Christoffel, Raget – Lebensbilder - Pomponio Algieri von Hola.
Erlitt den Märtyrertod zu Rom 1556.
1. Pomponio Algieri wird als Student in Padua Mitglied der evangelischen Gemeinde daselbst.
Pomponio Algieri ward im Jahre 1531 zu Nola im Königreiche Neapel geboren. Wohl ward schon seine Jugend von jenem evangelischen Geist angeweht, welcher die „selige Gesellschaft“ des Juan Valdez beseelte. Algieri hatte sich dem Studium der Wissenschaft gewidmet und besuchte zur Fortsetzung desselben die damals so berühmte venezianische Hochschule zu Padua. Hier erbaute sich, wie wirs bereits aus der Lebensbeschreibung Mollios entnommen, schon frühzeitig in der Stille eine evangelische Gemeinde, zu der namentlich auch viele Professoren und Studenten der Hochschule gehörten. Bis zum Jahre 1542 hatte der Senat von Venedig sowohl in der Stadt als im weiten Gebiete der Republik ziemlich unentwegt Religionsfreiheit für seine Untertanen gewährt und aufrecht erhalten. Die oft feindliche politische Stellung, in welcher diese Republik zum Papst als Beherrscher des Kirchenstaates stand, begünstigte auch sehr die Verbreitung der evangelischen Lehre, „dass das Reich Christi nicht von dieser Welt sei und dass der Papst ohne Grund des göttlichen Wortes sich anmaße, der Statthalter Christi auf Erden zu sein.“ Überdies veranlasste der rege Handelsverkehr, welchen die Königin des Adriatischen Meeres mit der Schweiz und mit Deutschland unterhielt, dass auch die Schriften der deutschen und schweizerischen Reformatoren bald nach ihrem Erscheinen durch Kaufleute in Venedig eingeführt und verbreitet wurden. So kam es, dass die Lehren und Grundsätze der Reformatoren hier frühzeitig Eingang und Verbreitung fanden und in Venedig, wie in Padua, Treviso, Vizenza und in anderen Städten und Ortschaften der Republik evangelische Gemeinden in der Stille sich bildeten und aus der heiligen Schrift und den Werken der Reformatoren sich erbauten. Auch einige Mitglieder des Senates zeigten sich der evangelischen Lehre geneigt und man hoffte schon, diese mächtige Behörde ganz für die Reformation zu gewinnen. Diese Fortschritte der evangelischen Lehre in Venedig und im Gebiete dieser mächtigen Republik blieb in Rom nicht unbeachtet. Der Papst suchte durch seine Legaten den Dogen und Senat zur Verfolgung und Unterdrückung mit aller Macht zu bestimmen: „Täglich mehre sich das Übel durch die Saumseligkeit der Beamten,“ klagt Paul III. in einem Schreiben an den Senat, Doge und Senat sollen nicht länger gleichgültig zusehen, nicht einen neuen Reim innerer Spaltung aufkommen lassen; bedenken sollen sie, dass wer Gott abtrünnig werde, auch den Menschen nicht gehorche.
Als die Inquisitionsbulle den 21. Juli 1542 veröffentlicht wurde, beugte sich auch die stolze Königin der Meere vor der Macht der Umstände und ließ auch zu, dass Inquisitionsgerichte in ihrem Gebiet errichtet wurden. Allerdings befand sich im Venezianischen die Inquisition unter einer gewissen Aufsicht des Staates. In der Hauptstadt saßen die Nobili im Tribunal des Inquisitors; in den Provinzen hatte der weltliche Richter Anteil an der Untersuchung, und musste in wichtigen Fällen bei dem Rat der Zehn Einfrage tun. Wenn auch diesem Einfluss des Staates auf das Inquisitionstribunal zu verdanken ist, dass Niemand in Venedig und im Gebiet dieser Republik bis 1560 wegen Bekenntnisses des Evangeliums die Todesstrafe erleiden musste, so war doch die Lage der Evangelischen seit Einsetzung dieser Behörde eine sehr missliche und bedauernswürdige, wie wir aus folgender Stelle eines Briefes, den ein Evangelischer in Venedig, Algieri, an Luther schrieb, entnehmen: „Der Antichrist wütet hier mit einer größeren Heftigkeit gegen die Auserwählten Gottes. Viele von ihnen sind verbannt, von denen Einige nach Genf, Basel und anderen Städten der Schweiz, sowie nach den Grenzgebieten Rhätiens ausgewandert sind; Andere schmachten in den Gefängnissen. Niemand nimmt sich der Unschuldigen an und verteidigt die Ehre Christi. Ale scheinen sich verschworen zu haben, den Herrn und seinen Gesalbten zu unterdrücken. Nirgends ist die Wut heftiger als hier, wo der Antichrist mit offener Gewalt seine Herrschaft behauptet und das Kind des Verderbens alles ohne Widerstand besitzt. Wir aber flehen ohne Unterlass zum Herrn, dass er einen Stärkeren über ihn sende, der ihn überwältige und ihm die Rüstung entreiße, auf die er so sehr pocht, damit der gute Hirt uns wieder in seine Hut nehme, der sein Leben für uns gelassen hat und dessen Stimme wir so gerne folgen, wenn er uns vorangeht und auf die grüne Weide führt.“ Das war die Lage und die Stimmung der Evangelischen in Venedig und in den zu dieser Republik gehörigen Städten zur Zeit, als Algieri in Padua studierte. Es ist ein schönes Zeugnis von der Innigkeit ihres Glaubenslebens und von ihrer evangelischen Standhaftigkeit, dass diese evangelischen Christen trotz der Verfolgungen, die über sie ergingen, fortfuhren, sich im Stillen zu erbauen und in christlicher Bruderliebe unter einander zu trösten und stärken. - Nachdem Pomponio Algieri aus innigster Überzeugung der stillen evangelischen Gemeinde zu Padua sich angeschlossen hatte, scheint er auch, wie Stephanus, in Feuereifer der ersten Liebe seinen Glauben freimütig in seinen Gesprächen bekannt und verteidigt zu haben. Daher wurde er von den Kundschaftern der Inquisition beim Podesta von Padua wegen Verbreitung ketzerischer Lehren verklagt und von diesem dann gefangen genommen und ins Gefängnis geworfen.
2. Pomponio Algieris erstes Schreiben aus dem Gefängnis an seine evangelischen Glaubensbrüder.
Nach einem vorläufigen Verhör, welches mit Algieri in Padua vor dem Podesta angestellt worden, wurde er gefesselt nach Venedig abgeführt, damit ihm da der Prozess gemacht werde. Hier wurde er zunächst ins Gefängnis getan und sodann weiter verhört. Der Senat suchte ihn zum Widerruf seiner geäußerten Glaubensansichten zu bewegen, unter dem Versprechen, ihn alsdann frei zu lassen. Allein Algieri wollte sich zu keinem Widerruf verstehen, sondern blieb seiner evangelischen Überzeugung in den schwersten Prüfungen, die ihm auferlegt wurden, treu. Mit seinen evangelischen Glaubensbrüdern unterhielt er aus seinem Gefängnis einen schriftlichen Verkehr und es sind uns noch Briefe, die er an diese richtete, aufbewahrt worden, aus welchen wir hier Einiges mitteilen wollen. Im ersten Briefe spricht Algieri also aus.
„Liebe Brüder! Dieweil ich mich mit Euch durch die starken und unauflöslichen Bande christlicher Bruderliebe verbunden fühle, so will ich gerne Eurem Begehren entsprechen und meine Bekenntnisse, die ich vor meinen Richtern abgelegt, kurz mitteilen. Nur bitte ich Euch, mich entschuldigen zu wollen, dass ich dieselben nicht so mit Sprüchen bewähre, wie ich es gerne wollte, da mir dazu sowohl die nötige Zeit als das Mittel, nämlich eine Bibel fehlt. Auch muss ich mich kurz fassen, da ich mich nie allein befinde und überdies unter der übergroßen Hitze unaussprechlich leide. Wohl sind zwar diese meine Bekenntnisse durch den Notar ausführlich niedergeschrieben, aber da meine Widersacher durch allerlei Zwischenfragen und Einwendungen mich zu verwirren und zu fangen suchten, so möchten meine Antworten kaum getreu darin sich ausgezeichnet finden. Doch der Herr wird sie auch einmal fangen in den Stricken und Netzen der Finsternis, von welchen ihre Herzen umgarnt sind und wird sie endlich mit ihrem Wüten und Toben zu Schanden machen. Ich habe ihnen oft den Mund gestopft, indem ich sagte, ich wolle gerne widerrufen, wenn sie mir mit der heiligen Schrift nachweisen, dass ich geirrt habe. Mein Glaube sei der, welchen auch die Kirche bekenne, die rein und frei von aller Ketzerei sei. Wolle man sich aber dem Herrn Christo widersetzen, so wolle ich zeigen, wie mächtig der Geist Gottes sei und wie ohnmächtig dagegen die Bosheit der Menschen. Demnach könnt Ihr, liebe Brüder, aus meinem Schreiben entnehmen, auf welchem Grund mein Glaube ruht und was ich den Verfolgern der Christen geantwortet habe. Inzwischen warne ich Euch, dass Ihr nicht das Heiligtum den Hunden gebt, noch die Perlen vor die Säue werft. - Bittet den himmlischen Vater für mich, dass er die Gaben des heiligen Geistes in mir mehre und mir Kraft, Hoffnung und Liebe verleihe, damit ich ihm allein Ehre und Preis mit aller Freudigkeit geben möge durch Jesum Christum, unseren Erlöser, Amen.“
3. Aus dem ersten Inquisitionsverhör, welches mit Algieri abgehalten wurde,
Inquisitor: Glaubst Du eine heilige allgemeine christliche Kirche?
Algieri: Ja.
Inq. Glaubst Du, dass die heilige römische Kirche diese allgemeine sei und willst Du Dich derselben unterwerfen?
Alg. Die römische Kirche ist nicht die allgemeine, sondern eine besondere Kirche, und da ich ein Glied bin der allgemeinen Kirche d. h. des geistlichen Leibes, dessen Haupt Jesus Christus ist, so unterwerfe ich mich keiner besonderen Kirche; denn eine solche kann von der Wahrheit abirren, wie solches die Briefe des Apostels Pauli und die Kirchenväter, ja auch die Dekrete der römischen Kirche bezeugen.
Inq. Warum willst Du Dich nicht der römischen Kirche unterwerfen? Was findest Du in der selben für Irrtümer, wenn man von einzelnen Missbräuchen absieht?
Alg. Wenn die Missbräuche entfernt würden, so würde auch von der gegenwärtigen römischen Kirche wenig mehr übrig bleiben. Doch will ich nun wirklich von diesen Missbräuchen absehen und nur die Irrlehren derselben berühren. So irrt nun die römische Kirche, indem sie unsere Seligkeit nicht allein vom Verdienst Christi, sondern auch von demjenigen unserer guten Werke abhängig macht. Wie sehr aber eine solche Behauptung der Lehre der Apostel widerstreitet, ergibt sich klar aus Röm. 3., Galat. 3. 1. Timoth. 1 und Act. 15.
Inq. Du behauptest demnach, dass es keine guten Werke gebe.
Alg. Ich behaupte nur, dass wir aus lauter Gnade des Herrn Jesu Christi gerecht und selig werden. Die guten Werke sind für den Christen so notwendig, dass einer ohne dieselben gar nicht diesen Namen verdient. Gleich wie nur der Baum gut genannt wird, der gute Früchte trägt, so verdient auch nur derjenige den Namen eines Christen, der in den guten Werken die Früchte des Glaubens zur Seligkeit aufweist. Die Behauptung aber der römischen Kirche, dass das Gute von uns herkomme, und dass wir durch unsere guten Werke und also durch unser Wollen das Himmelreich und unsere Seligkeit verdienen, ist falsch und widerstreitet geradezu dem Wort Gottes, indem dasselbe ausdrücklich bezeugt, dass nichts Gutes von uns, sondern Alles von der Gnade Gottes, die in uns wirkt, herstamme. Von Gott allein kommt sowohl das „Wollen“ als das „Vollbringen“, wie Paulus klar lehrt Philipp. 2 und 1. Corinth. 3. Unser Fleisch, das dem Tod unterworfen ist, wirkt nur solches, was vor Gott ein Gräuel ist. Und wo ist der freie Wille, wenn der Apostel Paulus bekennen muss: „Das Gute, das ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich. So ich aber tue, das ich nicht will, sondern das ich hasse, so tue ich nun dasselbe nicht, sondern die Sünde, die in mir wohnt?“ Wenn nur der einen freien Willen hat, der tun kann, was er will; der Mensch aber, nach dem Zeugnis des Apostels, nicht tut, was er will, sondern was er hasst, so hat er auch keinen freien Willen.
Sodann finde ich einen unleidlichen Irrtum in der Lehre der römischen Kirche, dass sie die „Erwählung“ vom Verdienst der Werke und nicht von der freien Gnade Gottes abhängig macht, der voraussieht, wie die Menschen werden und daher die Frommen erwählt und die Gottlosen verwirft. Wenn uns, wie auch die römische Kirche bekennt, die Seligkeit aus Gnade und nicht aus Verdienst der Werke zu Teil wird, so folgt auch notwendig, dass wir aus Gnade und nicht in Folge Verdienstes der Werke „erwählt“ werden.
Inq. Du bist ein ganz verruchter Ketzer. Wir wollen uns nicht weiter mit Dir darüber einlassen.
Alg. Warum nennt Ihr mich einen Ketzer, da ich doch weder ein Jakobiner, Barfüßer, Basilianier, noch ein Kreuzmönch, Einsiedler, Benediktiner, Karthäuser oder Karmeliter bin? Oder sagt mir doch, welcher Sekte ich sonst zugetan sei? Findet Ihr, dass ich irre? so beweist es und belehrt mich eines Besseren.
Inq. Was glaubst Du von den Sakramenten?
Alg. Ich will Euch später darauf antworten. Einstweilen bitte ich Euch, mir zu sagen, warum Ihr mich einen Ketzer nennt? denn ich wünsche nur meinem Heiland Jesu Christo anzugehören und ihm nachzufolgen.
Inq. Wenn Du nicht besessen und ganz vergiftet wärst, so würdest Du glauben, was die heilige Mutter, die römische Kirche, verordnet und als Glaubensartikel festsetzt, dieweil die heiligen Päpste, die Statthalter Christi, solches befohlen und die heiligen Väter und Kirchenlehrer es bestätigt haben. Du solltest Dich schämen, so trotzig zu antworten und Dich wider den Nachfolger des heiligen Petri, das Haupt der Kirche, aufzulehnen!
Alg. Nur der Tyrannei des Antichrists widersetze ich mich, indem ich nur ein einiges Haupt der Kirche kenne, nämlich Jesum Christum, den Herrn der allgemeinen christlichen Kirche, dem ich mich mit allen wahrhaft gläubigen Christen unterwerfe. Lest und beherzigt, was der Apostel Paulus schreibt Ephes. 4 und Koloss. 1.
Inq. Wir wissen sehr wohl, dass Christus das Haupt seiner Kirche ist im Himmel und auf Erden; aber er hat auch den Papst zu seinem Statthalter auf Erden bestellt.
Alg. Christus ist mit der allgemeinen oder katholischen Kirche, deren Haupt er ist, lebendig und unzertrennlich verbunden; denn sie ist ja sein Leib, wie Ephes. 4 geschrieben steht. Ihr sollt aber nicht wähnen, dass er wie Eure Bischöfe handle, welche die ihnen anbefohlenen Schafe einem sogenannten Vikar oder Stellvertreter überlassen, während sie selbst in Rom in aller Pracht und Herrlichkeit leben und sich allen Ausschweifungen ergeben. Aber der Herr Christus verlässt niemals seine Herde, sondern weidet und stärkt sie und lässt sie augenscheinlich seine Liebe und Treue erfahren. Wie nun jeder Leib nur ein Haupt haben kann, so hat auch der geistliche Leib Christi nur ein einiges Haupt, nämlich den ewigen eingebornen Sohn Gottes.
Inq. Hat nicht Christus selbst Hirten über seine Herde gesetzt, wie wir ja Ephes. 4,11 lesen; dass er etliche zu Aposteln gesetzt, etliche zu Propheten, etliche zu Evangelisten, etliche aber zu Hirten und Lehrern?
Alg. Ich glaube und bekenne, dass der Herr Hirten über seine Herde verordnet; aber zeigt mir dagegen, wo Christus oder seine Apostel jemals einen Hirten über seine Gefährten eingesetzt habe; welche Ehre einzig dem Sohn Gottes zukommt. Er allein ist der gute Hirt, der seine Schafe kennt und auch denselben bekannt ist. Joh. 10. Diese Ehre soll ihm auch Niemand rauben, dieweil er sie teuer erkauft hat mit seinem eigenen Blut, wie wirs im Brief an die Ebräer lesen. Sagen nicht auch Eure eigenen Dekrete: Wer auf Erden nach Herrschaft über die Brüder trachtet, wird Schmach und Schande im Himmel finden und wer ein Herr sein will, soll nicht unter die Diener Gottes gezählt werden?
Inq, Wohlan, so zeige und nenne uns die Hirten, deren Paulus gedenkt in der katholischen Kirche, die Du Dir in der Luft träumst!
Alg. Die Kirche, zu der ich mich bekenne, ist kein Traum oder Luftgebilde, sondern besteht auf Erden aus allen wahren Christen und Dienern Gottes, welche hin und wieder in der Welt zerstreut sind, und es weiß jeder wahrhaft Gläubige, dass er auch ein Glied dieser allgemeinen oder katholischen Kirche ist.
Inq. Wo sind aber in dieser Kirche die Hirten, deren Paulus gedenkt?
Alg. Jedenfalls müssen dieselben auch Glieder dieser allgemeinen Kirche sein. Indessen, nennt Ihr mir eine besondere Kirchgemeinde, so will auch ich den Hirten derselben nennen.
Inq. Wo ist aber der Hirt der Gemeinde, zu der Du gehörst?
Alg. Es gibt zweierlei Hirten, weltliche und geistliche. Die Ersteren sind gesetzt zum Schutz der Frommen und zur Bestrafung der Übeltäter. In dieser Beziehung erkenne ich die Regierung von Venedig, unter der ich lebe, als meine weltlichen Hirten. Den geistlichen Hirten liegt es ob, die Furcht Gottes zu pflanzen und zu pflegen, durch Verkündigung des göttlichen Wortes, sowie durch gutes Beispiel und durch Spendung der heiligen Sakramente nach der Einsetzung Christi die ihnen anvertrauten Gemeinden zu erbauen. Da aber jetzt hier keine äußerliche Kirche besteht, in der solches geschehen darf, sondern nur die päpstliche Synagoge, deren Mitglied ich in keinerlei Weise zu sein begehre, so weiß ich auch keine solche Hirten zu nennen.
Inq. Wenn Du kein Mitglied dieser Kirche sein willst, und in dieser Stadt keine andere als römischkatholische Priester und Hirten sind, so befindest Du Dich außerhalb der Kirche und hast keinen Hirten.
Alg. Wenn jemand auch kein Mitglied einer äußeren Kirchgemeinde ist oder sein kann, so folgt nicht, dass er auch kein Glied der allgemeinen wahren Kirche Christi sei. Es kann z. B. ein Christ unter den Heiden oder Türken leben und da keinem äußeren Gottesdienst in einer christlichen Gemeinde beiwohnen können, aber dabei dennoch Christum im Herzen tragen und ein wahrer Gläubiger sein. Sollte ein solcher darum auch aus der allgemeinen Kirche ausgeschlossen sein, weil er keiner Kirchgemeinde angehören kann und keinen sichtbaren Hirten hat?
Inq. Schweig still und geh wieder in Dein Gefängnis und mache Dich auf einen Widerruf gefasst, sonst wird es Dir schlimm ergehen.
Alg. Ich gehe gerne dahin und auch zum Tod, wenn Gott es will; denn dazu bin ich bereit. Gott wolle mich durch sein Licht immer mehr erleuchten, dass ich mit freudigem Herzen alle Marter zu ertragen vermöge. Ja ich erfahre immer deutlicher, dass der Herr Jesus Christus allein der rechte Tröster aller betrübten Herzen ist!
4. Aus dem zweiten Verhör.
Inq. Wie viele Sakramente gibt es in der Kirche?
Alg. Ich weiß nicht, warum Ihr nach der Zahl der Sakramente fragt. Nach der Kirchenlehre versteht man unter Sakramente ein sichtbares Zeichen oder Gedächtnis einer heiligen Sache. - Wenn Ihr aber wissen wollt, was ich von den Sakramenten halte, so fragt und ich werde Euch antworten.
Inq. Glaubst Du, dass die Priesterweihe ein Sakrament sei?
Alg. Nicht die Weihe, sondern die Wahl der Gemeinde macht einen zum Priester oder Hirten derselben. Die wahre Weihe ist die innere Salbung des heiligen Geistes. Dagegen behaupte ich, dass der Papst ein Widersacher Christi sei, und dass diejenigen, welche seine Zeichen tragen, nicht Christi Diener seien, sondern der Fahne seines Feindes und Widersachers folgen.
Inq. Demnach wären wir Diener des Satans und nicht des Herrn Jesu Christi?
Alg. Das könnt Ihr wohl am besten selbst wissen. Eure Werke sind zwar offenbar, so dass auch Andere Euch nach denselben beurteilen können.
Inq. Du erfrechst Dich wohl noch zu behaupten, dass die Priester und Bischöfe keine Diener Christi seien?
Alg. Wenn sie das Wort Gottes predigen und in ihrem Leben sich nach demselben richten, so sind sie Diener Gottes. Dabei dürfen sie aber nicht dem Papst anhangen, noch seine Zeichen tragen, noch sich nach den Lehren des Antichrists richten.
Inq. Was sind das für Zeichen, die Du zu tragen verbieten willst? Und wo ist der Antichrist und sein Reich, von dem Du auch in Deinen Briefen so oft handelst?
Alg. Die Zeichen, vor welchen der gläubige Christ einen Abscheu empfindet, sind die Kutten, Kappen und Kreuzlein der Mönche und Geistlichen. Der Antichrist aber ist der Papst, dieweil er sein Amt und seine Gewalt, wie wir es oben gezeigt, wider den Befehl des Herrn Jesu Christi besitzt. Sein Reich aber bilden die Mönche, Priester und alle, die sich ihm unterwerfen und seine Befehle vollziehen. Solches lehrt die heilige Schrift klar und bestimmt und es bezeugen auch Alle, welchen der Herr Erkenntnis der Wahrheit verliehen und sie ihn lieben.
Inq. Hältst Du wohl auch die heilige Taufe für kein Sakrament?
Alg. Die Taufe ist wahrhaft ein Sakrament, denn durch sie werden wir als Christi Eigentum erklärt und bezeichnet und bekennen, dass Christus für uns gestorben sei, und dass er uns mit seinem teuren Blut abgewaschen habe von allen unseren Sünden und Unreinigkeiten. Die Taufe ist daher ein Gedächtnis und Pfand, dass wir durch Christum erlöst worden und selig werden.
Inq. Was hältst Du vom „Chrisam“ oder „Weiheöl“, das man beim Firmeln gebraucht?
Alg. Es bezeichnet kein Geheimnis und ist auch nicht durch Christum geordnet und anbefohlen. So wie aber die „Wiedertaufe“ Christo und seiner Lehre widerstreitet, so ist auch Alles wider ihn, was man ohne seinen Befehl zur Taufe hinzufügt. Daraus könnt Ihr entnehmen, ob ich ein Wiedertäufer sei, wie es einige von Euch mir vorwerfen.
Inq. Du scheinst vielmehr uns zu Wiedertäufern machen zu wollen, indem Du uns mit ihnen vergleichst. Doch lasst uns fortfahren. Darfst Du auch behaupten, es sei nicht nötig gewesen, dass Petrus und Johannes zu Gott gebetet, dass er den heiligen Geist über die ausgieße, welche von Philippo, allein auf den Namen des Herrn getauft worden waren? Act. 8. Wie willst Du nun sagen, dass das Firmeln nicht nötig sei?
Alg. Ich bekenne, dass es nach der Erzählung Act. 8. nötig gewesen sei, für sie, die allein auf den Namen des Herrn getauft waren und den heiligen Geist noch nicht empfangen hatten, um die Gabe des heiligen Geistes zu bitten. Aber antwortet nun auch auf meine Frage: Als Paulus, Titus, Timotheus, Aquilla, Priscila, der Hauptmann Cornelius, ja der Herr Christus selbst getauft worden sind, welche Firmelung folgte wohl da der Taufe? War ihnen wohl auch der Chrisam, von dem ihr so große Dinge machet, von Nöten?
Inq. Ist die Firmelung nicht gefolgt auf die Taufe des Cornelius und seines ganzen Hauses?
Alg. Der Hauptmann und die Anderen, die bei ihm waren, empfingen den heiligen Geist und wurden darauf getauft, wie wir solches klar und bestimmt der Erzählung der Apostelgeschichte entnehmen.
Inq. Nach Deiner Meinung wäre also bei der heiligen Taufe weder Chrisam, noch Salz, noch Beschwörung und Ausbannung des Teufels, noch andere Zeremonien, welche die katholische Kirche befohlen und festgesetzt, von Nöten?
Alg. Nach dem Befehl Christi hat die Taufe allein mit Wasser und mit den Worten zu geschehen: „Ich taufe dich auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes,“ wie wir es deutlich lesen Matth. 28,19. So wurde auch Christus von Johannes dem Täufer nur mit Wasser getauft, ohne Chrisam, Salz, Kerzen und Beschwörungen. Darum verwerfen wir alles, was über und gegen das Wort Gottes zur Taufe hinzugefügt worden, damit uns nicht jenes strafende Wort Christi treffe: „Ihr verlasst Gottes Gebot, und haltet der Menschen Aufsätze.“ Marc. 7,8.
Inq. Wenn die Taufe der römisch-katholischen Kirche so schlimm und irrig ist, so musst Du Dich wiedertaufen lassen.
Alg. Das ist nicht nötig, dieweil die Taufe ein Sakrament ist und auch nach der Lehre Eurer Kirche nicht, durch der Menschen Bosheit verderbt oder entkräftet wird. Darum ist es nicht nötig, dass ich mich wiedertaufen lasse.
Inq. Mit der Beichte wirst Du, ohne Zweifel, auch das Gespött treiben wie mit anderen heiligen Dingen.
Alg. Ich finde in der heiligen Schrift, dass ein Christ seine Sünden und Fehler auf zweierlei Weisen bekennen solle. Erstens sollen wir nach 1. Joh. 1 oft, ja ohne Unterlass Gott unsere Sünden bekennen. Zweitens sollen wir dem, welchen wir beleidigt oder erzürnt haben, und mit dem wir uns wieder versöhnen wollen, unumwunden bekennen, dass wir ihm Unrecht getan und dass uns solches leid tue. Von diesem Bekenntnis schreibt der Apostel Jakobus im dritten Kapitel seines Briefes, welchen Ausspruch Ihr aber zu Gunsten Eures Beutels und Eures Mutwillens zu deuten pflegt. Die „Ohrenbeichte“ aber, wie Ihr sie im Brauch habt, wird in der heiligen Schrift nirgends gelehrt oder empfohlen. So hat sie auch die katholische Kirche nicht immer gelehrt, wie die griechische Kirche auch beweist, die sie verwirft. Wenn übrigens jede Lehre und Einrichtung nach den Früchten, die sie trägt, beurteilt werden muss, so ist die Ohrenbeichte durchaus zu verwerfen, dieweil sie die verderblichsten Früchte trägt, indem sie zum Deckmantel der schändlichsten Laster dient. Überdies lehrt Ihr, dass die Sünden durch die Handauflegung des Priesters oder Mönches vergeben werden können, was durchaus irrig ist. Es ist nämlich klarer als die Sonne am hellen Mittag, das die Sünden nur durch das Blut Christi den Menschen vergeben werden, wie Ihr denn solches auch in Euren Dekreten selbst bekennt. Deshalb halte ich alle Mönche und Pfaffen, welche die Ohrenbeichte lehren und üben für Feinde Christi, von welchen keine Vergebung der Sünden herrühren kann. Überdies verdammt der Apostel Paulus 2. Timoth. 2 die Ohrenbeichte mit anderen Missbräuchen der letzten Zeiten.
Inq. Ich sehe wohl, dass Du uns gerne für Ketzer erklären möchtest, aber Du sollst noch erfahren, dass wir Deiner spotten. Ein anderes Mal wollen wir Dich über die anderen Sakramente verhören.
5. Aus dem dritten Verhör.
Inq. Was glaubst Du vom Sakramente der Danksagung? Hältst Du dieselbe wohl für ein Sakrament?
Alg. Ja sie ist ein Sakrament. Darum glaube ich und bekenne ich auch, dass sie ein Sakrament sei.
Inq. Dahinter steckt etwas. Anfangs leugnetest Du Alles und jetzt bekennst Du Alles. Du scheinst Dich auf einen Widerruf vorzubereiten.
Alg. Was unwahr und irrtümlich ist, habe ich geleugnet und werde es ferner tun, damit ich nicht von der Gnade Gottes verlassen werde und in Verzweiflung falle. Dagegen glaube und bekenne ich Alles, was ein frommer Christ glauben und bekennen soll.
Inq. Wohlan denn, wir wollen es bald sehen. Glaubst Du, dass die Hostie sich in den wirklichen Leib Christi verwandle, wie derselbe am Stamme des Kreuzes gehangen, während ihre Gestalt und Farbe, d. h. die zufälligen Dinge an ihr, unverändert bleiben?
Alg. Ich glaube festiglich, dass nicht allein die zufälligen Eigenschaften, wie Farbe und Gestalt, sondern dass auch das Wesen unverändert und unverwandelt bleibt. Solches lehrt sowohl die heilige Schrift als die Erfahrung. Lässt man die Hostie einige Zeit stehen, so verschimmelt sie oder es entstehen Würmer darin; es wäre aber eine abscheuliche gottlose Rede, wenn man sagen wollte, dass solches dem Leib Christi widerfahre. Daher muss auch die Substanz nach der Konsekration Brot bleiben, wie sie vorher gewesen ist.
Inq. Du verstehst Dich sehr schlecht auf diesen Handel.
Alg. Was wollt ihr gegen diese Ansicht einwenden, da auch der heilige Augustinus sowohl im zehnten Kapitel des dritten Buches von der christlichen Lehrer als in seiner Auslegung des vier und vierzigsten Psalms sie bestätigt? Übrigens genießen auch wir im heiligen Abendmahl den Leib und das Blut Christi, aber in geistlicher Weise, wie es auch die alten Kirchenlehrer erklären und Christus selbst im sechsten Kapitel des Evangeliums Johannis.
Inq. Das sind mir Meerwunder. Doch erkläre Dich darüber, ob man die Hostie nach der Konsekration anbeten solle oder nicht?
Alg. Man soll sie nicht anbeten, denn wer es tut, begeht Abgötterei. Auch der heilige Augustinus schreibt in seinen „Retractanionen“, dass man nichts anbeten solle, was man mit den Augen sehen oder mit den Sinnen wahrnehmen könne.
Inq. Darüber sollst Du Dich auch auf andere Weise verantworten, denn es soll Alles sorgfältig aufgezeichnet werden. Wir wollen aber fortfahren. Hältst Du wohl die letzte Ölung für ein Sakrament oder nicht?
Alg. Ich halte sie für kein Sakrament.
Inq. Wie kannst Du wohl so unsinnig und verkehrt sein? Ist die letzte Ölung nicht etwa in der heiligen Schrift befohlen? Schreibt nicht Jakobus im vierten Kapitel seines Briefes: „Ist Jemand krank, der rufe zu sich die Ältesten der Gemeine, und lasse sie über
sich beten und salben mit Öl im Namen des Herrn, so werde er wieder von seiner Krankheit erledigt?“
Alg. Jakobus schreibt dieses als Anweisung, wie man die Kranken behandeln solle, damit sie wieder von ihrer Krankheit genesen. Die Ältesten sollen über sie beten, dass Gott nach seinem Wohlgefallen sie von der Krankheit befreien möge und dabei sollen sie als Heilmittel Öl anwenden und die Kranken damit salben. Ihr aber erteilt nur denen die letzte Ölung, denen der Tod so zu sagen schon auf der Zunge ist; ja ihr verbietet sogar einem die letzte Ölung zu erteilen, dessen baldigen Tod man nicht sicher erwarten darf. - Daher verfahrt ihr damit gerade im entgegengesetzten Sinn, wie es der Apostel Jakobus verordnet.
6. Aus dem vierten Verhör.
Inq. Was hältst Du von der Fürbitte der Heiligen?
Alg. Ich kenne und begehre keinen anderen Fürsprecher bei Gott als Jesum Christum.
Inq. Bitten denn die Heiligen nicht für uns? Ersucht der heilige Paulus nicht die Gemeinde für ihn zu beten, Eph. 6,19?
Alg1). Letzteres ist allerdings richtig, aber was haben die Toten mit den Lebenden gemein? Paulus aber bittet die Lebenden, dass sie seiner in ihren Gebeten eingedenk sein mögen, damit der Herr ihm Gnade verleihe, das Evangelium freudig und mutig zu verkündigen. Aber ich finde nirgends, dass Paulus oder ein anderer Apostel einen Verstorbenen angerufen hätte. Warum aber sollten die Apostel nicht den Abraham, Mosen oder Johannem, den Täufer, den Größten unter den vom Weib Geborenen, angerufen haben, wenn man die heiligen Männer, die selig verstorben sind, anbeten und als Fürsprecher bei Gott anrufen sollte? Sagt mir lieber, um weswillen Christus, der Herr, für uns beim Vater Fürbitte tut?
Inq. Christus bittet wegen seines um uns erworbenen Verdienstes in allerlei Nöten für uns.
Alg. So bittet Christus allein für uns, dieweil Andere nicht wegen ihres Verdienstes für uns bitten können.
Inq. Die Heiligen bitten freilich um ihrer Verdienste willen für uns. Aber was sollen wir uns länger mit Dir befassen, dieweil Du doch ganz und gar nichts glaubst. Wir haben nur zu lange mit Dir vergeblich geredet.
Alg. Ich glaube allein an Christum, Christum allein liebe ich, Christum allein bete ich an. Dieweil ich gewiss versichert bin, dass er der einige Mittler und Versöhner zwischen Gott und den Menschen ist. Aber seht, wie Ihr Euch selbst ins Angesicht schlagt, indem Ihr gesteht, dass Christus einzig um seines Verdienstes willen unser Fürsprecher bei Gott sei und dann zu demselben noch das Verdienst der Heiligen hinzuflickt. Da Ihr nun mit mir nichts weiter reden wollt, so vergönnt mir doch, dass ich meine Meinung darüber ausführlich erkläre. - Der gemeine Mann stellt sich vor, der Herr Christus rede mit dem Vater, wie man mit einem großen Herrn und Könige zu reden pflegt. Das rührt aber daher, dass man keine rechte Erkenntnis Christi hat. Der Vater und der Sohn aber sind ein göttliches Wesen, wiewohl sie zwei verschiedene Personen sind. Der Sohn steht allezeit vor dem Vater, ist zu seiner Rechten und bittet da für uns und wird einst die Welt richten. Daher dürfen wir nicht allein hoffen, sondern sind gewiss, dass das Urteil uns günstig ausfallen wird. Er bittet ja für uns wegen seines Leidens und Sterbens, wodurch er uns, die wir in Adam Kinder des Zornes geworden waren, wieder mit dem Vater versöhnt hat. Da wir, nachdem wir widerspenstig und ungehorsam geworden, vor dem Richterstuhl der Gerechtigkeit nicht bestehen konnten, hat Gott seinen Sohn gesandt, damit wir, nachdem er sich als Opfer für unsere Sünden dargebracht, durch sein Blut gerechtfertigt werden. Zu Gliedern Christi angenommen werden wir nur von Gott als seine Kinder angenommen. So oft wir nun den Vater um des Leidens seines Sohnes willen bitten, wird er uns günstig und gnädig und gewährt uns unsere Bitte. Seht, das ist die Fürbitte, die Christus für uns verrichtet. Auf diese Weise haben die Heiligen Gottes für einander gebeten, ehe sie von der Welt abgeschieden sind, nicht um ihres eigenen oder eines anderen Menschen Verdienstes willen, sondern allein wegen des Verdienstes Christi. - Wenn nun sie keinen anderen Fürsprecher gekannt als Christum und nur durch seine Verdienste ins Himmelreich eingegangen, wie dürft ihr die Leute mit Gewalt zwingen, auf andere als Christi Verdienste zu vertrauen und auf eine andere Weise als er gelehrt hat, zu beten? Christus spricht Matth. 6, wenn ihr betet, so sollt ihr sagen: „Unser Vater usw. Ist Gott unser Vater und Christus unser Bruder, was bedürfen wir anderer Mittler, die der Vater für die Kinder bitten? Sind wir Christi Glieder, warum wollen wir nicht ohne Mittler vor ihn hintreten, uns demütigen und ihn selbst um Verzeihung bitten? Es mag in der alten Blindheit stecken bleiben, wer da will, ich will keinen anderen Mittler und Fürsprecher als Jesum Christum; denn er allein ist mein Heiland und Seligmacher. - Diese Verblendung und Verirrung ist daher entstanden, dass man den armen Leuten die göttliche Wahrheit in Lüge verwandelt und sie verführt, die Kreaturen statt des Schöpfers anzubeten, der gepriesen ist in Ewigkeit, Röm. 1.
Inq. Du willst uns gar eine Predigt halten. Wenn Du aber hoffst, indem Du jeden Augenblick Deinen Christus nennst, uns gar zu Deiner Ansicht zu bekehren, so spare Deine Mühe. Deine Meinung ist wohl kurz die, dass Du die Fürbitten der Heiligen verwirfst?
Alg. Ich habe genug an dem einen Herrn Christo.
Inq. Es wäre besser, Du wärst sein Nachfolger in den Werken als in den Worten. Was hältst Du nun vom Fegfeuer? Treibst Du wohl auch damit das Gespött wie mit anderen Lehren der Kirche?
Alg. Ich weiß nur von dem Fegfeuer, welches Paulus lehrt, indem er sagt, dass Christus, der nun zur Rechten des Vaters sitzt, für unsere Sünden genug getan habe.
Inq. Du verwirfst also, was alle heiligen Väter vom Fegfeuer gelehrt und bekannt haben?
Alg. Der heilige Augustinus, der zu den vornehmsten Lehrern und Vätern der Kirche gehört, verwirft ebenfalls in einer Streitschrift gegen den Pelagius das Fegfeuer.
Inq. Pelagius behauptete, es gebe für die Kinder, die vor Empfang der Taufe sterben, einen dritten Ort, wogegen aber Augustinus gelehrt, dass es für sie zwischen Himmel und Hölle keinen dritten Ort gebe. Dieses bezieht sich aber nicht auf das Fegfeuer.
Alg. Mir ist genug, dass ihr selbst bekennt, Augustinus habe gegen eine ketzerische Ansicht geschrieben und ausdrücklich behauptet, dass es zwischen dem Paradies und der Hölle keinen dritten Ort gebe. Verhält es sich also, so muss das Fegfeuer entweder im Paradies, d. h. im Himmel oder in der Hölle sein.
Inq. Es ziemt sich nicht, dass wir Dir antworten, Du verruchter Ketzer.
Alg. Es ist nun gewiss, dass im Paradiese keine Stätte der Qual sich findet, sintemal es ein Ort der Freude, des Lebens und der ewigen Seligkeit ist. Demnach kann das Fegfeuer nicht daselbst sein. Ist nun Euer Fegfeuer nicht im Himmel, so muss es in der Hölle sein. Nun lässt sich aus der heiligen Schrift nicht nachweisen, dass Jemand, der in die Hölle gefahren, wieder daraus befreit werden könne. Nach Eurer Lehre aber ist das Fegfeuer nur ein zeitweiliger Aufenthalt zur Läuterung derjenigen, die drein kommen. Wie wird es aber damit am Ende der Welt ergehen? Wer wird darin noch übrig bleiben, wenn die Gottlosen in die ewige Pein verstoßen, die Frommen aber zu den ewigen Freuden des Himmels erhoben sein werden? Was nützen alsdann die vielen Millionen Indulgenzen und Ablässe, die Ihr unter diesem erdichteten Schreckmittel den Leuten aufdringet? - Ich will Euch wohl sagen, wo Euer Fegfeuer sich befindet, obgleich Ihr es selbst am besten wisst, nämlich in den Beuteln der armen Leute, die Ihr trefflich zu leeren und zu fegen versteht. Es wird aber endlich Euch damit ergeben, wie es dem Simon, dem Zauberer erging, der, als er die Gaben des heiligen Geistes mit Geld sich kaufen wollte, die strafende Rede Petri vernehmen musste: „Dass du verdammet werdest mit deinem Geld, dass du meinst, Gottes Gabe werde durch Geld erlangt!“ Die Päpste rühmen sich hoch, Nachfolger Petri zu sein, aber in ihrer Lehre und in ihrem Leben sind sie dem Apostel Petro gar unähnlich; denn sie handeln gern mit solchen, welche die Gaben Gottes um Geld kaufen wollen; ja sie lassen dieselben wie eine Ware feil bieten und erweisen sich als diejenigen, die Petrus in seinem zweiten Brief, 2. Kapitel 1-3, näher beschreibt. Sagen nicht auch Eure Gesetze, dass die Gnade, die nicht umsonst verliehen werde, keine Gnade mehr sei? Wie könnt Ihr denn von einer Gnade reden, durch die man aus dem Fegfeuer erlöst werde, wenn Ihr sie nur um Geld verkauft? Wie könnet ihr segnen, da durch Simonie jede Kraft des Segens vernichtet wird?
Inq. Was geht das Dich an? und wie unterstehst Du Dich davon zu reden? Sieh Du nur zu, dass Du Dich bekehrst und ein frommer Christ werdest. Gott wird schon die Gottlosen finden und bestrafen.
Alg. Ich bin ein Christ. Vor einer Bekehrung in Eurem Sinne, dass ich nämlich ein Papist werden solle, wolle mich Gott gnädig behüten.
Inq. Du wirst noch dort etwas erfahren. Da Du aber die geistlichen Rechte so gut verstehen und auslegen zu können vermeinst, so sage uns auch, ob es recht sei, dass ein Priester, nachdem er zur Erkenntnis der von Dir vermeinten Wahrheit gelangt ist, die Pfründe, die er besessen, verkaufe.
Alg. Ihr nennt ja selbst einen solchen Handel Simonie, warum fragt ihr mich noch darüber? Ich habe schon früher erklärt, dass es sich für einen Christen nicht zieme, des Papstes Zeichen zu tragen und von ihm eine Stelle anzunehmen. Daher darf er dieselbe oder die damit verbundenen Einkünfte noch viel weniger verkaufen. - Wie aber dürft ihr Eure Pfrundeinkommen, welches von den armen Leuten unter saurem Schweiß erworben und zusammengebracht wird, in aller Ausgelassenheit und Pracht durchbringen?
Inq. Wer sein Pfrundeinkommen schlecht verwendet, tut unrecht daran. Wie darfst Du aber Dich unterstehen, darüber zu urteilen? Bedenke doch, wohin Du Dich verirrst. Du bist noch nicht einmal vier und zwanzig Jahre alt und erfrechst Dich schon die Kirche zu meistern und zu reformieren. Du solltest lieber etwas zu lernen trachten, als Dir einzubilden, Du wissest schon Alles, Du hoffärtiger, angeblasener Gesell!
Alg. Ich maße mir nicht an, die Kirche zu meistern und zu reformieren, denn das ist nicht meines Amtes. Dagegen will ich mich befleißigen, meine Seele vor den Stricken des Irrtums und der Lüge zu bewahren. Was aber meine Jugend betrifft, so solltet Ihr wissen, dass die Erkenntnis der Wahrheit nicht von den Jahren, sondern vom Geist Gottes kommt. Johannes der Täufer war schon vom Mutterleibe an mit dem heiligen Geist erfüllt, sowie Daniel und seine Gefährten auch schon als junge Knaben, und Timotheus und Titus waren auch nicht alt, als sie zu Bischöfen ernannt wurden. Sagen nicht auch Eure Gesetze, dass ältere Bischöfe sich nicht schämen sollten von den jüngeren etwas zu lernen?
Inq. Du zählst Dich wohl auch zu denen, die Du so eben genannt hast?
Alg. Ich zähle mich noch nicht zu ihnen, aber ich strebe darnach durch Gottes Gnade ihnen gleich zu werden.
Inq. Wie ist die Torheit so tief in Dir gewurzelt? Du wirst noch anders reden lernen! – Doch geh nur einstweilen in Dein Gefängnis zurück und überlass Dich wieder Deinen Träumen!
Diesen Berichten über die Verhöre, welche Pomponio Algieri zu bestehen hatte, schließt sich
7. Ein Sendschreiben
an, welches er aus seinem Gefängnis an seine befreundeten Glaubensgenossen richtete, und welches wir hier zur Kennzeichnung seiner christlichen Gesinnung folgen lassen:
„Seinen lieben Brüdern und Mitknechten Christi, die aus Babel ausgezogen und nun auf den Berg Zion zu steigen im Begriffe sind (deren Namen ich aus begreiflichen Gründen hier nicht nenne) Gnade, Friede und Seligkeit von Gott, unserem Vater, durch unseren Herrn Jesum Christum, unseren Herrn und Heiland.
Ich wünsche Eure Traurigkeit, die Ihr meinetwegen empfindet, dadurch einigermaßen zu mildern, dass ich Euch auch der Freude teilhaftig mache, die mich erfüllt, damit Ihr mit mir Euch von Herzen freuen und dem Herrn singen und lobsagen mögt. Ich will Euch unglaubliche Dinge melden; denn ich habe Honigseim gefunden in den Eingeweiden des Löwen, Erquickung in der tiefen finsteren Grube; am Orte der Bitterkeit habe ich Ruhe erlangt und im Rachen der Hölle habe ich Freude und Wonne empfunden! Wo andere vor Furcht und Angst zittern, habe ich mich immer mutiger und stärker gefühlt, im Elend empfinde ich Lust, in der Einsamkeit genieße ich die beste Gesellschaft und in meinen Banden Ruhe und Freiheit. -
Das hat mir die gütige Hand Gottes gewährt. So ist nun der, den ich früher nur von ferne sah und dunkel erkannte, mir nahe gerückt, sodass ich ihn von Angesicht zu Angesicht schaue und erkenne. Derjenige, nach dem ich mich zuvor sehnte, reicht mir nun die Hand und tröstet mich, ja er nimmt mir alle Traurigkeit und schenkt mir seine Kraft und Stärke. O wie gütig ist der Herr, dass er die Seinen nie versucht werden lässt über Vermögen. Wie leicht ist doch seine Last und wie sanft sein Joch. Wer ist dem Allerhöchsten gleich, der die Betrübten tröstet, die Verwundeten heilt und die Schwachen stärkt? Lernt, meine Freunde, auf wie mannigfaltige Weise der Herr seinen Dienern seine Güte, Freundlichkeit und Barmherzigkeit beweist, indem er väterlich für sie sorgt, sie in ihrer Trübsal heimsucht und ihnen ein sanftmütiges, ruhiges Herz verleiht! Die Welt aber kann solche göttliche Gaben weder empfangen noch begreifen. Darum versucht sie auch mich mit der Einrede: Du wirst nicht lange an diesem scheußlichen Ort, wo Du Dich nun befindest, die Hitze und den Gestank zu ertragen vermögen. Wie solltest Du das tausendfältige Ungemach, die Quälereien und Beschimpfungen auszuhalten vermögen? Kannst Du Dein schönes, liebes Vaterland ganz vergessen? Willst Du auf alle Reichtümer, Ehrenstellen und Freuden dieser Welt verzichten und Dich von allen lieben Freunden und Verwandten in der Heimat losreißen? Willst Du Deine Kenntnisse und Geschicklichkeit, die Du Dir mit so vieler Mühe erworben, ohne dass sie Dir bisher eine Frucht getragen, gar nichts achten? Und fürchtest Du Dich endlich nicht vor dem Tod, der Dir jeden Augenblick droht, obgleich Du Dir keiner Missetat bewusst bist? Wie töricht bist Du, dass Du Dich nicht dieser Leiden und Beschwerden und dem Dir drohenden Tod entziehst, da Du solches so leicht durch ein einziges Wort tun könntest! Ist es nicht eine Schande für Dich, dass Du nicht so vielen stattlichen, ernsten, verständigen, gütigen und angesehenen Ratsherren gehorchen willst, sondern Deine Ohren ihren Zusprüchen und Ratschlägen verstopfest?
Den armen, blinden Leuten, welche mit solchen Einreden mich beschweren, antworte ich mit den Gegenfragen: Was ist heißer als das höllische Feuer, welches den Gottlosen und Ungläubigen bereitet ist? Welches Herz ist kälter als das derjenigen, welche noch in der Finsternis wandeln? Was ist härter, rauer und ungeschliffener als ihr ruchloses Leben? Was ist anrüchiger und ehrloser als die jetzige Welt? Welches Vaterland dagegen ist lieblicher als das himmlische? Welcher Schatz ist größer und köstlicher als das ewige Leben? Und sind nicht die allein unsere wahren Freunde und Verwandten, welche dem Wort Gottes gehorsam sind? Wo ist mehr Freude und Wonne als im Himmel? Was aber Kenntnisse und Geschicklichkeit betrifft, so sollen sie uns vor Allem zur Erkenntnis Gottes anleiten, ohne welche alle Mühe und Anstrengung, die wir bei unserem Studieren anwenden, vergeblich wäre. Welches Labsal und welche Erquickung kann man außer Gott genießen, da er allein der rechte Tröster und Arzt ist? Und wie wollen die mich mit dem Tod erschrecken, die selbst noch tot sind in ihren Sünden? Wenn wir unseres Heils gewiss versichert sind, so achten wir allen Schimpf und alle Schande gering, die Menschen uns antun können. Ich habe auf Erden keine bleibende Stätte, denn meine wahre Heimat ist im Himmel! Ich sehne mich nach dem neuen Jerusalem, das ich schon im Geiste schaue. Bereits habe ich mich dahin auf den Weg gemacht und habe meine Wohnung dort bestellt, indem ich gewiss bin, dass mir allda weder Reichtümer, noch Freuden, noch Ehre mangeln werden. Die irdischen Dinge sind nur Schattenbilder und schwinden schnell dahin, ja sie sind nichts als Eitelkeit, wenn uns nicht dabei die Hoffnung und Gewissheit der zukünftigen Herrlichkeit erfüllt und belebt. -
Meine Kenntnisse und Geschicklichkeiten, die ich vom Herrn empfangen, weichen nicht von mir, sondern erfreuen mich in meinem Gefängnisse und lassen mich ihren großen Nutzen auch jetzt erfahren. Ich habe Hitze und Frost gelitten; ich habe Tag und Nacht gewacht und dabei keine Stunde vorüber gehen lassen, ohne Etwas zu arbeiten. Sehet, das ist der rechte Gottesdienst, den ich von Herzen tue. Der Herr hat mein Herz erfreut, darum verlasse ich mich allein auf ihn. Wer darf sagen, dass ich meine Zeit übel angewendet oder verloren habe, und dass meine angewandte Mühe vergeblich sei, da ich den Fürsten dieser Welt durch Gottes Gnade überwunden und den Tod in Leben verwandelt habe? Meine Seele hat gesagt: „Der Herr ist mein Gut und mein Teil; Du erhältst mein Erbteil; darum ist mir das Los gefallen aufs Liebliche, mir ist ein schön Erbteil geworden. Ich lobe den Herrn und habe ihn allezeit vor Augen.“ Wenn nun der Tod in dem Herrn kein Tod, sondern das wahre Leben ist, was will man mir so sehr mit dem Tode drohen, da er doch für mich eitel Freude ist? Welche Wonne ist es für mich, dass ich den Kelch des Herrn trinken soll! Wie könnte ich meines Heils besser versichert werden? Der Herr Jesus hat gesagt (Matth. 10), dass seinen Jüngern das Gleiche geschehe, was ihm widerfahren.
Darum schweigt und lasst mich in Ruhe, ihr arme Toren, die ihr noch in der Finsternis wandelt, während rings um euch das Licht der Wahrheit leuchtet! Ich spreche mit dem Apostel Paulo: „Wer will uns scheiden von der Liebe Gottes? Trübsal oder Angst, oder Verfolgung, oder Hunger, oder Blöße, oder Fährlichkeit, oder Schwert? Wie geschrieben steht: um deinetwillen werden wir getötet den ganzen Tag; wir sind geachtet wie Schlachtschafe.“ Aber darin folgen wir dem Herrn Jesu Christo, unserem Haupt, der selbst gesagt hat, dass der Jünger nicht über den Meister sei noch der Knecht über den Herrn. Ja Herr, Du hast auch gesagt, dass, wer Dir nachfolgen wolle, der müsse sich selbst verleugnen und sein Kreuz auf sich nehmen und darum will ich auch gerne mein Kreuz Dir nachtragen! - Gott wolle Euch, liebe Brüder, mit seiner Kraft und mit seinem Troste erfüllen, auf dass Ihr nicht unter den mancherlei Anfechtungen, in die Ihr geratet, erlieget. Ihr wisst, was geschrieben steht, dass die, so uns töten, vermeinen werden, daran Gott einen Dienst zu tun. Deswegen ist der uns drohende Tod ein gewisses Zeichen und Siegel der Liebe Gottes und des ewigen Lebens. Lasst uns in dem Herrn uns freuen und mit Lobgesängen seinen Namen preisen, da wir nicht um Übeltat willen den Tod erleiden, dieweil „es besser ist, wenn es Gott will, dass ihr von Wohltat wegen leidet, denn von Übeltat wegen“ (1. Petr. 3,17). Wir haben darin an Christo und an den Propheten die herrlichsten Vorbilder, welche, weil sie nach dem Befehle Gottes redeten, den Weltkindern übergeben und von ihnen getötet wurden. Jetzt aber preisen wir sie selig, nachdem sie solches erduldet haben. Lasset uns daher uns freuen, dass wir gewürdigt werden, um unserer Unschuld und Gerechtigkeit Verfolgungen und Tod zu leiden. Der Herr wird einst auch die richten, die uns hier hassen und verfolgen; denn er allein darf sprechen: „Die Rache ist mein, ich will vergelten“ (5. Mos. 32,35). Ich werde für einen Toren und Irrsinnigen gehalten, weil ich mich nicht durch Verleugnung der Wahrheit und durch Heuchelei vom Tode loskaufen will; und so sagen sie, dass ich durch ein einziges Wort mich von allen Martern befreien könnte.
O du elender Mensch, der du Gott vergisst und das Licht der Sonne nicht wahrnehmen kannst! Beherzige doch das Wort Christi: „Ihr seid das Licht der Welt. Die Stadt, so auf einem Berge liegt, mag nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an, dass man es unter einen Scheffel stelle, sondern auf den Leuchter, auf dass er leuchte denen, die im Hause sind;“ und an einer anderen Stelle: „Sie werden euch vor Könige und Fürsten führen um meinetwillen, zum Zeugnis über sie und über die Heiden. Fürchtet euch aber nicht vor denen, die den Leib töten. Fürchtet euch aber vielmehr vor dem, der Leib und Seele verderben kann in die Hölle.“
„Darum wer mich bekennet vor den Menschen, den will ich bekennen vor meinem himmlischen Vater. Wer mich aber verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen vor meinem himmlischen Vater.“ Wie wollen nun die klugen Kinder dieser Welt gegenüber diesen so klaren und bestimmten Aussprüchen Christi ihre heillosen Ratschläge verantworten? Es sei ferne von mir, dass ich Gottes Gebote verachten und dem Rate menschlicher Klugheit folgen sollte! David sagt im ersten Psalm: „Wohl dem, der nicht wandelt im Rat der Gottlosen, noch tritt auf den Weg der Sünder, so sitzet, da die Spötter sitzen!“ Es sei ferne von mir, dass ich Christum, den ich zu bekennen schuldig bin, verleugnen sollte! Ich will nicht das leibliche Leben mehr achten und lieben als das Heil meiner Seele, nicht mehr für die Vergänglichkeit sorgen als für die Ewigkeit. O welche Toren sind doch diese Weltkinder, die mich für unsinnig halten, weil ich nicht ihren Ratschlägen folgen will! Ihre Erhebung der hohen Ratsherren von Venedig, wie herrlich, weise, friedfertig, barmherzig und erlaucht sie seien, lasse ich unbestritten, indem ich mit dem Apostel halte, „dass man Gott mehr gehorchen müsse als den Menschen.“ Wenn wir daher vor allen Dingen Gott als dem obersten Beherrscher der ganzen Welt gedient haben, so werden wir auch der Obrigkeit den ihr gebührenden Gehorsam zu leisten schuldig; indessen wäre es immerhin zu wünschen, dass sie vor Gott unsträflicher wären als sie sind. Sie heißen wohl herrlich vor der Welt, aber vor Gott mangelt an dieser Herrlichkeit noch vieles. Sie sind gerecht, aber ihrer Gerechtigkeit fehlt das rechte Fundament, nämlich Jesus Christus. Sie sind weise, aber wo ist bei ihnen die Furcht Gottes, die doch aller Weisheit Anfang ist? Sie sind gütig, aber wo ist bei ihnen die christliche Liebe zu finden? Sie sind „durchlaucht“ und „herrlich“, aber sie verwerfen den Herrn aller Ehren! Darum lasset euch weisen, ihr Könige, und lasset euch züchtigen, ihr Richter auf Erden! Dienet dem Herrn mit Furcht und Zittern. Küsset den Sohn, dass er nicht zürne und ihr verkommet auf dem Wege. Denn sein Zorn wird bald entbrennen. Warum toben die Heiden und reden so vergeblich? Warum lehnen sich die Könige der Erden auf, und warum empören sich die Völker vergeblich wider Christum, den Heiligen Gottes? Wie lange wollet ihr die Wahrheit hassen und euch verlassen auf Lügen? Bekehret euch zu dem Herrn, eurem Gotte und verstockt eure Herzen nicht! Bedenket, dass der Herr sagt, alles, was sie seinen Gläubigen tun, das tun sie ihm selbst!
So ich nun den durchlauchten Ratsherren, wie die Leute es meinen, nicht nach Gefallen geantwortet habe, soll ich darum wohl strafwürdig sein? Spricht nicht der Herr selbst (Matth. 10,19.20): „Wenn sie euch vor Fürsten und Könige führen und euch überantworten werden, so sorget nicht, wie oder was ihr reden sollet, denn es soll euch zur Stunde gegeben werden, was ihr reden sollt. Denn ihr seid es nicht, die da reden, sondern eures Vaters Geist ist es, der durch euch redet.“ Weil nun der Herr, der nicht lügen kann, solches von uns gesagt, und ich nicht von mir selber geredet habe, so kann mir auch diesfalls keine Schuld beigemessen werden. Will Jemand mein Wort tadeln, der tadelt den Herrn, der durch mich geredet hat. So er aber an Ihm nichts zu tadeln weiß, so lasse er auch mich in Frieden, indem ich getan, was nicht zuvor zu tun wir vorgenommen, und geredet, worauf ich mich nicht vorbereitet hatte. Ist mein Bekenntnis irrig, so beweisen sie mir solches aus Gottes Worte, und ich will dann gerne meinen Irrtum eingestehen und ihn nicht dem Herrn zur Last legen. Ist aber mein Bekenntnis recht und dem Wort Gottes gemäß, so müsst ihr, auch selbst, wenn es euch Herzeleid verursacht, zugeben, dass es von Gott eingegeben sei. Ist es dem also, wer will mich wohl deswegen anklagen? Werden wohl „hochweise Ratsherren“ es tun? Wer will mich verdammen? Werden wohl sich „Weise und gerechte Richter“ solches erlauben? Mögen sie aber mich immerhin verurteilen, das Wort Gottes wird deswegen noch nicht verurteilt oder vernichtet werden. Ihr Wüten gegen die Gläubigen wird nur das Kommen des Reiches Gottes befördern, sodass die wahrhaften Israeliten und Auserwählten nur sich über die Trübsale freuen, die sie treffen. Die Richter aber wird auch Gottes Gericht treffen, und die Totschläger und Mörder der Gerechten werden dann auch ihre Strafe finden. Öffnet eure Augen, meine Freunde, und betrachtet Gottes Gerichte! Neulich hat uns der Herr mit Pestilenz heimgesucht, was zu unserer Züchtigung geschehen ist. Werden wir uns dieser Zucht nicht unterziehen und uns nicht weisen lassen, so wird er das Schwert ziehen und das Volk, das sich wider Christum empört, mit Krieg, Pestilenz und Hunger heimsuchen. Ich bitte den Herrn, dass er uns damit gnädig verschonen wolle. - Solches habe ich, liebe Brüder, zu eurem Troste schreiben wollen. Bittet den Herrn für mich und seid als treue Diener des Herrn Gott befohlen! Gegeben im lieblichen Lustgarten des Gefängnisses, genannt Leonina, 12. Juli 1555.
8. Verurteilung und Märtyrertod.
Wenn Algieri sich zu einem Widerruf der von ihm bekannten evangelischen Wahrheit, auch nur zum Schein, hätte verstehen wollen, so würde der Senat von Venedig ihn sofort auf freien Fuß gesetzt haben. Der Herr aber verlieh ihm Gnade, dass er trotz allen Versuchungen, die ihm bereitet worden, auch keinen Augenblick in seinem Glauben wankte, noch ihn auch im Geringsten verleugnete; indem er seinem Herzen unauslöschlich jenes Wort der Wahrheit eingeprägt hatte, „so man von Herzen glaubt, wird man gerecht, und so man mit dem Mund bekennt, wird man selig.“ Hierauf ward dieser glaubenstreue Jüngling vom Senat der stolzen Republik zur Galeere verurteilt, auf der er nach der Absicht seiner Richter sein Leben hätte beschließen sollen. Nach dem Ratschluss desjenigen aber, ohne dessen Willen auch kein Haar von unserem Haupt fallen kann, ward Algieri berufen noch vor einer anderen Behörde, seinen evangelischen Glauben zu bekennen und denselben auch mit seinem Blut zu besiegeln. Was Christus einst von Jerusalem gesagt, „es ziemt sich nicht, dass ein Prophet umkomme außerhalb Jerusalem“ (Luc. 13,33), das galt namentlich im sechzehnten Jahrhundert von Rom. Hier war die Richtstätte für diejenigen, welche den gleichen Glauben bekannten, den Paulus in seinem Brief an die erste christliche Gemeinde in dieser Stadt als unerlässliche Bedingung zur Seligkeit gelehrt hat. Auch der glaubensvolle Jüngling Algieri sollte an dieser Stätte und vor demjenigen, welcher an Christi Statt die Kirche zu leiten behauptete, durch Wort und Tat seinen evangelischen Glauben bekennen und die Kraft desselben bewähren. Nachdem der finstere Neapolitaner Giampietro Caraffa, der Stifter der römischen Inquisition, als Paul IV. (1555-59) den päpstlichen Stuhl bestiegen, warf er auch seine inquisitorischen Blicke auf seinen jungen Landsmann in Venedig, der sich erkühnt hatte, seinen evangelischen Glauben trotz den Verboten der römischen Kirche so laut und unumwunden zu bekennen. Der päpstliche Nuntius wusste den venetianischen Senat zu bewegen, den Algieri ihm zu Händen seines Gebieters auszuliefern, damit das römische Inquisitionstribunal diesen ausgezeichneten Ketzer zu richten Anlass finde. Dasselbe säumte auch nicht, ihn zum Feuertod zu verurteilen, den er im Jahre 1556 mit freudigem Glaubensmut erlitt. Die Geschichte hat uns seinen Todestag nicht aufbewahrt, wohl aber meldet sie uns, dass Papst und Kardinäle von Furcht und bangem Entsetzen ergriffen worden seien, als Algieri so freudig und mutig seinen evangelischen Glauben vor seinen Richtern, wie vor allem Volke bekannt und so getrost und ergeben zum Zeugnisse der Wahrheit desselben den furchtbaren Tod erduldet habe. Das Gerücht von seiner Glaubenstreue und von seinem bewiesenen Mut bis zum Augenblick, da die Flammen seine irdische Hülle verzehrten, erscholl durch ganz Italien zum Trost und zur Stärkung seiner Glaubensgenossen. - So sehr wir daher den so frühen Tod dieses herrlichen christlichen Jünglinges bedauern, so freuen wir uns doch auch in diesem Fall über die köstliche Frucht des Glaubens, die aus demselben reifte und die uns den Ausspruch des Psalmisten bestätigt, dass „der Tod seiner Heiligen wert gehalten ist vor dem Herrn!“ Ps. 116,15.