Calvin, Jean - An Nicolas Parent in Straßburg.

Nr. 60 (C. R. – 265)

Calvin, Jean - An Nicolas Parent in Straßburg.

Anweisung in Armensachen und einer seltsamen Heiratsgeschichte.

Ich bin damit einverstanden, dass du das Abendmahl auf nächsten Monat verschoben hast, da du es jetzt nicht abhalten konntest, ohne die Ordnung außer Acht zu lassen, die ich nicht ohne Grund sorgfältig bewahrt sehen möchte. Dass ich höre, unser Gemeindlein sei in gutem Stande, so dass es von meiner Abwesenheit keinen Schaden spürt, macht mir große Freude, oder erquickt und tröstet mich doch sicherlich in meinem Unglück. Wenn ich auch nur beiläufig und in wenig Worten dir bei meiner Abreise angeben konnte, was mir der Mühe wert erschien, so habe ich dir doch guten Rat gegeben, und ich freue mich, dass du ihm folgst, nicht weil es mein Rat ist, sondern weil ich glaube, dass es dir nicht ohne Nutzen und den andern heilsam ist. Was die Armen angeht, so bin ich nicht wenig in Verlegenheit beim Gedanken, wie wir ihnen helfen können. Denn du siehst, wie arm unsere Gemeinde selbst ist. Auch konnte ich es nie erreichen, dass aus Frankreich irgendeine Unterstützung geschickt wurde. Den zweiten Schlüssel hat Sturm bis sich zu Hause gelassen. Ihr werdet schon so viel in der Kasse finden, dass Ihr bis zu meiner Rückkehr der augenblicklichen Not abhelfen könnt; dann wollen wir mündlich beraten, wie mans besser machen kann. Landstreicher aber, von denen du merkst, dass sie ohne bestimmten Grund, sondern aus bloßem Leichtsinn herum reisen, brauchst du nicht lange aufzuhalten.

Es tut mir leid, dass Philipp solange krank liegen muss. Er ist ein frommer, junger Mann, bescheiden, tüchtig und klug, wie mir scheint. So habe ich, wenn ihn der Herr uns erhält, die beste Hoffnung auf seine Begabung gesetzt. Grüße ihn freundlich von mir. Den Andern, der in größerer Not ist, müssen wir mit Geld und Trost unterstützen. Was du von der alten Frau erzählst, konnte ich kaum glauben, so ungeheuerlich klingt es. Doch hattest du nicht Unrecht, mich darauf aufmerksam zu machen, da die Sache schon durch vieler Leute Geschwätz ruchbar geworden ist. Denn wir dürfen nicht übersehen, was so vom Gerücht umher geboten wird, auch wenn das Gerücht dunkel und unzuverlässig ist. Denn wenn es unsere Pflicht ist, unvorsichtige Taten zu verhindern, so können wir doch das Wahre vom Falschen nicht unterscheiden, wenn wir nachlässig übergehen, was in Aller Munde ist. Jetzt, da Charles nicht nur das Gerede von dem Anzeichen solchen Leichtsinns (danach man ein Vergehen nur vermuten, aber noch nicht verurteilen darf), sondern auch von einer eigentlichen Heirat bestätigt, bin ich starr vor Erstaunen. Eine Scheußlichkeit ists, die alle Frommen mit Recht verwünschen. Scheint etwas fabelhafter, als was man bei Dichtern liest, dass sechzigjährige Weiber noch geil werden? Und dieses Weiblein ist schon siebzig! Hat einen Sohn in dem Alter, in dem sonst auch verheirateten Frauen die sinnliche Lust aufhört! Wenn sie sich wenigstens mit einem Manne weit vorgerückten Alters verbunden hätte, so hätte sie sagen können, sie habe etwas Anderes begehrt als die Lust des Ehebettes! Nun hat sie sich aber nicht jede Verteidigung, sondern auch jeden Schein, der sie entschuldigen könnte, geraubt! Und sie glaubten, noch hübsch für ihre Sache gesorgt zu haben, wenn sie ihre Zuflucht zu einer heimlichen Trauung nahmen! Aber sie werden bald beide erfahren, wie gefährlich es ist, mit Gott Scherz treiben zu wollen. Wenn du nun fragst, was deine Pflicht dabei sei, so kann ich dir kaum raten. Denn wenn ich auch glaube, dass wir sie streng tadeln müssen und uns dem nicht entziehen können, ohne unsere Pflicht zu versäumen, so ist die Sache doch nicht ungefährlich und erfordert große Vorsicht, damit sie nicht von uns [gegeneinander] erbittert werden, und dann, so frech wie sie zusammenkamen, wieder auseinander fahren mit noch größerer Sünde und zu noch schwererem Ärgernis. Also, wenn nicht eine ganz besondere dir einen Weg auftut, rate ich dir nicht, mit ihr davon zu reden. Gibt es sich aber einmal gelegentlich, so zeige ihr nur, dass sie dabei doch zu wenig an ihren eigenen Ruf und die Erbauung der Kirche gedacht habe, dass dir sehr missfalle, was sie getan, und dass jeder ernste und anständige Mensch es höchlich missbillige. Du zweifeltest gar nicht, dass es auch mir eine furchtbar bittere und traurige Nachricht sein werde. Damit sie aber nicht noch dazu entweder [unter solchem Tadel] ganz zusammenbricht oder erst recht verrückt wird, so mildere die böse Sache durch sanfte Rede, so gut du kannst, und mahne sie, sie solle, was sie schlecht begonnen, durch einen bessern Ausgang wieder gut zu machen suchen. Schließlich halte solches Maß, dass die ganze Sache mir vorbehalten bleibt, wenn ich komme. In der Frage meiner Berufung nach Genf bin ich so unklar oder vielmehr so verworren in meinem Sinn, dass ich kaum wage, daran zu denken, was ich tun soll. Wenn ich einmal in diese Gedanken hinein gerate, so finde ich keinen Weg mehr. Daher, je mehr mich die Angst packt, umso verdächtiger bin ich mir mit Recht, und überlasse mich daher der Leitung der Andern. Unterdessen wollen wir den Herrn bitten, dass er uns den Weg zeige. Leb wohl, lieber Bruder, grüße mir alle die Unsern freundlichst.

Worms, 14. Dezember.
Dein Calvin.

Als ich eben den Brief absenden wollte, kam dein zweiter, in dem du deine Traurede beschreibst. Kühn wars gewiss von dir, dass du Matthieu so anzugreifen wagtest, der sich sonst kaum ermahnen, geschweige tadeln lässt. Ich freue mich aber, dass es so gut gegangen ist. Wir wollen uns also mit solcher freundschaftlichen Ermahnung begnügen und das Recht unsrer Kirche nicht weiter verfolgen. Doch soll uns dies Beispiel für die Zukunft mahnen, nichts von der Ordnung [der Kirche] zu unterlassen. Bei den beiden Eheleuten halte, bitte, solches Maß, dass aus den Dummen nicht Verrückte werden. Ich kenne den Stolz, die böse Zunge und die Frechheit des Weibleins. Dem Mönche werden wohl die Winternächte zu Hause lang vorkommen. Es ist zu befürchten, dass er, um die Langeweile zu vertreiben, anders wohin geht. Denn du weißt, dieser Menschensorte ist das Herumstreichen ein Vorrecht. Sturm habe ich erinnert, obwohl er von sich aus tun wollte, was du batest. So wird sie durch Krafft einen Brief bekommen. Leb wohl, liebster Bruder. Das in Eile, da der Bote gerade aufsitzen wollte. Grüße mir Sebastian, Enard und alle Andern freundschaftlichst.

Dein Calvin.

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