Erichson, Alfred - Zwingli's Tod und dessen Beurtheilung durch Zeitgenossen - Vorwort

Erichson, Alfred - Zwingli's Tod und dessen Beurtheilung durch Zeitgenossen - Vorwort

„Die blutige Niederlage bei Kappel, der Heldentod Zwingli's neben und inmitten der edelsten Genossen geistlichen und weltlichen Standes, die Greuel, welche an seinem Leichname verübt worden, waren ein schrecklicher Donnerstreich bei heiterem Himmel. Der Verlust dieses kühnen, geraden, durch und durch frommen Mannes, der an evangelischer Freisinnigkeit und vorurtheilsloser Klarheit und Einsicht die übrigen Zeitgenossen und Mitarbeiter am großen Reformationswerke überragte, wie die Berge seines Vaterlandes die Höhen der übrigen Länder, war unberechenbar.“

So äußert sich Baum (Capito und Bucer, S. 481) über das tragische Ereigniß, dessen Gedenktag an jedem 11. Oktober wiederkehrt. 350 Jahre sind verflossen, seitdem jener „Große in Israel“ auf schweizerischem Grunde fiel, ein Opfer seines Eifers für das Evangelium, dessen Sieg er auf scheinbar unevangelischem Wege, vor blutiger Waffenthat nicht zurückschreckend, erstrebt hatte. Die Säkularerinnerung lenkt natürlich unsere Blicke auf jene Katastrophe zurück und läßt uns die Gefühle gemischter Art nachempfinden, welche dieselbe dereinst hervorgerufen hat.

Es ist mein Vorsatz nicht, in diesen Blättern die Ursachen und den Verlauf des Kapeller Krieges zu schildern; jedes nur einigermaßen ausführliche Geschichtswerk enthält hierüber das Nöthige. Für die Darstellung des Treffens selber liegt die den Gegenstand erschöpfende Arbeit E. Egli's vor. Ebensowenig beabsichtige ich, neue Belege für die so richtige Behauptung herbeibringen zu wollen, die Mörikofer in seiner Biographie Zwingli's (Bd. II., S. 420) aufstellt: „Die Geschichte weist keine Schlacht auf, welche, von so geringer Mannschaft geliefert und militärisch so bedeutungslos, in ihren Folgen so verhängnißvoll gewesen wäre, wie die Schlacht bei Kappel.“

Es soll hier einfach beleuchtet werden, wie Zwingli's Tod von den Zeitgenossen beurtheilt worden ist.

Hiezu standen mir zahlreiche, größtentheils noch nicht benutzte Briefschaften aus dem Reformationszeitalter zu Gebote. „Zeitungen“ gab es bekanntlich damals keine zur Schilderung und Beurtheilung öffentlicher Begebenheiten. Sie wurden aber reichlich ersetzt durch die ausgedehnte Korrespondenz der Kirchen- und Staatsmänner jener Zeit. Die meist vertraulichen Mittheilungen dieser Letzteren erlauben uns, nicht bloß den äußern Gang der Geschichte zu verfolgen, sondern auch in die Gedankenwelt der Männer des 16. Jahrhunderts einen Blick zu werfen, und liefern somit wichtige Beiträge für das Verständniß jener Zeiten und Verhältnisse.

Wie kaum ein anderes Ereigniß, ward der Tod Zwingli's zum Probstein der Geister und wirft deshalb das Urtheil, welches hervorragende Zeitgenossen darüber fällten, auf diese Letzteren selbst ein helles Licht.

Wenn ich die auf diesen Gegenstand bezüglichen Notizen, so viel ich deren auffinden konnte, hiermit veröffentliche, beabsichtige ich damit einfach, mit dieser kleinen Gabe das Andenken Zwingli's, beim 350. Jahrestag seines Heldentodes, zu ehren. Es ist Pflicht und Schuldigkeit, dachte ich, daß auch aus dem Elsaß eine Stimme laut werde und den Gefühlen der Hochschätzung und des Dankes Ausdruck verleihe, die hier zu Land für den größten schweizerischen Reformator lebhaft empfunden werden. Wie nahe sind ihm doch die Väter und Begründer unserer elsässischen Kirche gestanden, ein Zell, Bucer, Capito und Hedio, und welch' mannigfache Anregung haben sie von ihm empfangen! Wie groß und segensreich war Zwingli's Einfluß auf unsere religiöse Entwicklung! Trotz der späteren Ueberführung unserer Kirche zum Lutherthum, ist ein gutes Maß „reformirten Sauerteigs“ in ihr zurückgeblieben. 1)

1)
Unter Weglassung aller nicht ganz nothwendiger Erläuterungen und den Vergleich der mitgetheilten Dokumente mit anderwärtigen Quellen dem Leser anheimstellend, werde ich, so viel als möglich, die Zeitgenossen Zwingli's selber reden lassen. - Die hier zum ersten Mal benutzten Briefe, die mit Ausnahme der Briefe Bucer's an Zwingli's Witwe und an Margaretha Blaurer in lateinischer Sprache verfaßt sind, befinden sich sämtlich, wenn eine andere Angabe fehlt, im Straßburger St. Thomasarchiv als Originalien oder in Abschrift im Thesaurus Baumianus auf der hiesigen Landes- und Universitäts-Bibliothek.
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