Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 7. Psalm.

Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 7. Psalm.

Dieser Psalm ist überschrieben: „Ein Gebet Davids vor dem HErrn, von wegen der Worte des Mohren, des Jeminiten“. Wir sehen aus dieser Ueberschrift, daß David den Psalm gebetet hat auf seiner Flucht von Jerusalem in die Wüste, als er von seinem Sohne Absalom vom Throne gestoßen war und nun jenseits des Jordans seine Getreuen sammelte. Auf diesem Wege kam ein Mann aus dem Stamme Benjamin, Namens Simei, hinter ihm hergegangen und schalt ihn einen Bluthund, einen losen Mann, rief Gottes Fluch über ihn herab, warf ihn mit Steinen und mit Dreck und ließ so seinen Haß und seine Wuth gegen ihn aus. Dieser Simei aus dem Stamme Benjamin wird hier der Mohr, der Jeminit genannt. Der letzte Name bezieht sich darauf, daß Simei aus dem Stamme Benjamin war; aber über das Wort der Mohr können wir keine gewisse Auskunft geben, denn die Bibel berichtet nichts darüber. Vielleicht wird er deßhalb so genannt, weil er ein schwarzes, gottloses Herz hatte, oder vielleicht auch mochte einer seiner Vorfahren von den Mohren abstammen. Auf einen andern als auf Simei, können diese Worte nicht bezogen werden. Indem nun Simei sich so schändlich gegen David benimmt, sagt Abisai: Sollte dieser todte Hund meinem Herrn, dem Könige fluchen? Ich will hingehen und ihm den Kopf abreißen. Aber David antwortet: Laß ihn fluchen, der HErr hats ihm geheißen 2. Sam. 16, 5-11. So zieht David still seine Straße weiter, und in unserm Psalm sehen wir, was er dagegen gethan hat: er hat gebetet; und das ist auch das Beste was man thun kann, wenn man von gottlosen Leuten gelästert wird. Man muß den Fluch der Gottlosen durchs Gebet in Segen verwandeln. Und soll dennoch der Fluch treffen, so wird er auf das Haupt dessen kommen, der ihn ausgesprochen hat. Dasselbe lehrt uns auch der HErr Jesus im Neuen Testamente, wenn Er spricht: Liebet eure Feinde, segnet die euch fluchen, thut wohl denen, die euch hassen, bittet für die, so euch beleidigen und verfolgen! auf daß ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel Matth. 5, 44 - 45. Hört nun die Antwort Davids auf Simeis Fluch: Auf Dich, HErr, traue ich, mein Gott. Hilf mir von allen meinen Verfolgern, und errette mich, daß sie nicht wie Löwen meine Seele erhaschen, und zerreißen, weil kein Erretter da ist. Simei flucht, David betet; und so kann Simeis Fluch David nicht treffen. Er trauet auf Gott. Damit zeigt er an, daß ihn der Fluch Simeis mit Unrecht treffe. Er kann seine Zuflucht zu Gott nehmen, was er aber nicht konnte, wenn er ein böses Gewissen hatte. Nun hat er aber die Gewißheit: Gott muß mich erretten, denn ich bin unschuldig. Dabei hat er den ferneren Segen: er bleibt ruhig und still, er geräth nicht in Wuth und Leidenschaft und sinnt nicht auf Zorn und Rache. Seine Seele ist stille zu Gott, der ihm hilft. Was Simei sagt ist eine Lüge, David hat nicht unrecht an Saul gehandelt, und deßhalb hat er auch diese Strafe dadurch sich nicht zugezogen. Aber wenn die Leute auf unrechtmäßige Weise beleidigt werden und nicht beten können, was findet ihr dann bei ihnen? Furcht, Unruhe, Rache, sie laufen von Einem zum Andern und gerathen selbst in Leidenschaft und Sünde. Wenn man aber bei unverschuldeten Beleidigungen zu Gott gehen und beten kann, so bleibt man ruhig und still. Darum sagt die heilige Schrift: Wenn ihr stille bliebet, so würde euch geholfen; durch Stillesein und Hoffen werdet ihr stark sein Jes. 30, 15. Daß David Saul wissentlich kein Unrecht gethan habe, sagt er mit klaren Worten, indem er spricht: HErr, mein Gott, habe ich solches gethan, und ist Unrecht in meinen Händen; habe ich Böses vergolten denen, so friedlich mit mir lebten; oder die, so mir ohne Ursache feind waren, beschädigt; so verfolge mein Feind meine Seele, und ergreife sie, und trete mein Leben zu Boden, und lege meine Ehre in den Staub. Daß David Saul kein Unrecht gethan hat, beweiset sein ganzes Verhalten gegen ihn. Betrachtet Davids Verhalten gegen ihn einmal, beständig ist ihm von Saul Unrecht geschehen, beständig hat ihm Saul nach dem Leben gestanden. Oefters gab Gott Sauls Leben in Davids Hand und er hätte sich rächen können; aber wie hat David diese Gelegenheit benutzt? Er hat Böses mit Gutem vergolten. Einst lag Saul in einer Höhle der Wüste Engeddi, es hätte nur eines Stoßes mit dem Spieße bedurft von Davids Seite und er wäre todt gewesen. Abisai giebt ihm auch den Rath, Saul zu tödten; aber David antwortet: Das sei ferne von mir, daß ich meine Hand lege an den Gesalbten des HErrn 1. Sam. 24, 2. 8. Ein ander Mal ist David in der Wüste Siph, Saul jagt ihm nach und lagert sich auf dem Hügel Hachila und daselbst legt er sich schlafen. David tritt herzu, und wiederum will ihm Abisai, als ein Verführer, zur Ermordung Sauls rathen. Aber David sagt: Ihr Kinder Zerujahs, was habe ich mit euch zu schaffen? es ist der Gesalbte des HErrn und den soll meine Hand nicht antasten 1. Sam. 26. So hat David nicht Böses mit Bösem, sondern Böses mit Gutem vergolten, denn er hat nach dem Tode Sauls Mephiboseth, den Sohn Sauls, in sein Haus und an seinen Tisch genommen, hat für ihn gesorgt wie ein Vater für sein Kind. Wenn jetzt den Leuten Dinge nachgesagt werden, die sie gethan haben sollen und was doch nicht wahr ist, so wollen sie vor Wuth aus der Haut fahren. Danke Gott, du Narr, daß es nicht wahr ist, was man dir nachsagt und schweig still, lerne das von deinem Heiland, der auf die ungerechten Anklagen, die man gegen Ihn erhob, kein Wort antwortete. Wenn es wahr wäre, was die Leute sagen, dann müßtest du darüber Buße thun im Sack und in der Asche; nun es aber nicht wahr ist, ist dein Gewissen rein und du kannst still deinen Weg gehen. Da könnt ihr recht den Unterschied sehen zwischen einem Bekehrten und einem Unbekehrten, wenn den letzteren mit Unwahrheit etwas Böses nachgesagt wird, dann möchten sie Himmel und Erde in Bewegung setzen. Der Bekehrte dagegen sagt, laß die Leute lügen, Gottlob, daß es nicht wahr ist was sie sagen, laß sie lügen bis sie schwarz werden. So macht es David. Wenn es wahr wäre, was Simei lästert, dann, sagt David, solle der Feind seine Seele ergreifen, sein Leben zu Boden treten und seine Ehre in den Staub legen. - Auf dieser Flucht vor seinem Sohne Absalom wird David durch Eins besonders bewegt. Er war gläubig und fromm, deßhalb haben sich alle Frommen in Israel, als er noch auf dem Throne saß, um ihn gesammelt, er ist die Seele des kleinen Häufleins gewesen, darum hat das Reich Gottes unter seinem Regiment wachsen und blühen müssen. Nun muß er fliehen, was ist die Folge davon? Die Frommen haben keinen Halt und Schutz, darum werden sie verfolgt und zerstreut, und die Gottlosen grünen und blühen. An sich selbst denkt David nicht, aber dieses drückt und bekümmert ihn. Er denkt nicht daran, daß er ohne Schutz und Schirm ist, aber daran denkt er, daß die Frommen so wehrlos dastehn. Darum betet er: Stehe auf, HErr, in Deinem Zorn, erhebe Dich über den Grimm meiner Feinde, und hilf mir wieder in das Amt, das Du mir befohlen hast, daß sich die Leute wieder zu Dir sammeln; und um derselben willen komme wieder empor. Er bittet den HErrn, daß Er in Gnaden wolle ansehen diesen traurigen Zustand, darin die Frommen ganz ohne Schutz sind, wie eine Heerde ohne Hirten und die nun ein jeder mit Füßen tritt. So lange als ich noch im Amte war, litt ich es nicht, daß Gottlose ihnen schaden durften, denn ich habe das Schwert zum Lobe der Frommen und zur Rache über die Uebelthäter geschwungen, nun aber haben sie keinen Schutz; darum setze mich, HErr, wieder in mein Amt. Er sieht sich schon im Geiste wieder zurückkehren auf seinen Thron. Er denkt, daß kann Gott nicht wollen, daß Seine Kirche zerstört werde, er denkt, diese Flucht ist nur eine zeitweilige, Gott wird mich darnach um so herrlicher wieder in mein Amt setzen. Und das wünscht er nicht um seinetwillen, denn er ist von Jugend auf das Leben in der Wüste gewohnt, sondern um der Frommen willen, daß die Halt und Schutz finden mögen. Nachdem er so gebetet und sein Herz vor Gott im Gebet gestillt hat, wendet er sich zu Gott, dem gerechten Richter, daß der das Urtheil sprechen wolle über ihn und seine Feinde. Erstlich über ihn, das sagt er in den Worten: Der HErr ist Richter über die Leute. Richte mich, HErr, nach meiner Gerechtigkeit und Frömmigkeit. Laß der Gottlosen Bosheit ein Ende werden, und fördere die Gerechten; denn Du, gerechter Gott, prüfest Herzen und Nieren. Mein Schild ist bei Gott, der den frommen Herzen hilft. Mit getrostem Muth wendet er sich zu Gott, denn er ist überzeugt, daß Gott ihn als den Gerechten und Frommen befinden wird, und seine Feinde als die Ungerechten und Gottlosen. Dabei beruft er sich auf die Allwissenheit Gottes, und das kann nur ein redliches Gemüth thun. Ihr müßt nicht glauben, daß David meint, er sei kein Sünder, wahrlich Niemand in der ganzen Welt hat so seine Sünden beklagt und beweint wie David. Wir haben es noch vorigen Sonntag gehört, wie er betet: Ich schwemme mein Bette die ganze Nacht, und netze mit meinen Thränen mein Lager Ps. 6, 7. Aber er hat sich bekehrt, er hat Vergebung der Sünden und aus Liebe zu seinem Gott und HErrn jagt er nun der Heiligung nach. Ist er früher in grobe Sünden gefallen, so beweist er jetzt seine Frömmigkeit durch einen heiligen Wandel. David besteht im Gericht, das können seine Feinde nicht, über sie bringt Gottes Gericht Tod und Verdammniß. Zwar muß er leiden, wir sehen ihn ja auf der Flucht, er hat seinen königlichen Thron, sein geliebtes Jerusalem, seinen heiligen Tempel verlassen müssen und er nimmt dieses alles als eine wohlverdiente Strafe an; aber er weiß auch, daß Gottes Gerichte wieder aufhören, er weiß, daß Gott, wenn Er schlägt, auch tröstet, wenn Er verwundet, daß Er auch heilt, er weiß, daß Gott ihn wieder zu Ehren bringen wird. Anders ist es bei seinen Feinden, den Gottlosen, deren Urtheil er nun ausspricht: Gott ist ein rechter Richter, und ein Gott, der täglich drohet. Will man sich nicht bekehren, so hat Er Sein Schwert gewetzt, und Seinen Bogen gespannt, und zielt, und hat darauf gelegt tödtliche Geschosse; Seine Pfeile hat Er zugerichtet zu verderben. Siehe, der hat Böses im Sinn, mit Unglück ist er schwanger; er wird aber einen Fehl gebären. Er hat eine Grube gegraben und ausgeführt, und ist in die Grube gefallen, die er gemacht hat. Sein Unglück wird auf seinen Kopf kommen, und sein Frevel auf seine Scheitel fallen. Für seine Feinde wird das Gericht Gottes ein Gericht zur Verdammniß. Gott schießt mit tödtlichen Pfeilen auf sie, weil sie mit teuflischer Wuth die Frommen verfolgen. Sie haben Gottes Reich zerstört und Satans Reich gebaut, nun werden sie von Gott verworfen, um ewig in Satans Gewalt zu bleiben; denn ihre Feindschaft gegen David war eine Feindschaft gegen Gott. So wird es sich zeigen, daß sie in die Grube, die sie für David gemacht haben, selbst hinein gestürzt werden, daß das Verderben, das auf David kommen sollte, ihre Scheitel trifft. Während Gottes Gericht David helfen und ihn wieder zurecht bringen soll, tödtet es seine Feinde nicht nur zeitlich, sondern ewiglich. So hat Gott David nach jener tiefen Demüthigung wieder erhöhet und zu Ehren gebracht. Darum gebühret Gott mit Recht das Lob, worin David ausbricht am Schlusse des Psalms: Ich danke dem HErrn um Seiner Gerechtigkeit willen, und will loben den Namen des HErrn, des Allerhöchsten. Amen.

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