in den Staub beugen, wie die Blume in Saron. Dann mag der HErr unsere Niedrigkeit ansehn und uns die heiße Liebessehnsucht geben, um die wir bitten. Unsere Lauheit liegt eben darin, daß wir unser Sündenelend nicht erkennen, wie wir sollten. In V. 6 wird ein Zustand beschrieben, der selben im Christenleben vorkommt, da die begnadigte Seele so selig ist in der Liebesgemeinschaft mit dem HErrn, daß sie Alles um sich her vergißt, Noth, Sorge, ja selbst die Sünde. Sie sieht nicht, was Alles auf der Erde um sie vorgeht, denn aus dem folgenden Vers ergiebt sich, daß sie einschläft. Eine solche Zärtlichkeit des HErrn ist das Höchste, was dem Menschen gegeben werden kann; aber es ist nicht gesagt, daß des Menschen Glaube größer wäre, weil er zeitweilig solchen Ueberschwang empfindet. Solche Gabe und Gnade ist was Großes und Schönes, und darum will der HErr V. 7 auch nicht, daß so ein seliger Zustand von den Mitchristen unterbrochen werden soll. Nun, dafür pflegt die sündige Seele schon selbst zu sorgen, daß er nicht lange anhält. Man muß nicht glauben, daß solch ein Seligkeitsgefühl im Christenleben eine höhere Glaubensstufe sei; es ist eine freie Gnade Gottes. Ob du den Vorschmack des Himmels oder der Hölle hast, das ist für deine Seligkeit einerlei; es kommt nur auf den ächten, festen Glauben an. Wer so eines Seligkeitsgefühls gewürdigt wird, der danke Gott dafür; es ist aber sehr vorübergehend, und nachher ist man es sich nicht recht mehr bewußt; es hinterläßt den Eindruck eines Traumes. V. 7 spricht der HErr zu den Christen, nicht zu den Weltkindern, zu denen, die im Glauben stehen, aber im kühlern Verhältniß zu ihrem Erlöser. Die bittet Er dringend bei den Rehen und Hinden, d. h. bei den hochbegnadigten Christen, die ihrem Heilande gleich verfolgt und gehetzt werden von der Welt und dem Satan, wie Er die Hindin war (Ps. 22), die frühe gejagt ward, solchen Seligkeitsstand nicht zu tadeln und zu stören. Die begnadigte Seele wird nur zu bald herausgerissen durch ihre eigne Schwachheit und Sündhaftigkeit. Dafür sorgt auch der Teufel; Menschen brauchen es nicht zu thun. Solch ein Zustand ist nicht Schwärmerei, so wenig es Schwärmerei ist, wenn die heiligen Märtyrer unter den grausamsten Todesschmerzen und Qualen in Seligkeit des Herzens jubeln können, daß ihnen der glühende Rost, auf dem sie lebendig gebraten wurden, ein Rosenlager zu sein dünkt. Es ist ein Ueberschwang der göttlichen Gnade, die durch den Glauben das Herz erfüllt und den ganzen Menschen in solchem Maße durchdringt, daß Alles dagegen zurücktritt und verschwindet.

So geht es im Christenleben zu, und solche liebliche Fürsorge zeigt es uns recht, daß unser Heiland der Seelenbräutigam ist. Wenn solche Beschreibungen des heiligen Geistes uns einen Einblick in Seine Liebe und Treue gestatten, müssen sie aber nie den Gedanken in uns aufkommen lassen, daß der HErr mit uns, die wir sie nicht aus Erfahrung kennen, gebrochen hätte, und nicht in solchen Erfahrungen das Wesen des Christenthums suchen. Es besteht nur im lebendigen Herzensglauben. Amen.

Vers 8-17.

Das ist die Stimme meines Freundes, siehe, er kommt, und hüpft auf den Bergen, und springt auf den Hügeln. Mein Freund ist gleich einem Rehe, oder jungem Hirsche. Siehe, er steht hinter unsrer Wand, und sieht durch das Fenster, und guckt durch das Gitter. Mein Freund antwortet und spricht zu mir: Stehe auf, Meine Freundin, Meine Schöne, und komm her. Denn siehe der Winter ist vergangen, der Regen ist weg und dahin. Die Blumen sind hervor gekommen im Lande, der Lenz ist herbei gekommen, und die Turteltaube läßt sich hören in unserm Lande. Der Feigenbaum hat Knoten gewonnen, die Weinstöcke haben Augen gewonnen und geben ihren Geruch; stehe auf, Meine Freundin, und komm, Meine Schöne, komm her. Meine Taube in den Felslöchern, in den Steinritzen, zeige Mir deine Gestalt, laß Mich hören deine Stimme; denn deine Stimme ist süß, und deine Gestalt ist lieblich. Fanget uns die Füchse, die kleinen Füchse, die die Weinberge verderben; denn unsere Weinberge haben Augen gewonnen. Mein Freund ist mein, und ich bin sein, der unter den Rosen weidet, bis der Tag kühl werde, und der Schatten weiche. Kehre um, werde wie ein Reh, mein Freund, oder wie ein junger Hirsch auf den Scheidebergen.

In den vorigen Versen hat uns der heilige Geist das Ruhen der begnadigten Sünderseele in ihrem HErrn als einen Schlaf mit lieblichen Träumen geschildert, was aber schwer zu beschreiben ist, ohne eigne Erfahrung. Solch seliger Zustand ist eine reine Gnadengabe des HErrn; es liegt nichts Schwärmerisches darin. Er kann aber nicht lange dauern, dann folgt das Erwachen. Eine solche himmlische Gnadengabe kann nur durch die Heilsmittel zu uns gelangen, und es ist eitel Schwärmerei, zu meinen, daß der HErr ohne Vermittlung der Heilsmittel zu uns rede; es sind die Sectirer, die sich besonderer Offenbarungen rühmen; der HErr redet zu uns durch Sein Wort und die Sacramente. Nun kann man eine Predigt wohl mit dem Ohr hören, aber das Herz vernimmt nichts davon; ein Wort der heiligen Schrift lesen wir oft hundertmal, aber es wird kein selbsterlebtes; dann plötzlich öffnet uns der HErr das innere Ohr, und das Wort wird Leben in uns, wird ein Samenkorn, das keimt, wächst und blüht, und uns das Auge öffnet, des HErrn Wunder zu schauen und Seine Nähe zu fühlen, zu fassen V. 8, daß Er unser freund ist. Es ist etwas unbeschreiblich Köstliches, daß Er sich unsern Freund nennt. So verschieden sind die Beziehungen, in denen Er zu uns tritt, daß auch die Bibel die mannigfaltigsten Namen dafür hat; bald erscheint Er als unser Arzt, bald als unser Hirt, bald als das Brot, dann als Quelle, als Bräutigam; hier als Freund, der denen, die im Glauben stehen, Alles zutraut, ihnen alle Seine Geheimnisse offenbart, und Er will, daß auch wir kein Geheimniß vor Ihm haben. Damit tritt Er uns so nah, und will so gerne, daß jeder von uns Sein Johannes sei. Stellt Er Sich so zu uns, dann ist es wohl natürlich, daß das Herz voll Jubels ist; es ist aber auffallend, daß die entzückte Seele ihren Freund mit einem Hirsch und Reh vergleicht. Um diesen Ausdruck recht zu verstehen, müssen wir uns an den 22sten Psalm erinnern von der Hindin, die frühe gejagt wird, weil der HErr als das edelste Wild verfolgt, erlegt ist, Sein Blut für uns vergossen hat, und durch Sein Sterben unser Freund geworden ist. Die Seele sieht auch in der innigsten Gemeinschaft hier auf Erden, V. 9, doch immer nur durch eine Scheidewand; die hört erst mit dem leiblichen Tode auf, und dann erst ist die Gemeinschaft vollständig; dann ist weggefallen die Scheidewand unserer Sünde, das Gitter unsers Irrthums. Wenn wir Ihn hier auch mit all unsern Kräften lieben, so wird im Schauen doch die Liebe erst vollständig.

Steht in so einem innigen Verhältniß eine Seele mit ihrem Freund, dann thut Er sich, V. 10, immer näher zu ihr, zeigt ihr nicht nur Liebe, auch Vertrauen; er ladet sie so freundlich ein, immer wieder zu Ihm zu kommen; giebt es doch in seinen Augen nichts Schöneres, als so einem armen, armen Sünder, der sich losgerungen hat zum Glauben. V. 11 beschreibt der heilige Geist die Herrlichkeit solches Glaubenslebens. In dem einen Lande ist die Eisdecke zerbrochen; in dem andern die Regenzeit vorüber, in der begnadigten Seele die starre Eisrinde der Glaubenslosigkeit geschmolzen: der Frühling ist gekommen und das Wort, was in die Seele gelegt und gekeimt ist, sprießt hervor, durch den Thau der Gnade befruchtet, und ist zu Blumen geworden. In des Winters Kälte hat es in der dunklen Erde gelegen, aber die Nacht ist vergangen, und der Keim hat sich dem Lichte entfaltet; es grünt und blüht im Paradiesgarten des Herzens, wo die ewige Sonne scheint, und die Turteltaube, das Bild der Liebe läßt Liebeslieder ertönen. Der ausschlagende Feigenbaum, V. 13, weißt hin auf den ewigen Frühling im Anschluß an Matth. 24, 32, wo von ihm im Bilde als Vorbote und Wahrzeichen des jüngsten Tages geredet wird. Auch der Weinstock spürt das Frühlingswehen, und die Luft beginnt zu duften. Da ertönt die erneute Aufforderung an alle bußfertigen Sünder, zu dem Lebensquell zu kommen, und an Ihm sich zu erquicken, ja die Gemeinschaft mit ihm zu pflegen, und sich nicht zu scheuen, weil sie sich so sündig, so schwarz fühlen. Der HErr ist so gütig, V. 14, und lockt die arme, demüthige Seele mit so holden lieblichen Worten; denn in der ersten Zeit, wenn eine Seele durch den Winterschlaf des Sündenelends gedrungen ist, dann ist sie oft so schüchtern, so in Angst vor dem Seelengeier, dem Teufel, der in der Welt so mächtig ist, daß sie sich nicht frei erheben kann auf Gebetsflügeln. Sprich zu Mir, bittet dann ihr Freund, nichts ist Mir ja lieblicher, als deine Stimme zu hören; rede, Ich will hören und erhören. Ja nichts ist Ihm lieblicher als solche Sünderseele, aus Demuth zaghaft, die sieht Er in ihrer Jugendschönheit, wie alt und häßlich auch der auswendige Mensch sei. Gibt nicht solche Liebe uns Muth, uns Ihm zu präsentieren ganz so wie wir sind, jämmerlich, arm, elend, ohne erst besser werden zu wollen?

V. 15. Zu wem spricht der HErr hier?

Zu Allen, die in Seinem Dienst stehen: den heiligen Engeln, die Seine Befehle ausrichten, den treuen Christen, die sich in der Arbeit für Sein Reich verzehren, zu allen denjenigen, die reiche Erfahrungen im Glaubensleben gemacht haben, und nicht mehr so schüchtern sind, wie die Turteltauben. Unter Füchsen, kleinen und großen versteht er die falschen Propheten, die Irrlehrer, die irrthümlichen Vorstellungen, die Kinder der Welt. Zu solchen Füchsen gehört auch die Union, gehören die weltlichen Vergnügungen. Fanget uns Alles dies, was den Weinberg des Reiches Gottes verdirbt, Alles was für die Christenseele gefährlich ist und das keimende Glaubensleben erstickt. Vor all dieser List des Feindes muß sich die Seele mit der größten Gewissenhaftigkeit in Acht nehmen, denn der HErr will sie rein behalten; Er kann es nicht leiden, wenn sie mit Ihm in Gemeinschaft bleiben will, daß sie sich von des Teufels List berücken lasse. Bleibt sie aber darin, und neigt Er Sich so freundlich zu ihr, so darf sie wohl das Herz fassen und sprechen, V. 16. Solche innige Gemeinschaft ist nöthig, wenn die Seele zur Ruhe kommen will. Wenn sie sagen kann: Er mein, ich Sein, wenn sie nichts mehr liebt, als nur Ihn, wenn ihr eignes Ich aufgegangen ist in Ihm, dann ruht sie in Ihm, dann verschwinden alle Verkehrtheiten, aller Jammer, dann verschwindet die Creatur in nichts, die Seele hat ihr Ziel gefunden. Sie besitzt alles Andere als besäße sie es nicht; sie gehört zu den Lilien, d.h. zu den Seelen, die in ihrer Sündennoth Ihn als ihren Hirten erwählen, die auserwählte Menschenheerde des Erzhirten, die Er weidet, bis V. 17 die Trübsalshitze endet, die Schatten weichen und uns die Todesbrücke in das ewige Leben führt, in die vollkommne Ruhe. So lange wir aber hier wallen, mischt sich immer die Besorgniß in diese Ruhe des Herzens, ob es auch so bleiben werde in diesem Wechsel der Sünde und des Lichts, und wir haben immer von neuem zu bitten: Kehre um und laß mich Dich erkennen, als die Hindin, die gejagt wird. Er unser blutbesprengter Heiland muß sich immer wieder zu uns wenden, und uns die Glaubenshand stärken, womit wir Seine Gnadenhand erfassen. Er unser Erlöser muß uns halten fest und stark, bis die Scheidewand gefallen ist, die zwischen uns liegt. Amen.

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