Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 16. Psalm

Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 16. Psalm

Dieser Psalm enthält eine Weissagung von Christi Leiden und Auferstehung, und es sind Worte, welche der Messias selber redet, und die wir deshalb als Worte Seines eignen Mundes anzusehen haben. Er redet diese Worte natürlich zu Niemand anders, als zu Seinem himmlischen Vater, und da Er sie redet vor Seiner Menschwerdung, so redet Er sie im Himmel. Wir sehen daraus, wie das wunderbare Werk der Erlösung von Ewigkeit her ein Gegenstand des Gesprächs zwischen dem Vater und dem Sohne gewesen ist. Der Sohn hat die Erlösung der Menschen mit der größten Freudigkeit und Bereitwilligkeit auf sich genommen, und nun redet der Vater mit ihm darüber und der Sohn antwortet dem Vater; ein solches Gespräch enthält dieser Psalm. - Bewahre Mich, Gott, sagt der Sohn, denn Ich traue auf Dich. Schon mit diesen Worten zeigt der Messias an, daß Er das bevorstehende Leiden als ein ganz außerordentlich schweres betrachtet, denn, sagt Er, Du mußt Mich bewahren, auf Dich traue Ich; und indem Er dieses Vertrauen zu Seinem Vater ausspricht, daß der Ihn bewahren werde, auch dann, wenn Er Ihn um der Menschen willen verlassen muß, so zeigt Er uns ein solches Wunder, daß nur Gott ausrichten und ausdenken kann, wir Menschen können es nicht. Denn wie sich das reimt, Einen verlassen und doch bewahren, das kann kein Verstand ausdenken! Und doch ist es geschehen, denn Jesus hat am Kreuze gerufen: Mein Gott, Mein Gott, warum hast Du Mich verlassen! Und ob der Vater den Sohn verließ, hat Er Ihn doch erhalten und bewahrt. Wenn wir erst droben beim HErrn im Himmel sind, dann werden wir es erfahren, wie es möglich gewesen ist, daß der Vater den Sohn verlassen und doch bewahren konnte. Bis dahin aber laßt uns anbeten dieses wunderbare Geheimniß. Ich habe zu dem HErrn gesagt, fährt Er fort, Du bist ja der HErr, Ich muß um Deinetwillen leiden, für die Heiligen, so auf Erden sind, und für die Herrlichen; an denen habe Ich alles Mein Wohlgefallen. Damit zeigt der Messias an, daß Er übernommen hat den Auftrag Seines Vaters, Erlöser der Welt zu werden. Ja, sagt der Messias, Du Mein Vater hast Mir auferlegt, daß Ich leiden soll, um Deinetwillen nehme Ich das Leiden auf Mich; und weil Ich es auf Mich genommen habe, so muß Ich um Deinetwillen leiden. Das ist wieder ein solches Wort, was Menschen Verstand nicht ausdenken kann, denn da ist das Müssen und das Wollen, was sich sonst einander gegenübersteht, vereinigt. Sein Müssen ist kein Zwangsmüssen, sondern das Müssen des freiwilligen Wollens. Und was macht es dazu? Die Liebe zu dem Vater, - denn um Deinetwillen muß Ich leiden, sagt der Messias; und die Liebe zu den Menschen, - denn Ich muß leiden für die Heiligen, so auf Erden sind und für die Herrlichen, setzt Er hinzu. Wer sind diese Heiligen und Herrlichen? Das sind die armen Sünder, die die Erlösung Jesu Christi annehmen, das sind die armen Sünder, die in wahrer Buße und rechtem Glauben sich zu Jesu bekehren. Das sind die Heiligen und Herrlichen, an denen hat der HErr Sein Wohlgefallen. Von Natur sind wir alle verlorne und verdammte Sünder; wer nun in Seinen Sünden bleibt, der ist ein Gegenstand des Abscheus, wer sich davon bekehrt, der ist ein Gegenstand des Wohlgefallens vor dem HErrn. Also der Grund von dem Leiden des Messias ist die Liebe zu Seinem Vater und zu den Menschen. Nehmen denn Alle auf Erden den Rathschluß von Jesu Erlösung an? bekehren sich denn Alle in Buße und Glauben zum HErrn? Ach, meine Lieben, die Wenigsten thun das, die Wenigsten gehören zu den Heiligen und Herrlichen, die Wenigsten bekehren sich; die Meisten wollen nichts wissen von des HErrn Gnade, die Meisten wollen sich nicht bekehren. Was haben die davon? Der Messias sagt es in unserm Psalm: Aber Jene, die einem Andern nacheilen, werden großes Herzeleid haben. Ich will ihres Trankopfers mit dem Blute nicht opfern, noch ihren Namen in Meinem Munde führen. Die einem Andern nacheilen, - das sind eben die keine Buße thun, die sich nicht bekehren, die nicht glauben wollen; nicht dem HErrn laufen sie nach, sondern dem Teufel, nicht der Seligkeit, sondern der Verdammniß, nicht der Gotteslust und Himmelslust, sondern der Augenlust, Fleischeslust und dem hoffärtigen Wesen. Was haben sie davon? Viel Herzeleid. Denn wenn Jemand der Sünde und dem Teufel nachläuft, meint ihr, daß das ihn glücklich macht? Glaubt es nicht, meine Lieben, die Sünde ist noch immer der Leute Verderben gewesen, der Teufel ist noch immer als Feind der Menschen erfunden, die Welt hat die Menschen noch nie glücklich gemacht. Die Sünde, der Teufel und die Welt, diese drei Erzfeinde, wollen die Menschen ins Verderben bringen, und darum machen sie es etwa wie ein Mensch, der im Wasser nach Fischen angelt, und der weiter nichts will, als die Fische berücken und betrügen; anbeißen sollen sie an die mörderische Angel, und dann will der Mensch sie ans Land ziehen, tödten und verzehren. Gerade so machen es Sünde, Welt und Teufel mit den Menschen. So wie der Fischer einen Wurm, oder ein Stück Brot an die Angel steckt, um damit die Fische zu locken, so hat der Teufel auch verschiedene Angeln, an die eine steckt er die Augenlust, an die zweite die Fleischeslust, an die dritte das hoffärtige Wesen, und die Menschen sind so dumm und beißen an, der Teufel angelt sie und zieht sie in die Hölle. O die dummen, dummen Menschen! Aber es kommt eine Zeit, wo sie rufen werden: O wehe, wehe uns, daß wir so gesündigt haben! Wenn die Menschen nun in ihrem Sündendienst dahin gehen, was sagt dann Gott zu ihnen? Ich will eures Trankopfers mit dem Blute nicht opfern, noch euren Namen in Meinem Munde führen. Meint ihr denn, die ihr der Welt, der Sünde und dem Teufel dient, meint ihr, daß der HErr euer Trankopfer annimmt? Meint ihr, die ihr euch Christen nennt und der Welt, der Sünde und dem Teufel dient, meint ihr, daß der HErr euer Kirchen- und Abendmahlgehen, euer Tischgebet und Hausgottesdienst annimmt? Er kann es nicht, und darum spricht Er zu euch: Ich will euren Namen nicht in Meinen Mund nehmen. Da sehen wir, welch ein Greuel dem HErrn die Menschen sind, die sich nicht bekehren wollen, sondern in der Sünde beharren. Nachdem der HErr das gezeigt, wie leider die Wenigsten die Gnade Gottes annehmen und wie die Meisten der Welt, der Sünde und dem Teufel dienen und daher ein schreckliches Ende zu erwarten haben, so fährt der Messias fort, zu preisen den HErrn für das große Werk, was Ihm aufgetragen ist, indem Er sagt: Der HErr aber ist Mein Gut und Erbtheil; Du erhältst Mein Erbtheil. Das Loos ist Mir gefallen aufs Liebliche, Mir ist ein schön Erbtheil worden. Was ist das für ein Loos, was ist das für ein Erbtheil, das Ihm der Vater gegeben hat? Ihr habt es ja schon gehört: Er soll der Heiland der Welt werden; das nennt Er ein liebliches Loos, ein schönes Erbtheil. Dabei sieht Er nicht auf die Schmerzen, auf die Höllen- und Todespein, auf die Verlassenheit von Gott und Menschen, die Ihm dies bringt, von sich selbst sieht Er ab, und das ist Seine Freude, die Welt, die in dem Rachen des Teufels steckt, zu erlösen. Dieses liebliche Loos und schöne Erbtheil möchte Er mit nichts vertauschen. So geht Ihm das Heil der armen Sünder über Alles, so brünstig hat Er die Menschenkinder lieb. Ich danke Dir, HErr, fährt Er fort, daß Du Mir solches gerathen hast; auch züchtigen Mich Meine Nieren des Nachts. Da zeigt der Messias an, daß Er Tag und Nacht an dieses Werk denke, daß Er Tag und Nacht alle die vor Augen hat, die Er von Sünde, Tod, Hölle und Teufel erlösen will. Er muß des Tages an sie denken, Sein Herz brennt Ihm vor Liebe; Er kann des Nachts nicht davor schlafen, Seine Nieren züchtigen Ihn des Nachts; wenn Er aufwacht, so muß Er von Seinem Lager aufstehn und Seinem Vater dafür danken, daß Er das selige Werkzeug sein soll, dadurch die Menschen erlöset werden. Welche Liebe! die alles eigene Leiden vergißt, um den Leiden der Menschen ein Ende zu machen, um die Menschen zu erlösen. Wie will Gott das ausführen? Ich habe den HErrn vor mein Angesicht gestellt, und darum weiß Ich gewiß, daß Ich nicht weichen, noch wanken kann. Wer vor Gott steht, der kann nicht wanken; alles Wanken kommt daher, daß man allein für sich dasteht. Muß ich mit dem Teufel kämpfen, und ich stehe allein, so muß ich wanken, kämpfe ich gegen zwanzig bis dreißig Menschen, und ich stehe allein, so muß ich weichen; habe ich aber den HErrn mir vorgestellt, was sind denn tausend Feinde zu meiner Rechten und zehntausend zu meiner Linken? Habe ich Gott vor mein Angesicht gestellt, dann fürchte ich mich weder vor dem Teufel, noch vor den Menschen, weder vor dem Tode, noch vor der Hölle. Der Messias hat den HErrn allezeit vor Augen, Er steht zu Seiner Rechten, darum muß Er wohl bleiben und den Sieg gewinnen. Hat man den HErrn vor Augen und zur Rechten, so kann man nicht weichen und nicht wanken, man steht da als ein eherner Fels und als eine eiserne Mauer. Darum heißt es zum Schluß: Darum freuet sich Mein Herz, und Meine Ehre ist fröhlich, auch Mein Fleisch wird sicher liegen. Denn Ich weiß, daß der HErr Meine Seele nicht in der Hölle lasset, noch daß Er zugiebt, daß Sein Heiliger verweset; sondern Ich weiß, daß Ich sehen werde das Licht des Lebens, und weil das der Fall ist, so sage Ich: Vor Dir ist Freude die Fülle und liebliches Wesen zu Deiner Rechten immer und ewiglich. Da zeigt der Messias an, daß Er sterben, begraben werden und wieder auferstehen müsse, und daß das der Rathschluß Gottes zu unserer Erlösung sei. Der Messias mußte sterben, dann sollte Sein Leib ins Grab gelegt werden, aber da sollte er ganz sicher liegen, denn Gott kann nicht zugeben, daß Sein Heiliger verweset. Jesu Leib hat im Grabe gelegen, aber er ist nicht darin verweset, unverweslich, lebendig und herrlich ist Er am dritten Tage auferstanden. Die Hölle hatte so wenig Macht über die Seele des HErrn, als die Verwesung und das Grab über den Leib des HErrn, und hat der HErr also über Hölle und Grab triumphirt. Aber eben so wenig als der Leib im Grabe bleiben konnte, eben so wenig konnte die Seele in der Hölle bleiben. Denn, heißt es weiter, Du thust Mir kund den Weg zum Leben. Zum Leben soll der Messias auferstehen, Er soll wieder einnehmen die Herrlichkeit, die Er vor Grundlegung der Welt hatte. Und vor Gott ist Freude die Fülle und liebliches Wesen zu Seiner Rechten immer und ewiglich. So hat sich der Messias, unser lieber Heiland Jesus Christus, nachdem das Werk der Erlösung vollbracht war, wieder gesetzt auf den Thron Seines himmlischen Vaters, um ewiglich mit Ihm zu herrschen und zu regieren, bis alle Seine Feinde zum Schemel Seiner Füße gelegt sind. Amen.

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