Frommel, Max - Christus unser einiger Weg zum Vater

Frommel, Max - Christus unser einiger Weg zum Vater

Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich. Joh. 14,6.

Gottes Ehre und der Menschen Seligkeit das ist das Ziel aller Wege Gottes mit der Menschheit. Das ist der Gedanke der Weltschöpfung, das ist der Grund der Welterlösung, das ist die Pracht der Weltvollendung. Darum ist es auch das Ziel der Wege Gottes mit einem jeden von uns; in allen Führungen, auch den schwersten, hat Gott die Absicht, uns selig zu machen. Darum nennt auch Petrus das Ende unseres Glaubens, das wir davon bringen sollen: der Seelen Seligkeit. Nur selig das soll darum auch unser höchstes Lebensziel sein und bleiben: heimgehen zum Vater droben und heimkommen ins Vaterhaus, da die vielen Wohnungen sind. Darum bleibt es aber auch die höchste und tiefste Lebensfrage: Wie komme ich zum Vater, wie werde ich selig? Diese Frage hat Thomas einst in seiner Weise an den Herrn gestellt: „Herr, wir wissen nicht, wo du hingehst, und wie können wir den Weg wissen?“ Der Herr hat ihm geantwortet mit dem majestätischen Wort: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater, denn durch mich.“ Dieses Wort sagt uns klar und deutlich, dass Christus ist unser einiger Weg zum Vater und zwar darum, weil er die Wahrheit für uns ist und weil er das Leben für uns ist.

Es sind große erhabene Worte, die der Herr hier ausspricht, Worte, von denen so recht gilt, was jene Kriegsknechte von Jesu sagten: „Es hat nie kein Mensch also geredet wie dieser Mensch!“ oder was Petrus einst begeistert ausrief: „Herr, wohin sollen wir gehen? du hast Worte des ewigen Lebens,“ Worte, von deren Eindruck überwältigt die Jünger gleichsam als Echo oder als Amen antworteten: „Siehe, nun redest du frei heraus und sagst kein Sprichwort. Nun wissen wir, dass du alle Dinge weißt und bedarfst nicht, dass dich jemand frage. Darum glauben wir, dass du von Gott ausgegangen bist.“ Ja wahrlich, hier ist mehr als Salomo, mehr als Moses und alle Propheten. Denn wer darf so reden und wer darf sagen: „Ich bin die Wahrheit, ich bin das Leben?“ So kann und darf doch nie ein bloßer Mensch zum Menschen von sich sagen, kein Moses und kein Paulus. Wäre Christus nicht Gottes Sohn, so wären die großen erhabenen Worte eine Lästerung in seinem Munde.

Sie stehen nicht allein, diese Worte des Selbstzeugnisses, sie sind umgeben von einer ganzen Reihe solcher erhabener Selbstzeugnisse. Sagt nicht Jesus: „Ich bin das Licht der Welt, ich bin das Brot des Lebens, ich bin die Auferstehung und das Leben, ich bin der gute Hirte, ich bin der rechte Weinstock;“ sagt er nicht: „Niemand kennt den Vater, denn nur der Sohn und wem es der Sohn will offenbaren,“ und wiederum: „Ehe denn Abraham ward, bin ich.“ Sagt er nicht, dass er der Welterlöser sei: „Des Menschen Sohn ist gekommen zu suchen. und selig zu machen, was verloren ist?“ Sagt er nicht, dass er der Weltrichter ist: „Der Vater richtet niemand, sondern alles Gericht hat er dem Sohn übergeben, auf dass sie alle den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren. Wer den Sohn nicht ehrt, der ehrt auch den Vater nicht, der ihn gesandt hat“ (Joh. 5)? So drängt uns schon die erhabene Fassung dieser Worte in der Form des Selbstzeugnisses vor die Entscheidung: entweder uns dem tiefen überwältigenden Eindrucke hinzugeben, uns in ihren Reichtum zu versenken und uns diesem König aller Könige, dieser persönlichen Wahrheit, diesem persönlichen Lebensfürsten zu Füßen zu sehen, oder ihn zu verachten als einen Schwärmer, der nicht weiß, was er redet, oder als einen Himmelsstürmer, der sich Gott gleich macht und auf den Stuhl Gottes setzt. Ich rede nicht von unerhörten Dingen; die Juden haben Christus als Gotteslästerer verurteilt und gekreuzigt, weil er sich selbst zu Gottes Sohn gemacht habe, und halten ihn noch heute dafür; die Mohamedaner halten ihn für einen gottbegeisterten Mann, größer als Moses, kleiner als Mahomed, der Schwarmgeist. Christen aber, die da bewusste und wahre Christen sind, bekennen laut und frei, „dass Jesus Christus sei wahrhaftiger Gott, vom Vater in Ewigkeit geboren, und auch wahrhaftiger Mensch, von der Jungfrau Maria geboren.“ Weil er dies ist, nur darum darf er sagen: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum Vater denn durch mich.“

Diese Worte sind uns allen wohlbekannt von Jugend auf, aber vielleicht gerade deshalb so geläufig, dass wir an ihrem tiefen Sinne oft vorübergehen. Sie sind aber in ihrer Kürze und Schlichtheit, in ihrer tiefen Klarheit und klaren Tiefe so erhaben, dass mir alle Rede darüber nur wie ein Stammeln erscheinen will. Versuchen wir's denn, in ihren Sinn hinabzusteigen und uns das Wasser des Lebens aus dieser Tiefe zu schöpfen.

Christus ist der einige Weg zum Vater, weil er die Wahrheit ist. Was heißt das? Nennt er sich so, weil er gekommen ist, uns die volle Wahrheit zu sagen? Das hat er ja freilich getan als der Prophet aller Propheten wie niemand sonst. Er hat uns die Wahrheit gesagt über uns selbst, über unser eignes Herz, wie aus diesem Herzen kommen arge Gedanken, arge Worte, arge Werke, wie uns nicht zu helfen ist durch etliche Abänderungen in unserm Wandel oder etliche neue Einrichtungen in unserm Leben, auch nicht durch neue Ansichten oder neue Vorsätze, nicht durch neue Zeremonien oder Lebensregeln - dies alles reicht nicht an die Wurzel des tiefen Schadens, sondern Christus hat uns gesagt: uns könne nichts helfen als eine neue Geburt. „Es sei denn, dass ein Mensch geboren werde aus Wasser und Geist, so kann er das Reich Gottes noch nicht einmal sehen geschweige denn hineinkommen.“

Tiefer, schroffer, schonungsloser kann man uns die Wahrheit über uns selbst nicht sagen, als Christus sie uns gesagt hat. Er hat uns aber auch die Wahrheit über Gott und Gottes Herz gesagt wie niemand sonst. „Niemand hat Gott je gesehen; der eingeborne Sohn, der in des Vaters Schoße ist, der hat es uns verkündigt.“ Das tiefste Geheimnis der Liebe Gottes gegen uns Sünder hat er uns entdeckt, die Friedensgedanken Gottes uns enthüllt, die Reichsgedanken Gottes in wunderbaren Gleichnissen uns mitgeteilt, in den Plan Gottes mit der Menschheit uns eingeweiht und die Anbetung des Vaters im Geist und in der Wahrheit uns gelehrt. Darum konnte er, als Pilatus verwundert ihn frug: „So bist du dennoch ein König?“ mit einer Majestät ohne gleichen antworten: „Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich die Wahrheit zeugen soll. Wer aus der Wahrheit ist, der hört meine Stimme.“

Aber darin geht die Tiefe unsers Textes nicht auf, dass Christus uns die volle Wahrheit gesagt hat. Er spricht: Ich bin die Wahrheit. Er ist nicht nur der Wegweiser, der die Wahrheit anzeigt, sondern der Weg selbst, weil er die Wahrheit ist. Dass Christus die Wahrheit für uns ist, kann er nur dann sagen, wenn er, wie unser christlicher Glaube bekennt, der wahrhaftige Gott und zugleich der wahrhaftige Mensch ist. „Gott war in Christo,“ so ruft Paulus aus, wenn er ihn in seinem Versöhnungswerke schildert. „Dieser ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben,“ so schließt Johannes seinen Brief als mit einer Summa, welche gleichsam das Echo unsers Textes ist. „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe,“ so predigt die Stimme vom Himmel und Christus selbst sagt: „Wer mich sieht, der sieht den Vater.“ Willst du Gottes Freundlichkeit und Leutseligkeit sehen, siehe Christus an, denn in ihm ist erschienen Gottes Erbarmen, Gottes Gnade, Gottes Liebe, sie prangen alle an dem menschgewordenen Gottessohn. Darum heißt ihn Johannes das Wort, weil er uns nicht nur die Gedanken Gottes in Worten ausgesprochen hat, sondern selbst ganz und gar, in seiner ganzen Person der ausgesprochene Liebesgedanke Gottes ist; nicht bloß sein Mund predigt vom Vater, nein, alles an ihm, sein ganzes Leben und Leiden, sein Sterben und Auferstehen, sein Heilen und Segnen, sein Reden und Erquicken, sein Siegen und Vollenden, es predigt alles: „Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab.“ Christus ist das Wort, das ausgesprochene Herz Gottes - „und im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort und dieses Wort ward Fleisch.“

Wie aber Christus die Wahrheit für uns ist, weil er wahrhaftiger Gott, die Offenbarung Gottes in Person ist, so ist er auch die Wahrheit für uns, weil er wahrhaftiger Mensch ist. In Christo ist die wahre Menschheit erschienen. Er ward ein Mensch gleichwie wir und an Gebärden als ein Mensch erfunden, er hat alle Menschenalter durchmessen, „nahm zu an Alter und Weisheit,“ als Kind ganz kindlich, als Mann ganz männlich, in seinem Lehramt ganz Prophet, in seinem Leiden ganz leidend, in seiner ganzen Erscheinung der heilige Mensch, der vollkommene Mensch, der wahrhaftige Mensch, der andere Adam, des Menschen Sohn und der neuen Menschheit Haupt. Willst du die Schönheit sehen, die sittliche Schönheit, die menschliche Heiligkeit, siehe Christum, denn in ihm ist sie erschienen. Das Ebenbild Gottes und die Herrschaft über die Kreatur, diese erste und höchste Bestimmung des Menschen, sie prangt in Christo, nicht sowohl als Vorbild, sondern als Urbild, nicht als Wegweiser, sondern als Weg selbst. Denn wie wir getragen haben das Bild des irdischen Adam, so sollen wir auch einst tragen das Bild des himmlischen Adam, nämlich Christi, und wie er unsere Seele in sein Bild schon hier verklärt von einer Klarheit zu der andern, so will er auch unsern nichtigen Leib verklären, dass er ähnlich werde seinem verklärten Leibe. Christus, wahrhaftiger Gottessohn und auch wahrhaftiger Menschensohn, er ist persönlich die erschienene Wahrheit Gottes und des Menschen. Wie das zusammengeht in der einen Person, wie das möglich ist, dass Christus beides zumal ist, das bleibt ein Rätsel für unsere Vernunft, und die gottmenschliche Person Jesu Christi bleibt das Wunder aller Wunder, das noch kein menschlicher Verstand ergründet hat. Die Sekten reißen die beiden Seiten auseinander; die Sekte der Doketen sagte: Er ist nur Gott; die Sekte der Rationalisten alt und neu sagt: Er ist ein bloßer Mensch - aber die Schrift lässt beides beisammen, und unser Glaubensbekenntnis der Christenheit preist Christum als den Gottmenschen.

Darüber wollen wir ein Halleluja singen, dass Christus gekommen und in ihm die ganze Wahrheit erschienen ist. Nun weiß ich, wo ich die Wahrheit für mich suchen, wo ich meinen Gott finden, wo ich mich selbst wahrhaft finden soll. Fahrt hin, ihr Schattenbilder und Träume, genannt Ideale von menschlicher Herrlichkeit, ihr Rätsel und Zweifel, ihr Fragen und Klagen - hier ist ein Urbild erschienen, in welchem alles, was göttlich und menschlich ist, verwirklicht vor uns steht! Einmal in der Weltgeschichte, einmal in der Fülle der Zeiten, einmal auf ewig ist das Ideal real, ist das Urbild wirklich geworden, ist göttliche und menschliche Wahrheit erschienen, wie sie mein tiefstes Herz bedarf. Und dieses Urbild und Ideal, das welkt nicht, das bleicht nicht, das stirbt nicht wie menschliche Träume und Schäume, sondern das lebt, denn wie er die Wahrheit ist, so ist er auch das Leben.

Und Leben ist mehr und höher als Wahrheit. Gleicht die Wahrheit dem Kreise, der die Kraft des Mittelpunktes zur Darstellung bringt, so gleicht das Leben der Kugel, die sich beständig um ihren Mittelpunkt bewegt. Tiefer als der Durst nach Wahrheit ist im Menschen der Durst nach Leben, oder anders ausgedrückt, da man nicht scheiden soll, was Gott zusammengefügt hat, der Durst nach wahrem Leben und lebensvoller Wahrheit.

Aber was ist Leben? Doch etwas mehr als die freundliche Gewohnheit des Daseins! Leben ist ein Geheimnis, vor dem auch die Naturforscher halt machen müssen, da das Leben dem Messer ihrer Untersuchung nicht standhält, sondern entflieht, ehe sie es erhascht haben. Was ist Leben? Ich sage kühn: Gott ist das Leben, und sonst nichts weder im Himmel noch auf Erden. Was Leben hat, hat es schließlich und letztlich aus ihm, dem Brunnquell alles Lebens.

Christus sagt in unserm Texte: Ich bin das Leben; nicht nur: Ich lebe, ich habe Leben aus Gott, sondern: Ich bin das Leben, wie auch an einem andern Orte: „Ich bin die Auferstehung und das Leben;“ und wiederum sagt er: „Gleichwie der Vater das Leben hat in ihm selber, also hat er dem Sohne gegeben, das Leben zu haben in ihm selber.“ Also hat Christus das Leben nicht in abgeleiteter Weise wie wir und alle Kreaturen in absteigender Linie, sondern in ursprünglicher, selbständiger, quellhafter Weise in ihm selber. Lasst mich ein Gleichnis brauchen: Gott hat dieser irdischen Kreaturenwelt die Sonne zum Lebensquell gemacht, sie hat er auf unserer Erde zum Sitz und Quell alles Lichtes, aller Wärme, aller Kräfte gemacht, so dass die Naturforscher sagen, es gebe keine Naturkraft, die nicht letztlich ihren Ursprung auf die Sonne zurückführen müsse. Die Sonne ist für uns in der äußern Welt der Kreaturen die Trägerin des Lichtes und Lebens geworden. So ist Christus, der menschgewordene Sohn Gottes, für uns die Sonne der Geister geworden, er ist für uns Licht und Leben, Wärme und Kraft. Dazu ist er Mensch geworden, dass er der Träger des Lebens für uns würde. Daher spricht er es auch geradezu einmal aus: „Ich bin das Licht der Welt,“ d. h. die Sonne des Lebens für uns. Ja im hohenpriesterlichen Gebet sagt er: „Das, Vater, ist das ewige Leben, dass sie dich, dass du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen.“

So wiederholen wir unsere Frage: Was ist Leben? Antwort: Leben ist Gemeinschaft mit Gott, denn wenn Gott allein das Leben ist, so kann ein Mensch Leben haben nur durch die Gemeinschaft mit ihm, dem Gott des Lebens. Wenn aber Christus sagt: Ich bin das Leben, so sagt er damit, dass er die wesenhafte Gemeinschaft Gottes mit dem Menschen ist, wie Paulus sagt: „In ihm wohnt die Fülle der Gottheit leibhaftig. Kündlich groß ist das gottselige Geheimnis: Gott ist geoffenbart im Fleisch.“ Christus ist die erschienene, offenbare, vollzogene Gemeinschaft Gottes mit der Menschheit und darum der Mittler für alle, die in diese Lebensgemeinschaft sich wollen setzen lassen. Man kann es auch anders ausdrücken und sagen: Leben ist Liebe, Selbstmitteilung. Weil aber Gott die Liebe ist, so ist Leben nur die Liebesgemeinschaft mit dem Gott der Liebe, und Christus ist das Leben, weil er die erschienene Liebe Gottes zu den Menschen und die vollkommene Liebe des Menschen zu Gott ist.

Halleluja, hier in Christo ist Leben, ist Liebe, wie sie mein Herz sucht, göttliche Liebe, göttliches Mitleid und Erbarmen, menschliches Mitleid mit meiner Schwachheit, hier stillt sich der Durst des Psalmensängers: „Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott.“ In Christo sehe ich das Angesicht Gottes, da höre ich seine Stimme, da taste ich das Wort des Lebens. In Christo ist erschienen die Wahrheit, weil er die persönliche Darstellung und Erscheinung des Wesens ist, des Wesens Gottes und des Wesens des Menschen; in Christo ist erschienen das Leben, weil er die persönliche Gemeinschaft Gottes mit dem Menschen ist und zur Erscheinung bringt. Christus ist die Wahrheit, weil er die Selbstoffenbarung Gottes in Person ist; Christus ist das Leben, weil er die Selbstmitteilung Gottes in Person ist.

Ich habe versucht zu stammeln von den Tiefen dieses Majestätswortes Christi, und ich fühle wohl, wie mein armes Wort nur ist wie ein Schöpfeimer, der in das große volle Meer der Wahrheit und des Lebens taucht, das in Christo wallt und rauscht. Aber ein Wort ist noch zurück aus unserm Text, das ist fasslich für jedermann, auch für das Kind; es ist der Schluss: „Niemand kommt zum Vater denn durch mich.“ Wer Ohren hat zu hören, der höre: durch Christum jedermann, ohne Christum niemand! Der ewige Sohn Gottes ist doch nicht zum Scherz auf diese Erde gekommen und ist doch nicht zum Schauspiel am Kreuz gestorben, sondern die Liebe, die heiße Liebe zu unsern verlorenen Seelen hat ihn getrieben vom Thron zur Krippe, von der Krippe zum Kreuz, um für uns der Weg zu werden aus Nacht und Tod zu Licht und Leben. In seinem Jesusherzen hat das Wort gebrannt mit heiligem Feuer: „Niemand kommt zum Vater denn durch mich.“ Ohne ihn keine Wahrheit, sondern lauter Irren in ewiger Nacht; ohne ihn kein Leben, sondern lauter Sterben in ewiger Qual. Durch ihn allein aber lauter Weg zum Vater droben, das hat in seinem Herzen geleuchtet und gebrannt, auch in der dunkelsten Nacht seines Leidens, auch als er in Gethsemane den Kelch ansetzte, um ihn zu trinken uns zu gut. Und das Feuer dieses Wortes, das sein ganzes Leben und Sterben durchglüht hat, sollte an uns verloren sein, sollte uns kalt lassen und gleichgültig und unentschieden? Nein, hier will ich nicht stammeln, sondern laut in den Grund eurer Seelen rufen: Niemand kommt zum Vater denn durch ihn! Die Hand aufs Herz: hast du ein Christentum ohne Christus? Sprichst du von Gottvertrauen und von Religion und weißt eigentlich nicht, was du mit dem Herrn Christus anfangen sollst? Sag an, bist du der festen Überzeugung, dass du ohne Christum keine Wahrheit, ohne ihn kein Leben hast, ohne ihn verloren, ewig verloren bist? Ich habe Grund zu dieser Frage. Ich bin genug Leuten begegnet, die sich einbildeten, zum Vater kommen und vor den heiligen Gott treten zu dürfen ohne das Blut Jesu Christi. Denen allen gilt das Majestätswort Christi: Niemand, niemand kommt zum Vater denn durch den Sohn.

Ist aber jemand, den da hungert nach Wahrheit und nach Leben, nach wahrem Leben und lebengebender Wahrheit; ist jemand, der gern wollte zum Vater kommen - hier ist der Weg, Jesus Christus. Denn darum, dass er Gottes Selbstoffenbarung und Gottes Selbstmitteilung ist, darum ist er auch der einige Weg für uns zum Vater. Durch ihn kommt der Vater zu uns, und durch ihn kommen wir zum Vater. Die Sünde hat uns in Nacht und Tod gestürzt, Christus hat sein Leben zum Opfer in den Tod gegeben, auf dass er würde das Leben für uns. Er hat uns Vergebung der Sünden erworben, und wo Vergebung der Sünde ist, da ist auch Leben und Seligkeit.

Dieser Weg trügt nicht - denn Christus ist die Wahrheit; diese Brücke über den Abgrund des Todes bricht nicht, denn Christus ist das Leben. Auf diesem Wege, der da Christus heißt, ist gut wandeln, selig leben und selig sterben. Es war einst ein ungläubiger Arzt, welcher Bücher schrieb gegen die Wahrheit des Christentums, der hatte eine gottselige Frau und eine einzige Tochter, die im Glauben stand. Als nun sein Liebling auf den Tod erkrankte, rief das Kind den Vater und blickte ihn mit ernsten Augen an und sprach: Lieber Vater, auf was soll ich jetzt sterben, auf deinen Unglauben oder auf den Glauben der Mutter? Da rief der Vater rasch aus: Um Gottes willen auf deiner Mutter Glauben! – Ist das nicht etwas von dem, das der Herr vom Stuhl seiner Majestät herab spricht: „Siehe, ich will machen, dass sie kommen sollen und anbeten zu deinen Füßen und erkennen, dass ich dich geliebt habe.“

Im Paradies standen zwei Bäume, der Baum der Erkenntnis und der Baum des Lebens. Als der Mensch sündigte am Baum der Erkenntnis, da ward ihm verschlossen der Weg zum Baum des Lebens, und der Cherub mit dem flammenden Schwert stand an der Tür des verlorenen Paradieses. Christus ist gekommen und hat durch sein Leiden und Sterben dem Cherub das Schwert aus der Hand gerungen, er ist für uns der Weg geworden ins Paradies, er ist die Wahrheit und als solche der ewig grünende Baum der seligmachenden Erkenntnis; er ist das Leben und als solches der immer blühende, immer früchtereiche Baum des Lebens für uns. Darum spricht er: „Wen da dürstet, der komme und trinke, und wer da will, der nehme das Wasser des Lebens umsonst,“ und: „Wer zu mir kommt, den will ich nicht hinausstoßen.“ Amen.

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autoren/f/frommel_max/frommel_max_-_christus_unser_einiger_weg_zum_vater.txt · Zuletzt geändert: von aj
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