Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 3. Psalm.

Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 3. Psalm.

An dem ersten Verse wird uns die traurige Veranlassung erzählt, die David zum Beten dieses Psalms getrieben hat. Er mußte fliehen vor feinem Sohne Absalom, - und das ist in dem Leben Davids die schwerste Heimsuchung gewesen, die ihm Gott gesandt hat, nichts hat ihn so tief gedemüthigt, als dies. Absalom hatte sich gegen seinen Vater empört, es war ihm gelungen, diesen vom Throne zu stoßen, und David mußte fliehen, um sein Leben zu retten. Hier mußte er die traurige Erfahrung machen, was es mit dem Dank der Menschen auf sich hat. Es war beinahe am Ende seiner Regierung, als diese Trübsal über ihn kam; 40 Jahre hatte er Israel regiert und mit Wohlthaten überhäuft, und nun nach vierzigjährigen Liebesbeweisen, nach vierzigjähriger Aufopferung, - welchen Dank bekam er? Daß sie beinahe alle dem Bösewicht Absalom anhingen und nur ein kleines Häuflein ihm treu geblieben war. Aber das waren auch rechte Treue, die wollten mit David in die Verbannung, in Noth und Tod gehen, das Wort, was Ruth einst zu Naomi sagte, als sie dieselbe verlassen sollte, war auch ihr Wahlspruch: Wo du hingehest, da will ich auch hingehen, wo du bleibest, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, da sterbe ich auch; da will ich auch begraben werden. Der HErr thue mir dies und das: der Tod muß mich und dich scheiden. Ruth 1, 16. 17. Während nun David in die Verbannung muß und der schnödeste Undank ihn trifft, wird die Noth und Angst des Herzens noch größer, wenn er an seine Sünden gedenkt, die er gegen Uria und Batseba begangen hat. Er mußte denken, Gott straft dich und sucht dich heim, wie du es verdient hast um deiner Sünde willen. Und der Schmerz war noch herber und bitterer, als der Undank seiner Unterthanen, das war der Stachel in seinem Gewissen. Und nun flieht er (leset die Geschichte 2. Sam. 16.), in bloßen Füßen, ohne königliche Macht und Herrlichkeit, dazu flucht ihm der gottlose Simei und wirft ihn mit Koth und Steinen. Das alles trug David mit Geduld und demüthigte sich unter die gewaltige Hand Gottes. Wenn er zur gerechten Rache und Strafe gegen seine Feinde aufgefordert wurde, so sprach er: Laß sie bezähmen, Gott hat es ihnen geheißen. In dieser Zeit der Trübsal und Noth hat David rechtschaffne Früchte der Buße gebracht, und Gott hat ihn dann erhöhet zu Seiner Zeit. Das sind Zustände, in denen man Worte sprechen lernt, wie David sie an einer andern Stelle ausspricht: Aus der Tiefe rufe ich, HErr, zu Dir. HErr, höre meine Stimme, laß Deine Ohren merken auf die Stimme meines Flehens. So Du willst, HErr, Sünde zurechnen, HErr, wer wird bestehen? Ps. 130, 1-3. - Höret nun Davids Psalm, den er betete, da er flohe vor seinem Sohne Absalom: Ach, HErr, wie sind meiner Feinde so viel, und setzen sich so Viele wider mich! Viele sagen von meiner Seele: sie hat keine Hülfe bei Gott. Ach, HErr! sagt er. Er klagt dem HErrn seine Noth. Das ist die Kunst, welche die Frommen verstehen und wodurch Trost und Balsam in ihr verwundetes Herz kommt. Sie haben gelernt, ihr Herz vor dem HErrn ausschütten, und der ist es auch, der es allein stillen kann. Nun so machet es David; und es ist wahr, daß seiner Feinde so viel sind. Nur ein ganz kleines Häuflein war mit ihm in die Verbannung gegangen, das übrige Volk war von ihm abgefallen und hielt es mit Absalom. Den wollten sie tödten, der wohl hundert Mal sein Leben für sie in den Tod gegeben hatte, der für sie Feinde und Riesen überwunden, dem wollen sie die Krone vom Haupte reißen, um sie seinem gottlosen Sohne Absalom aufzusetzen. Ja, viele Feinde hatte David, Millionen Volks zieht gegen ihn aus und vielleicht Tausend mögen ihm treu geblieben sein. Und das ist das Scheußlichste, diese hämische Schadenfreude die sie haben an seinem Leiden, also daß sie sprechen: Seine Seele hat keine Hülfe bei Gott. Sie jauchzen ordentlich über sein Unglück. Was hat David dem Volke zu Leide gethan? Wir wissen es, ich habe es oben schon angeführt, David ist ein großer Sünder gewesen, gegen Uria und Batseba hat er sich schwer versündigt; aber dem Volke ist er ein treuer, guter König gewesen, er hat es zum höchsten Ruhm gebracht, denn als er König wurde, war es sehr verkommen. Er war nicht allein der treueste König in Israel, sondern auch vielleicht der beste, den es jemals auf Erden gegeben hat, obgleich er bei seiner Frömmigkeit so tief gefallen ist. Darum ist es so greulich, daß das Volk jubelt über sein Unglück. Seht, das ist der Haß der Gottlosen gegen die Frommen, der durch die Wohlthaten, die ihnen die Frommen erweisen, nicht aufgehoben wird. Bei allen seinen Fehlern, die wir wahrlich nicht verkleinern wollen, war David doch ein Kind Gottes; er hat seine Sünden bitterlich beweint und ist von Gott in Gnaden wieder angenommen. Er setzte seine Hoffnung einzig und allein auf den Messias, der ins Fleisch kommen sollte, und darum war er allen Weltkindern ein Greuel. Das konnten sie ihm nicht vergeben, daß er ein Frommer war, und als Absalom sich empörte, da fielen sie ihm zu mit Haufen und sangen: Seine Seele hat keine Hülfe bei Gott! Aber denkt David auch so? Nein, der denkt ganz anders, hört was er sagt: Aber Du, HErr, bist der Schild für mich, und der mich zu Ehren setzet, und mein Haupt aufrichtet. Sie sagen, er ist verloren, er hat keine Hülfe bei Gott. David sagt: Du, HErr, bist mein Schild und der mich zu Ehren setzet. Was ihr da saget: Seine Seele hat keine Hülfe bei Gott, dazu hat ein Anderer auch noch ein Wort mitzusprechen, nämlich der lebendige Gott, der ist mein Schild gegen die Millionen, die Absalom anhangen, daß sie mir nicht schaden können. Aber Er ist auch, der mich zu Ehren setzet. Jetzt kann mich zwar jeder mit Koth und Steinen werfen, aber Gott ist meine Hülfe, der wird mir den Sieg geben und mich wieder zu Ehren bringen. So ist er des Sieges gewiß über seine Feinde. Was ist es, das ihn so fröhlich und getrost macht, daß er sagen kann: Der HErr ist es, der mich zu Ehren setzet, der mein Haupt aufrichtet? was ist es, das ihm das selige Bewußtsein des Sieges giebt? Er kann beten. O, daß ihr daraus lernen möchtet: die Beter sind Sieger, sie haben den Sieg in den Händen; und ob sie verlassen sind von der ganzen Welt, ob sie verhöhnt werden von der ganzen Welt, ob sie von der ganzen Welt mit Koth und Steinen geworfen werden: ihnen gehört doch der Sieg. David kann beten, darum sagt er: Ich rufe an mit meiner Stimme den HErrn, so erhöret Er mich von Seinem heiligen Berge Zion. Siehe das ist Seine Kunst und Waffe, die schwingt er gegen seinen Sohn Absalom, die schwingt er gegen den großen Haufen Feinde. Beten kann nur der, der den lebendigen Gott hat, der da weiß, daß der lebendige Gott hilft und thut, was die Gottesfürchtigen begehren, daß Er ihr Schreien hört. David weiß und glaubt das und weil er das weiß und glaubt, darum sagt er es seinen Feinden: mir wird Gott helfen, mich wird Er beschützen und zu Ehren bringen. Dieses Beten kann aber nur geschehen im festen Vertrauen auf Gottes Wort und Verheißung, also im lebendigen Glauben, und das ist eben die große Kunst des Glaubens, Gott Seine Verheißungen vorhalten und Ihn dadurch zum Erhören zwingen. Ich habe gleichsam durch das Wort Seiner Verheißung ein Seil um Gott geschlungen und binde Ihn dadurch an die Erfüllung Seines Worts. David kann beten, darum sagt er: weil ich rufe, so erhört Er mich von Seinem heiligen Berge. Warum von Seinem heiligen Berge? Der heilige Berg ist der Berg Morija, auf dem Gottes Tempel stand. Da merkt euch: der HErr kann und will nur diejenigen erhören, die sich zu Seinem heiligen Berge halten. Die das nicht thun, sind Gottes Kinder nicht und die will Er nicht erhören. Der heilige Berg des HErrn ist der Ort, wo die Gottesdienste des HErrn gefeiert wurden. In Jerusalem war es der Tempel, wo der Weihrauch der Gebete und die Thieropfer gebracht wurden, wo man dann Lob- und Danklieder sang. Jetzt ist die christliche Kirche der heilige Berg des HErrn und die wahren Gläubigen, die echten Treuen des HErrn sind noch immer die treusten Glieder der Kirche, aus inniger Liebe zu Ihm können sie sich nicht von der Kirche trennen. Wenn ihr die Psalme Davids leset, die er gesungen und gebetet hat, als er in der Verbannung war, so werdet ihr finden, daß durch alle der eine Trauerton und die eine Klage geht: wie schmerzt mich das, daß ich nicht die schönen Gottesdienste des HErrn besuchen kann, daß ich nicht mit dem Haufen derer, die da wallen, zum Hause des HErrn kommen kann. Eine Seele, die sich treu zur Kirche hält, die kann beten und den wahren Beter erhört der HErr. Ist Er doch im eigentlichen Sinne des Worts der Vater Seiner Kinder und der Meister Seiner Jünger, darum muß Er ihre Bitte erhören. Ich habe noch nie einen Kirchen- oder Sakramentsverächter gesehen, der beten kann. Er kann es darum nicht, weil er sich vor Gott und Seiner Gemeine scheidet. - Und nun sehet, wie dieser von Feinden umgebene David weiter betet: Ich liege und schlafe, und erwache„, denn der HErr hält mich. Wenn das andern Leuten passiert wäre, was David hier erlebt, die meisten von ihnen hätten vor lauter Zappeln nicht einschlafen können, eine Unruhe und Noth nach der andern wäre über sie gekommen. Davon finden wir bei David nichts, als Diener Gottes legt er sich unter Gottes Schutz ganz getrost zur Ruhe; morgen bedarf er neue Kraft zur weiteren Flucht, und siehe, am andern Morgen steht er ruhig und getrost wieder auf und giebt den Befehl zum Aufbruch. Er fürchtet sich nicht vor viel hunderttausenden, die sich umher wider ihn legen. Der HErr schützt ihn, darum geht er getrost weiter, der HErr will ihn zu Ehren bringen, darum fürchtet er sich nicht. Das ist doch ein köstlich Ding, einen lebendigen Gott zu haben. Was sind gegen den HErrn tausend Millionen Menschen? Ist Er nicht stärker als alle Menschen auf Erden und als alle Teufel in der Hölle? Wenn der HErr dein Schild ist, so brauchst du dich mit David vor Niemand zu fürchten. Warum fürchtet er sich nicht? Auf, HErr, und hilf Du mir, mein Gott! - das ist sein Trotz! und was kann der HErr thun? - Denn Du schlägst alle meine Feinde auf den Backen, und zerschmetterst der Gottlosen Zähne. David will sagen: ob sie mich auch zerreißen wollen, Gott zerbricht ihre Zähne. Was ist aus Absalom und dem undankbaren Volke geworden? Gott hat ihre Zähne zerschmettert. Wie ist es David und seinen Getreuen ergangen? Gott hat ihnen den Sieg gegeben. Gott ist Davids Schild geworden, hat ihn zu Ehren gesetzt und sein Haupt aufgerichtet. Muß nicht der barmherzige Gott in das güldene Wort gefaßt werden, womit der Psalm schließt: Bei dem HErrn findet man Hülfe, und Deinen Segen über Dein Volk? Verlasse sich keiner auf Menschen, die sind wie ein Rohrstab, der zerbricht und einem durch die Hand fährt, wenn man sich darauf stützt. Auf Menschen sich verlassen, das ist die größte Thorheit. Habt ihr es schon erfahren, daß alle Menschen Lügner sind, daß alle untreu sind? Auf Erden ist keiner, auf den man sich verlassen kann; nur allein der HErr ist treu, bei Ihm ist immer Hülfe zu finden. Allein auf den HErrn vertrauen und auf sonst Niemand, weder auf Fürsten und Gewaltige, noch auf das Volk; das will uns der HErr jetzt recht lehren bei dem Katechismussturm. Er bricht entzwei die Stützen, worauf sich die Menschen verlassen: die Thronen, die Könige, das Kirchenregiment. Nur die sind Sein Volk, die ihre Hülfe bei dem HErrn suchen und finden. Wer seine Sache dem HErrn übergiebt und dann treu kämpft auf Leben und Tod, der wird es erfahren: Bei dem HErrn findet man Hülfe, und Deinen Segen über Dein Volk; ein solcher gewinnt den Sieg. Amen.

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