Blumhardt, Christoph - 4. Das richtige Verhalten zum Irdischen. (6. Trin.)

Blumhardt, Christoph - 4. Das richtige Verhalten zum Irdischen. (6. Trin.)

Matth. 6, 19-34.

Der Herr hatte von einer öffentlichen Vergeltung der Werke der Frömmigkeit im Himmel gesprochen. Dieses führt Ihn zu dem, was die Menschen auf Erden zu gewinnen trachten; und Er stellt daher das Irdische dem Himmlischen entgegen, um das richtige Verhalten Seiner Jünger zum Irdischen anzuzeigen. Da hat Er vornehmlich vor Zweierlei zu warnen: Erstlich vor dem Sammeln von Schätzen auf Erden, zweitens vor dem Sorgen, wenn Irdisches gebricht. Er kommt dabei auf ein sehr Wichtiges zu reden; denn im Irdischen liegen viele Klippen für den Menschen. Weil dieser auf Erden ist, sieht er sich zunächst auf das Irdische hingewiesen; und daß er's da recht mache, ohne für das Himmlische einzubüßen, ist für gewöhnlich keine leichte Sache. Viele haben schon über den Eifer auf das Irdische hinein das Himmlische verloren; und Andere sind unter dem Sorgen, das sie in Sünde oder Verzweiflung stürzte, zu Grunde gegangen. In der Kürze weiß der Herr nichts Besseres zu sagen, als den Einen: „Sammlet nicht“, und den Andern: „Sorget nicht.“

Zuerst warnt der Herr vor dem Sammeln von Schätzen auf Erden (V. 19-24), Er kann damit nicht verbieten wollen, reich zu sein, oder durch Fleiß, Treue und göttlichen Segen, den man erwartet, es zu werden. Denn die irdischen Verhältnisse sind einmal so, daß die ganze Gesellschaft auseinanderfiele, wenn nicht Vermögende, mitunter viel Vermögende, unter ihr sich fänden. Ein Abraham hätte nicht bestehen können im fremden Lande Kanaan, wenn er nichts gehabt hätte; und so hat ihm Gott viel Gut und Reichthum gegeben, um unabhängig von den Landesbewohnern leben zu können. Auch von Jakob heißt es (1 Mo. 30, 43): „Er war reich über die Maßen“, wie er's eben für zwölf Söhne brauchte. Auch unter den Christen gab es gleich zu Anfang Reiche, denen nicht gesagt wurde, sie sollten ihren Reichthum hingeben, sondern es heißt nur (1 Tim. 6,17 ff.): „Den Reichen von dieser Welt,“ d. h. den an irdischen Gütern Reichen in der Gemeine, gebeut, daß sie nicht stolz seien, auch nicht hoffen auf den ungewissen Reichthum, sondern auf den lebendigen Gott, daß sie Gutes thun, reich werden an guten Werken, gerne geben, behülflich seien, Schätze sammeln, ihnen selbst einen guten Grund auf's Zukünftige, daß sie ergreifen das ewige Leben.„ Es hat daher zu allen Zeiten Reiche gegeben, auch solche, die es erst werden, indem sie durch Geschicklichkeit, Fleiß, Talent, sogenanntes Glück es zu großem Reichthum bringen können Daß dieses etwas Unrechtes sei, will der Heiland nicht sagen, weil es geschehen kann ohne wirkliches Jagen und Haschen nach Reichthum. Er kann das auch nicht sagen wollen; denn schon in dem Gebot: „Du sollst nicht stehlen,“ liegt die Berechtigung des Besitzes, den der Einzelne hat, und darin ihn Niemand, auch der Aermste nicht, mit Beraubung stören darf. Durch das nämliche Gebot wird auch alles communistische Gelüste Vieler in unsern Tagen gerichtet, wenn sie Gütergemeinschaft oder gleichmäßige Vertheilung aller Güter einführen möchten, weil das nur etwa durch gewaltsame Eingriffe in die besonderen Eigenthumsrechte möglich wäre.

Ein verkehrtes Sammeln aber ist's, wenn der Mensch es selbst so sehr darauf anlegt, nur reich zu werden, wenn er nie genug hat und immer neue Versuche macht, um noch mehr zu bekommen, wenn er daher nur immer einnehmen, nichts ausgeben will, um ja recht viel aufzuspeichern, als ob er damit etwas Rechtes hätte. Es ist schon schlimm, wenn er, was er an Irdischem hat, nur mag seinen Schatz (V. 21) nennen, wie wenn es etwas Werthvolles wäre, an dem er ein Bleibendes und Sicheres hätte, während offenbar ist, wie leicht sich Alles verflüchtigt (V. 19), und wie der Mensch doch zuletzt Alles liegen lassen muß. Der, dem die Güter dieser Welt Schätze sind, sagt der Herr, hängt sein Herz daran (V. 21), schenkt ihm also seine Liebe und Anhänglichkeit, seine Freude und Wonne, sein Vertrauen und seine Hoffnung, was Alles seinen Sitz im Herzen hat. Ists aber das, so wird sein Edleres in ihm aus Gott, sein geistliches Auge, das sein Licht ist, wie das äußere Auge, nach dem Wort des Herrn, das Licht des Leibes ist (V. 22), umnebelt und verfinstert, daß er allen Geschmack am Himmlischen und Göttlichen verliert, und daß in ihm eine undurchdringliche Finsternis entsteht, ja in ihm endlich gar der letzte Lichtfunken verloren geht (V. 23).

So kann das Sammeln allein schon, auch wenn kein eigentliches Unrecht mit unterläuft, zur größten Sünde werden, weil man sein Edelstes dabei dran gibt und geistlich ruiniert wird. Sonst ist aber wohl bekannt, wie viele Sünden sich nicht nur an das Sammeln, sondern auch an den Besitz des Irdischen so leicht anhängen, wenn man sich nicht, selbst unter dem Besitze, für arm hält, als hätte man mit Allem doch eigentlich nichts. Nichts Unwürdigeres aber kann es für Jünger Christi geben, als wenn sie Erdenwürmer werden, die sich ganz nur ins Irdische hineinscharren.

Schlimm ist es auch, wenn Viele Beides mit einander wollen, dem Herrn dienen, aber auch am Mammon hängen (V. 24). Denn wem der Mammon etwas gilt, der wird in der Regel ein Knecht oder Sklave des Mammons wider Gott, so viel er sich auch den Schein gibt, als diente er Gott. Er stellt sich etwa immer fromm an, und doch ists nichts mit ihm, weil, wo es gilt, der Mammon, seinen Knecht mit Satansketten bindend, die Oberhand hat, daß der Gebundene nicht gibt, wie er sollte, nicht redlich ist, wie er sollte, nicht trachtet nach dem Himmelreich, wie er sollte, den Lockungen zu Wollüsten und Genüssen aller Art nicht widersteht, wie er sollte. Denn dem Mammon hängt der Arge, der Teufel, an; und dem fällt jeder Besitzende, besonders wenn er immer mehr haben will, mehr oder weniger in die Klauen, es sei denn, daß er mit äußerster Behutsamkeit allem Zeitlichen eigentlichen Werth abzusprechen vermag, also sein Herz von ihm abgewendet sein läßt.

Wie wir aber als Jünger Jesu, durch Ihn zu Kindern Gottes gemacht, unter Anderem, dessen sich noch viel erwähnen ließe, Schätze im Himmel sammeln können, ist uns vom Herrn schon oben gesagt worden, da er vom Almosengeben, Beten und Fasten redete, und von der öffentlichen Vergeltung, die man sich damit, wenn es im Verborgenen geschehe, im Himmel erwerben könne. Gebe Gott, daß wir dort nicht, nach Zurücklassung des irdischen Plunders, leer da stehen!

Für's Zweite warnt der Herr vor den Sorgen (V. 25 ff.). Die Sorge für die Zukunft nämlich treibt die Menschen viel in den Geiz und das Sammeln hinein. Sie rechnen auf die Zeit, da sie etwa nichts mehr verdienen, da die Hilfsmittel ihnen versiegen könnten; und wie vielen werden solche Gedanken zum Fallstrick, daß sie, alles Höhere vergessend, nur auf das Eine bedacht sind, es zu etwas zu bringen. Eine ungünstige Zukunftszeit sich denkend, sagen sie: „Wenn wir es nicht zu etwas bringen, was werden wir essen? was werden wir trinken? womit werden wir uns kleiden?“ (V. 31); und damit hört alles Sorgen für die Seele, alles Trachten nach himmlischen Schätzen auf. Das Trachten nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit steht bei ihnen nicht vorne an, wie es sollte (V. 33), wird oft ganz versäumt. So hats auch schon Diener des Evangeliums gegeben, wie es ja die Jünger Jesu, mit denen Er redet, werden sollten, welche über dem Sorgen für die Zukunft schlechte Arbeiter im Weinberge des Herrn geworden sind. Wider dieses Sorgen für die Zukunft sagt der Herr (V. 34): „Sorget nicht für den andern Morgen; denn der morgende Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, daß ein jeglicher Tag seine eigene Plage habe“. Er will damit sagen, wir sollen nicht mit Bekümmernis und ängstlicher Unruhe auf weiter hinaus arbeiten wollen, als auf die nächste Zeit. Wir sollen nur Treue für jeden heutigen Tag beweisen, ohne zu meinen, uns gleichsam überarbeiten zu müssen, damit es auf viele Tage ausreiche. Was wir für heute mit Treue und Arbeit gewinnen, können wir auch für morgen haben. Damit ist nicht ausgeschlossen, daß uns Gott je und je durch unsere tägliche Treue auch auf längere Zeit das Nöthige darbieten werde. Wenn Er's gibt, dürfen wir's dankbar annehmen. Will Er durch Zurückhaltung und spärliches Zumessen im Glauben üben, so müssen wir's uns ohne Bekümmernis und Sorge gefallen lassen. Sich darüber, wohl auch mit Unzufriedenheit und Murren, quälen, ist Thorheit, wenn nur jeder Tag das Nöthige bringt, wofür der Vater im Himmel jedenfalls bei Seinen Rindern einsteht. Die Thorheit ist um so größer, da doch wieder jeder Tag an und für sich der Plagen genug mit sich bringt (V. 34), die hinreichend zu schaffen machen, bis man sich über sie hindurchringt, und unter welchen gerade durch die Ueberlast, welche die Sorgen machen, der Mensch bis ans Erliegen kommen kann.

Uebrigens denkt der Herr mit seiner Warnung vor dem Sorgen doch auch an wirklich Arme, die es oft buchstäblich nicht auf den andern Morgen haben. Heute haben sie's; ob sie's morgen haben werden, wissen sie nicht, müssen also stets im Glauben Leben. Man macht aber die Erfahrung, daß diese Arme oft weniger mit ängstlichen Sorgen geplagt sind, als etwa mittlere Leute. Sie haben sich in ihr Schicksal gewöhnt und sorgen nicht, erfahren's auch, daß doch alle Tage kommt, was sie brauchen. Mittlere Leute aber, welche große Familien versorgen sollen, die oft auch Unglück haben, daß ihnen ihr Weniges, das auf länger Nahrung versprach, verloren geht durch Betrug Anderer, durch Verlust ihrer Stellen, durch Gant1), durch Krieg, durch Brand, durch Hagelschlag, durch Unglück in Geschäften, durch unvorsichtige Bauunternehmungen, die sind’s, die oft bis zur Verzweiflung rufen: „Was werden wir essen? was werden wir trinken? womit werden wir uns kleiden?“ Diese sind’s, die je und je Tag und Nacht jammern, wie sie's doch auch durch bringen werden, die oft auch auf böse Wege gerathen, sich zu helfen, oder so von Sinnen kommen, daß sie sich selbst das Leben nehmen, meinend, sie könnten sich und die Ihren nicht mehr nähren. Dergleichen Leuten will der Herr mit Seiner Rede einen Trost geben, der bei denen, die Ihn kennen, bei Seinen Jüngern, haften sollte.

Vieles führt der Herr an, um Seine Jünger in geduldiger Fassung auch unter der größten Bedrängnis zu erhalten. Ihr Leben, führt Er aus, ihr Leib gilt viel vor dem Vater im Himmel; wie sollte Er, der diese geschaffen, nicht Speise und Kleidung für sie darreichen wollen (V. 25)? Ferner erinnert der Herr an die Vögel (V. 26), die nicht sammeln, um denen, die keinen Vorrath sich ersparen können, wie das Viele haben, Muth zu machen, daß sie nicht verzagen, wenn sie's hätten, wie die Vögel, welche, obgleich nur Vögel, keine Menschen, keine Kinder Gottes, doch auch alle Tage ihre Speise finden. Er stellt ihnen vor, wie Sorge und Kummer den Menschen doch nicht helfen, und sie durch ängstliche Unruhe die Sachen nicht anders machen, wie Keiner mit noch so viel Bekümmernis seiner Länge eine Elle zusetzen möge (V. 27). Sie brauchten um ihre Bedürfnisse nicht einmal so ernstlich zu bitten, weil der himmlische Vater dieselben ja kenne (V. 32). So lehren's auch die Blumen des Feldes, sich nicht so ängstlich um die Kleidung zu bemühen (V. 28 ff); denn so kurz die Blumen auch währen, mit welcher Pracht kleidet sie der Vater im Himmel2), anzuzeigen, daß die Kinder Gottes nicht bloß gehen, auch nicht immer nur Lumpen, sondern wohl etwas Besseres, als die nöthigste Bekleidung, empfangen sollen, wenn sie nur als Kinder sich verhalten. Würden wir anders von Gott denken, und uns stellen, als ob Gott nicht sorgte, so wären wir ja nur Heiden (V. 32), die an keine Liebe Gottes glauben können.

Da sehen wir's aber, wie viel darauf ankommt, daß wir unserer Kindesrechte durch Christum uns bewußt werden, um Gott etwas zutrauen zu können. Wie werden wir das? Lieber Christ, nur damit, daß du trachtest, wie dein Heiland sagt (V. 33), nach dem Reiche Gottes und nach dem, was in diesem als Gerechtigkeit gilt, wozu im Neuen Bunde so viel dir dargeboten ist. Liegt dir das an, so nimmt dir das die Sorgen auch in der kümmerlichsten Lage; und dein Herz wird harrend, geduldig, zufrieden und getrost. Ehe du dich's versiehst, dienen dir, auch ungesucht, denn es soll ja „zufallen“, - die Engel vom Himmel, wie dem Herrn nach der Versuchung (Matth. 4,11), da Ihn gehungert hatte, daß dir's an nichts fehlen darf. Laß denn „die Sorge dieser Welt und den Betrug des Reichthums,“ (Matth. 13,22) das Wort, das du gehört, in dir nicht ersticken, wie da geschieht, wo das Wort unter die „Dornen“ fällt, und lerne dich, wie dich's dein Heiland lehrt, zum Irdischen mit göttlichem Sinne verhalten ohne widergöttliches Sammeln und Sorgen. Amen.

1)
alter Begriff aus dem Insolvenzrecht, bedeutet so viel wie Konkurs, Zwangsversteigerung
2)
Anm. Um zu erkennen, daß die Pracht der Blumen über die Kleider eines Salomo geht, erwäge man, wie unter dem Vergrößerungsglase die schönsten Kleider immer häßlicher, Blumenblätter immer kunstvoller und herrlicher erscheinen.
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