Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 17. Psalm.

Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 17. Psalm.

Dieser Psalm führt seit alten Zeiten die Ueberschrift: „Ein Gebet um gesunde Lehre und heiliges Leben“. Weil er nun ein Gebet um gesunde Lehre und heiliges Leben ist, so sind darin vereinigt die Hauptstücke des wahren Christenthums. Denn gerade damit ist uns geholfen, wenn wir gesunde Lehre und einen heiligen Wandel haben. Leset einmal Luthers Erklärung der ersten Bitte im Vater Unser, ihr werdet finden, daß die Auslegung dahin geht, daß wir Gott um reine Lehre und heiligen Wandel bitten sollen. Wenn Luther sagt, der HErr möge geben, daß Sein Wort lauter und rein gepredigt werde, und wir auch als die Kinder Gottes darnach leben, was ist das anders, als reine Lehre und heiliger Wandel? Und wenn es weiter heißt, Gott möge uns Seinen heiligen Geist geben, daß wir Seinem Worte glauben und göttlich leben, hier zeitlich und dort ewiglich, so ist das wieder dasselbe. Die beiden Hauptstücke des Christenthums, warum wir Gott nicht genug bitten können, sind also: Gesunde Lehre und heiliger Wandel. - David betet: HErr, erhöre die Gerechtigkeit, merke auf mein Schreien, vernimm mein Gebet, das nicht aus falschem Munde geht. Sprich Du in meiner Sache, und schaue Du auf das Recht. Das ist es, was David von Gott gewiß erbittet. Er ist, als ein Mann, der die gesunde Lehre hat und predigt und dem gemäß wandelt, in einem starken Kampf begriffen mit den Feinden des Reiches Gottes; und in diesem Kampfe soll ihm Gott beistehn, ihn erhören und Seine Sache führen. Wie dringend Davids Gebet ist, das zeigt er in dem dreimal wiederholten Ausdruck: HErr, erhöre mich, merke auf mein Geschrei, vernimm mein Gebet. Er betet, ja er schreiet zu Gott, und das soll Gott erhören, und indem Er das erhört, erhört Er die Gerechtigkeit, denn Davids Sache ist gerechte Sache, sein Gebet kommt nicht von falschen Lippen. Wie ernst es David damit meint, das zeigt er im dritten Verse: Du prüfest mein Herz, und besuchst es des Nachts, und läuterst mich, und findest nichts. Ich habe mir vorgesetzt, daß mein Mund nicht soll übertreten. Siehe wie ernst er die Sache nimmt! Er steht als ein treuer Lehrer und Prediger vor Gott, ein Lippenplapperer ist er nicht, er lehrt und predigt vor Gottes Angesicht, Tag und Nacht beschäftigt er sich damit, Tag und Nacht erfüllt Gottes Wort sein ganzes Herz. Wenn er wacht, dann steht er vor Gott und lehrt die Menschen, wenn andere Leute im Bette liegen und schlafen, dann betet er vor Gott; er geht zu Gott, indem er sein Wort liest, und Gott besucht ihn durch Sein Wort. Darum kann er hinzu setzen: Du findest nichts an mir. Natürlich meint er damit nicht, daß er kein Sünder sei, daß er nicht fehle noch etwas versehe, denn er betet selbst in einem andern Psalm: HErr, wer kann merken, wie oft er fehlet? Verzeihe mir die verborgenen Fehler Ps. 19, 13. Wer so betet, der wird doch wahrlich nicht ein solcher Narr sein und sagen: Ich habe keine Sünde, sondern es ist dasselbe, was der Apostel Paulus sagt: Ich bin mir wohl nichts bewußt, aber darinnen bin ich nicht gerechtfertigt 1. Cor. 4, 4. Ein rechter Diener Gottes muß in Wort und Werk also vor Gott wandeln, daß er sagen kann: Ich bin mir nichts bewußt, d. h. ich habe mit Wissen und Willen nicht gesündigt, und dabei bleibt doch das beständige Seufzen seines Herzens die Bitte: Gott sei mir Sünder gnädig; verzeihe mir die verborgenen Fehler. Wo solcher Ernst der Heiligung nicht ist, was hilft da alles Sprechen vom Christenthum? und wo namentlich ein Prediger solchen Ernst nicht hat, was hilft da alles Predigen? Es ist doch nur Lippengeplapper. Der Christ ist nicht von der reinen, gesunden Lehre durchdrungen, dessen Wandel nicht mit der Lehre übereinstimmt; und wer anders wandelt, als er glaubt und lehrt, der ist ein Heuchler. Nun beschreibt David seinen Wandel, den er der reinen Lehre gemäß vor Gott zu führen sucht, mit den Worten: Ich bewahre mich in dem Wort Deiner Lippen vor Menschenwerk, auf dem Wege des Mörders. Das ist also die Regel und Richtschnur eines wahrhaft frommen Predigers, er will durchaus von nichts Anderm wissen, als von Gottes Wort, sein Wahlspruch ist: Das Wort Deiner Lippen ist die Richtschnur meines Lebens und meiner Lehre. Wenn es bei uns so ist, dann können wir auch sagen, was genau damit zusammen hängt: Ich bewahre mich vor Menschenwerk. Alles eigne Menschenwerk taugt nichts, es ist verwerflich und verdammlich, nur Gottes Werk ist gut und hoch zu preisen; denn Menschenwerk kommt aus der Sünde, Gottes Werk kommt aus Gott, also aus dem allein Guten. Von Gott dem heiligen Geist muß ich mich treiben lassen, wenn ich predige, wenn ich studire, wenn ich bete, wenn ich meine Wege gehe, die Leute zu besuchen. Sind so meine Worte und Werke Gottes Worte und Werke, dann werde ich bewahrt auf dem Wege des Mörders, das ist der Weg, den ich gehen muß auf Erden, wo der Teufel, der Lügner und Mörder von Anfang, auf mich lauert. Bald kommt er als ein Engel des Lichts, bald als eine listige Schlange, bald als ein grimmiger Löwe; wandle ich nicht den Weg Gottes, so hat er mich bald unter. Seht, meine Lieben, so wandelt der Christ vor dem Angesicht seines Gottes, und so wandelt namentlich der, dem Gott das heilige Predigtamt gegeben hat, auf daß er viele Seelen dem HErrn zuführen könne. Aber noch Eins ist nöthig, nämlich daß der Christ in solchem Wandel beharrt; darum heißt es weiter: Erhalte meinen Gang auf Deinen Fußsteigen, daß meine Tritte nicht gleiten. Das Herz muß gewiß sein aus Gottes heiligem Worte, dann erhält uns Gott auf Seinen Fußsteigen. Aber wenn das Herz nicht gewiß ist, so kann man auch keine gewisse Tritte thun, dann strauchelt man wie ein Lahmer und tappt im Finstern wie ein Blinder. Es ist ein köstlich Ding, daß das Herz fest werde, und fest und gewiß kann das Herz nicht anders werden, als durch Gottes Wort und durch das Treiben des heiligen Geistes. Habe ich Gottes Wort, dann habe ich den gewissen Grund unter den Füßen, den mir kein Mensch rauben oder stehlen kann. Nachdem David das gesagt, dringt er von neuem auf den HErrn ein: Ich rufe zu Dir, daß Du Gott wollest mich erhören; neige Deine Ohren zu mir, höre meine Rede. Seht, wie vertraut doch ein frommer Mensch mit seinem Gott ist. Verlangt doch David nichts anders, als Gott solle Sein Ohr zu ihm neigen, daß er Ihm in's Ohr sagen könne, was er begehre, verlangt er doch nichts geringeres, als daß Gott auf sein Wort merken solle. Wenn eine Mutter ihr kleines Kind verstehen will, so muß sie ihr Ohr zu dem lispelnden Kinde herab neigen, daß dasselbe ihr die Worte in das Ohr sage. So mußt Du, Gott, es auch mit mir machen, sagt David. Wie die Mutter das Lallen ihres Kindes vernimmt, so mußt Du, o Gott, auch mein Lallen vernehmen. Beweise, so fährt er fort, beweise Deine wunderliche Güte, Du Heiland derer, die Dir vertrauen, wider die, so sich wider Deine rechte Hand setzen. Behüte mich wie einen Augapfel im Auge; beschirme mich unter dem Schatten Deiner Flügel. Warum ist das denn wunderlich, daß Gott solche fromme Menschen erhört gegen die, die sich wider sie setzen? Merket euch, das ist nicht wunderlich vor Gott, sondern vor der Welt. Denn wer sind die Frommen? sind sie nicht allenthalben das verachtete Lichtlein? sind sie nicht die, an denen Jedermann die Füße abwischt? Vor den Augen der Welt gelten sie gar nichts, sie müssen von sich sagen: Wir sind die allerverachtetsten und unwerthesten unter den Menschen. Dagegen die Feinde des Reiches Gottes, das sind die Allergeachtetsten, die Tugendreichsten, die Frömmsten, die Ehrbarsten von der Welt. Und die soll Gott verachten und die Niedrigen erheben? die Armen soll Er mit Gütern füllen und die Reichen leer lassen? die Gewaltigen soll Er vom Stuhl stoßen und die Schwachen darauf setzen? Ist das nicht eine wunderliche Erhörung? Aber noch mehr, David kann beten: Behüte mich wie einen Augapfel im Auge; beschirme mich unter dem Schatten Deiner Flügel. Das läßt sich ein Christ nicht abstreiten und abdisputiren, daß er Gottes Augapfel ist, obgleich die Weltkinder darüber die Achseln zucken und ihn für einen Verrückten und Narren halten. Denn der HErr hat gesagt: Ich nehme an was schwach ist und verwerfe was stark ist, Ich nehme die Sünder an und verwerfe die Gerechten, Ich nehme an die Armen und verwerfe die Reichen. Wenn der Mensch unter dem Schutze Gottes steht, wenn er weiß, daß Gott ihn als einen Augapfel behütet, dann kann ihm kein Feind schaden. Wer das aber nicht weiß, der muß verzagen, denn wahrhaft fürchterlich sind die Feinde, die David im Folgenden beschreibt: Behüte mich vor den Gottlosen, die mich verstören, vor meinen Feinden, die um und um nach meiner Seele stehn. Ihre Fetten halten zusammen, sie reden mit ihrem Munde stolz. Wo wir gehen, so umgeben sie uns; ihre Augen richten sie dahin, daß sie uns zur Erde stürzen, gleich wie ein Löwe, der des Raubes begehrt; wie ein junger Löwe, der in der Höhle sitzt. Nachdem er die Gottlosen in ihrer List. Falschheit, Bosheit und Mordlust geschildert hat, heißt es weiter: HErr, mache Dich auf, überwältige ihn, und demüthige ihn; errette meine Seele von dem Gottlosen mit Deinem Schwert. Da sagt David, daß Gott ihn behüten soll vor dem Feind, vor dem Gottlosen, vorher sprach er von Vielen, jetzt von Einem, wer ist dieser Eine? Das ist der Teufel, der Erzfeind der Frommen, und vor allem der Erzfeind aller frommen Prediger. Vorher hat er von den Dienern des Teufels gesprochen, jetzt spricht er von dem Teufel selbst. Vor dem Teufel soll ihn der HErr bewahren. Er weiß es wohl, daß er nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen hat, und daß in diesem Kampfe seine Kraft nicht ausreicht, darum soll Gott ihn schützen. Seht, meine Lieben, dieser Erzfeind, der Teufel, steckt immer hinter allen gottlosen und bösen Streichen, er ist der Erzmörder und Erzlügner und die gottlosen Menschen sind seine Diener. Welche Menschen sind des Teufels Hauptdiener? Im 14. Verse wird es uns gesagt mit den Worten: Errette mich von den Leuten Deiner Hand, HErr, von den Leuten dieser Welt, welche ihr Theil haben in ihrem Leben, welchen Du den Bauch füllest mit Deinem Schatz, die da Kinder die Fülle haben, und lassen ihr Uebriges ihren Jungen. Das sind die Hauptdiener des Teufels. Nicht die Geringen, sondern die Großen, nicht die Armen, sondern die Reichen, nicht die, deren Bauch leer ist, sondern die, deren Bauch voll ist, nicht die, die nichts haben, sondern die, die Geld in Hülle und Fülle haben, ja die so viel haben, daß sie ihr Uebriges ihren Kindern und Kindeskindern überlassen können, die sind es. Luther sagt sehr häufig in seinen Predigten: Ihr müßt nicht denken, daß die Armen, Ungelehrten, Geringen die Hauptfeinde des Reiches Gottes sind, sondern die Gelehrtesten, die Geehrtesten, die Tugendhaftesten sind es. Nicht die Armen und Geringen im jüdischen Volke waren Jesu Feinde, sondern Herodes und Pilatus, Hannas und Kaiphas, die Hohenpriester und Schriftgelehrten. Die Leute Deiner Hand, d. h. Menschen können sie nicht demüthigen, Du Gott mußt es thun. Damit wir nicht glauben sollen, Leute Deiner Hand bedeute etwas Gutes, so heißt es weiter: von den Leuten dieser Welt. Es sind nicht solche, denen Gott wohl thut, sondern solche, die Er mit Seiner Hand erniedrigt, die Er niederdrückt. Füllt Gott denen den Bauch? Woher haben Herodes und Pilatus, Hannas und Kaiphas ihre Macht gehabt? Die hat ihnen Gott gegeben. Aber thut Gott auch recht daran? Man sollte denken, die müßten leer ausgehen, und nun füllt sie Gott mit Seinem Schatz? Ich will es euch sagen, denkt dabei an euer eigenes Thun, warum füllt ihr den Bauch eurer Schweine mit dem besten Futter? Nicht wahr, damit sie geschlachtet werden können? So füllt Gott auch den Bauch der Säue unter den Menschen, und das thut Er darum, daß sie zum Schlachten zugerichtet werden sollen. Wie man den Ochsen und die Sau mästet zum Schlachttage, so mästet Gott die Gottlosen zum Tage des Gerichts.

Geht es ihnen auch noch so gut, Gottes Gerichte kommen über sie, haben sie auch noch so viel, über den dritten Erben ist Alles dahin, denn der Gottlose kann nicht bleiben. Darum, sagt David zum Schluß, will ich nun gänzlich wegwerfen alles Irdische, ich will die Fülle des Irdischen nicht halten für ein Glück, ich will schauen Dein Antlitz in Gerechtigkeit, ich will satt werden, wenn ich erwache nach Deinem Bild. Gerechtigkeit zu erlangen vor Gott, die da besteht in Vergebung der Sünden, und nachdem man die erlangt hat, sich fröhlich hinlegen zum Sterben, um dann zu erwachen nach Gottes Bild an jenem großen Tage, dahin geht das ganze Dichten und Trachten eines wahren Christen. Fragst du den wahren Christen, worauf sein ganzes Streben gerichtet sei? so antwortet er dir: Ich strebe darnach, daß ich Vergebung der Sünden habe, und dann möchte ich sterben, um nach Gottes Bilde zu erwachen. Alles Andere ist ihm Staub und Dreck, denn er hat mit Paulus sprechen gelernt: Ich vergesse was da hinten ist, und strecke mich nach dem, was da vorne ist; ich achte Alles für Schaden und Dreck, auf daß ich Christum gewinne und in Ihm erfunden werde, damit ich entgegen komme zu der Auferstehung der Todten, Phil. 3, 8-10; er hat Christi Ermahnung zu Herzen genommen: Trachtet am ersten nach dem Reiche Gottes und nach Seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches Alles zufallen, Matth. 6, 33. Aber leider thun die meisten Menschen das Gegentheil von dem, was der HErr Jesus und Sein Apostel sagt, sie trachten nach dem Irdischen, was sie doch beim Tode hier lassen müssen. Der Christ trachtet nach Vergebung der Sünden, nach einem seligen Ende, und dann folgt die fröhliche Auferstehung. Amen.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/h/harms_l/harms-der_psalter/harms_l_psalm017.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain