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Calvin, Jean - Psalm 114.

Calvin, Jean - Psalm 114.

Inhaltsangabe: Der Psalm enthält eine kurze Beschreibung der Erlösung: indem Gott sein Volk aus Ägypten zu dem verheißenen Erbe geleitete, gab er einen für alle Zeiten denkwürdigen Erweis seiner Kraft und Gnade. Der Zweck aber ist, dass die Kinder Abrahams sich ganz ihm ergeben sollen, der in freier Gnade sie als seine Kinder umfasste und zu seinem heiligen Eigentumsvolk machte.

1 Da Israel aus Ägypten zog, das Haus Jakob aus dem fremden Volk. 2 da ward Juda sein Heiligtum, Israel seine Herrschaft. 3 Das Meer sah und floh; der Jordan wandte sich zurück; 4 die Berge hüpfeten wie die Lämmer, die Hügel wie die jungen Schafe.

V. 1. Da Israel aus Ägypten zog usw. Wir dürfen uns nicht wundern, dass so oft an diesen Auszug erinnert wird, der ja ein herrliches Unterpfand und Zeichen der Liebe Gottes gegen die Kinder Abrahams war. Im Eingang aber erinnert der Prophet, dass dies Volk, welches Gott so teuer sich erworben hat, nicht mehr sich selbst gehört. Es ward Gottes heiliges Eigentum und (V. 2) seine Herrschaft. Juda wird besonders herausgehoben, weil es die ehrende Vorherrschaft besaß. Doch gilt der ihm erteilte Titel ohne Zweifel für den Körper des ganzen Volks. Hat nun Gott sein Volk erlöst, sein Königreich sich aufgerichtet und seinem heiligen Namen Verehrung erworben, so wäre es eine unverzeihliche Trägheit, wollte das Volk sich nicht in ununterbrochener Betrachtung einer so großen Wohltat üben.

V. 3. Das Meer sah und floh usw. Es werden nicht im einzelnen alle damals geschehenen Wunder durchgegangen, sondern nur insgesamt angerührt, dass das Meer, welches doch ein totes und empfindungsloses Element ist, durch die Furcht vor Gottes Macht erschreckt ward; ebenso habe es der Jordan erfahren, und die Berge hätten gehüpft. Das sind gewiss poetische Wendungen, die aber durchaus dem Tatbestand angemessen sind. Indem das Meer seinem Schöpfer Gehorsam leistete, heiligte es seinen Namen; indem der Jordan sich unterwarf, schmückte er Gottes Herrschaft; indem die Berge erzitterten, gaben sie Zeugnis für seine heilige Majestät. Ganz ebenso wie Gottes Macht will aber der Dichter auch seine väterliche und eifrige Sorge für die Rettung seiner Gemeinde preisen. Darum trennt er in bewusster Absicht seine Aussage über Israel (V. 2) von derjenigen über das Meer, den Jordan und die Berge (V. 3 f.): denn der Gesichtspunkt, unter welchem vom auserwählten Volk und andererseits von den toten Elementen die Rede war, ist ein verschiedener.

5 Was war dir, du Meer, dass du flohest? und du, Jordan, dass du dich zurückwandtest? 6 ihr Berge, dass ihr hüpfetet wie die Lämmer? ihr Hügel wie die jungen Schafe? 7 Vor dem Herrn bebe, o Erde, vor dem Gott Jakobs, 8 der den Fels wandelte in Wassersee und die Steine in Wasserbrunnen.

V. 5. Was war dir, du Meer? usw. Der Prophet richtet in volkstümlicher Weise seine Fragen an das Meer, den Jordan und die Berge, wie er ihnen soeben eine Empfindung von Gottes Macht und eine Furcht davor zuschrieb. Mit dieser bildlichen Rede straft er den Stumpfsinn der Menschen, welche den Verstand, mit dem sie begabt sind, nicht zur Betrachtung der Werke Gottes anwenden. Schon der Anblick des Meeres, an welchen der Prophet hier erinnert, muss mehr als ausreichen, ihre Blindheit zu verurteilen. Denn nur durch einen geheimen Trieb, durch welchen Gott Gehorsam erzwang, konnte das Meer trocken werden und der Jordanfluss sich rückwärts wenden. Obwohl aber der Prophet seine Rede an Meer, Jordan und Berge richtet, wendet er sich doch im tiefsten Grunde an uns: ein jeglicher soll in sich gehen und mit Fleiß und Aufmerksamkeit bei dieser Betrachtung verharren. So oft wir diese Worte lesen, sollen wir uns sagen, dass eine solche Veränderung nicht der Natur und untergeordneten Ursachen zugeschrieben werden kann, sondern dass hier offensichtlich Gottes Hand leuchtet. Der Vergleich mit Lämmern und Schafen scheint der Erhabenheit der Sache nicht ganz zu entsprechen: aber der Prophet wollte in der verständlichsten Weise ausdrücken, welche unglaubliche Kraftwirkung damals von Gott ausging. Der Bestand der Erde ist gleichsam auf die Festigkeit der Berge gegründet: welche Ähnlichkeit haben also diese mit Böcken und Lämmern, dass sie hin und her springen und sich bewegen könnten? Der Prophet setzt demgemäß das Wunder nicht herab, sondern prägt in einer handgreiflichen Redeweise auch rohen Geistern die unglaublichen Zeichen der Kraft Gottes desto besser ein.

V. 7. Vor dem Herrn bebe, o Erde! Nachdem die Frage unsere Gedanken aufgeweckt, folgt die Antwort: es ist eben recht und billig, dass die Erde vor ihrem Herrn erbebt. Um aber einen lebendigeren Eindruck zu erzielen, kleidet der Prophet diese Aussage wiederum in die Form einer Anrede. Der Sinn ist also: Es konnte ja gar nicht anders geschehen, als dass die Erde vor dem Anblick ihres Königs erzittern musste! Ausdrücklich wird derselbe als „Herr“, d. h. als der Oberherr, bezeichnet. Sodann aber wird er der Gott Jakobs genannt, um einzuprägen, dass alle gemachten Götter weichen müssen. Denn bei ihrer Neigung zu Trügereien muss man immer fürchten, dass die Menschen ihre Götzen an die Stelle des wahren Gottes setzen. Endlich (V. 8) wird ein anderes Wunder verzeichnet, in welchem Gott nach dem Durchzug des Volkes noch einmal in der Wüste seine Kraft prächtig und erhaben offenbarte. So wird eingeprägt, dass Gottes Herrlichkeit nicht bloß einmal beim Auszug des Volkes erschien, sondern sich in ununterbrochenem Fortgang auch in anderen Werken zeigte. Dass Gott (vgl. 2. Mos. 17, 6) den Fels wandelte in Wassersee, will einfach besagen, dass das Wasser an einer Stelle floss, wo sonst trockener und harter Fels war. Gewiss gehen auch sonst Quellen aus Felsen und steinigen Orten hervor; dass aber aus einem trockenen Fels Wasser hervorgelockt wurde, geschah sicher gegen die Ordnung der Natur.

Quelle: Müller, Karl / Menges I. - Johannes Calvins Auslegung der Heiligen Schrift - Psalter

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