Burger, Carl Heinrich August von - Achte Predigt - Am Sonntage Septuagesimä 1850.

Burger, Carl Heinrich August von - Achte Predigt - Am Sonntage Septuagesimä 1850.

Text: Matth. 16, 13-19
Da kam Jesus in die Gegend der Stadt Cäsarea Philippi, und fragte seine Jünger, und sprach: Wer sagen die Leute, daß des Menschen Sohn sei?
Sie sprachen: Etliche sagen, du seiest Johannes der Täufer; die andern, du seiest Elias; etliche, du seiest Jeremias, oder der Propheten einer.
Er sprach zu ihnen: Wer sagt denn Ihr, daß ich sei?
Da antwortete Simon Petrus und sprach: Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn.
Und Jesus antwortete und sprach zu ihm: Selig bist du, Simon, Jonas Sohn; denn Fleisch und Blut hat dir das nicht geoffenbaret, sondern mein Vater im Himmel.
Und ich sage dir auch: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich bauen meine Gemeine, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen.
Und ich will dir des Himmelreichs Schlüssel geben. Alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein; und alles, was du auf Erben lösen wirst, soll auch im Himmel los sein.

Ein Text ist heute uns vorgelegt von einer Reichhaltigkeit und Tiefe, die unsre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt. Nur einiger Maßen klar und vollständig seinen Inhalt zu entfalten ist fast zu viel für wenige Viertelstunden, wie sie bei diesem Gottesdienste uns vergönnt sind. Doch laßt es mich versuchen.

Unser Text handelt von dem Bekenntniß Christi.

Er sagt uns:

  1. wie das richtige Bekenntniß von Ihm lautet,
  2. woher es stammt,
  3. wie es sich als wahr erwiesen hat und noch erweiset,
  4. was es für Recht und Macht verleiht.

Das laßt uns jetzt mit allem Ernst betrachten.

I.

Es war bereits das dritte Jahr des Lehramts Jesu angebrochen; viele Zeichen Seiner Hand hatten die Jünger schon gesehen, viele Worte voll Lichtes und Trostes schon von Ihm vernommen. Mächtig war alles Volk aufgeregt durch Seine Erscheinung, Seine Lehre, und das Gespräch über Ihn, der Ruf von Ihm erfüllte Aller Mund und Gedanken. Davon nimmt Jesus Anlaß Seine Jünger zu klarerer Erkenntniß, wer Er sei, zu führen, indem Er zuerst sie fragt: Wer sagen die Leute, daß des Menschen Sohn sei? Des Menschen Sohn nennt Er sich, weil Er es ist; weil Er wahrhaftig Mensch geworden ist nach Leib und Seele, und nicht zum Scheine, sondern in der That und Wahrheit als Glied eingetreten ist in unser sterbliches Geschlecht, um als der zweite Adam, als der Sohn des Menschen, wiederzubringen, was durch den ersten Menschen oder Adam verloren worden ist. Denn wie durch Einen Menschen die Sünde gekommen ist in die Welt und der Tod durch die Sünde, also ist auch durch Eines Menschen Gerechtigkeit die Rechtfertigung des Lebens über alle Menschen gekommen, schreibt St. Paulus. Aber weil damit das Geheimniß Seines Wesens nicht erschöpft ist, weil Er kein Mensch ist bloß wie alle anderen auch, deßwegen fragt Er: Was sagen die Leute, daß des Menschen Sohn sei? Und Er erhält verschiedne Antwort. Sie sprachen: Etliche sagen, du seiest Johannes der Täufer, nämlich der vom Tode vermeintlich wieder auferstandene; die andern, du seiest Elias; etliche: du seiest Jeremias oder der Propheten Einer. Da fragt Jesus weiter: Wer sagt denn ihr, daß ich sei? Und Simon Petrus voll Feuer und voll Lebens gibt die Antwort: Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn. Dieß ist das rechte wahrhaftige Bekenntniß von Ihm; dieß billigt Jesus, dieß nimmt Er an; dieß krönet Er mit großer mächtiger Verheißung. So stehen wir denn wieder vor der Frage, die jetzt so viel bewegt wird, vor der Frage von der Gottheit Christi! -

Was können, was sollen wir zu ihr sagen? Sollen wir dem Petrus widersprechen? Sollen wir sagen: Nein, Er ist nicht Gottes Sohn? Was ist Er dann? Wo bleibt dann unser gesamter Text? Wo die Verheißung für die ganze Kirche, die auf das Bekenntniß Seiner göttlichen Natur erbaut ist? Wo die Wahrhaftigkeit des Herrn und die Glaubwürdigkeit der Jünger und Evangelisten? Nicht irgend ein zufällig eingefügter Stein am Bau der Kirche, nein, ihr Fundament wird ihr genommen mit der Leugnung, daß Jesus Gottes Sohn sei. Aber das sei ferne, daß wir das Haus, in dem wir Friede und Kraft und Seligkeit gefunden haben, selber so zerstören wollten. -

Indeß man stellt die Frage anders; man wendet ein, Petrus selber habe mit dem Ausdruck: Du bist des lebendigen Gottes Sohn! nicht das bezeichnen wollen, was die Lehre der Kirche erst daraus gemacht hat. So müssen wir doch fragen: Was hat er denn sagen wollen? Hat er bloß sagen wollen: Du bist ein vorzüglicher Mensch? Du bist das, was wir alle werden sollen, ein Gottes Sohn, wie wir es auch zu sein bestimmt sind? Gewiß eine sonderbare Deutung, wo man nicht absieht, wie Petrus dazu kommt, den Herren durch das freudige Bekenntniß: Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn, von allen Propheten vor und nach ihm feierlich zu unterscheiden, wenn er doch seinerseits nichts weiter damit aussprechen will, als: Im Grunde bist du doch nur das, was wir auch sind! Oder meint ihr denn, die Apostel seien so schwach an Geist und arm an Redlichkeit gewesen, daß sie solch eine unbestimmte Redensart nur hingeworfen haben, um mit hohen Worten nichts zu sagen? Nein, was des Petrus Sinn und Gedanke ist, das müssen wir, wollen wir gewissenhaft verfahren, aus den Aussprüchen lernen, auf die er sein Bekenntniß stützen, aus denen er es schöpfen mußte. Da aber finden wir, daß in der ersten göttlichen Eröffnung, worin dem David der große Erbe seines Thrones und Reiches verheißen wird, als den die ganze gläubige Gemeinde Jesum Christum ehret, das Wort gebraucht wird: Ich will sein Vater sein und Er soll mein Sohn sein (2. Sam. 7, 12-14), ein Wort, das David schon versteht, wie er in seinem Dankgebet es ausspricht (ebendas. v. 19): Das ist die Weise eines Menschen, welcher Gott der Herr ist. Und seitdem wußte er und wußten die Propheten alle, weß sie zu dem Verheißenen sich zu versehen hatten; auf Grund jenes göttlichen Ausspruchs weissagt David im 2ten Psalme, indem er Christum, den Gesalbten, redend einführt: „Ich will von einer solchen Weise predigen, daß der Herr zu mir gesagt hat: Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt; heische von mir, so will ich dir die Heiden zum Erbe geben und der Welt Ende zum Eigenthum;“ und ermahnt nachher: „Küsset den Sohn, daß Er nicht zürne und ihr umkommt auf dem Wege; denn sein Zorn wird bald anbrechen, aber wohl Allen, die auf Ihn trauen!“ Soll dieser Sohn auch bloß ein guter Mensch sein? ein Sohn, wie wir es alle werden können? Und wenn derselbe David weissagt (Ps. 110): „Der Herr sprach zu meinem Herrn, setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde lege zum Schemel deiner Füße!“ spricht er da auch von einem bloßen reich begabten, aufgeklärten Mann und Lehrer? Oder wenn Jeremias sagt (23, 5. 6): „Es kommt die Zeit, daß ich dem David ein gerecht Gewächs erwecken will, und soll ein König sein, der wohl regieren wird und Recht und Gerechtigkeit auf Erden anrichten. Zu derselbigen Zeit soll Juda geholfen werden und Israel sicher wohnen, und dieß wird sein Name sein, daß man Ihn nennen wird: Herr, d.h. Jehovah, Gott, unsere Gerechtigkeit!“ will man da auch mit Deuten sich behelfen und sagen, das sei nicht so gemeint, Jehovah könne diesmal etwa auch so viel bedeuten als: ein Mensch oder irgend ein Geschöpf? Solch ein Beginnen schlägt sich selbst. Wenn Petrus wußte, was er sprach, da er Jesum bekannte als den Christ, als den Gesalbten, den verheißenen Erlöser, so kann er das Wort: Gottes Sohn, in keinem andern Sinne brauchen als es die Propheten schon genommen haben, und dann ist es ein Zeugniß Seiner göttlichen Natur, ein Zeugniß und Bekenntniß, daß Er mehr als ein Geschöpf, daß Er wahrhaftig Herr und Gott ist, wie Paulus klar und unzweideutig ausspricht: „Gott war in Christo und versöhnte die Welt mit Ihn, selber.“

II.

Aber dieß führt uns auf unsre zweite Frage: Woher stammt dieß Bekenntniß Petri? Wir haben wohl zum Theil die Antwort schon gegeben, wenn wir auf die Propheten uns beriefen, auf welchen Petri Zeugniß fußt. Doch ist damit nur erst der äußere Zusammenhang seiner Worte mit der vorausgegangnen Offenbarung nachgewiesen. Was aber Petrum dahin gebracht hat, in Jesu den Geweissagten mit solcher Klarheit auch nach jener Seite, nach der Er mehr als Mensch ist, zu erkennen, darauf gibt es keine andere Antwort als die des Herren: „Selig bist du, Simon, Jonas Sohn; denn Fleisch und Blut hat dir das nicht geoffenbaret, sondern mein Vater im Himmel.“ Fleisch und Blut hat dir das nicht geoffenbaret, sagt der Herr, denn mit seinen Sinnen konnte Petrus es nicht wahrnehmen und fassen, aus menschlichen Gedanken und Erwägungen ist dieß Bekenntniß nicht entsprungen. Vor seinen Augen stand ein Mensch wie wir, umfangen von menschlichen Bedürfnissen, unterworfen allen Schranken der sterblichen Natur. Wohl leuchtete die Herrlichkeit des Vaters durch in Seinen Worten und in Seinen Werken. „Wir sahen Seine Herrlichkeit,“ schreibt der Evangelist Johannes. Aber mit den Augen des Fleisches sahen sie dieselbe nicht. Sonst hätten alle die Tausende, die täglich Ihn umdrängten, ja das Gleiche sehen müssen; sonst hätte kein Pharisäer Ihn versuchen, kein Sadducäer Seiner spotten, kein selbstgerechter Haufen Ihn einen Samariter nennen und sagen können: „Du hast den Teufel;“ kein verstockter Hohepriester Ihn des Todes schuldig sprechen, kein aufgehetzter Pöbel das: Kreuzige! rufen können über Ihn. Sie alle sahen Ihn und hörten Ihn ja auch; Er nahm nicht eine andere Gestalt an ihnen gegenüber; Er war derselbe jederzeit und gegen Alle. Warum stießen denn sie sich an dem köstlichen Eckstein zum Tode, an dem ein Petrus und die seines Sinnes waren aufstanden in der Freudigkeit des Glaubens? Das macht den Unterschied: Petrus und die mit ihm waren, ließen sich von dem Herrn die Geistesaugen öffnen, damit sie Jesu Gotteskraft und Herrlichkeit erkannten; die andern waren blind und blieben blind an Ihm; denn die Erkenntniß Seiner göttlichen Natur ist eine Glaubenssache. Des Glaubens Art aber ist es sich zu halten an das Wort des Herrn mit fester unerschütterlicher Gewißheit und nicht zu zweifeln auch an dem, was man nicht sieht, wenn es nur Gott gesagt und offenbart hat. Die äußern Sinne und der umnachtete Verstand, der bloß den äußern Sinnen nachgeht, sahen und merkten nichts an Jesu als Geberden eines Menschen, und noch dazu in niedriger Gestalt, in Armuth, überhäuft mit schweren Leiden, und jeden Lichtstrahl Seiner Herrlichkeit löschte dieser Anblick bei ihnen wieder aus. Die aber auf das Wort Acht hatten und damit verglichen Jesu Zeichen, die faßten mit tiefem sinnigem Gemüthe, ohne daß Er es ihnen selbst zu sagen brauchte, die Wahrheit auf: Er ist Gottes Sohn, Er ist der König von Israel, Er ist's, von welchem Moses und die Propheten uns geschrieben haben. Denn der Geist des Herrn bekräftigte in ihnen, was derselbe Geist geoffenbaret hatte lang vor ihren Tagen, und was die Väter ahnend hofften, unterwiesen von dem Geiste Gottes, das sahen die Söhne im Licht desselben Geistes als erfüllt. Und wie es sonst war, so noch jetzt. Wie es nicht Fleisch und Blut war, sondern der Vater unseres Herrn Jesu Christi selber, der durch Seinen Geist dem Petrus offenbarte, wer vor ihm stehe; - so gilt noch immerdar das Wort: „Niemand kann Jesum einen Herrn heißen ohne durch den heiligen Geist“ (1. Cor. 12, 3). Was Wunder darum, wenn Viele Ihn verleugnen? wenn sich in allen Zeiten mehr oder minder ausgeprägt die alte Erfahrung wiederholt, daß wenige sind, die den schmalen Weg des Lebens finden? Sie können Christum nicht verstehn noch an Ihn glauben, weil sie sich der Zucht Seines Geistes nicht unterwerfen, weil sie ohne Buße und Heiligung zum Leben eingehen wollen; weil sie nur ihrem eignen Geiste folgen und mit all ihrer Thorheit, ihren Sünden, ihren Lüsten breit daher treten und die Seligkeit in Anspruch nehmen. „Wer aber Christi Geist nicht hat, der ist nicht Sein,“ spricht der Apostel (Röm. 8, 9), und wer nicht Sein ist, nennt Ihn auch nicht seinen Herrn, thut es wenigstens nicht im Ernst, von Herzen und mit voller Wahrheit. Und so bleibt's denn bei unserm Satz: das wahre, richtige Bekenntniß Christi stammt von oben, Fleisch und Blut hat es nicht erfunden, aus menschlichen Gedanken wird es nicht geschöpft. Aber die von Gottes Geist sich strafen und lehren lassen, die wissen es, daß Jesus Gottes Sohn sei und ihr Herr zur Ehre Seines Vaters, von dem Er selbst sagt (Joh. 14, 9): „Wer mich sieht, der siehet den Vater;“ (Joh. 10, 30): „Ich und der Vater sind Eins.“

III.

Aber liegt in der Erleuchtung unsers Geistes und Gewissens durch den Geist des Herren der einzige gewisse Trieb und Sporn und die Kraft der innern Ueberzeugung, die uns zu freudigen Bekennern Christi, des Sohnes Gottes, macht: so muß die Wahrheit dieses Bekenntnisses sich auch nach außen offenbaren und bewähren. Wie dieß geschehen ist und geschieht, davon gibt Jesus weiter Zeugniß, wenn Er also fortfährt: „Und ich sage dir auch, du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich bauen meine Gemeinde, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen.“ Daß auf dem Bekenntniß: Jesus ist der Christ, der Sohn des lebendigen Gottes, die ganze Kirche unsers Herrn erbaut ist; daß sie auf diesem Bekenntnisse besteht bis diese Stunde; daß alle Angriffe von innen und von außen, daß alle Aergernisse, alle Verfolgung, aller Widerspruch, alle Schmähung sie nicht unterdrückt hat; daß sie bereits seit 1800 Jahren das Wort des Herrn als wahr erweiset: die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen, und darum gewissen Grund der Hoffnung gibt, was ihnen bis heute nicht gelungen ist, das werde ihnen ewig nicht gelingen: das, sage ich, ist eine Bewährung des Bekenntnisses zu Christo, die auch den Blödesten in die Augen leuchten und ihren Unverstand zerstreuen müßte, wenn sie nicht muthwillens ihre Blicke vor diesem Zeugniß immer selbst verschlössen. Denn das Bestehen der Kirche selbst ist der Beweis, daß Petrus recht bekannt hat. Vermöget ihr die Frucht des Bekenntnisses nicht wegzuleugnen, so gebet auch den Samen zu, aus welchem sie gewachsen ist, und müßt ihr zugestehen, daß ein Petrus, ein Paulus und Johannes Männer waren, aus deren Rechtschaffenheit und Lauterkeit des Charakters sich kein Makel bringen läßt, so machet nicht sie, oder vielmehr macht nicht euch selbst zu Lügnern oder Thoren durch das Vorgeben, daß sie mit einem falschen Wahne oder leeren Gedichte - die Welt überwunden haben! -

Aber daß dieß Bekenntniß, daß Jesus Gottes Sohn sei, und kein anderes, in der That und Wahrheit der Grund der Kirche Christi sei, das bekräftiget der Herr noch ganz besonders durch die Beziehung, welche Er Seiner Verheißung auf den Bekenner dieser Wahrheit gibt. Ich sage dir, du bist Petrus! spricht der Herr. Petrus hat den Namen von Petra, welches Fels heißt. Warum bekommt Petrus diesen Namen? Weil er die Wahrheit ausspricht, die als ein Fels der Kirche Christi zu Grunde liegt. Denn das Bekenntniß lebet nur in den Bekennern. Es ist auch nicht der Grund der Kirche, soferne es bloß ausgeschrieben steht oder irgendwo angemerkt ist, daß es einmal von Jemand ausgesprochen worden sei; sondern es ist der Grund der Kirche, soferne es bezeugt, gepredigt, immerfort bekannt wird. Nicht aus Buchstaben, sondern aus lebendigen Bekennern besteht die Kirche; auch nicht durch die Schriften, sondern durch die Predigt der Apostel und Propheten ist sie erbauet worden; und darum gilt die Verheißung: Auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen, auch nicht bloß dem Bekenntniß als dem einmal für allemal gesprochnen Worte, sondern geradezu auch dem Bekenner, Petrus, dem Apostel, welcher zuerst mit freudigem Aufthun des Mundes dieses Wort bezeugt hat. Das weiset auch die Geschichte aus. Petrus ward von dem Herrn gewürdiget die Erstlingsgemeinde Christi in Jerusalem zu sammeln aus den Juden durch die Predigt, die er an jenem Pfingstfest hielt nach der Ausgießung des heiligen Geistes; den Petrus gebraucht der Herr auch zum Werkzeuge, um die Erstlinge der Heiden zu sich zu rufen, den Hauptmann Cornelius in Cäsarea mit seinem Hause. Wie er im Bekennen der erste war, so sollte er es im Sammeln der Gemeinde auch sein, und sollte damit Grund legen zu dem Bau der Kirche. So hat der Herr gesagt; so ist's geschehen; und unter den 12 Gründen des himmlischen Jerusalems (Offenbar. Ich. 21, 14), auf welchen stehen die Namen der 12 Apostel des Lammes, wird der Name Petri vorne an stehen. Solcher Gnade hat ihn der Herr gewürdigt und das Wort unsers Textes ist darin wahr gemacht. Daß aber nicht die Person des Petrus ohne das Bekenntniß, daß nur der Bekenner Petrus als lebendiger Grundstein in den Bau der Kirche eingefügt ist (Eph. 2, 20), und daß die Verheißung kein Wort sagt von Nachfolgern Petri, die eine Gewalt von ihm ererbet hätten zu herrschen in der Kirche, die er selbst nie hatte noch sich beimißt, das braucht kaum der Versicherung. Vom Gründen der Kirche spricht der Herr, nicht vom Regieren. Und eben weil der Herr auf Petrum, den Felsenmann, und auf sein Zeugniß die Kirche bauen wollte, kann von Nachfolgern nicht die Rede sein, die ihn ablösten. Denn Grund legt man einmal, und ist er gelegt, so bleibt er fest, so lang der Bau steht. Richtig ist bloß, daß man den Bau auf keinen neuen Grund mehr versetzen kann, nachdem er im ersten eingewurzelt ist. Weil Petrus mit dem Bekenntnisse zu Christo diesen Grund gelegt hat, so kann ihn Niemand mit einem anderen vertauschen, ohne von der Kirche sich selbst auszuscheiden. Das laßt uns merken! und wie Petrus der erste Bekenner war, und davon seinen Ehrennamen trägt, so sollen wir ihm im Bekenntniß folgen; damit werden wir die Ehre, die ihm die liebste sein muß, ihm gewähren, und das Haus, an dessen Gründung er die erste Hand gelegt hat, im Bau erhalten, Gott zu Lobe, uns zum Segen.

IV.

Und nun ein kurzes Wort noch schließlich von der Macht und von dem Rechte, welches der Herr kraft seines Bekenntnisses dem Petrus zuspricht. „Und ich will dir des Himmelreichs Schlüssel geben. Alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und Alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel los sein.“ Es ist die Macht Sünde zu vergeben und Sünde zu behalten, welche der Herr mit diesen Worten in Petri Hände legt. Er, unser Heiland, ist es, der die Vergebung mit Seinem heiligen und theuern Opfer uns erworben hat. Was Er erworben hat, kann Er vertheilen; das kann Er auch zur Vertheilung Andern übertragen, kann ihnen Vollmacht geben Seine Gaben zu verwalten und sie zu Haushaltern darüber setzen, nicht daß sie willkürlich und nach eigner Macht damit zu schalten Recht bekämen, sondern daß sie in Christi Namen und nach Christi Auftrag den Seinen kund thun und bezeugen, was ihres Herren gnadenvoller Wille oder Sein ernstes Gericht über sie beschließt. Und diesen Auftrag übergibt Er hier dem Petrus. Er legt damit die Schlüssel des Himmelreichs ihm in die Hand als Seinem Diener. Denn die Vergebung der Sünden schließt uns ja den Himmel auf und ohne sie kann Niemand eingehn. Darum ist diese Vollmacht, die unser Text bezeugt, eine ernste, verantwortungsvolle, inhaltschwere. Aber aufs neue erhebt sich hier die Frage: soll diese Vollmacht dem Petrus eigen zukommen als ein persönlicher Besitz, den er vererbte, oder wie haben wir die Worte Christi zu verstehen? Sollte es ein persönlicher Besitz sein, der dem Petrus für sich zukäme, so stünde das schon in Widerspruch mit den Worten Christi bei der ersten Erscheinung im Kreise der Jünger nach Seiner Auferstehung, wo wir lesen (Joh. 20, 22. 23): Er blies Seine Jünger an und sprach zu ihnen: „Nehmet hin den heiligen Geist; welchen ihr die Sünden erlasset, denen sind sie erlassen, und welchen ihr die Sünden behaltet, denen sind sie behalten.“ Denn hier wird allen Jüngern das gleiche Recht verliehen, wie in unserm Text scheinbar allein dem Petrus. Und nur 2 Kapitel nach unserm Texte (Matth. 18, 17. 18) lesen wir dieselbe Vollmacht; dort aber wird sie der Gemeinde zugesprochen; denn es ist die Rede von verstockten Sündern, an denen jede Warnung und Ermahnung fruchtlos bleibet. Ueber einen solchen heißt es endlich, nachdem alle anderen Mittel persönlicher Zusprache ohne Frucht erschöpft sind: „Sage es der Gemeinde; höret er die Gemeinde nicht, so halte ihn als einen Heiden und Zöllner. Wahrlich ich sage euch, was ihr auf Erden binden werdet, soll auch im Himmel gebunden sein, und was ihr auf Erden lösen werdet, soll auch im Himmel los sein.“ Wenn also die gleiche Vollmacht einmal allen Aposteln, dann wieder der ganzen Kirche, der Gemeinde, gegeben wird, wie kommt Petrus dazu, daß sie in unserm Text in seine Hand allein gelegt erscheint? Er kommt dazu nicht anders, als er gelangt ist zu der Ehre, Petrus, der Felsenmann, zu heißen, und als Grundpfeiler der Gemeinde von dem Herrn erklärt zu werden. Denn weil er der erste offene Bekenner Christi ist, so wird die Macht und der Beruf der Kirche, welche sich zum Herrn bekennt, auf ihn als ihren Erstling übertragen, daß er auch zuerst sie übe. Und wie wir gesehen haben, daß er in der That das Werkzeug Gottes war die ersten Gemeinden zu versammeln aus den Juden und den Heiden, so sehen wir auch, daß er es ist, der von der ihm verliehenen Macht der Schlüssel den ersten entscheidenden Gebrauch macht an Ananias und Sapphira, wie in der Apostelgeschichte Cap. 5. zu lesen ist. Aber was er gethan hat, thut deßgleichen Paulus an dem Blutschänder in Corinth im 5. Cap. seines ersten Briefs an die Corinther; ja er tadelt die dortige Gemeinde, daß sie es nicht zuvor gethan hat; und in gleicher Machtvollkommenheit übt immerdar die Kirche, die auf Christi Wort erbauet ist, das gleiche Recht aus. Auf sie geht Petri Vollmacht über; denn ihm selbst ist sie nur gegeben als ihrem Stellvertreter, der zuerst für sie das Wort genommen hatte. Wenn sie den Herrn bekennt wie Petrus, darf sie auch wie Petrus trösten und strafen, lossprechen und behalten, und ihr Wort, in der Furcht Gottes mit Gewissenhaftigkeit und heiliger Scheu gesprochen, wird gültig sein im Himmel und auf Erden. Auf dieser Verheißung fußt alle Vollmacht der Diener Christi und der Haushalter über Gottes Geheimnisse. Mögen sie den Gebrauch davon machen zum Heil und zur Erbauung der Gemeinde! Gott wird sie stärken und ihnen Licht und Kraft dazu verleihen.

So wären wir denn mit der Erklärung unsers Textes zum Schluß gekommen. Es fehlt die Zeit, noch seinen Inhalt mit Ermahnung euch an's Herz zu legen. Denkt selbst dem nach, was ihr gehört habt. Und habt ihr aufs Neue gesehen, daß nur Ein Grund ist, der die Kirche trägt, nur Ein Bekenntnis, wodurch sie gebaut wird und kraft dessen sie die Verheißung hat, daß sie bestehen soll wider alle Macht der Hölle: so bleibet bei dem Einen, und bittet Gott mit mir:

O Herr, behüt‘ vor fremder Lehr,
Daß wir nicht Meister suchen mehr
Denn Jesum in rechtem Glauben,
Und Ihm aus aller Macht vertrauen. Amen.

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