Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 29. Psalm.

Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 29. Psalm.

Bringet her dem HErrn, ihr Gewaltigen, bringet her dem HErrn Ehre und Stärke. Bringet dem HErrn Ehre Seines Namens, betet an den HErrn im heiligen Schmuck. Wozu diese Aufforderung? Warum sollen die Menschen, Starke wie Schwache, Gewaltige wie Niedrige, dem HErrn Ehre und Stärke bringen, Ihn anbeten im heiligen Schmucke mit demüthigem Knieebeugen? Darum: Die Stimme des HErrn gehet auf den Wassern; der Gott der Ehren donnert, der HErr auf großen Wassern. Warum gebührt also dem HErrn Lob und Ehre? Weil im Gewitter die Stimme des HErrn geht, weil der HErr redet aus Donner und Blitz, und die furchtbare Majestät und Herrlichkeit Gottes nicht leicht gewaltiger erscheint, als im Wetter. Lernt hieraus den Unterschied zwischen göttlicher und menschlicher Sprache. Die menschliche Sprache sagt: Es donnert; die göttliche Sprache sagt: Der HErr der Ehren donnert; die Menschen sagen: Wie schrecklich blitzt es; die Bibel sagt: Die Stimme des HErrn sprühet wie Feuerflammen. Was sagt ihr zu diesem Psalm, der ja weiter keiner Erklärung bedarf? Wahrlich, ein Kind kann ihn verstehn, denn er ist so kindlich und einfach; aber was lehrt er uns? Dieser Psalm setzt die Gewitterandachten ein, denn kein andrer als Gott der HErr sagt: Bringet her dem HErrn, ihr Gewaltigen, bringet her dem HErrn Ehre und Stärke, weil Seine Blitze mit Macht zucken, weil Seine Donner mit Gewalt rollen und der HErr auf großen Wassern geht. Darum sollen wir anbeten den HErrn im heiligen Schmuck, und Ehre Seinem herrlichen Namen bringen. Bitten und danken müssen wir beim Gewitter; und darum findet ihr auch kein christliches Gesang- und Gebetbuch, in dem nicht Gewittergesänge und Gewittergebete stehn. Und weshalb stehen sie darin? Doch zu keinem andern Zwecke, als daß sie gesungen und gebetet werden sollen; und auch unser Psalm ist unentbehrlich bei den Gewitterandachten. Gott hat dies geboten, die Kirche hat's verordnet, so ist es auch in der Ordnung, daß wir Gewitterandacht halten; aber was thun die meisten Christen? Geht einmal beim Gewitter durch diese oder jene Stadt, und fanget an nachzufragen vom ersten Hause bis zum letzten nach Gewitterandacht, ob ihr wohl in einem einzigen Hause einen Wettergesang hört, oder die Kniee vor Gott beugen seht? Aber ihr findet's auch nicht auf den Dörfern, obwohl auf den Dörfern meistens noch etwas mehr Gottesfurcht ist, als in den Städten, so könnt ihr doch jetzt bei vielen Bauerhöfen nachfragen, und ihr werdet nichts mehr von Gewitterandacht finden. Sammelt da der Hausvater sein Weib, seine Kinder, seine Knechte und Mägde um sich und beugt vor dem HErrn die Kniee? Es muß also schlecht in der Christenheit aussehen. Viele Leute entschuldigen sich mit Unwissenheit, und haben in so weit Recht, als darin auch eine große Schuld liegt, daß die Prediger die Gemeinden nicht an ihre Pflicht erinnern, oder selbst nichts davon wissen. Als ich noch ein Knabe war, oder auch später in meinen Kandidatenjahren habe ich's von keinem Prediger gehört, daß man Gewitterandacht halten müsse; aber entschuldigen kann ich mich deshalb nicht, denn hier steht der 29. Psalm, der es sagt, und die Bibel zu lesen ist nicht verboten. Selbst hier in unserer Gemeinde, wo die Gewitterandachten doch Sitte sind, werden sie nicht in allen, ja ich glaube, nicht einmal in den meisten Häusern gehalten. Es giebt viele sogenannte vornehme Häuser, wo sie nicht gehalten werden, desgleichen giebt es auch viele sogenannte arme Leute, die sie nicht halten. Viele liegen auch sogar Nachts im Bette während des Gewitters, und verkriechen sich viel lieber unter der Decke, weil sie entweder zu faul sind aufzustehn, oder weil des Nachts das Gewitter in der Regel viel schrecklicher ist, als am Tage. Man entschuldigt sich vielfach damit, daß man zu unwissend sei, aber hier in unserer Gemeinde kann Keiner eine Entschuldigung vorbringen, denn ihr werdet öfters daran erinnert und dazu ermahnt. Ich habe es einmal selbst erfahren, wie es in dieser Hinsicht auf manchen Dörfern aussieht. Als ich noch im Lüneburgischen war, sollte ich einst einen Wagen voll Knaben zur Stadt bringen. Unterwegs, noch eine Strecke vor einem Dorfe, überfiel uns ein Gewitter, es fing furchtbar an zu donnern und zu blitzen, und die Pferde bäumten sich vor dem entsetzlichen Blitz, es schien, als ob der Blitz fortwährend bei den Pferden niederschlüge, Der Fuhrmann und ich mußte vom Wagen springen, daß er das Pferd auf der einen und ich auf der andern Seite anfaßte, damit sie uns nicht wegliefen. Endlich kamen wir in das Dorf. Die Leute, welche sich nicht verkrochen hatten, standen in den Hausthüren, machten ihre Bemerkungen über das Gewitter, rauchten dabei ihre Pfeife und sahen in den Blitz hinein. Wir baten, sie möchten die Mistenthür aufmachen, damit wir doch in Schutz kämen, aber sie rührten sich nicht. So ging es durchs ganze Dorf. Endlich fanden wir ein Haus, wo die Leute nicht vor der Thür standen, sondern in der Stube den Gesang sangen: Ein Wetter steiget auf, mein Herz, zu Gott hinauf rc. Wir hielten an, gingen in das Haus und siehe, die ganze Familie hatte sich versammelt, um Gewitterandacht zu halten. Ich brachte mein Anliegen vor, und gleich waren alle bereit, uns zu helfen. Darauf setzten sie die Andacht fort, und wir freuten uns, Theil daran nehmen zu können. Diese Geschichte ist mir bis jetzt unvergeßlich geblieben und wird mir auch unvergeßlich bleiben. In dem ganzen Dorfe, worin dreißig Bauern wohnten, war nur ein einziges Haus, in welchem Wettergottesdienst gehalten wurde. Es kann ja auch nicht anders sein, ein Christ muß sich im Gewitter dem HErrn befehlen, er kann ja nicht wissen, ob das Gewitter ihn nicht erschlägt oder der Blitz sein Haus anzündet; wenn er sich aber in den Schutz Gottes befohlen hat, dann kann er ruhig sein. Weil wir nun bei der Erklärung dieses Psalms sind, derselbe aber so einfach ist, daß er sich selbst erklärt, so will ich euch die Ordnung der Kirche über den Wettergottesdienst anzeigen. Der Hausvater versammelt sein ganzes Haus um sich, es wird zuerst der Gesang gesungen: Ein Wetter steiget auf rc., dann sollen alle vor Gott in wahrer Reue und Buße niederfallen, dann diesen 29. Psalm lesen, der keiner weiteren Erklärung bedarf, darauf knieet wieder nieder und betet die drei Glaubensartikel und entsaget in diesem Taufglauben dem Teufel, seinem Wesen, seinen Werken und den weltlichen Lüsten. Warum gerade das? Ich kann nicht wissen, ob mich der Blitz nicht trifft. Sollte das aber geschehn, so will ich im Glauben sterben; oder der HErr kann mein Haus durch den Blitz anzünden, denn verdient habe ich das um meiner Sünde willen, und dann kann ich's besser tragen. Darauf bete ich das Vater unser, stehe dann auf und lese mit fröhlichem Herzen den 23. Psalm: Der HErr ist mein Hirte rc., bete darnach: Christe, Du Lamm Gottes rc. und lege so alles, mich und die Meinen, meine Gemeine und mein Dorf in Gottes erbarmende Hand. Zum Schluß singe ich den Vers: Gott Vater, Dir sei Preis, hier und im Himmel oben rc.; dann mag's blitzen und donnern, so viel es will, ich bin ganz ruhig und getrost. Muß man nicht beim Gewitter auf Alles gefaßt sein? Alle Augenblicke hört und liest man: Da ist ein Mensch erschlagen vom Blitz, dort einer gelähmt, dort ein Haus abgebrannt. Und ist's denn so ganz einerlei, wohin man fährt, ob in Gottes Hände oder zum Teufel? Darum haltet treu die Gewitterandachten, und legt euch durch diese in Gottes erbarmende Hände. Wer bis jetzt noch keine Gewitterandacht gehalten hat, der thue es doch fortan, und wer es gethan hat, der bleibe dabei und thue es ferner, denn dieser Psalm sagt es euch, und ich habe es euch oft in der Predigt gesagt. Amen.

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