Erichson, Alfred - Das Marburger Religionsgespräch ... - III. Die Vorbesprechung.

Erichson, Alfred - Das Marburger Religionsgespräch ... - III. Die Vorbesprechung.

Herrlich und auch in unseren Tagen beherzigenswert ist das Gebet, mit welchem Zwingli in den Kampf ging: „Erfülle, du Schöpfer, Herr und Vater Aller, wir bitten dich darum, uns mit deinem milden Geiste und vertreibe von beiden Seiten allen Nebel des Unverstandes und der Leidenschaften, wie du die wogenden Gewässer der Sündflut durch deine gewaltigen Winde in die Tiefe getrieben und auf der allernährenden Erde die Fülle der Gewächse und Früchte wieder aufsprießen und reifen ließest. Mach Ende, Herr, dem Streite und dem Zank und der blinden Wut! Erhebe dich, Christus, du Sonne der Gerechtigkeit und bescheine uns mit deinen milden Strahlen. Ach, während wir streiten, versäumen wir nur zu oft, nach der Heiligung zu ringen, die du von uns Allen forderst. Denn du weißt, o Herr, dass wir nie gebessert aus Weltkämpfen hervorgehen, weil sie Fleischeswerk sind, die Jeden beflecken, der sich darin verflicht, während die Frommen sich derselben stets zu ihrem Heile entschlagen. Bewahre uns darum, o Herr, vor solchem Streite, damit wir unsere Kräfte nicht darin missbrauchen, sondern sie mit ganzem Ernste auf das Werk der Heiligung verwenden.“

Die ernste Arbeit wurde am 1. Oktober, wie an den folgenden Tagen, in der Schlosskapelle mit einem Gottesdienst begonnen. Zwingli predigte „über die Vorsehung Gottes“ in einer nichts weniger als volkstümlichen Weise. „Ach,“ sagte Luther, „wie bin ich den Leuten so feind, die so viel Sprachen auf der Kanzel einführen, wie Zwinger, der redet Griechisch, Ebreisch und Lateinisch auf dem Predigtstuhl zu Marburg.“ Luther, Butzer, Osiander übernahmen die Predigten bei den nachherigen Frühgottesdiensten.

Es war der Wille des Landgrafen, dass die Theologen zuerst paarweise und in besonderen Zimmern sich unterredeten, „ob doch eine Einigkeit erfunden werden möchte“. Es sollte ohne Zeugen geschehen, „um dem Ehrgeiz als Sieger zu erscheinen am fügligsten zu steuern.“ Damit auch die zwei hitzigsten Kämpen nicht gleich an einander gerieten, hatte der Fürst angeordnet, dass der rechthaberische Luther mit dem gemäßigten Oekolampad, und der zuweilen auch heftige Zwingli mit Melanchthon, dessen Sanftmut man rühmte, sich besprechen sollten.

Was wurde durch diese weise Vorsorge erreicht?

Über die lange Verhandlung, welche Luther mit dem Baseler Prediger hatte, ist nur so viel bekannt, dass nach dem Ausgange derselben Oekolampad klagte: „Ich bin wieder an einen Dr. Eck geraten,“ den bekannten hartnäckigen Verteidiger der römischen Kirche.

Kaum erfolgreicher war das Gespräch der beiden Anderen, obgleich dasselbe nicht weniger als 6 Stunden dauerte. Melanchthon fing mit denjenigen Lehren an, in welchen den Reformierten die Rechtgläubigkeit abgesprochen wurde, nämlich von der Person Christi, der Erbsünde, dem Worte Gottes, der Rechtfertigung. Nachdem man sich so ziemlich hierüber verständigt hatte, kam man an die Lehre vom Abendmahl. Melanchthon machte wichtige Zugeständnisse, die sein Gegner sorgfältig niederschrieb und ihm dann wieder zu lesen gab, namentlich: dass in den Sakramentsworten: das ist, nur heißen könne das bedeutet. Ja, die Sache schien im besten Gange zu sein, um zu einer Vereinbarung zu führen, zumal da Melanchthon noch ferner zugab, „dass Christus seinen Leib den Jüngern nicht räumlich, nicht fleischlich in den Mund gegeben habe.“ Aus den Worten aber, die der Theolog von Wittenberg hinzufügte, „jedoch auf eine gewisse geheimnisvolle Weise,“ konnte Jedermann merken wie weit man noch vom Ziele entfernt sei. Zwingli wollte von dieser „geheimnisvollen Weise“ nichts wissen. „Es kann dieselbe,“ behauptete er, „nicht aus der Schrift bewiesen werden.“ „Dadurch wird's bewiesen,“ erwiderte Melanchthon, „dass geschrieben steht: das ist mein Leib und das ist mein Blut;“ worauf Zwingli: „Christus kann nicht an vielen Orten zugleich gegenwärtig sein. Er ist aber gen Himmel gefahren.“

„Ganz recht, er ist gen Himmel gefahren, auf dass er Alles erfüllete, wie Paulus sagt“ (Eph. 4,10). Wohl mit seiner Macht und Kraft,“ fiel Zwingli in die Rede, „aber nicht mit seinem Leib.“

Während dieses Gesprächs beteuerte Melanchthon: „Glaubt mir, mein Zwingli, wenn ich vermochte eurer Meinung beizutreten, ich würde es ohne alle Furcht (vor Luther) offen gestehen.“ In gleicher Weise äußerte er sich zu Hedio, der ihn auf dem Wege angetroffen und dringendst gebeten hatte, doch dahin arbeiten zu wollen, dass der Zwiespalt ausgesöhnt werde. „Ja, ich werde bemüht sein, dass der Streit nicht mehr überhand nehme, wenn auch nicht Alles ausgeglichen werden könne. Solche Stürme schickt uns Gott um uns aufzurütteln.“ Butzer, der am demselben Tag viel mit Luther verhandelte, musste schließlich die Worte hören: „Du bist des Teufels, und so du einen rechten Glauben hast und die Schrift, wirst auch du mich dem Satan übergeben, da ich deine Meinung verwerfe.“

Indessen mahnte der Fürst unablässig zur Eintracht, „dass ihm die Augen sind übergangen“. Als er dann zu seines Gleichen, dem Herzog Ulrich von Württemberg und zum Grafen von Fürstenberg, zurückkehrte, sagte er lächelnd: „Hat mich der Teufel zum Disputierer gemacht! … Ich will zwar nicht behaupten, dass ich wegen dieser Lehre mein Leben ließe, wenn aber mit einem halben Jahr Krankheit könnte geholfen sein, dass dieser Streit abgetan sei, ich würde es tun.“ „Und ich,“ sprach Fürstenberg, „ich wollte gern den dastehenden Humpen mit Bier austrinken.“ - Von den theologischen Händeln auf die weltlichen ablenkend, kam sodann zwischen diesen Herren die Rede auf die Erfindung eines Feuerwerkers von Marburg, in „Futerkugeln“ bestehend, welche durch vierschuhige Mauern dringen, dann brennen und wenn sie angehen, bei 100 Stein von sich werfen.

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