Hahn, Johann Michael - 4. Betrachtung

Hahn, Johann Michael - 4. Betrachtung

Warnung vor Weltgesellschaften, Leichtsinn und Fleischesfreiheiten. Vom rechten Gebrauch der Heiligungs- und Bedienungsgaben.

Text: Ephes. 5,8-14. Lied: I, 240. II, 141

Ein Christ wagt zuviel, wenn er sich in Weltgesellschaften begibt, wo die Tinktur der Hölle duftet und die Luft mit Schlangengift angefüllt ist. Unter Dieben und Räubern bestünde gewiß weniger Gefahr für ihn als unter fleischlichgesinnten, leichtsinnigen Menschen. Das Höllengift garstiger, unzüchtiger Reden dringt unvermerkt in die Seele ein. Unser Geist sitzt ohnehin in einer gefährlichen Herberge; wir tragen ein Herz im Leibe, das immerdar den Irrweg will, und das schnell entzündet werden kann, dem daher niemals zu trauen ist. Liebe Seele, wenn du vor Gefahren, in denen schon viele umgekommen sind, nicht heilsam erschrickst, so handelst du unbedacht, und es könnte bei dir heißen: „Wer sich gerne in Gefahr begibt, der verdirbt darinnen“ (Sir. 3,17).

Kinder des Lichts hassen die Finsternis; es ist ihnen eine Plage, wenn sie dieselbe fühlen müssen. Sie wollen dem Herrn, ihrem Gott, die Kräfte ihres Leibes und ihrer Seele nicht verderben; denn sie wissen, daß Jesus sie mit seinem teuren Blute erkauft hat, daß ihre Leiber Christi Glieder sind und Tempelwohnungen des heiligen Geistes sein sollen. Sie lernen denken, wie ihr Vater im Himmel denkt; und sollte ihnen ein böser Gedanke kommen, so beherbergen sie denselben nicht und geben ihm keine Nahrung; denn sie wissen wohl, daß er in der Lichtsgemeinschaft Gottes nicht bestehen kann. Siehe also zu, lieber Christ, wie du dich verhältst! Du willst selig werden, so bedenke doch, daß ohne Heiligung niemand den Herrn sehen wird. In den Himmel darf man nicht nur so hineinstolpern, wie hierunten manche in die Versammlungen der Frommen hereinkommen.

Wenn wir gegen das Gnadenleben in uns gleichgültig sind, so ist dasselbe gewiß noch sehr schwach und sollte deswegen umsomehr in acht genommen werden. Wer sein unmündiges Geistesleben Gefahren aussetzt, in denen schon viele verdorben sind, der hat nicht viel geistlichen Adel und Würde. Wie leicht kann er der Reinigung seiner vorigen Sünden vergessen, und es könnte dann bei ihm der letzte Betrug ärger werden, als der erste war! Ich habe gutgesinnte Seelen kennen gelernt, die ein gewisser Neid quälte, weil ihnen der mannigfaltige Sinnengenuß der Weltmenschen, den sie sahen, versagt war. Sie kamen auf den Gedanken, ob denn den Kindern Gottes nichts vergönnt sei und den andern alles allein gelassen werden müsse. In dieser Gesinnung haben sie dem Fleisch Freiheiten eingeräumt und - sind zu Grunde gegangen. Soll denn ein Christ Mitgenosse am Schweinetrog sein? Kann er den Geist Gottes haben, wenn er das will? Ich glaube nicht; wer den zeitlichen Sinnengenuß für Seligkeit hält, wird einst mit den Kindern des Unglaubens ernten müssen, was er gesäet hat.

Wir wohnen zwar unter sogenannten Christen; aber diese sind großenteils so ausgeartet, daß der Unterschied zwischen ihnen und den Heiden in der apostolischen Zeit nur ein geringer ist. Da kann ein Kind Gottes, das noch nicht genug von der Welt geschieden ist, schändliche und greuliche Dinge hören und sehen müssen. Das bringt großen Schaden. Die Weltkinder werden euch niemals scheuen lernen, wenn ihr euch nicht ernstlich von ihnen absondert, ohne Not nie in ihrer Gesellschaft auftretet und nicht durch vielen Umgang mit Gott Klarheit und Geisteskraft erlangt habt und daher als Lichter der Welt gekannt geworden seid. Wollt ihr als Christen geachtet und geschätzt werden, so machet euch rar unter der Weltgesellschaft; denn was heilig ist, soll nicht gemein gemacht werden. Bleibet weg, gehet aus von Babel, und sondert euch ab! Sollte es aber einmal nicht anders sein können, und ihr müsset mit der Welt zu tun haben, so stärket euch in Gott, und waget ja nichts auf euch selbst und auf eure eigene Kraft! Bedenket stets, daß wir auch noch Fleisch und Blut an uns haben! Wird aber Böses von ihnen geredet oder getan, so seid nicht stumm, sondern bestrafet das Böse mit allem Ernst! Es ist wohl wahr, daß man auch unzeitigen Eifer haben kann, und daß nur ein Wort, geredet zu rechter Zeit, wie ein goldner Apfel in silberner Schale ist. Aber warum ist denn bei manchen die Zeit, das Böse zu strafen, gar nie vorhanden? Warum verteidigen sie die Wahrheit nie oder doch sehr selten? Warum sitzen sie überall als dummes Salz und lassen sich zertreten? Nicht wahr darum, weil ihnen an Gunst und Gefallen der Welt zu viel gelegen ist, und weil sie die Welt noch mehr lieben als die Wahrheit? Solche bereiten ihrem Herrn keine Ehre, sondern Schmach und Schande. Sie liegen auch als Steine des Anstoßens vor den Versammlungstüren der wahren Kinder Gottes, weil nach ihnen alle beurteilt werden. Welche Verantwortung laden solche sich auf!

Siehe, Freund, von solcher Bedeutung ist diese Sache! Darum habe doch keine Gemeinschaft mit den Kindern der Finsternis! Siehst du, wie sie Werke der Finsternis ausüben, so schweige ja nicht dazu, damit diese nicht auf deine Rechnung kommen.

Wenn ich erleuchtet bin, die Gnade Gottes empfangen habe, und also mit der Fülle der Herrlichkeit mehr oder weniger erfüllt bin, so bin ich dies ja nicht für mich allein. Als ein Glied am heiligen Jesusleibe bin ich verpflichtet, meinen Mitgliedern mit der Gabe zu dienen, die ich empfangen habe. Oder - Gott lehre es doch jeden bedenken! - möchte man diese Gnade vergeblich empfangen haben? Darf man sie nach eigenem Gutdünken benützen, oder aber unbenützt liegen lassen? Kann es dem Herrn einerlei sein, was man mit seiner Gabe tut oder macht? Wer sie nicht benützt, sündigt wider das Licht. Von den anvertrauten Pfunden der Bedienungsgaben hat man einst schwere Rechenschaft zu geben. Wer auch die Heiligungsgaben für seine Person nicht zu wahren trachtet, denselben nicht treu ist, bei dem werden sie sich nicht mehren, sondern mindern. Er wird immer geist- und kraftloser; es fehlt ihm daher an Tinktur- und Verwandlungskraft, und er wird in der Gemeine Jesu nicht viel Gutes ausrichten können. So könnte es mit einer Seele dahin kommen, - Gott wolle doch eine jede in Gnaden davor bewahren! - daß sie die Gnade Gottes vergeblich, ja mehr zu ihrem Schaden als u ihrem Heile empfangen hat. Darum, o Seele, wer du auch bist, behandle sorgfältig, was dir vom Herrn geschenkt worden ist!

Ein treues Kind Gottes bedenkt fleißig, was ihm Jesus erbeten, erworben und aus Gnaden mitgeteilt hat. Es hält dies Gnadengeschenk höher denn alles, was man nennen mag, den Geliebten selbst, der also beschenken kann, ausgenommen. Aus zärtlicher Liebe zu diesem Lichts- und Seligkeitsbrunnen wird sich eine solche Seele sehr sorgfältig hüten, daß sie in keinem Stück den Miterlösten, für welche ihr Jesus sein teures Leben gelassen hat, anstößig oder ärgerlich sei. Wie sollte jemand den Geist und Sinn Jesu haben und sich nicht von dem, was andern an der Seele schaden könnte, sorgfältig enthalten? Wer das nicht könnte, berede uns nicht, daß er von Gott berufen sei, andre zu unterweisen und zu führen.

Bd. III, S. 483.

Mel. Mache dich, mein Geist, bereit.

Fort, mein Geist, erhebe dich, schwinge dich hinüber! Hier wirst du beständiglich dunkler, schwächer, trüber. Gott ist Ruh; eil ihm zu! Willst du dich nicht kränken, mußt du in ihn sinken.

Mache dich nicht zu gemein mit den Kreaturen! Hier mußt du ein Fremdling sein, obenher geboren. Denk daran, daß man kann hier sich sehr beflecken und ein Feu'r anstecken!

Kennst du nicht dein Element? - Geist ist's, was dich nähret. Nur ein seelisch Menschenkind ist herausgekehret. Deine Quell fließet hell in dem stillen Grunde; da trink alle Stunde!

Kehre ein, sobald du dich ausgekehret fühlest! Frage nicht: wie mach es ich? Denk, worauf du zielest! Such die Still, da dir will mütterlich erscheinen, den du selbst wirst meinen.

I. Lbbd. Nr. 188.

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