Erichson, Alfred - Martin Butzer, der elsässische Reformator - X. Butzer im Familien- und Freundeskreis.

Erichson, Alfred - Martin Butzer, der elsässische Reformator - X. Butzer im Familien- und Freundeskreis.

Ehe wir die ferneren Schicksale Butzers verfolgen, verweilen wir einen Augenblick an seinem häuslichen Herd, im Familien- und Freundeskreise. Auch hier, wie in seinem öffentlichen Leben, handelt er nach der apostolischen Mahnung: Ein Jeglicher von uns lebe dem Nächsten zu Gefallen, zu seinem Besten, zur Erbauung. (Röm. 15,2.)

Er wohnte als Dechant des St. Thomas-Stiftes, im alten geräumigen, in der Nähe der Kirche und der Hörsäle gelegenen Dechaneihof, heute das Stiftshaus Thomasgasse 15, (Ecke der Münzgasse), das eben in diesen Tagen aufs geschmackvollste restauriert worden ist.

An zwanzig Jahre stand ihm seine Gattin Elisabeth Silbereisen treu zur Seite: Durch ihre Gottseligkeit und Arbeitsseligkeit, bekannte er von ihr, bin ich in meinem Dienst merklich gefördert und aller Haussorge und zeitlicher Geschäfte enthoben worden. Mit Fug und Recht konnten die verheirateten Prädikanten, zur Rechtfertigung ihrer Ehe, sich in einer öffentlichen Schrift auf Butzers eheliches Glück berufen. Elisabeth gebar ihm dreizehn Kinder, von denen fast alle in zartem Alter starben. Sie selbst erlag mit fünf derselben im Monat November 1541 der damals in Straßburg wütenden Pest; sie hatte aus Liebe zu ihrem Mann die Stadt nicht verlassen wollen.

Zu derselben Zeit war Capito von der tödlichen Seuche ergriffen worden. Noch eine Viertelstunde vor seinem Ende schrieb er an Butzer einige Zeilen, in denen er ihn bat, die Gattin, die er hinterlassen würde, als aus seiner Hand anzunehmen, damit sie und ihre vier Kinder wieder einen Vater fänden. „Wie konnte ich anders als des sterbenden Freundes Stimme ehren!“ sagte Butzer, als er ein Jahr später die Witwe Capito's, Wibrandis Rosenblatt, heiratete. Sie war von Geburt eine Baslerin, die Schwester des Colmarer Münzmeisters Adelbert Rosenblatt. Auch von ihr konnte Butzer bezeugen, der Herr habe ihm „durch sie einen herrlichen Beistand in seinen Sorgen und Arbeiten gegeben.“

Nach seiner zweiten Verheiratung nahm Martin Butzer seinen Vater und die Stiefmutter zu sich: die eigene Mutter war früh gestorben. Da aber die alten Leute lieber für sich sein wollten „wegen des täglichen Überfalls und der Unruhe“ in der Wohnung des Sohnes, und weil dieselbe zur Ausübung des Küblerhandwerks unbequem war, so gab er ihnen zu ihrer Haushaltung in der Stadt eine Beisteuer. Als mit dem Alter die Gebrechen bei ihnen zunahmen, verhalf er ihnen auf ihre Bitte zu einer Pfründe im Spital, wozu er jährlich Geldbeiträge spendete, „denn sie waren nicht unter den Armen, sondern in ihrem eigenen Gemach, wo sie ihre Unterhaltung hatten.“

Es versteht sich von selbst, dass der Mann, der Anderen die Abhaltung eines Hausgottesdienstes empfahl, selbst mit gutem Beispiel voranging. Mit Gebet und Andacht wurde der Tag begonnen. Vor und nach dem Essen wurden Stellen aus der heiligen Schrift vorgelesen, an die sich fromme Gespräche anknüpften.

Butzer stand seinem Haus aufs Trefflichste vor. Einer seiner Hausgenossen, Peter Martyr, rühmt, es habe sich ihm, während einer Anwesenheit von vierzehn Tagen, nicht die geringste Misshelligkeit, sondern stets nur das erbaulichste Familienleben dargeboten. Die Kinder waren wohl erzogen. In welch herzlichem Ton ermahnt Butzer seinen zwanzigjährigen Sohn Nathanael (welcher, schwachsinnig, Gerber und später Sigrist an der Alt St. Peterkirche wurde): „Ich weiß leider deine Schwachheit an Leib und Gemüt wohl,“ so schreibt er, „und habe wahrlich ein väterlich Mitleid mit dir. Und dennoch hat dir der Herr, etwas zu lernen und zu tun, die Maße seiner Gnad gegeben; die verleugne nicht, ja erwecke sie in dir durch wahres gläubiges Gebet, durch fleißiges Hören und Lesen Gottes Wortes und Halten zu den Gottesfürchtigen, und ohne Unterlass übe dich in dem Katechismus und lerne den gekreuzigten Heiland Jesum Christum immer besser erkennen und in ihm suchen allen Nutz, Trost und Lust …“

An Heimsuchungen aller Art fehlte es ihm freilich nicht, aber sein Gottvertrauen half ihm auch das Schwerste, wie z. B. den Verlust lieber Angehöriger, mit christlicher Ergebung tragen. „Wir haben ein kleines Kreuzlein empfangen,“ so schreibt er, „der Herr hat uns unsere jüngste Tochter Irene, gar ein hübsch, lieblich, verständig Kindlein (so dünkt uns Eltern), zu sich genommen. Ihm sei Lob und geb uns die Kraft, dass es zu unserer Seele Heil gereiche.“ Beim Absterben eines anderen Töchterleins bat er, von Bonn aus, seinen getreuen Hubert zur heimgesuchten Mutter zu eilen und sie zu trösten. Den eigenen Schmerz dem Freunde anvertrauend, fügt er hinzu: „Du weißt nicht, wie schwer es fällt, Kinder zu verlieren. Ach! Wie sehr wünschte ich, alle die meinen noch zu haben! Doch, Herr Jesus, du weißt was uns gut ist.“

Von der innigen Zärtlichkeit, mit welcher er an den Seinen hing, zeugt auch sein Unmut, als er einmal längere Zeit ohne Nachricht von zu Haus geblieben war: „Ach, mein Bruder, ich bin ein Mensch und muss die Meinigen lieben! Und was die wahre Liebe mit sich bringt, weißt du selbst. Ich leide hier nicht wenig, aber man braucht mir die Last nicht zu verdoppeln.“

Nahrungssorgen blieben dem Butzer'schen Haus, namentlich in früheren Jahren, nicht erspart. Der Mann kannte ja keinen Überfluss, der von sich bezeugt: „Drei Gulden wöchentlich, von welchen ich nebst Weib und Kind leben musste, das war unser Reichtum.“ Wohl kamen hochherzige Gönner ihm manchmal mit Gaben zu Hilfe. So schickte der Landgraf von Hessen den Kindern Butzers 100 Goldgulden, „eine Summe,“ schreibt dieser, „die nicht zum Schmuck, sondern zur Notdurft behalten werden sollte, so der Herr will, der mir ein Söhnlein mit zwei Töchtern schon bei ihm versorgt hat, mit der Mutter.“

Nichtsdestoweniger bleibt es unbegreiflich, wie er, auch bei der einfachsten Lebensweise und allem haushälterischen Sinne, die Wohltätigkeit und die Gastfreundschaft in einem so ausgedehnten Maße ausüben konnte. Kein Armer klopfte vergebens an Butzers Pforte an, und sie waren zahlreich, die da anklopften. Pflegten doch, wie noch heute, die Bedürftigen, bei ihrer Ankunft in Straßburg, wie bei ihrem Weggang, vorerst bei den Geistlichen und Stiftsherrn vorzusprechen.

Es waren nicht immer Bettler gewöhnlichen Schlages; gar mancher der, des Glaubens willen aus seinem Heimatland vertrieben, aller Mittel entblößt war, musste unterstützt, getröstet und versorgt werden. Sein Haus glich einer Herberge, man fand immer Fremde bei ihm, die er gastfreundlich aufgenommen hatte, wie schwer auch die Lasten sein mochten, die damit dein Haushalt aufgebürdet wurden.

Ein Brief Butzers gibt ein anschauliches Bild hiervon: „Diesen Winter“ (1545), schreibt er, „habe ich nie unter acht Personen in meiner Behausung um des Herrn willen erhalten, abgesehen von anderer Steuer und Hilfesleistung, die ich den Dürftigen getan. Nicht ein Geringes habe ich von dem, das mir meine Hausfrau zugebracht also eingebüßt, dazu alle meine Besoldung, und dennoch Schulden, und zwar keine geringe gemacht. Dieses schreibe ich nicht gern, will mich auch selbst nicht rühmen, wie ich auch in solchem nicht gerechtfertigt und bei allem ein unnützer Knecht bin, hab es wegen der Anklage des Geizes (katholischerseits) getan, und das vor Gott, der Alles weiß und recht richten wird.“ Ein anderes Mal musste er vierzehn Fremde bewirten, darunter zwei Italiener, vier Franzosen und zwei Deutsche, und einen, der eine chirurgische Operation bestanden, obgleich Butzers Frau kaum vom Wochenbett aufgestanden war und die Magd krank darnieder lag.

Diese christliche Gastfreiheit wurde in zahlreichen Fällen der Anknüpfungspunkt zu einer innigen und zeitlebens dauernden Freundschaft. Waren doch unter den Flüchtlingen aus aller Herren Ländern, die er kürzere oder längere Zeit beherbergte, Männer wie der Schweizer Reformator Farel, Calvin, den Butzer selber mit „einer bescheidenen, aber nützlichen Tätigkeit“ nach Straßburg gerufen hatte, der Engländer und nachmalige Bischof von London, Edmund Grindall, Johannes Sturm, der deutsche Pfarrer Hardenberg und andere. Peter Martyr, auch einer derselben, schrieb an ihn: „Was ich von äußeren Vorteilen genossen, meine Anstellung, ja alles was ich geworden bin, verdanke ich, zunächst Gott, deinem Wohlwollen.“

Diejenigen, die unserem Reformator in dieser Weise näher getreten waren oder zu seinem engeren Freundeskreis gehörten, in erster Reihe die Straßburger Kollegen, sodann, unter Auswärtigen, die beiden Blaurer, Melanchthon, und ganz besonders Zwingli, der nach seinem Tod noch in ihm einen treuen Anwalt und Verteidiger seines Gedächtnisses fand, sie alle durften erfahren, wie fest man auf ihn bauen konnte, und dass es keine leere Redensart war, als er einmal versicherte, „bei uns ist der Brauch, was man verheißt, das leistet man auch völlig.“

Ein eigentümlicher Zug seines Charakters war, dass er gern Ehen stiftete. Ihr häusliches Glück verdankten ihm, unter Anderen, Capito, für welchen er an mancher Türe anklopfte, bis er ihm Wibrandis Rosenblatt (Oekolampads Witwe) zuführte, sodann Calvin, den er auf die feingebildete und fromme Idelette von Büren aufmerksam machte, und endlich Conrad Hubert, dem er ebenfalls zur „Veränderung“, d. h. zum Eintritt in den Ehestand väterlich verhalf. „Hie sehet Ihr, dass unglückhafte Leute anderen auch gern in's Unglück helfen“, so schrieb er scherzend an Margaretha Blaurer.

Mit dieser edelmütigen Konstanzer Jungfrau, der ersten „Diakonissin der evangelischen Kirche“, die ihr Leben den Armen und den Kranken widmete, unterhielt Butzer ein edles einzigartiges Freundschaftsverhältnis. Er nannte sie seine „Schwester, Tochter, Mutter, Perle“. Sie selbst, um ihm Freude zu machen, erlernte noch in vorgerücktem Alter die lateinische Sprache und korrespondierte mit ihm meistens in derselben. Der zwischen den beiden geführte umfangreiche Briefwechsel ist noch vorhanden. Er enthält neben langen theologischen Auseinandersetzungen und der Besprechung der allerwichtigsten Zeitfragen, harmlose Notizen über geringfügige Familien- und Haushaltungsangelegenheiten.

Wenn wir tiefer in den Charakter dieser gottbegnadeten Persönlichkeit eindringen, so erklärt sich auf die einfachste Weise der Zauber, den Butzer auf so namhafte und treffliche Persönlichkeiten aus den verschiedensten Ständen ausübte. Er besaß eben in hohem Grade die Eigenschaften, die nötig sind, um Freunde zu gewinnen und zu erhalten.

Wir denken zunächst an seine Bescheidenheit; so bezeugt, mit einem kleinen Seitenhieb auf Luther, Ambrosius Blaurer von ihm: „Butzer ist weit entfernt von irgend welchem Ehrgeiz und Hochmut, wie sehr auch einige andere sich für Götter halten.“ Butzer wies jedes Lob von sich, und als Blaurer sich einmal, in seiner Korrespondenz, sehr schmeichelhaft über ihn geäußert hatte, bat er ihn, ihm doch in seinen Briefen keine so großen Lobsprüche mehr zu spenden, durch die er ihn fast zu einem Gott mache, da er „diese Briefe ihres Inhalts wegen oftmals seinen Amtsbrüdern zeigen müsse.“ Ich begehre weder Gunst noch Lob von Jemand, will auch nit für gelehrt geachtet sein. Möchten wir Jesum Christum den Gekreuzigten lernen, hätten wir Kunst genug.“

Diese ungekünstelte Bescheidenheit den Menschen gegenüber wurzelte in einer tiefen Demut vor Gott. „Leider fehlet mir viel, bekennt er, in dem, dass ich meinen Dienst nit so eifrig und ordentlich verrichte und mein Leben zu demselben nit so gänzlich anschicke und vollbringe, als ich sollte“, und: „O dass ich doch ein wenig meinem Herrn und Erlöser möchte nachfolgen und des dankbar sein, der ich doch nichts bin, nichts kann, noch vermag! Alle habe ich durch ihn, aus Gnaden des Vaters.“

Streng in Urteil über sich selbst, mild und nachsichtsvoll gegen andere, stets bereit, alles zum Besten zu kehren, wusste er ohne Neid fremdes Verdienst ganz und voll zu würdigen. Um das Lob von sich abzuwenden, sagte er: „Capito ist es, der hier das Schifflein Christi führt.“

So hat er auch unsrem Luther, obgleich derselbe ihm, wegen des Abendmahlsstreites, nicht immer gewogen war, seine vollste Anerkennung zu Teil werden lassen. Er nennt ihn „das kräftigste und heiligste Werkzeug des Evangeliums“, …es habe Gott keinem andern Sterblichen einen gewaltigeren Geist und mehr göttliche Kraft zur Predigt seines Sohnes, zur Besiegung des Antichrists verliehen.“

Dem gewaltigen Manne gegenüber wusste er jedoch immer mit aller Entschiedenheit seine Selbständigkeit zu wahren. „Der Luther ist uns groß,“ sagte er, „und mehr denn groß, hat aber Petrus also struchen (straucheln) können, dass ihn Paulus vor Allen strafen musste, es mag wahrlich dem Luther auch geschehen.“ „Wir werfen Luther nit für unsren Meister auf, denn wir können in keines andren Meisters Lehre schwören als des einzigen Christus. .. Für unsern eigenen, persönlichen Glauben müssen wir einst antworten, und nicht für den Glauben Luthers oder sonst eines noch so angesehenen Lehrers. … In Glaubenssachen sollen wir selbst nicht auf einen Engel vom Himmel hören, sondern allein auf das ewige Gotteswort.“

Martin Butzer kannte weder Menschenfurcht noch Menschengefälligkeit. Es kann ihm freilich, so wenig als Luther, der Vorwurf erspart bleiben, dass er sich bewegen ließ, das Gutachten zu Gunsten der Doppelehe des Landgrafen von Hessen zu unterschreiben. Die großen Bedenken, die er längere Zeit gegen dieselbe hegte, wurden nur durch die Angst überwunden, im Landgrafen, durch eine Verurteilung seines Schrittes, die unentbehrliche Stütze des Protestantismus, zu verlieren.

Shakespeare sagt: Der ist ein guter Prediger, der seinen eigenen Lehren folgt. Der Mann, der, wie wir gesehen haben, einer seiner Schriften den Titel gab: „Dass sich niemand selbst, sondern anderen Leben soll“, blieb in seinem ganzen Leben diesem Grundsatz treu. Niemals suchte er seinen persönlichen Vorteil, vielmehr hat er mehr als einmal einen „reichlicheren und ruhigeren Dienst an andren Orten“ und glänzende Stellen, die ihm im Papsttum angeboten wurden, abgeschlagen. Er konnte an Philipp von Hessen schreiben: „Gott weiß, dass ich Eurer fürstlichen Gnad noch irgend einem Herrn in göttlicher Sache nie um eigenes Gewinnes willen gedienet hab; wo ich der Kirche und auch Einzelnen dienen kann, zu Förderung ihres Heils, da bin ich bereit zu tun, was ich schuldig bin, und wozu mir Gott die Kraft verleiht. Das Amt ist mir aufgelegt, weh mir, wenn ich sein nicht warte mit allem Fleiß. Mein Lohn ist der: dass meine Arbeit fruchtbar gewesen sei.“

Mit außerordentlicher Arbeitskraft ausgerüstet, war Butzer unermüdlich in seinem Wirken, und in dieser Beziehung kann er einem Luther und einem Calvin zur Seite gestellt werden. Peter Martyr erzählt uns: „Immer sah ich ihr beschäftigt, nicht allein in eigenen Angelegenheiten, sondern in gemeinnützigen, mit Predigen, mit dem Kirchendienst und der Seelsorge, mit Besuchung der Schulanstalten, mit Gängen auf die Kanzlei. Wenn ich Nachts vom Schlaf aufstand, fand ich ihn noch wachend, entweder beim Studieren oder sich auf seine Reden vorbereitend.“

Als Gesandter der Stadt oder im Auftrage seiner Amtsbrüder musste Butzer viele Reisen unternehmen, und er hat wohl die Hälfte seines späteren Lebens auf Kolloquien, Konventen, Reichstagen zugebracht. Aber selbst auf diesen Reisen hat er seine Studien fortgesetzt, Bücher geschrieben, seine weitläufige Korrespondenz besorgt. Wie sehr er die Zeit auszunützen wusste, beweist der Umstand, dass er selbst beim Haarschneiden fleißig Schriften las oder Briefe diktierte, und in einem freien Augenblick während einer Kirchenvisitation in Eckbolsheim den Boten aus der Schweiz abfertigte.

Er brauchte fast immer zwei Schreiber, doch warf er an einem Tage so viel auf das Papier, dass auch diese ihre Arbeit nicht überwältigen konnten. Kein Wunder, dass sich dabei seine in früheren Zeiten noch wohl leserliche Handschrift dermaßen unter dieser Eilfertigkeit verschlechterte, dass man sagen konnte: Butzers Briefe bedürfen nicht des Lesens, sondern des Erratens, und dass selbst die Konstanzer Freundin Margaretha erklärte, nichts mehr von ihm lesen zu wollen, wenn er sich nicht befleißigte, besser zu schreiben.

Diese Vielgeschäftigkeit und Zersplitterung hatte auch ihre Nachteile. Butzer fühlte, dass es ihm oft an Sammlung und stillen Stunden gebreche. Allein er konnte es nicht lassen: „Geschäftig sein ohne Ausruhen, ist mein Gebresten1)“, sagte er von sich.

Der schädliche Einfluss der Überanstrengung auf die Gesundheit Butzers blieb nicht aus. Wie besorgt ist ein ihm befreundeter Arzt: „Der gute Mann arbeitet zu viel, ich hab Angst, bei seinem Schwindel möchte die Fülle der Arbeit nichts Gutes anrichten, und sollt' er uns genommen werden, wäre wahrlich mehr verloren, als wenn irgend welcher unter allen Gelehrten abginge.“ „Er wird sich, wenn Gott nicht sonder Gnad' gibt, zu Tod arbeiten.“

Dass Butzer es dennoch so lange aushielt, verdankte er nur seiner starken Konstitution. In späteren Jahren pflegte er eine Badekur, besonders in Wildbad, zu gebrauchen.

Er war klein von Gestalt, „ein Mann groß an Geist, aber ein Zachäus an Körperbau, der aber seinen Widersacher Murner als einen langen Philister mit der Schleuder der heiligen Schrift zu Boden geworfen hat.“

Das dieser Schrift beigegebene Bild, die Wiedergabe eines Straßburger Holzschnittes, zeigt uns auf kurzem als einen mächtigen Kopf mit stark ausgeprägten, ernsten Zügen. Der Mund ist klein, die Nase stark und gebogen. Augenzeugen berichten, dass seine im Zorn blitzenden Augen und die hohe, in Falten sich zusammenziehende Stirne die Frechsten einschüchterte, und auch „sein ganzes Antlitz zu erkennen gab, welch hohen Verstandes er gewesen, denn auch das Äußere tue die angeborene Art frommer Leute kund.“ Wir dürfen daraus schließen, dass die ganze Erscheinung Butzers, der Statur zu Trotz, eine imponierende war.

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Krankheit
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