Harms, Claus - Am Sonntag Palmarum 1834.

Harms, Claus - Am Sonntag Palmarum 1834.

Ges. 272. Jesu, meines Lebens Leben.

Laßt uns nochmals, wie schon durch unser Singen geschehen, unsern Dank gegen den Herrn bezeugen für alle seine Wohlthat und Liebe, indem wir sprechen: „Tausend, tausendmal sei dir, o mein Jesu, Dank dafür.“ Ist doch der Dank einem Feuer vergleichbar. Lasset uns darum herzugetragen, was dieses Feuer zu unterhalten und zu vermehren dient uns lasset uns zeigen, was Dankenswerthes von Jesu für uns gethan worden ist, damit es auch von denen erkannt werde, von welchen es bisher nicht erkannt worden ist. Dann wird auch in ihnen das Opferfeuer des Dankes entbrennen, auch ihr Herz kann dann nicht kalt bleiben. Ja, meine lieben Christen, dazu sind die gegenwärtigen Wochen angeordnet, darauf ist auszugehen bei jedweder Passionsandacht, also auch bei unsrer heutigen. Klares Wort darüber, was man soll und will, thut immer gut. Welcher Zahl aber, meint ihr, werde die größre sein, derer, die mit Dank in ihrem Herzen schon eintreten und singen aus, was in ihnen ist? Oder die Zahl derer, bei welchen der Dank erst bereitet werden muß? Es sei indessen nur gefragt und nicht geantwortet; eine Antwort möchte zur Betrübniß ausfallen. - O Jesu, rüste du selbst den Redenden mit einer dienlichen, eindringlichen Verkündigung aus!

Es ist hier kein Unterschied. Zu einer Zeit, als es mit dem Glauben an den Versöhnungstod Jesu noch anders in der Christenheit stand, als nur noch hie und da einer seine Seele diesem Glauben weigerte und verschmähte das Heil aus Jesu Wunden, auch in der Zeit gingen Gesang und Predigt vereinet darauf aus, den Gekreuzigten vor die Augen zu malen, das Gotteszeugniß auszusprechen, unsre Bedürftigkeit einer Erlösung darzuthun, den Haß zu wecken wider die Sünde, die Christum an's Kreuz gebracht habe, Frieden und Versöhnung in Gottes Namen den Menschen anzubieten, den Glauben zu wirken, als wenn keiner vorhanden wäre, und die Dankbarkeit zu erzeugen, als wenn sie ausgestorben wäre. Bleiben wir in dieser Weise der gläubig dankbaren Vorzeit! Es wird ja auch kein einziger Gläubiger sich selbst genügen in der Stücke einem, die er seinem Heilande schuldig ist, und mancher schilt gewiß sein hartes Herz darum, das es seine Augen auch niemals feucht macht, da sie doch vor Schmerz und Freuden sollten der Thränen viele geben. Wenn unsre Sache denn so steht, so wollen wir derselben näher treten und den Tod Christi als unser Leben ansehn. Hören wir zuvor Christum seinen Tod so nennen.

Joh. 6, 47-51. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer an mich glaubt, der hat das ewige Leben. Ich bin das Brodt des Lebens. Eure Väter haben Manna gegessen in der Wüste, und sind gestorben. Dies ist das Brodt, das vom Himmel kommt, auf daß, wer davon isset, nicht sterbe. Ich bin das lebendige Brodt, vom Himmel gekommen. Wer von diesem Brodt essen wird, der wird leben in Ewigkeit. Und das Brodt, das Ich geben werde, ist mein Fleisch, welches Ich geben werde für das Leben der Welt.

Wenn dies Wort Einigen nicht gefiele, so könnte uns das nicht sehr befremden. Es ist genommen aus einer Rede Christi, die von Vielen, die sie höreten aus seinem eignem Munde, eine harte Rede geheißen wurde, die sie nicht hören könnten; sie nahmen ein Aergerniß und gingen von ihm weg. Ob, wer diese Worte zum Aussprechen nimmt, auch ein solches Wegwenden, Weggehen erfahre, ob nicht: Christus beharrte dabei. Darum darf auch kein Prediger davon schweigen, etwaiges Mißfallens und Aergernisses halber. Und wenn gleich eine ganze Kirche voll sich daran ärgerte, wenn auch die ganze Welt, sie sind dennoch Worte des ewigen Lebens, wie Petrus sie nennt und mit ihm Jedermann, der nur das glaubet und erkannt hat - will auch einer sich die Wortfolge merken: geglaubt und erkannt, nicht: erkannt und geglaubt? - das, daß Christus der Sohn des lebendigen Gottes sei. Wenn in dem Verlesenen der Herr von seinem Fleische spricht, das er gebe, und von seinem Blute, so ist das im kürzern Ausdruck sein Tod, den wir heißen, wie er davon spricht, unser Leben.

Christi Tod ist der Christen Leben. - Dieses ist er dadurch:

  1. daß er ihren Tod aufhebet,
  2. daß er auch alles Scheinleben zerstört,
  3. ihnen ein Leben giebt, ein wirkliches, sich ausbreitendes und ewig währendes Leben.

1.

Nicht werde das Versprochene verstanden so, als wenn zuvor der Tod müsse aufgehoben und das Scheinleben zerstört sein, darnach erst, längere und kürzere Zeit darnach, das neue Leben eintrete, eintreten könne. Nein, geliebte Christen, es zwingt bloß die Beschaffenheit der Rede, die ein solches Theilen und Aufeinanderfolgen nöthig macht, zur Betrachtung des Einzelnen für sich besonders, in der Sache selber verhält es sich so: Der Tod weichet vor nichts Anderm, als vor dem Leben, und wo dieses nicht eintritt, eingehet, schon ist, daselbst behält jener seinen Ort und seine Macht; ein Zustand zwischen Leben und Tod, von beiden keins, ist auch nicht denkbar, kann nur vor dem einen oder dem andern der Schein sein, heißen. Aber wir sagten doch, daß der Tod Christi das Leben der Christen sei? Ja, das ist aber kein Tod in dem Verstande, als wenn wir von einem Tode sprechen, wie er sich finde bei uns, sondern Christi Tod ist der Träger eines Lebens, das Gefäß, der Quell, die Ursach' eines Lebens, und heißet nur Tod darum, weil auf dem Wege seines Todes, weil mit und in seinem Tode, den er am Kreuze starb, das Leben uns zu Theil wird.

Unsern Tod, sind wir gelehret, in drei Gestalten zu betrachten: er betrifft unsern Seelenzustand, da heißt er der geistliche Tod - oder unser Schicksal in der andern Welt, da heißt er der ewige - oder die Verbindung zwischen Seel' und Leib, wenn die aufhört, welches heißt der leibliche oder zeitliche Tod.

Den geistlichen nenn' ich zuerst, der es auch ja allereigentlich ist. Sei es, daß unser Geist niemals gelebet hat, zum Aufleben niemals gekommen, - ach, bei so Vielen ist das der Fall! - sei es, daß er gelebet hat, aber gestorben ist. Sage sich bei diesem Erwähnen Jeder, der mich anhört, in welchem Fall er sei, ob ein allzeit todt Gewesener oder der einmal zum Leben auferstanden ist, aber wiederum in den Tod zurückgesunken: Dieser wie Jener lasse den Tod Christi bei sich zu, auf daß er kraft desselben zum Leben gelange und sich entreiße seinem geistlichen Tode. Welches der sei? Der Tod in Uebertretung und Sünde, wie ihn die Schrift nennt, die Entfremdung von dem Leben, das aus Gott ist, die Abgötterei, da man die sinnlichen Genüsse, die weltlichen Freuden, die zeitlichen Güter vor allem sucht, ja einzig, und vergißt Gott darüber und daß es etwas Edleres, Besseres gebe, der Seelenzustand, da man die Regeln seines Thuns und Lassens sich selber schreibt und kehrt sich an kein Gottesgebot, hat auch so wenig Freude am Gottes Wort, daß es vielmehr ihm, wie Sirach von den Gottlosen sagt, ein Gräuel ist, betet auch nicht, weder in Bitte noch in Dank und gedenkt keiner andern Zukunft, als der kürzeren hier auf Erden, wieviel noch Rest von derselben sei, schwebt nicht zuweilen in seinen Gedanken, hebt sich nicht höher in seinem Geist: - das nennen wir den geistlichen Tod, her wahrhaft einer ist, unser Tod, unser aller, wenn nicht - was nicht? - wenn nicht der Tod, den Christus gelitten hat, aus diesem Seelenzustand uns herausreißt und unser Leben wird. Und wie geschieht das? Wie geht es damit zu? Also: Ich höre, daß es doch einen Gott gebe, daß ein Gott sei, ein Gott der Barmherzigkeit, der in diesem Tode mich und keinen Menschen will, der zu dem Ende den Sohn sendet, seinen Eingebornen, und wolle ihn uns geben, auf daß wir leben; unser jetziger Zustand sei Sünde und heiße Tod; da tritt Christus, der Sohn Gottes vor und ruft: Stehe auf von den Todten! Was das evangelische Wort nicht kann, wird mit der Stimme seines Bluts versucht. Siehe, wie werth du geachtet bist in Gottes Augen, immer noch, kehre zu dem dich, welcher mit solcher Liebe zu dir sich kehret, das Leben zu bringen in deine Erstorbenheit, in deinen Tod, wie Christus von seinem Tode spricht: Werdet ihr nicht essen das Fleisch des Menschensohnes und trinken sein Blut, so habt ihr kein Leben in euch. Glauben dem Wort ist ein Essen und ist ein Trinken, davon der geistliche Tod aufgehoben wird. Ich nannte den ewigen Tod. Das ist der, in welchen fähret, wer in dem geistlichen Tode bleibt. Diesen hat der sündige Mensch gewollt, jenen, den ewigen Tod will der gerechte Gott, d. h. wer die Gnade verachtet und die Vergebung verschmäht und die Gotteswohlthat, die allergrößte und die kostbarste, sich weigert anzunehmen, wer im Tode bleiben will, über den spricht die Gerechtigkeit: Habe denn das Begehrte, und bleibe, wo heraus du nicht zu kriegen bist, aber dann soll dir ein Uebriges geschehen, was du freilich nicht begehrt hast, nämlich in deiner Sünde sollst du sterben und empfahen ihren Lohn, wie es dir gesagt worden ist, also, daß du keine Entschuldigung hast: Trübsal und Angst über alle Seelen der Menschen, die Böses thun, Röm. 2, und: wer nicht glaubet, der wird verdammet werden, Marci am letzten. So hat Gott sagen lassen, aber zugleich, wie er Verdammniß und ewigen Tod gern abwende, keine Lust an dem Tode des Sünders habend. Er hat gethan dies und das, aber Eines ist das Allergrößte: Was Christus leidet, das soll gelten bei ihm für das, was wir zu leiden hätten für unsere Sünden - bei ihm -, es ist sein Rathschluß über uns, seine That, die er in die Welt gestellet hat einmal und einzig, reine Offenbarung, Gnade ohn' Maaß. Glaube, so wirst du nicht verdammt, glaube, daß Christus das Lamm Gottes sei, das die Sünde der Welt trägt und auch die Deinigen. Und wenn ihrer auch so viele sind als Sand am Meer, wenn Sünden darunter sind, riesengroß, blutroth, und du um ihretwillen tausendmal der Verdammniß würdig: so sollst du doch nicht verdammt werden, vergeben soll dir werden, sollst den ewigen Tod nicht schmecken. Christus starb, auf daß du lebest und nicht sterbest in Ewigkeit. Glaube nur daran, und mache dich des ewigen Todes frei durch Glauben an den Tod Christi, der die Sünden d. h. deinen geistlichen Tod und damit auch den ewigen aufhebt. Es wird sich aber ausweisen, das Eine wie das Andre, ob in den ewigen Tod der Mensch sinken oder er in das ewige Leben erhoben werde, - klar wird sich's ausweisen, daß es auch der sehen muß, der das Auge zumacht, nachdem der Uebergang in die andre Welt geschehen ist durch den zeitlichen Tod. Nun freilich dieser Tod, der zeitliche genannt wegen seines Eintretens in der Zeit, der leibliche, weil er den Leib tödtet, bleibet, und hat auch Macht über den Gläubigsten noch. Vielleicht, weil doch gar zu sehr die Sünde durch alle Menschen gedrungen und kein Punkt an ihnen geblieben ist, der noch sündenfrei; sonst möchte wohl der Christ, der es völlig wäre, zu einer leiblichen Unsterblichkeit kommen können. Aber sie ist hin, wir müssen Alle hinein in den Tod. Was fürchten wir uns auch vor ihm? Sein Stachel ist die Sünde, und die nimmt ja Christus durch seinen Tod hinweg, der für unsre Sünde gelitten. Das Maaß der Lebenslust, wie das Maaß der Todesfurcht bestimmt sich, je nachdem wir schwach oder stark glauben. In wem der Glaube ist in seiner vollen Kraft - daß, wer in dem Herrn stirbt, selig stirbt und selig ist von dem an, zur Ruhe der Heiligen kommt und zur Freude der Gerechten, an einen Ort, da er im Schauen hat, was hier im Glauben -: sagt, ob für den der leibliche Tod dürfe ein Schreckbild sein? Und war' es uns beschieden, daß wir noch einen Kampf sollten am Ende bestehn, daß unsre Sünden dann noch einmal als zum letzten Versuch, um sich zu rächen, daß wir ihnen entsagt, uns sollten vor Augen treten und uns ängsten: - o Jesu, hilf uns dann siegen und sorgen. Ihr seid doch alle vergebene Sünden und nicht eine einzige unvergebene ist unter euch, darum verdammt ihr mich nicht; es ist nichts Verdammliches an denen, die in Christo Jesu sind; in ihm aber bin ich, so wahr ich seines Todes theilhaftig bin.

2.

Christi Tod ist der Christen Leben. Weil er unsern geistlichen, unsern ewigen und auch unsern leiblichen Tod aufhebt, ist er zum Andern unser Leben und der Zerstörer alles Scheinlebens. Das mochte es sein unter denen, die Christi Rede höreten, Jünger werden sie geheißen, weshalb diese sie hart nannten und kehrten sich von ihr: ihnen wurde das Lebendigsein, das Leben abgesprochen, das hätten sie nicht, das bekämen sie auch nicht, sie äßen denn das Brodt und tränken sein Blut. Sowohl dies angetragene Mittel zum Leben, als auch die Meinung, daß sie lebten und wären nicht todt, wird die Ursach' ihres Weggehens gewesen sein. O Freunde, gerade so ist es noch bei uns, das Eine wie das Andere. Die, möchte man sagen, sind schon halbwegs gewonnen, die ihren Tod, den geistlichen, erkennen, aber schwerer sind die zu gewinnen, nach wie vor, die da meinen, daß sie leben und scheinen zu leben, wenn auch in den Augen Andrer nicht, doch in ihren eigenen. Hier nenne ich zuerst, und führe das als ein bloßes Scheinleben vor: die Thätigkeit. Nun freilich, nichts thun, das ist der lebendige Tod, aber seine Kräfte gebrauchen des Leibes und des Geistes, befunden werden darin, daß man sie braucht, früh und spät, ausrichten dies und jenes, seinem Hause vorstehen, die Seinen versorgen, angenommene Aemter verwalten, der Wissenschaft pflegen und seine Hand in vielen Dingen sehn lassen, daß sie mit darin sei: freilich, das scheint ein Leben zu sein, und Mancher weiß sich darauf nicht wenig. Allein, dies gehört durchaus nicht in die Sache herein, davon wir reden; es ist ein äußerliches Gebiet, dahinauf allerdings auch das Christenthum dringet, doch um es zu durchdringen und diese ganze Thätigkeit erst mit dem Rauch des Opfers zu reinigen, wie man spricht, zu desinficiren. Es ist Sünde darin; Eigennutz, der nach Geld oder Ehre steht, ist darin, und wenn leidlich, ist's Gewohnheit oder bloß sinnliches Wohlgefallen an der Rührigkeit, gilt aber vor dem nichts, der vor seinen Augen nichts gelten lässet, als was sein eigen Werk ist, zu welchem er der Antrieb und bei welchem er die Begleitung ist und in welchem er das Vorbild ist und an welchem er sein göttliches Wohlgefallen hat. Lasse sich Keiner blenden und blende sich Keiner selbst durch dieses Scheinleben. Hier ist Christus und sein Tod, den heißet er das Leben der Welt und spricht das wahre Leben allen denjenigen ab, die nicht seines Leibes und Blutes theilhaftig geworden sind. Sein Tod soll unser Leben werden, darum auch in unsrer Thätigkeit die Triebfeder und die stete Durchdringung. O Mensch, du greifst wohl an, jedoch mit ungewaschenen Händen, du siehest zu, allein Christus hat dir das Auge nicht aufgethan, du hast Urtheil, allein du irrst jeden Augenblick und halst Unwichtiges für wichtig, Unnöthiges für nöthig, ja Sündliches sogar hältst du für unschuldig, wenn du nicht dein Urtheil durch Christum und seinen Tod hast bilden und leiten lassen. Um nur Eins zu nennen: du lässest ja offenbar eins liegen, was doch durch Christi Tod für das Hauptwerk deines Lebens erklärt wird, dies, daß du für deine Seele sorgst. Hier wird ja gelehrt mit klarem Wort, das sei das Leben, wenn Christus in dir lebet. Wenn Christus nicht in dich eingeht, so zu sprechen, mit dem Kreuz auf sich, daran er für dich gestorben ist, so thue, was und wieviel du willst, nimmer kann es rechter Art sein. Denn es handelt verkehrt in allem, wer Gottes Ordnung verkehrt und treibt sich ab in weltlichen Dingen, die himmlischen und ewigen darüber vergessend.

Ich will deiner Einrede Rede stehn. Du sprichst: Auch, wenn ich mich der Tugend befleißige? Dann allerdings nicht. Deine Tugend besteht in Verminderung der Laster. O, es sind nicht Alle tugendhaft, die nicht lasterhaft sind. Was man Laster nennt, kann aus tausend Gründen gemieden werden, die mit wahrer Tugend auch nicht die geringste Gemeinschaft haben. Du meidest gewisse Laster, weil sie Geld kosten, andere, weil sie der Gesundheit nachtheilig sind, andere, weil sie Schande machen. Du aber befleißigst des Guten dich, thust, was der That nach mit Gottes Gebot übereinkommt, in Dienstfertigkeit, Mildthätigkeit, in Beförderung des gemeinen Besten selbst ohne nähern Beruf dazu: Lieber Mann, da kann viel Gutes gethan werden, das vor Gott nicht besser ist, als Böses thun, nämlich wofern du das Gute, das du thust, dir dienen lässest als Tünche, die Stellen an dir damit zuzudecken, die häßlich in die Augen fallen, als eine Leiter, um daran hinauf zu steigen, oder als Nahrung, mit welcher du dein Ich speisest und tränkst. Ich predige den Tod Christi, damit streife ich solche Tünche ab, mit dem Tode Christi breche ich die Leiter in Stücke; der Tod Christi, er nennt sich Speise und Trank, ist keine Nahrung für dein selbstgefälliges, eingebildetes, selbst es sein wollendes Ich. Christus ist für uns gestorben. Es heißt, um unsrer Sünde willen, ist zu verstehn, um unsrer Tugenden willen sowohl als um unsrer Sünden willen; denn Röm. 14 heißt es: Was nicht aus dem Glauben gehet, das ist Sünde, und wahre Tugend will alleine, 2. Petr, 1, im Glauben dargereicht sein. In welchem Glauben?

3.

In diesem, den Text und Predigt vorhalten, daß Christus sich habe für das Leben der Welt gegeben. So zerstört sein Tod unser Scheinleben: das der eignen Tugend.

Dieses und auch das Scheinleben einer angenommenen Christlichkeit zerstört er. Mit Hochachtung von Christo sprechen, ihn einen der Edelsten unsers Geschlechts, ja den Edelsten ihn nennen, für wahr und göttlich seine Lehren halten, und sie gerne sich predigen lassen, auch Antheil nehmen an dem von ihm eingesetzten Gedächtnißmahl, gewisse Aussprüche von ihm mit Fleiß im Munde führen und selbst als Regeln sich dienen lassen, wonach man sich verhält, und gewisse Worte von ihm bewahren, daran man sich hält: wenn nur dieses vorhanden ist, so nenn' ich das eine angenommene Christlichkeit, und wird das ein christliches Leben geheißen, so nenn' ich das ein Scheinleben. Nicht, als sollte, was aufgezahlt ist, verwerflich sein, wofern es ohne Heuchelei befunden wird, aber es ist das rechte Leben, das wahre Leben nicht. Sein Tod ist unser Leben, und dieser soll allein es sein. Blicken wir hin auf jenes, davon ich sage, es sei nur Schein. Habe Jemand, halte Jemand noch so hoch von Christo und seinem Wort, wenn er ein Wort wie unsern Text aus der Acht lassen kann und eine solche Anleitung verschmähen, als derselben nicht bedürftig, annimmt von Christo, was ihm eben zusagt, und weder das Gehör hat, um es aufzunehmen, noch die Seele hat, die alle Thüren aufreißt: Komm, Jesu und decke mir einen Tisch, auf welchem du selbst meine Speise und mein Trank bist - da er doch gesagt hat: Mein Fleisch ist die rechte Speise und mein Blut ist der rechte Trank: - nein, Brüder, nein, wie fromm auch, christlich fromm eines Solchen Leben erscheint, ich kann nicht anders als ein Scheinleben es nennen und frei sagen: Wenn der für uns getödtete Christus Jemandes Glauben wird, dieser Wohlthäter, der für ihn stirbt, auf daß er lebe, so wird demselben auch jene genannte Christlichkeit sammt Tugend und Thätigkeit als ein Leben erscheinen, das bloßer Schein gewesen, das wahre Leben nicht gewesen ist, und der nun, da dies kommt, - o möcht' es bei Allen geschehen! - zerstöret wird. Amen!

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