Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 12. Psalm.

Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 12. Psalm.

Aus diesem 12. Psalm, der unsere heutige Vorlesung bildet, ist der Gesang gemacht, den wir eben gesungen haben: Ach Gott vom Himmel sieh darein u. s. w. Luther hat diesen Gesang gedichtet in den schweren Zeiten, die er durchmachen mußte im Kampf mit der katholischen Kirche. Wir haben gewiß noch schwerere Zeiten vor uns, deßhalb können wir den Gesang: Ach Gott vom Himmel sieh darein und den 12. Psalm nur fleißig singen und beten. Und das ist gewiß, singen wir diesen Gesang fleißig, beten wir diesen Psalm fleißig, so wird es uns an Trost nicht fehlen, und wir werden die Zuversicht gewinnen, daß der Sieg uns gehört, wie schwer auch die Zeit werden mag. Es heißt zu Anfang unsers Psalms: Hilf, HErr, die Heiligen haben abgenommen, und der Gläubigen ist wenig unter den Menschenkindern. Einer redet mit dem Andern unnütze Dinge, und heucheln, und lehren aus uneinigem Herzen. Ja es ist wahr, buchstäblich wahr, die Heiligen haben abgenommen auf Erden, der Gläubigen ist wenig geworden unter den Menschenkindern. Schrecklich ist es, daß man mitten in der Christenheit, ja in der Kirche des HErrn sagen muß: die Heiligen haben abgenommen, der Gläubigen ist wenig geworden. Man kann es täglich hören, wie es aussieht unter den Christen, denn hier bei uns kommen Fremde von weit und breit, aus Städten und aus Dörfern, um Gottes Wort zu hören; fragt man die: Sind bei euch viel Fromme? so ist die Antwort: Ein Paar, aber nur ganz wenige, und die werden verhöhnt, verfolgt, verspottet, die sind ein Fegopfer aller Leute. Da sitzt jetzt in Hannover eine Versammlung von Menschen, die nennt sich die Vorsynode. Zu dieser Vorsynode haben alle lutherischen Gemeinen unsers Landes Abgeordnete gewählt (es sind wohl über tausend Gemeinen lutherischen Bekenntnisses im Hannöverschen), und unter diesen Abgeordneten, die tausend Gemeinen gewählt haben, ist kaum ein Gläubiger, es sind fast lauter Widersacher der Wahrheit, die sich nicht scheuen, in öffentlicher Synode das Christenthum zu verspotten und lächerlich zu machen, die sich nicht schämen zu sagen, die Lehren der Bibel seien Aberglaube, den man mit Händen und Füßen von sich stoßen müsse, wie z. B. die Lehre vom Teufel, von der Verdammniß, von der Erbsünde u. s. w. Man wundert sich nicht darüber, wenn das Heiden sagen, aber von Gliedern der lutherischen Kirche so etwas zu hören, das ist doch über die maßen traurig. Lieber, meinst du, daß das Aberglaube ist, was die Bibel lehrt, so sei doch wenigstens so ehrlich und sag: Ich bin kein Christ mehr. Wir haben vorhin im Gebet zu Gott gesagt, daß es ein Wunder sei, daß die Kirche im letzten Kirchenjahre noch nicht untergegangen ist. Ja es ist in der That ein Wunder, und ich habe es zu Anfang dieses Kirchenjahrs nicht geglaubt, daß wir heute noch in unserer lieben Kirche Gottesdienst feiern könnten. Wenn wir nun auf das sehen, was vor uns liegt, so müssen wir sagen: durch ein Wunder kann die Kirche auch dieses Jahr noch erhalten werden, aber ohne ein solches ist es nicht möglich. - Einer redet mit dem Andern unnütze Dinge, und heucheln, und lehren aus uneinigem Herzen. Ja nachgerade kommt man so weit, daß das Reden über Religion als das Zeichen eines ungebildeten, bäurischen Menschen angesehen wird, für gebildete Menschen passen solche Reden nicht mehr, die haben die Religion der Eisenbahnen, der Luftschifffahrt und der Volks- und Götzenfeste, die damit verbunden sind. Sprich ja nicht von der rechten, wahren Religion, wenn du nicht willst, daß man dich als ein Unthier anstaunen, oder gar öffentlich verspotten soll. Kommt ihr vielleicht in eine Gesellschaft von hundert Menschen, die sich unterhalten, ein jeder mit seinem Nachbar, und fangt da an zu sprechen über Religion, so schweigen alle still und staunen den Menschen an als ein Wunderthier, als einen Menschen, der nicht recht klug ist, weil er es wagt, von Religion zu sprechen. Man kann es gar nicht sagen, welch ein bitterer Schmerz das Herz ergreift, wenn man liest, was die Menschen alle schreiben, wie das so oft in den gottlosen Blättern vorkommt, z. B. in der lutherischen Kirche soll abgeschafft werden die Lehre von der Erbsünde, denn eine solche gebe es nicht, die Lehre vom Versöhnungstode Christi, denn es könne keiner für den andern leiden und sterben, die Lehre vom Glauben, denn ein jeder Mensch müsse sich seine Seligkeit selbst durch gute Werke verdienen, die Lehre von der ewigen Höllenstrafe, denn Gott sei viel zu gut, als daß Er die Menschen in die Hölle würfe, die Lehre vom Himmel, denn den hätten wir hier schon auf Erden. Und nachdem die Ungläubigen so die Bibel und das Christenthum mit Füßen getreten haben, schreiben sie dann: Wir haben auch Religion, wir sind auch Christen und zwar die rechten Christen. Was für eine Religion haben sie? Die Vernunftreligion. Und was für ein Christenthum? Ein Christenthum ohne Christum. Sie wollen thun, was ihnen gefällt, darum muß die Kirche, die Bibel und die Pastoren weg, denn die machen ihnen das Leben unerträglich, d. h. die geben dem Gewissen der Gottlosen mitunter einen gewaltigen Stoß, also daß sie fürchten, daß es aufwache. Alles, wodurch sich Gott den Menschen offenbart und was Gott uns gegeben hat zum Seligwerden, das werfen diese Leute über Bord, und dann sagen diese Heuchler doch noch: wir haben auch Religion; Gott stoßen sie vom Thron und rühmen sich doch noch Gottes. Und das alles wäre noch zu ertragen, wenn sie sagten: Wir sind Heiden; aber statt dessen sagen sie: Wir sind gerade die rechten lutherischen Christen. Das ist die entsetzliche Heuchelei, bei der einem der Verstand still steht. Wie ist da zu helfen? Der Psalm sagt: Der HErr wolle ausrotten alle Heuchelei, und die Zunge, die da stolz redet. Wenn ich das sagte: Der HErr wolle ausrotten alle Heuchelei, dann würde man mir erwidern: Seht ihr, das sind die gläubigen Pastoren, gleich verdammen sie die Leute, die nicht in ihren Kram passen. Nun aber steht es im Psalm, und die Worte des Psalms hat Gott gesprochen durch den Mund Seines Knechts David. Da könnt ihr sehen, wie dem HErrn zuwider ist alle Heuchelei, wie feind Er denen ist, die da sprechen: Unsere Zunge soll die Ueberhand haben, uns gebührt zu reden; wer ist unser Herr? Das ist ihre stolze Rede: ihr Pastoren und Schullehrer, haltet das Maul, uns gebührt zu reden; rein ab, rein ab bis auf den Boden mit der Bibel, mit der Kirche, mit den Gläubigen! Das ist ihr Feldgeschrei, an Gott kehren sie sich nicht. Seht, meine Lieben, der Zustand unserer jetzigen Zeit ist im zwölften Psalm wörtlich und buchstäblich geschildert. Wie soll den Menschen geholfen werden? Hört, wie geholfen werden soll, der HErr spricht: Weil denn die Elenden verstöret werden, und die Armen seufzen, will Ich auf sein, spricht der HErr; Ich will eine Hülfe schaffen, daß man getrost lehren soll. Das sagt Er Seinen gläubigen Predigern und Schullehrern zum Trost: Laßt euch nur nicht bange machen, denn weil Ich höre das Schreien der Elenden und das Seufzen der Armen, so will Ich mich aufmachen und eine Hülfe schaffen. Seid nur ruhig und getrost. Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende, Ich bin bei euch, ob ihr auch wie eine Nachthütte im Kürbisgarten seid, Ich will euch Hülfe schaffen. Und was ist das für eine Hülfe? Hört, der HErr will euch einen Heldenmuth geben, der größer ist, als der Trotz der Feinde, Er will den heiligen Geist geben, der stärker ist als der böse Geist; dadurch gestärkt sollt ihr fortfahren, immer treuer das Wort Gottes zu predigen und zu lehren, und sollt euch den Mund nicht stopfen lassen. Ja zuletzt wird es so weit kommen, daß das die Hülfe ist, die der HErr Seinen Gläubigen sendet, indem Er das Widerspiel zuläßt, daß die Gläubigen aus der Kirche gejagt werden, da doch die Ungläubigen eigentlich hinausgejagt werden sollten. Wir werden vielleicht bald das Schauspiel erleben/ daß die gläubigen Prediger hinausgejagt werden aus der Landeskirche, und daß die gläubigen Christen ihnen folgen; die ausgestoßenen Prediger und die ausgestoßenen Christen werden dann ein mächtiges Zeugniß von Christo ablegen,, und um so fester wird man dann hangen am reinen Wort und unverfälschten Sakrament. Dann heißt es erst recht bei den Gläubigen: Die Rede des HErrn ist lauter, wie durchläutert Silber im irdenen Tiegel, bewährt siebenmal. Deshalb treten die gläubigen Diener der Kirche so entschieden für das Wort Gottes auf, lieber lassen sie sich wegjagen und gehen mit dem Bettelstab in die weite Welt, als daß sie sich einen Tüttel vom Worte Gottes rauben lassen. Nicht wahr, meine Lieben, beim reinen Wort und unverfälschten Sakrament wollen auch wir bleiben bis an unser Ende. Darum spricht der Psalm zum Schluß: Du, HErr, wollest sie bewahren, und uns behüten vor diesem Geschlecht ewiglich. Denn es wird allenthalben voll Gottloser, wo solche lose Leute unter den Menschen herrschen. Ja, HErr, Du wollest uns bewahren und Gnade geben, daß wir uns nicht bringen lassen unter die Herrschaft der gottlosen Menschen, auf daß wir uns nicht befehlen lassen, was wir glauben sollen. Mögen sie sagen: Wir wollen nicht mehr, daß ihr an den dreieinigen Gott, an den Himmel, an die Hölle u. s. w. glaubt, da wollen wir ihnen antworten: ihr losen Leute habt wohl das große Maul, aber ihr habt uns nichts zu sagen; wir bleiben beim reinen Wort und Sakrament, und deshalb können wir nur bei der Kirche bleiben, wo beides zu finden ist. Von losen Leuten uns regieren lassen, das leiden wir nicht, denn dadurch wird die Welt erst recht voll Gottloser. Der wahre Christ bleibt nur da, wo Gottes Wort lauter und rein gepredigt wird, und wo die Sakramente der Einsetzung gemäß verwaltet werden, denn er mag keine Brandmale im Gewissen haben. Wer Gottes Wort und Sakrament nicht rein und unverfälscht hat, der geht verloren. Amen.

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