Besser, Wilhelm Friedrich - Die Briefe St. Johannis in Bibelstunden für die Gemeinde ausgelegt - 5. Der Christen Schutz vor der Verführung des Widerchrists.

Besser, Wilhelm Friedrich - Die Briefe St. Johannis in Bibelstunden für die Gemeinde ausgelegt - 5. Der Christen Schutz vor der Verführung des Widerchrists.

Cap. 2, 18-28.

Salbe uns mit dem Geiste der Wahrheit, o HErr, und stärke auch jetzt unsern Glauben an Dein seliges Evangelium, das wir von Anfang gehört haben, Amen.„

Ich habe euch geschrieben, ihr Kinder, denn ihr kennet den Vater: solch eine bekräftigende Anrede auch an die Kinder, wie vorhin V. 14. an die Väter und Jünglinge, hat Johannes im Sinne; er fängt aber nicht gleich damit an, sondern flicht dieselbe erst V. 21. in das ein, was er den Kindern, welche den Vater kannten, ans Herz zu legen hat. Die sammt ihrer Lust vergehende Welt hat er den Jünglingen vor Augen gemalt: da hört er die Zeichen der Zeit den jüngsten Tag einläuten und sieht die Adler sich sammeln über dem Aas. Das Gericht über die Welt und über die, welche die Lust der Welt lieb haben, ist vor der Thür, und der Apostel ist darauf bedacht, die Gläubigen, sonderlich die Kinder, gegen die Gefahren der „letzten Stunde“ zu waffnen, indem er sie ermahnt zum Bleiben beim Evangelio, durch welches sie zur Erkenntniß des Vaters gelangt waren. - Die Warnung vor der Sünde des Bruderhasses (V. 9-11) gilt besonders den Vätern, welche Jesum Christum kennen; die Warnung vor der Weltliebe (V. 15-17.) gilt besonders den Jünglingen, welche den Bösewicht überwunden haben; die Kinder aber, welche den Vater kennen, warnt nun Johannes sonderlich vor der falschen Lehre der Widerchristen, die einen andern Weg zum Vater als den einigen Weg durch den Sohn, Jesum Christum, zu erlügen und durch Verführung in diese Lüge die Christen zu verderben, ihnen die geschmeckte Freude der Gemeinschaft mit dem Vater zu rauben und sie aus dem ihnen scheinenden Lichte hinweg in die alte Finsterniß wiederum zu verschlingen trachteten. Beim Katechumenen-Unterrichte und am ersten Abendmahlstage eingesegneter Kinder soll dieser Text hell leuchten; doch gehört er freilich zugleich allen Christen mit, denn alle begehrt der Widerchrist zu verführen. Gegen die Widerchristen den Christencharacter (die Salbung), gegen die Lüge die Wahrheit sieghaft zu behaupten: das ist der Preis, der in diesem Abschnitte uns vorgehalten wird.

V. 18. Kinder, es ist die letzte Stunde! Und wie ihr gehört habt, daß der Widerchrist kommt, so sind nun auch viele Widerchristen geworden; daher erkennen wir, daß die letzte Stunde ist. Johannes mahnt an die Reden des HErrn von Seiner Zukunft Matth. 24, 11. 24.). „Siehe, Ich habe es euch zuvorgesagt“ mit diesen Trostworten begleitet der HErr die Weissagung von den falschen Propheten, die auch die Auserwählten - so es möglich wäre - in Irrthum verführen würden, und die Apostel haben auf Grund jener Weissagung das „Kommen des Widerchrists“ tief in die Herzen der Christen eingeschrieben (Apostelg. 20, 29. 30; 2 Thess. 2; 1 Tim. 4. 1 ff.; 2 Tim. 3, 11 ff.; 2 Petr. 2, 1 ff.; 3, 3 ff.; Jud. V. 18 ff.). So konnte Johannes als auf etwas (selbst den Kindern) Bekanntes sich berufen, indem er von dem Vorhandensein der Widerchristen auf das Vorhandenseyn der letzten Stunde den Schluß zieht. Was für eine Zeit ist nun die letzte Stunde? Dieselbe Zeit, von der die Kirche mit Nikolaus Selnecker singt: „In dieser letzten betrübten Zeit verleih uns Allen Beständigkeit.“ Nach dem einhelligen Zeugniß der Apostel ist mit der Erscheinung Christi im Fleisch und mit der Sendung des Heiligen Geistes zur Erbauung der Kirche die letzte Weltzeit, die letzte Periode der Geschichte des Reiches Gottes auf Erden herbeigekommen. Gleich in Petri Pfingstpredigt begegnet uns jene prophetische Stelle, welche den Anfang des Endes und die Vollendung des Endes zusammenschauen läßt: auf die Ausgießung des heiligen Geistes folgt das Zergehen der Himmel, das Zerschmelzen der Elemente, das Verbrennen der Erde und ihrer Werke; auf die Herrichtung des Rettungsortes in Zion, der Kirche, folgt der große und offenbarliche Tag des HErrn (Apostelg. 2, 16 ff.). Und die heiligen Apostel wissen es, daß eben ihre Predigt das Ende der Welt nahe gebracht hat (Matth. 24, 14.). daß des letzten Welttages letzte Stunde schon angebrochen ist. Was hier Johannes bezeugt: Es ist die letzte Stunde! dasselbe hören wir aus dem Munde der Apostel Petrus und Paulus und auch Jakobi: „Es ist nahe gekommen das Ende aller Dinge! Die Zukunft des HErrn ist nahe! Siehe der Richter ist vor der Thür! Noch über eine kleine Weile, so wird kommen, der da kommen soll, und nicht verziehen! Der HErr ist nahe! Maranatha (der HErr kommt)!“ (1 Petr. 4, 7; Jak. 5, 8 9; Phil. 4, 5; Röm. 13, 11; Hebr. 10, 37; 1 Cor. 16, 22.), Wann die letzte Stunde um seyn würde, wann der HErr die Hand abziehen würde von dem Glockenhammer, daß er zwölfmal anschlage als um Mitternacht: das wußten die Apostel nicht (Apostelg. 1, 7.), und Niemand soll es wissen, denn der Tag des HErrn wird kommen wie ein Dieb in der Nacht (l Thess. 5, 2; Offenb. 3, 3; 16,15; vergl. dazu die Grundstelle Luc. 12, 39, und auch den „Fallstrick“ in Luc. 21, 35.); aber das wußten sie, und wir alle sollen es wissen, daß es Zwölf schlagen kann im Nu, denn es hat bereits Eilf geschlagen. Die Zeichen, auf welche der HErr als auf Anmeldungen Seiner Zukunft, auf das Anklopfen des Richters vor der Thür, zu merken uns befohlen hat, sie haben angefangen zu geschehen, der „Anfang der Wehen“ (Matth, 24, 8.) läßt sich spüren, seitdem Johannes dies geschrieben hat: Es ist die letzte Stunde! Wer freilich die Geschichte der Kirche verkehrt ansieht, nämlich so, als läge die Zeit ihrer höchsten innerlichen Schöne und offenbarlichen Macht über die Welt noch in einer irdischen Zukunft: der wird geneigt seyn, die heiligen Apostel in Verdacht des Irrthums zu nehmen, indem sie den Anbruch der letzten Stunde erlebt zu haben versichern; wer dagegen erkennt, daß die Sonne des Evangelii die Welt mit hellstem Glanze bestrahlte, als sie in der Predigt der Apostel herausging wie ein Bräutigam aus seiner Kammer und sich freute wie ein Held zu laufen den Weg von einem Ende des Himmels bis wieder an dasselbe Ende (vergl. Röm. 10, 18.), und daß die ganze Geschichte der Kirche seitdem durchtönt ist von dem Seufzer der Frommen: „Ach bleib bei uns, HErr Jesu Christ, weil es nun Abend worden ist!“ - ja! daß auch ihre herrlichsten Siege, wie ihr Reformationssieg, doch nur dem Leuchten des Abendroths am schwarzen Wolkenhimmel gleich sind (oder wollen wir lieber sagen, dem Frühstrahl des ewigen Morgensterns, der aller Nacht ein Ende macht?) - wer das erkennt, den befremdet die apostolische Rede von der letzten Stunde nicht mehr, sondern er liest die barmherzige Ursache der nun nahe achtzehnhundertjährigen Währung der letzten Stunde in dem apostolischen Worte: „Der HErr hat Geduld mit uns“ (2 Petr. 3, 9), wie dazu schon Johannis Schüler Ignatius die Epheser anleitet: „Es sind die letzten Zeiten! Lasset uns mit Furcht ehren die Langmuth Gottes, daß sie uns nicht gereiche zum Gericht.“ -

Der Widerchrist kommt, und viele Widerchristen sind da, sagt Johannes, Alle Lügner und Verführer, deren Lehre wider Jesum Christum angeht, vom ersten bis zum letzten, sind ihm Glieder eines von Einem Geiste beseelten Ganzen. In jedem Widerchristen steckt ein Stück des Widerchrists, in jedem Lügner ein Stück des Lügners (V. 22); die Ausgeburt des Widerchrists geschieht nicht auf einmal, Glied um Glied kommt er zum Vorschein, das Haupt zuletzt, in verkehrter Geburt. „Ein jeglicher Geist, der da nicht bekennt Jesum Christum (als den im Fleische Gekommenen), ist nicht aus Gott; und das ist der Geist des Widerchrists, von welchem (Geiste) ihr gehört habt, daß er komme, und ist jetzt schon in der Welt“ - nämlich in vielen Lügenpropheten (Cap. 4, 3.). „Viele Verführer sind in die Welt gekommen, die nicht bekennen Jesum Christum, den im Fleische Gekommenen: dieser ist der Verführer und der Widerchrist“ (2 Br. 7.). An allen drei vom Antichrist handelnden Stellen also hebt Johannes mit Nachdruck hervor, daß dessen satanische Wirkung nicht ausschließlich in einem einzelnen, sondern in allen Lügengeistern zusammengenommen zu suchen sey. Deutlich bezieht sich der Apostel auf die Stelle 2 Thess. 2., in welcher Paulus, der Vater der Gemeinden in Kleinasien, den Antichrist beschreibt. Auf Grund der Weissagung des Propheten Daniel (Cap. 11, 36 ff.) entwirft hier Paulus das Bild des „Menschen der Sünde,“ des „Kindes des Verderbens,“ der da ist „der Widerwärtige, und sich überhebt über Alles, das Gott oder Gottesdienst heißt, also daß er sich setzt in den Tempel Gottes als ein Gott und gibt sich vor, er sey Gott.“ Daß auch hier die zerstreuten Machte der Lüge, die „kräftigen Irrthümer,“ in vielen Widerwärtigen den Widerwärtigen anmelden, deutet der Apostel an, indem er den kommenden Abfall voranstellt und „den Boshaftigen“ zugleich „das Geheimniß der Bosheit“ nennt, welches schon sich rege. Der, welcher das Ausbrechen der sich regenden Bosheit noch aufhält, entspricht ganz dem Widerwärtigen: nicht bloß eine Einzelperson ist damit gemeint (es heißt darum zugleich: das, was es aufhält), sondern die Gesammtheit der gütigen Kräfte, welche in Gottes Ordnungen auf Erden walten, vornehmlich die Obrigkeit von Gottes Gnaden. Als unfehlbare Auslegung dieser Paulinischen Stelle ist zu betrachten, was Johannes von dem in vielen Widerchristen zum Vorschein kommenden Widerchrist lehrt, indem er das zur Zeit Pauli sich schon regende Geheimniß der Bosheit nun, am Ausgange der apostolischen Zeit, als in vielen Boshaftigen hervorbrechend darstellt. Mit den Augen Johannis sieht auch unsre Kirche den vielgestaltigen Widerchrist an, indem sie im Papstthum „ein Stück vom Reich des Antichrists“ (Apolog. der Augsb. Conf. Art. 15.) erblickt und die Päpste, welche auf gottlose Lehre und falsche Gottesdienste „als aus göttlichen Rechten“ halten, in den Schriftstellen vom Antichrist abgemalt findet (Schmalk. Art., von der Gewalt und Oberkeit des Papstes, und öfter). Zwar nicht allein im Papstthum, aber in ihm recht handgreiflich waltet der Antichrist. Die kräftigen Irrthümer von der Vergötterung des Menschengeistes und der Inthronisierung des Fleisches, deren Verkündiger auch von „Protestanten“ ausgegangen sind (aber sie waren nicht von uns), in Päpsten und Papstgenossen haben sie die bezauberndste, weil mit dem täuschendsten Wahrheitsscheine umgebene Gestalt gekriegt. Die antichristische Lüge, das Thier mit den Lammeshörnern, bereitet der antichristischen Gewalt, dem Thiere mit den gekrönten Hörnern, den Weg (Offenb. 13.) und wird ihn vollbereiten nach der Weise des dreifach gekrönten Papstthums, worin der Drache den Menschen der Sünde und das Kind des Verderbens au seinen Stuhl hebt. Alle übrigen Widerchristen sind Gliedmaßen des Einen, der sich längst in den Tempel Gottes gesetzt hat als ein Gott, und ihr Geschrei gegen das Papstthum stört dieses so wenig, wie den Teufel das Gespött seiner Leugner. Auch wird kein Arm von Fleisch den falschen „Stuhl Petri“ stürzen, sondern der HErr wird ihn umbringen mit dem Geiste Seines Mundes und wird seiner ein Ende machen durch die Erscheinung Seiner Zukunft.1) -

Johannes macht den Christen muntere und wackere Augen. Nicht bloß vor einem einzelnen großen Widersacher und Verführer hat man sich vorzusehen und zu waffnen, sondern vor einer Menge aus dem antichristischen Samen entsproßenen Gesindes; und desto gefährlicher sind diese Widerchristen, weil sie nicht mit heidnischer Rohheit, sondern mit teuflischer Feinheit auftreten, ihre Lüge in den Schein der Wahrheit verkleiden und auf den Christennamen pochen.

V. 19. Von uns sind sie ausgegangen, aber sie waren nicht von uns; denn wo sie von uns gewesen wären, so wären sie ja bei uns geblieben; aber auf daß sie offenbar würden, daß sie nicht alle von uns sind. Es war nun geschehen, was der heilige Paulus den ephesinischen Aeltesten vorausgesagt hatte: „Aus euch selbst werden aufstehen Männer, die da verkehrte Lehren reden, die Jünger an sich zu ziehen“ (Apostelg. 20, 30.). Vor dem Aergerniß daran will Johannes die Kinder bewahren, daß sie sich nicht verwirren und das einige Evangelium, das sie von Anfang gehört hatten, in keinerlei Weise sich verdächtigen lassen möchten. Von uns. sagt er, mitten aus der Kirche, aus der Gemeinschaft der Apostel selbst, sind sie ausgegangen, und sie wollen auch als Apostel in den Gemeinden angesehen seyn (2 Cor. 11. 13. 14.; Offenb. 2, 2); aber sie waren nicht von uns: ihre Gemeinschaft mit uns war nicht die Gemeinschaft, in welcher wir euch zu starken begehren (Cap. l, 3). Der Sperling fliegt wohl aus dem Nest der Schwalbe auf, aber er ist nicht aus ihrem Ei. Waren jene Widerchristen mit den Gläubigen Eines Geistes Kinder gewesen, so waren sie ja geblieben, wo jene blieben, im Licht der Wahrheit. Johannes wehrt alle Schuld an dem Verderben dieser Elenden von Gott weit ab. Er selber hatte in seinem begnadigten Leben die Frucht des Gebets seines Heilandes: „Heiliger Vater, erhalte sie in Deinem Namen“ (Ev. 17, 11.) reichlich erfahren, und zur Ehre der Treue Gottes behauptet er, daß Alle bewahrt werden zur Seligkeit, die sich nicht durch Verachtung der Bewahrungsmittel bewahrungsunfähig machen. War er nun bewahrt worden und ruhte in der Hand des Vaters und des Sohnes, aus welcher Niemand ihn reißen sollte (Ev. 10, 23.); hatte er im Glauben an Jesum Christum unverlierbar das ewige Leben (Ev. 6, 39.40.), und zeigte ihm der Tröster seinen Namen seit Gründung der Welt geschrieben in dem Buche des Lebens des Lammes, das geschlachtet ward (Offenb. 13, 8.; vergl. Ephes. 1, 4.): woran konnte es denn liegen, daß die zu Widerchristen Gewordenen nicht bei Christo geblieben waren sammt ihm? Woran anders als daran, daß sie im Annehmen und Behalten des Worts, worauf die hohepriesterliche Fürbitte Christi gegründet ist (Ev. 17, 6. 8), nicht geartet waren wie Christi rechte Jünger? Woran anders, als daß sie nicht von denen waren, die da glauben zur Errettung der Seele, sondern von denen, die da weichen zum Verderben (Hebr. 10, 39.)? - Die Erklärung unsers Spruches: „Sie gehören nicht zu den Auserwählten“ ist ganz richtig, sofern sie nur im Sinne Johannis und der ganzen Schrift verstanden wird, wonach das Nicht-Bleiben derer, die verloren gehen, ihren eignen Unglauben zur Ursache hat, das Bleiben der Gläubigen aber geschafft wird von Gott, der sie in Christo erwählte von Ewigkeit. Hüten wir uns, daß die heilsame tröstliche Lehre der Schrift von der ewigen Erwählung derer, welche durch den Glauben an das zur Versöhnung der Sünden der ganzen Welt geschlachtete Lamm das ewige Leben haben, uns nicht verdunkelt und entkräftet werde, während wir gegen die falsche Lehre von einer zwietheiligen, gleichewigen Prädestination streiten. Die ewige Auserwählung zur Seligkeit ist und bleibt der Gläubigen festester Fels im Meere der Anfechtung - “ darauf unsre Seligkeit so steif gegründet, daß sie die Pforten der Hölle nicht überwältigen können.„ Aber nicht neben Christo hinweg in den „heimlichen verborgenen Grund göttlicher Vorsehung,“ sondern in die Wunden Christi hinein weist das Wort Gottes unsern Glauben, auf daß wir in Ihm unsrer Erwählung uns getrösten. „Laß uns in Deiner Wunden Maal erkennen unsre Gnadenwahl,“ so bitten wir, die Hand aufs Evangelium gelegt, und flehen demüthiglich, daß wir Glauben halten und also das Zeugniß des heiligen Geistes verspüren mögen, daß wir Gottes Kinder sind (Röm. 8, 16.! Apostelg. 13, 48. vergl. mit V. 43.; und besonders Ephes, l, 13. vergl. mit V. 11.). Johannes spricht hier denen kräftigen Trost zu, welche es auf ein Bleiben des Wortes Gottes in ihnen (V. 14.) in wahrhaftigem, kindlichen Glauben angelegt hatten. Sie sollten sich nicht entsetzen vor den Widerchristen, die aus der christlichen Kirche ausgegangen waren, und nicht zweifelnd fragen: „Steht es so um diese, werden wir dann bleiben?“ Paulus läßt in der oben besprochenen Stelle (2 Thess. 2.) auf die Erwähnung des Gerichts über die, welche die Liebe zur Wahrheit nicht angenommen haben, daß sie selig würden, und darum der Lüge des Antichrists glauben, zu der sie Lust haben, sogleich den Trost folgen: „Wir aber sollen Gott danken allezeit um euch, vom HErrn geliebte Brüder, daß euch Gott erwählt hat von Anfang zur Seligkeit, in der Heiligung des Geistes und im Glauben der Wahrheit (V. 13.): in gleichem Sinne tröstet hier Johannes die Kinder, welche die Salbung haben, die da bleibt (V. 27.). Aber wie dort Paulus fortfährt: „So stehet nun fest, Brüder, und haltet an den Satzungen, die ihr gelehrt seyd,“ ebenso ermahnt auch Johannes gleich hernach: „Was ihr nun gehört habt von Anfang, das bleibe bei euch; so bei euch bleibt, was ihr von Anfang gehört habt, so werdet auch ihr bei dem Sohne und dem Vater bleiben“ (V. 24.). Dies hätte gar keinen Sinn, ja! des Apostels ganzer Brief wäre überflüssig, wenn die Gewißheit um deine Erwählung nicht durch den Glauben, den du aus Gottes Macht halten oder von dem du aus eigner Macht abtreten kannst (1 Tim. I, 19.; 4, 1.; 2 Tim. 2, 12. 18.) bedingt wäre, und wenn diejenigen Recht hätten, welche aus unserer Stelle die Unmöglichkeit, daß Gläubige abfallen könnten, erzwingen wollen. Vor den Abgöttern warnt Johannes seine aus Gott gebornen Kindlein, die er zugleich versichert, der Arge werde sie nicht antasten (Cap. 5, 18. 21), und an die „auserwählte Frau und ihre Kinder,“ welche er lieb hat „um der Wahrheit willen, die in uns bleibt und bei uns seyn wird in Ewigkeit,“ schreibt er: „Sehet euch vor, das wir nicht verlieren, was wir erarbeitet haben, sondern vollen Lohn empfangen“ (2 Br. 1. 2. 8. vergl. auch die Ermahnungen zur Buße und Beständigkeit in den Sendschreiben der Offenb, wie 2, 4. 5. 10. 25. 26; 3, 3. 5. 11. 12. 21.). „Ihr habt Christum verloren!“ ruft Paulus den Galatern zu, und erinnert sie an die Heilszeit ihrer ersten Liebe: „Wie waret ihr dazumal so selig!“ (Gal. 5, 4.; 4, 15.). Petrus ermahnt die „erwählten Fremdlinge,“ welche „aus Gottes Macht durch den Glauben bewahrt werden zur Seligkeit,“ daß sie ihren Wandel, so lange sie hier wallen, mit Furcht führen und fest im Glauben dem Teufel widerstehen sollen, der sie zu verschlingen komme (1 Petr. 1. 5. 18.; 5, 8,9.), und in seinem zweiten Briefe, der die Erweckung der in der Wahrheit Gestärkten zu immer grösserem Fleiße, im „Festmachen ihres Berufs und ihrer Erwählung“ zum Zweck hat, spricht er in tiefster Wehmuth von solchen, welche „entflohen sind dem Unflath der Welt durch die Erkenntniß des HErrn und Heilandes Jesu Christi, werden aber wiederum in denselbigen verflochten und überwunden“ (2 Petr. 1, 10.; 2, 20. 21.). -

Daß die Unlauterkeit jener Menschen, welche von der apostolischen Kirche ausgegangen waren, aber innerlich nicht zu ihr gehörten, sondern sich „neben eingeschlichen hatten (Jud. 4.), offenbar wurde in dem antichristischen Treiben, womit sie gegen die Apostel sich auflehnten: das war über sie ein Gericht, aber für die Gemeinde war es ein Segen. Es wurden nun, in der Probe dieser Sichtungsstunde, auch die offenbar, welche in Wahrheit der christlichen Licht- und Lebens-Gemeinschaft angehörten, welche - wie Augustin es ausdrückt - „nicht bloß in der Kirche, sondern auch von der Kirche sind.“ Es ist ein großer Trost für alle redlichen Christen, daß die Sekten- und Rottengeister, weit entfernt das Licht des Evangelii auslöschen zu können, demselben nur zu desto hellerem Leuchten helfen müssen. Damit stillte auch Paulus sein über die Spaltungen in Corinth betrübtes Herz: „Es müssen Rotten unter euch seyn, auf daß die, so rechtschaffen sind, offenbar unter euch werden“ (1 Cor. 11, 19. - darauf folgt die Abendmahls-Unterweisung!). Luther sagt zu unserm Texte: „Das ist zu bejammern und kläglich, jedoch aber tröstlich. Der Weizen ist nicht Schuld daran, daß Unkraut hervorwächst, und die Wahrheit ist nicht Ursach an so vielem Unglück. Heut zu Tage wird uns alles Unglück beigemessen, das in der Welt geschieht, und wir leiden daher die allerempfindlichste Schmach. Hätte er das Papstthum zufrieden gelassen, sprechen sie, so wären vielleicht nicht so viele Ketzer aufgestanden, vielleicht wäre auch nicht der Bauern-Aufstand geschehen. Aber an wem liegt die Schuld? Nicht an der Wahrheit oder am Lichte, sondern am Irrthum und an der Finsterniß; nicht derjenige, der von der Finsterniß flieht, sondern der in der Finsterniß bleibt, ist der Widerchrist. - Ich sehe dieses Unglück, und seufze drüber. Und ich habe öfters bei mir gedacht: Ob man nicht lieber das Papstthum hätte beibehalten sollen, als so viel Ausstand und Unruhe sehen. Aber es ist besser, Einige aus dem Rachen des Teufels heraufreißen, als daß Alle verloren gehen. Der Tag wird es offenbar machen, welche von uns gewesen und von dem Evangelio der Wahrheit gezeuget, und welche es nicht gewesen. Denn wo sie von uns gewesen wären, so wären sie ja bei uns geblieben.“ 2) In der Vorrede zu Justus Menius Büchlein von der Wiedertäufer Lehre und Geheimniß (Walchsche A. XIV. S. 276 ff.) schreibt er getrosten Muths: „Christus ist ein König und HErr, darum muß Er auch streiten und kriegen; Er streitet aber geistlich mit der Wahrheit wider die Lüge, so wehrt sich die Lüge und will nicht unterliegen. Wohlan, laß hergehen und kommen, was da kommt, ich hab's längst wohl gewußt, daß Rotten kommen müßten: sind's diese nicht, so müssen's andre seyn, lassen diese ab, so fahen andre an. Willst du das liebe Evangelium haben, so mußt du die höllischen Pforten und Teufel auch haben. Aber es muß uns doch alles zu gut kommen und vielerlei Nutz schaffen. Erstlich, daß wir dadurch geübt werden, das Wort Gottes desto fleißiger zu handeln und halten und damit je länger je gewisser der Wahrheit werden. Es sind solche Rotten unser Schleifstein und Polierer, die wetzen und schleifen unsern Glauben und Lehre, daß sie glatt und rein wie ein Spiegel glänzen, lernen auch darüber den Teufel und seine Gedanken kennen und werden rüstig und geschickt gegen ihn zu streiten. Zum andern, so wird auch das Wort selbst dadurch desto baß und heller an Tag bracht vor der Welt, daß viele die Wahrheit durch solchen Krieg erfahren oder je drinnen gestärkt werden, die sonst nicht dazu kämen, denn es ist ein schäftig Ding um das Wort Gottes, darum gibt ihm Gott auch zu schaffen, hänget und hetzet daran beide Teufel und die Welt, auf daß seine Macht und Tugend offenbar und die Lüge zu Schanden werde.“ Wir würden die Briefe Johannis nicht haben, wenn nicht Gott dem Worte der Wahrheit durch die Lügen der Widerchristen „zu schaffen gegeben“ und den Apostel erweckt hätte den Christen zur Stärkung ihrer Freude zu schreiben.

V. 20. Und ihr habt die Salbung von dem Heiligen, und wisset Alles. Salbung: griechisch Chrisma. Johannes stellt mit diesen Worten die Christen den Widerchristen entgegen. Den Lügnern und Verführern gibt er den Namen Anti- oder Widerchristen eben deshalb, weil sie gegen den und gegen die Gesalbten streiten. Ihr - heißt es nachdrücklich - ihr aber seyd verwahrt gegen den antichristischen Geist (vergl. Cap. 4, 4). Im A. T. ist das heilige Salböl das Abbild des heil. Geistes, sowohl da, wo das Salben als bildliche Handlung (2 Mos. 29, 7; 30, 25 f - vergl. Sach. 4, 6. -; 1 Sam. 10, 1 ff.; 16, 13. 14), als da, wo es in bildlicher Rede vorkommt (Ps. 45, 8; Jes. 61, 1). Was aber im A. T. vorbild- und Schattenweis gewährt wird, das ist im N. T. in Wahrheit und Wesen erschienen. Als Christus, der Gesalbte Gottes, „anfing Christus zu seyn,“ wie Luther sagt, in Seiner Taufe am Jordan, da kam der heilige Geist sichtbarlich auf Ihn herab, so daß der Täufer Johannes Ihn erkannte als den verheißenen Christus, geheiligt und versiegelt von Gott (Ev. 3,34; 6, 27; 10, 36). Uns zu gut ist der HErr Jesus gesalbt worden mit dem heiligen Geist und Kraft (Apostelg. 10, 38), und unsere Brüder in Jerusalem schmeckten die Kraft dieser Salbung, welche von dem Haupte auf die Glieder niederfließt, da sie in jener Trübsalsstunde beteten: „Wahrlich ja, sie haben sich versammelt über Dein heiliges Kind Jesum, welchen Du gesalbt hat - und nun, HErr, siehe an ihr Drohen und gib Deinen Knechten, mit aller Freudigkeit zu reden Dein Wort“ (Apostelg. 4, 27.). „Tastet Meine Gesalbten nicht an!“ (Ps. 105, 15.) - dies Wort ist unsre Hütte um Dessen willen, nach dem wir Gesalbte heißen. Von dem Heiligen haben Christen die Salbung, von dem „heiligen Vater,“ den unser Hoherpriester bittet, daß Er uns erhalte in Seinem Namen und heilige im Wort Seiner Wahrheit (Ev. 17, 11. 17.). Zu Trost und Freude soll dieser Name: der Heilige allen Christen gereichen, welche die Heiligung des Geistes lieb haben, mit dem sie gesalbt sind, auf daß sie im Glauben der Wahrheit wandeln möchten (2 Thess. 2, 13.). Das eben war die Todsünde jener Abtrünnigen, daß sie sich nicht heiligen lassen wollten von dem Geiste „des Heiligen“, der ein Licht sonder Finsterniß ist (Cap. 1, 5.); durch Widerstreben betrübten sie bis zum Entweichen den heiligen Geist Gottes und verhärteten ihre Stirn gegen das Siegel der Salbung (Ephes. 4, 30.). Statt dessen empfingen sie ein Antichrisma von dem Argen, wurden erfüllt und getrieben vom Geiste des Widerchrists. Wer den Geist aus der Höhe verachtet, fällt dem Geiste aus dem Abgrunde anheim. Die Kinder, an die Johannes schreibt, kannten den Vater als den Heiligen, und hatten von Ihm die Salbung, die ihnen zu Theil worden war in der heiligen Taufe,3) in welcher um des getauften Jesu Christi willen Gott den heiligen Geist reichlich über uns ausgießt (Tit. 3, 5. 6.) und „befestigt uns hinein in den Gesalbten,“ die Glieder an das Haupt, indem Er uns salbt mit demselben Geiste, womit Christus gesalbt ist (2 Cor. l, 21.). ,Wir empfahen in der Taufe den heiligen Geist,“ sagt Prätorius, der gesalbte Lobredner der hochgeliebten Taufe, „welcher in der allerlieblichsten und freundlichsten Gestalt zu uns kommt, nämlich in der Gestalt einer frommen und holdseligen Taube. Wir werden daselbst Tempel des Geistes Christi; Christi Geist senkt sich in uns, und wohnt in uns. Es vermenschet Sich Christus durch Seinen Geist in uns, wie wir durch denselben Geist in Ihm vergottet, der göttlichen Natur theilhaftig werden.“ Selig sind die Getauften, die wie diese Kinder in der Taufgnade beruhen und dem Geiste ihrer Salbung stille halten, daß derselbe sein heilsames Amt an ihnen verwalten könne, sie in die ganze Wahrheit zu leiten (Ev. 16, 13), und ihnen zuwende das verheißene Pfingstfest: „An demselbigen Tage werdet ihr Mich nichts fragen“ (Ev. 16, 23.). Ihr wisset Alles! Das war dieser Kleinen Schutz wider die Verführer, welche in allerlei „Tiefen“ der Erkenntniß die Einfältigen einweihen wollten. Sie kannten den Vater in Christo: daran hatten sie volle Genüge (Ev. 14, 8.). Paulus schreibt an die vom Antichrist, dessen Bosheit sich schon regte, angefochtenen Colosser: „Sehet zu, daß euch Niemand erbeute durch die Philosophie und lose Verführung,“ und nennt sie “ vollkommen in Christo;“ von Ihm sollten sie sich nicht losreißen lassen, sondern bewahren das Geheimniß des Gottmenschen, „in welchem verborgen liegen alle Schatze der Weisheit und der Erkenntniß“ (Col. 2, 2 ff.). Und was verborgen ist vor der Welt, die den Geist der Wahrheit nicht sieht und kennt (Ev. 14, 17.), das wird den Freunden des Gesalbten offenbar. „Alles, was Ich gehört habe von Meinem Vater, habe Ich euch kund gethan,“ sagt der HErr zu den Jüngern, indem Er sie Freunde heißt (Ev. 15, 15.), und Johannes trägt dies auf die über, welchen die Apostel verkündigten, was sie gesehen und gehört hatten (Cap. 1, 1.). In wem der heil. Geist durch das Evangelium Christum verklärt, der wird in allen Stücken reich gemacht (1 Cor. I, 5.); jeder neue, dem wachsenden Christen gewährte Glaubensblick in den unausforschlichen Reichthum Christi ist eine Frucht der Salbung, welche die lebendigen Keime aller heilsamen Erkenntniß einschließt. Da der sel. Oetinger, ein gesalbter Erforscher der Geheimnisse Gottes, nahe vor seinem Ende von Jemand glücklich gepriesen wurde um einer hohen Weisheit willen. entgegnete er lächelnd: „Ja, ich habe mancherlei gelernt; aber das Köstlichste hab' ich doch als Kind gelernt im kleinen Katechismus Luthers; da ist Alles zusammengefaßt, was ich zu behalten und mitzunehmen wünsche ins Schauen von Angesicht.“ Alles Lehren des heiligen Geistes ist ein Erinnern (Ev. 14, 26.). Erinnerungsweise schreibt der Apostel an die Christen: V. 21. Ich habe euch nicht geschrieben, als wüßtet ihr die Wahrheit nicht; sondern weil ihr sie wisst, und (wisse) daß keine Lüge aus der Wahrheit kommt. Nicht als Missionar, sondern als Pastor hat Johannes ihnen geschrieben. Weil sie kraft der Salbung die Wahrheit wußten, weil sie den Vater kannten und wußten, was ihnen als Gottes Kindern gegeben war (1 Cor. 2, 12), darum fordert er sie auf, die in ihnen wohnende Gabe zu erwecken, den ihnen geschenkten Wahrheitssinn durch Erfahrung zu üben und in der „letzten Stunde“ den Lügnern fest zu widerstehen. In demselbigen Sinne schrieb Petrus eine Briefe, indem er den Beruf seine Brüder zu stärken erfüllte (1 Petr. 5, 12; 2 Petr. 1, 12. 13). O wie köstlich wäre es, wenn auch heute ein jeder Pastor eine Gemeinde, so oft er ihr das Wort predigt, verantwortlich machen dürfte für erkannte Wahrheit und zu den Vätern, Jünglingen und Kindern sagen: „Ich predige euch das Evangelium nicht als etwas Neues, das ihr nicht wüßtet; sondern weil ihr es wisset, so ermahne ich euch, desselben euch zu freuen und euer Leben zum Dankopfer zu begeben für Gottes unaussprechliche Gnade!“ Uebrigens merke darauf, wie Johannes den Gesalbten, welche die Wahrheit wissen, diese Wahrheit zu verkündigen nicht müde wird. Er hält es wahrlich nicht mit denen, welche der „Predigt-Kirche“ gram sind und mit dem Titel: „Schulanstalt für Erwachsene“ sie herabzusetzen meinen. So lange wir im Glauben wallen, und nicht im Schauen, so lange bleibe und sey uns gesegnet sammt dem Wort Gottes die Predigt, aus welcher der Glaube kommt (Röm. 10, 17.), die Predigt vom Glauben, durch welche wir den Geist empfangen (Gal. 3, 2.), und das Amt, welches ein Amt des Geistes ist, weil es die Versöhnung und die Gerechtigkeit predigt (2 Cor. 3, 8. 9; 5, 18.). Wer die Salbung hat, singt mit Freudenmunde dem HErrn ein neues Lied, so oft der Schall des alten Evangelii ihm heimkommt. -

Johannes ist deß in guter Zuversicht, daß die Salbung den Christen allen dasselbe sagen würde von den Widerchristen, was er von ihnen schreibt: „Von uns sind sie ausgegangen, aber sie waren nicht von uns,“ so daß die angeblichen Apostel als Lügner erfunden werden würden (Offenb. 2, 2). Denn weil die Gesalbten die Wahrheit wissen, so wissen sie zugleich, daß jegliche Lüge nicht herstammt aus der Wahrheit. Die Verführer liebten es, ihre Lügen als Folgesätze apostolischer Wahrheit an den Mann zu bringen. Schon Petrus warnt vor „ruchlosen Leuten,“ welche die Lehre seines Mitapostels Paulus von der seligen Freiheit eines Christenmenschen auf Fleischesfreiheit zogen (2 Petr. 2,19; 3, 15.), und das sanfte Joch, die leichte Last der Gebote Jesu als eine unerträgliche Gesetzeslast ausschrieen (vergl. Cap. 5, 3. und Offenb. 2, 24.). Wo nun solche Lügen ausgegeben werden, da wissen Christen bald, daß sie mit Geistern zu thun haben, die nicht aus der Wahrheit sind, und weichen von ihnen. An der Frucht wird der Baum erkannt: es ist unmöglich, daß ein Feigenbaum seyn sollte, was Distelköpfe trägt. Auch was im Munde der Widerchristen den Klang apostolischer Wahrheit hat, ist in ihnen schon zur Lüge verkehrt. Sehet an die Widerchristen unserer Tage! Sie verwandeln die Herrlichkeit des allmächtigen Schöpfers, den wir anbeten, in ein ohnmächtiges Gedankending. welches der Weltgeist sich macht; sie erlösen sich selbst von Gottes Zorn durch Auflösung der Sünde in ein Nebelbild, welches vor der Sonne des denkenden Geistes verschwinde; sie verlöschen den Namen des heiligen Gottes, der Seinen Stiftungen auf Erden eingeprägt ist, oder schreiben ihn auf Ordnungen und Aemter eigner Stiftung: sollten diese Lügen aus der Wahrheit stammen? Nein! Ihre prächtige Rede von „Gottes Menschwerdung,“ „Versöhnung“, „Gemeinschaft.“ „Autorität“ u. dergl. hat nichts zu schaffen mit der apostolischen Lehre. Johannes gibt hier Allen, welche in den Versuchungen der letzten Stunde die Gebote Gottes und den Glauben an Jesum gerne bewahren wollen (Offenb. 14, 12.), die tröstliche Versicherung, kein Irrthum werde so sein und versteckt seyn, daß sie ihn von der Wahrheit nicht zu unterscheiden vermöchten. „Und so ist's in der That! Ein Katechismusschüler, der den heiligen Geist hat, ist im Stande, alle Irrthümer, die wider das Evangelium streiten, so weit zu entdecken, daß er vor der Verführung gesichert ist und auf seinem Glaubensgrunde unbeweglich stehen kann. Es kommt ihm nicht zu, die Irrthümer zu widerlegen, daß er ihre Unrichtigkeiten aussuchen, auseinander lesen und mit Gegengründen umstoßen müßte. Er soll nur bei seiner Wahrheit halten und keine Lüge daneben einkommen lassen, weil er einmal weiß, daß keine Lüge aus der Wahrheit ist. Es ist demnach sowohl für Anfänger als auch für andre treue Seelen nichts rathsamer, als sich recht in die Grundwahrheit des Glaubens zu verschanzen4) und sich in der Einfältigkeit aus Christum, wohin die Salbung weist, zu bewahren vor Zweifeln, deren keine Zahl ist, vor ungewissen Einsichten, die das Herz verwirren und den Sinn zertheilen, vor Lüsternheit, allen Dingen bis auf ihren tiefsten Grund, der uns im Wort nicht entdeckt ist, nachzuspüren und vor der Einbildung, gern Alles wissen zu wollen. Die Salbung wird dazu nichts beitragen; man ist nur seinen eignen Gedanken überlassen. Wem nun solcherlei Dinge zu schaffen und Kümmerniß machen, der ist getröstet, wenn ihm der Apostel sagt: Ihr habt ja den heiligen Geist; den laßt euch lehren und leiten.“ Steinhofer. Nun, in die „Grundwahrheit des Glaubens“ sich zu verschanzen, lehrt Johannes die jungen Christen, indem er die Wahrheit aller Wahrheiten und dawider die Lüge aller Lügen nennt:

V. 22. Wer ist ein Lügner, ohne der da leugnet, daß Jesus der Christ sey? Das ist der Widerchrist, der den Vater und den Sohn leugnet.

„Alle Menschen sind Lügner“ (Ps. 116. 11.), Aber die Wahrheit ist in die Welt gekommen, und Johannes findet gerade darin ein heiliges Privilegium der Christen, daß in ihrem Munde keine Lüge erfunden wird (Offenb. 14, 5. vergl. mit 1 Petr. 2, 22.). Wer aber aus Liebe zur Lüge (Offenb. 22, 15.) gegen die freimachende Wahrheit sich verstockt, der wird zu einem Kinde der Lüge, das die Lust des Vaters der Lüge thun will (Ev. 8, 44.), und das Herz dieser lügnerischen Lust ist der Haß gegen die in Christo erschienene Wahrheit. Um diese Lüge straft der heilige Geist die ungläubige Welt (Ev. 16, 9.), und Johannes antwortet auf die Frage: Wer ist der Lügner? im Sinne aller Gesalbten: Kein andrer, ohne der da leugnet, daß Jesus der Christ sey! Ist dieser nicht der Lügner, wer wäre es dann? Vergl. Cap. 5, 5. Statt: was ist Lüge? sagt er gleich: wer ist der Lügner? Die Lüge, welche nicht aus der Wahrheit stammt (V. 21.). hat den Lügner zum Urheber, den von dem Argen inspirierten Widerchrist, den Feind aller Wahrheit, welcher weiß, daß er Alles leugnet, wenn er dies Eine leugnet, daß Jesus der Christ sey. Jesus Christus ist die Wahrheit, darum ist der Lügner der Antichrist. Sein Evangelium hatte Johannes geschrieben und den Gemeinden übergeben, „aus daß ihr glaubet, Jesus sey der Christ, der Sohn Gottes, und daß ihr durch den Glauben habt das Leben in Seinem Namen“ (Ev. 20, 31. vergl. in unserm Br. Cap. 5, 13).

Nach diesem Augapfel des Evangeli zielen alle Pfeile des Lügners gar. „Reißet den Grund um!“ ist eine höllische Losung (Ps. 11, 3). Jesus soll nicht der Christ, der Christ nicht Jesus seyn. Entweder das Wort von Anfang, das Leben, das ewig bei dem Vater war, wird aus diesem Jesus hinweggeleugnet, als wäre Er ein Prophet und Rabbi wie Andere auch; oder das Fleisch, woran man sich ärgert, wird dem ewigen Worte abgeleugnet, als wäre Christus ein Gespenst, und nicht das Blut des gekreuzigten Sohnes Gottes, sondern purer leidloser Geist unsere Versöhnung. Kurz, die evangelische Hauptsumme: „Das Wort ward Fleisch“ (Ev. 1, 14.), das Geheimniß der Gottseligkeit: „Gott ist geoffenbart im Fleisch“ (1 Tim. 3, 16) feindet der Widerchrist an, von Anfang war das ein Sinn, und er wird an diesem Grundpfeiler der Wahrheit rütteln, bis eine Lüge voll seyn wird. Wort ohne Fleisch und Fleisch ohne Wort läßt sich der Teufel sammt einem von ihm inspirierten Propheten schon gefallen; denn er kennt den Spruch Anselm's auch und haßt ihn, daß Jesus Christus genug für uns gethan habe, „als Gott, der es konnte, als Mensch, der es sollte,“5) und er weiß wohl, daß weder der Jesus der Rationalisten, noch der Christus der Philosophen einem Reiche Abbruch thut; daß weder durch die Aufrichtung einer Vernunftgerechtigkeit, noch durch das Gedanken- und Phantasiespiele menschlicher Weisheit arme Sünder selig werden. Er weiß auch, daß wer den im Fleische gekommenen Sohn sich rauben läßt, in völlige Gottlosigkeit versinkt, und läßt es einstweilen geschehen, ja! er hilft mit andächtiger Miene dazu, daß die Leugner des Sohnes einen Götzen sich dichten, den sie Vater nennen. Aber Johannes zerreißt voll heiligen Eifers alle Heucheldecken des Lügners mit den Worten: Das ist der Widerchrist, der den Vater und den Sohn leugnet, und ruft den Kindern, die den Vater kannten, eindringlich ins Herz:

V. 23. Wer den Sohn leugnet, der hat auch den Vater nicht; wer den Sohn bekennt, der hat auch den Vater.

„Das ist ein mächtiger Ausspruch, welcher Allen, die etwas von Jesu Christo, dem Sohne Gottes, vernommen haben und Ihn noch gering achten, wie ein Donner aufs Herz und Gewissen fällt.“ Steinhofer. Was wir in der ersten Bibelstunde vorausschickten, Johannes fasse in diesem Briefe die Hauptlehren eines Evangeliums wie in einem Brennpunkte zusammen, um sie seinen Lesern heiß in die Herzen strahlen zu lassen, das gilt recht eigentlich von unserer Stelle. Lies also im Ev. nach besonders Cap. 1, 18; 5,23; 8, 19; 14, 6 ff. und dazu die goldenen Worte Luther's. Wer den Sohn Gottes leugnet, der leugnet die Offenbarungsfreudigkeit Gottes, und ein Gott, der sich nicht offenbart, ist nicht der lebendige Gott, sondern ein stummer Götze (1 Cor. 12, 2). In dem Sohne Gottes, Jesu Christo, ist Ja und Amen, was Gott jemals geredet hat (Hebr. 1, 1 ff.; 2 Cor. 1, 20): wer Ihn leugnet, schließt den geöffneten Himmel über sich zu (Ev. 3, 13. 31; 1 Petr. 1, 12), und sein „Gott“ ist von unten her, existiert nur in Modellen, die der eigne Geist sich zurechtmacht. Wer den Sohn Gottes leugnet, welcher im Fleische der Sünder gekommen ist, der leugnet die heilige Liebe Gottes (Cap. 4, 9 ff.; Ev. 3, 16; 2 Cor. 5,19.), und ein Gott, der ohne Versöhnung mit Sündern Gemeinschaft eingeht, ist nicht der wahrhaftige Gott, sondern ein Gebilde der lügnerischen Vernunft. Wer den zweiten Artikel leugnet, hat den Gott des ersten Artikels nicht. Summa: „Wer übertritt und bleibt nicht in der Lehre Christi, der hat keinen Gott; wer in der Lehre Christi bleibt, der hat beide den Vater und den Sohn“ (2 Br. 9.). Haben, sagt Johannes, haben kannst du den Vater nur durch den Sohn, nicht ohne Ihn. „Unsre Gemeinschaft ist mit dem Vater und mit Seinem Sohne Jesu Christo“ (Cap. 1, 3.), während die Leugner des Sohnes mit Gott weit auseinander sind und nimmermehr das selige Leben Gottes schmecken, welches die Bekenner des Namens Jesu im Glauben genießen (Cap. 5, 12. 13.). -

Die Geschichte des durch die letzte Weltstunde hin wachsenden Widerchrists hat den Spruch Johannis in helles Licht gesetzt, daß auch den Vater leugne, wer den Sohn leugnet. Die Antichristen haben als Antitheisten sich ausgewiesen. Das „höchste Wesen“ der Vernunftreligion zerstiebt, und die Zahl derer wird täglich kleiner, welche noch vom „Himmel“ als einem Etwas reden, wozu man zwar nicht Du sagen, nicht beten kann, woran aber doch noch ein Schatten des im Himmel über der Welt thronenden Gottes haftet. Auf der einen Seite die Bekenner des Gottes der heiligen Schrift, des HErrn Zebaoth, des Vaters unsers HErrn Jesu Christi - auf der andern Seite die Diener des Weltgeistes, der sich überhebt über Alles, das Gott oder Gottesdienst heißt und von sich selber behauptet: „Ich bin Gott, und keiner mehr:“ diese Scheidung geschieht vor unsern Augen immer vollständiger, und was einstweilen vor der nackten Natur und dem entchristeten Menschenthume niederkniet, wird am Ende von den kräftigen Irrthümern des Papstthums verschlungen werden. „Verrathen ist der Widerchrist, sein Heuchelei und arge List sind offenbar und klar am Tag, des führt er täglich große Klag. Du treuer Heiland Jesu Christ, dieweil die Zeit erfüllet ist, die uns verkündigt Daniel: so komm, lieber Immanuel!“

V. 24. Ihr nun - was ihr gehört habt von Anfang, das bleibe bei euch. So bei euch bleibt, was ihr von Anfang gehört habt, so werdet auch ihr bleiben bei dem Sohne und bei dem Vater.

Ihr nun, ihr Bekenner des Sohnes, die ihr den Vater habt, nehmet zu Herzen, was ich euch schreibe. Was ihr gehört habt von Anfang, das bleibe bei euch! Vergl. Offenb. 2, 25. Sie hatten aber von Anfang aus apostolischem Munde gehört, daß Jesus sey der Christ, der Sohn Gottes, dies ewige Evangelium, welches Johannes, dessen Augen auf die Herrlichkeit des fleischgewordenen Wortes unverwandt hinschauten, mit Freuden verkündigte, und welches Paulus in erster Liebesgluth den Juden überwindungskräftig ins Herz trieb (Apostelg. 9, 22). Von dieser anfänglichen apostolischen Verkündigung waren die Widerchristen gewichen und priesen die Fündlein ihres Enthusiasmus den einfältigen Christen als hohe Offenbarungen an (2 Cor. 10, 12). „Am Ekel, den man gegen das faßt, was man von Anfang gehört hat, fängt aller Verfall an. Das ist auch eins der mißlichsten Zeichen unserer Zeit; die theure Beilage der evangelischen Wahrheit von der Rechtfertigung eines armen Sünders vor Gott und von dem damit im Menschen angelegten Grund zum Leben und Wandel im Geist, welche so viel Kraft und Segen anfänglich in der evangelischen Kirche bewiesen, und wodurch wir wieder so sicher auf den Grund der Apostel erbaut waren, die will jetzt Vielen alt und ekelhaft werden. Man will etwas Neues, Feineres haben. Von oben herab kommt nichts Neues, sondern da bleibt es bei der Verkündigung, die wir vom Sohne gehört haben.“ C. H. Rieger. Zum Schutz der Gemeinde Christi vor der Verführung der Widerchristen hatte Johannes sein Evangelium geschrieben und dahinein weist er uns eben, indem er sagt: Das bleibe bei euch! So gewiß Johannis evangelische Stimme bleiben wird in der Kirche, so gewiß wird sie die Kirche Christi bleiben - so werdet auch ihr bei dem Sohne und dem Vater bleiben. In dem Jünger selbst war geblieben, was er von Anfang gehört hatte aus dem Munde seines HErrn: „So ihr bleiben werdet an Meiner Rede, so seyd ihr Meine rechten Jünger, und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen“ (Ev. 8, 31. 32.), und wiederum: „So ihr in Mir bleibet, und Meine Worte in euch bleiben, werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch widerfahren“ (Ev. 15, 7). Das ist das rechte Alterthum, bei dem wir wollen bleiben: das Anfangswort der Apostel! Wie Tertullian sagt: „Gewisser ist das, was älter ist; älter ist das, was von Anfang ist; von Anfang ist das, was apostolisch ist.“ - Vorhin bemerkten wir schon, wie dieser 24ste Vers von dem 19ten die irrige Auslegung weit abwehrt, als lehre der Apostel, daß ein Nicht-Bleiben der einmal Gläubiggewordenen unmöglich sey. Es schützt aber dieser Vers, welcher „einen Lobspruch des Wirtes in sich faßt,“ auch den 20sten (und 27sten) vor einem gefährlichen Mißverständnisse. Hier lernen wir klar, daß unter der Salbung nicht etwa Geist ohne Wort, nicht ein „inneres Wort“ oder „inneres Licht“ zu suchen ist, dessen Inhaber das geschriebene und mündliche Wort meistern dürften. Dann wäre der heilige Johannes ein Schwarmgeist-Apostel, was ferne sey. Das geschriebene Wort des A. T. war der Stecken und Stab des Gesalbten in den Tagen Seiner Niedrigkeit; nicht ohne den Schutz: „Es steht geschrieben“ trat Er - gleich nach Seiner Taufe - den siegreichen Kampf mit dem Versucher an. Mir nach! spricht Christus unser Held. Er ward wie wir, daß wir seyn können wie Er. Durch Wort und Sacrament empfangen wir die Salbung und kraft der Salbung bleiben wir beim Worte, „das gewiß ist und lehren kann“ (Tit. 1, 9.). „Ich bin deß gewiß,“ sagt Luther einmal, „daß ich meine Lehre vom Himmel habe. Meine Lehre soll wahr bleiben, trotz allen Pforten der Hölle, allen Mächten der Luft, der Erde und des Meeres, Der heilige Geist ist kein Skeptikus (Zweifelgeist), er hat nicht einen ungewissen Wahn ins Herz geschrieben, sondern eine kräftige, große Gewißheit, die uns nicht wanken läßt“ - und willst du dieser Gewißheit Art und Tugend kennen, so siehe Luther an, wie er seine Hand auf dem vor ihm hingeschriebenen Worte: „Das ist mein Leib“ steif und fest hält und den Widersachern, die des „innern Worts“ sich rühmten, zuruft: „Der Text steht zu gewaltig da!“ Oder höre den Mann der seine Lehre „vom Himmel“ hatte, wider die „himmlischen Propheten“ voll göttlichen Eifers donnern und mit dem Schwerte des Geistes: „Es steht geschrieben!“ ihrem Geiste „über die Schnauze hauen.“6)

Was wir von Anfang gehört haben, das bleibe bei uns! Das Wort sie sollen lassen stahn! Gebe der HErr uns Gnade, daß wir die Zuflucht und Festung der Kirche, das prophetische und apostolische Wort, nimmer verlassen, „daß nicht mit Macht werd hergebracht des alten Greuels finstre Nacht, darinnen nicht ein Fünklein Licht, in Angst und Leid, von Trost und Freud;“ damit in dieser letzten Stunde uns nicht begegne, wovor schon Cyprian die nach „neuen Lehren“ Lüsternen warnt, daß wir „statt des Lichtes Finsterniß, statt des Tages Nacht, statt der Speise Hunger, statt des Trankes Durst, Gift statt Arzeney, Tod statt Heils dahinnehmen.“ Die Salbung unterweise und erhalte alle Christen in der lautern, aufs Wort Gottes gerichteten Kindes-Einfalt, daß sie ihren Gnadenstand nirgend anderswo gegründet suchen, als in den gewissen Verheißungen Gottes in Christo, und mit ganzer Zuversicht sich getrösten, die seyen wahrhaftig in dem Sohne und in dem Vater, nicht weil sie besondere Empfindungen oder geheime Versicherungen davon hätten, sondern weil sie das Wort, das sie lesen und hören, in ihren Herzen behalten durch den Glauben. Auf diesem Wege allein gelangt man zu dem gewissen Frieden, in welchem einst der Märtyrer-Jüngling Heinrich Voes, als man auf dem Wege zum Scheiterhaufen ihn ermahnte, doch Gott vor Augen zu haben, fröhlich sprach: „Ich bin gewiß, Ihn im Herzen zu haben.“ Gott ist in Seinem Worte: in wem das Wort Gottes bleibt, der bleibt in Gott (Röm. 10, 8) „Dein Wort bewegt des Herzens Grund, Dein Wort macht Leib und Seel gesund; Dein Wort ist, das mein Herz erfreut, Dein Wort gibt Trost und Seligkeit.“

V. 25. Und das ist die Verheißung, die Er selber uns verheißen, das ewige Leben.

Bleiben wir in dem Sohne und in dem Vater, so kommt auf uns die Verheißung, die Er selber, der HErr Jesus, uns verheißen hat, und deren seliger Inhalt das ewige Leben ist. Der Apostel gedenkt an Worte des HErrn, wie: „Ich gebe ihnen das ewige Leben, und sie werden nimmermehr umkommen, und Niemand wird sie Mir aus Meiner Hand reißen“ (Ev. 10, 28.); und: „Ich lebe, und ihr sollt auch leben; an demselbigen Tage - dem Tage der Salbung - werdet ihr erkennen, daß Ich in Meinem Vater bin, und ihr in Mir, und Ich in euch“ (Ev. 14, 19. 20.); und das Gebetswort des Sohnes an den Vater: „Du hast Ihm Macht gegeben über alles Fleisch, auf daß Er Allem, was Du Ihm gegeben hast, ja, ihnen gebe das ewige Leben; das ist aber das ewige Leben, daß sie Dich, den einigen wahrhaftigen Gott, und den Du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen“ (Ev. 17, 2. 3.).-

Christen haben allbereits das im Evangelium darreichungsweise verheißene ewige Leben (Cap. 5, 11.), weil sie im Glauben haben den lebendigen Sohn, der als das ewige Leben war bei dem Vater, der das Leben hat in Sich selbst und hat dem Sohne gegeben zu haben das Leben in Sich selbst (Ev. 5, 26.). Wer Christi Wort hört und behält, der ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen und wird den Tod ewiglich nicht sehen (Ev. 5, 24; 8, 51.), und wer im Glauben an Ihn lebt, wird nimmermehr sterben (Ev. 11, 26.), denn der Sohn hat ihm gegeben die Lebens-Herrlichkeit, die der Vater Ihm gegeben hat (Ev. 17, 22.). Recht nach dem Herzen Johannis singt die Kirche mit A. H. Franke: „Fahr hin, was heißet Stund und Zeit! ich bin schon in der Ewigkeit, weil ich in Jesu lebe. “ Und doch ist noch nicht erschienen, was wir seyn werden (Cap. 3, 2.). Es wird aber erscheinen, wenn das Gebet unsers Hohenpriesters: „Vater, Ich will, daß, wo Ich bin, auch die bei Mir seyen, die Du Mir gegeben hast, daß sie Meine Herrlichkeit sehen, die Du Mir gegeben hast“ (Ev. 17, 24.), zur endlichen Erfüllung hinaufgehen und Er den Ueberwindern zu essen geben wird von dem Holze des Lebens, das im Paradiese Seines Gottes ist (Offenb. 2, 7.), da, wo Er ist und die Seinen bei Ihm, wo der Strom des Wassers des Lebens, hell wie Krystall aufgeht von dem Stuhle Gottes und des Lammes (Offenb. 22, 1.). - Nun beschließt Johannes seine Ansprache an die Kinder, indem er zusammenfassend ihnen noch einmal den Christen-Schutz vor der Verführung des Widerchrists vorhält und köstlich macht:

V. 26. 27. Solches habe ich euch geschrieben von denen, die euch verführen. Und ihr - (seyd getrost, denn) die Salbung, die ihr von Ihm empfangen habt, bleibt in euch, und bedürfet nicht, daß euch Jemand lehre; sondern wie euch die selbige Salbung Alles lehrt, so ist es wahr und ist keine Lüge, und wie sie euch lehrte, also werdet ihr bleiben bei Ihm.

Der HErr verhieß den Seinen den Tröster, den Geist der Wahrheit, der in ihnen seyn und bleiben werde in Ewigkeit (Ev. 14, 16. 17.). Dieser Treue des Trösters befiehlt Johannes die Kinder in der Stunde der Versuchung. Er ermahnt sie, daß sie bleiben möchten beim Evangelio, er spricht ihnen aber zugleich den Trost zu, daß die Salbung, die sie von Christo (der den Geist sendet vom Vater her, Ev. 15, 26.) empfangen haben, nicht von ihnen genommen (Luc. 10, 42.) und sie vom Widerchrist und vom Argen nicht angetastet werden sollen (Cap. 5, 18.). Und ihr bedürfet nicht, daß euch Jemand lehre. Glaubet den aufdringlichen Verführern nicht, welche euch überreden wollen, daß was ihr von Anfang gehört habt unzulänglich sey zur Christenerkenntniß! Die Salbung, die ihr empfangen habt, bezeugt euch, daß ihr keinen Lehrer bedürfet neben dem heiligen Geiste, der „im Himmel seinen Lehrstuhl hat“ (Augustin) und durchs Evangelium zu euch spricht: darum sehet euch vor vor denen, die da Zertrennung und Aergerniß anrichten neben der Lehre, die ihr gelernt habt, und weichet von denselbigen (Röm. 16, 17.), Wohl bedürfen Christen, junge und alte, daß sie durch Diener der Salbung unterrichtet werden im Wort der Wahrheit, wie ja Johannes selbst in diesem Briefe die Väter, die Jünglinge und die Kinder lehrt, und die wechselseitige Handreichung der mit Einem Geiste Gesalbten ist ein heilsames Mittel ihrer Bewahrung und Forderung; aber solcher Lehrer bedürfen sie nicht, welche etwas Neues, im anfänglichen Evangelio nicht Enthaltenes und von der Salbung Unbezeugtes sie lehren wollen. Jedwede wahrhaftige Lehre, die auszusprechen der Kirche in der Zeit ihres Wachsthums (Ephes. 4, 13 f.) gegeben wird, ist schon beschlossen in dem Reichthum der heiligen Schrift, und die einige Salbung, welche die Christen Alles - und Alle dasselbe - lehrt (Ephes, 1, 17.), weist ihnen den innern Wahrheitszusammenhang dessen, was sie lernen, mit dem, was sie von Anfang gelernt haben, auf untrügliche Weise nach. Unser Abendmahlsbekenntniß z. B. ist gegründet im Schriftworte, und Luther ist durch die Salbung gelehrt worden, dasselbe im Zusammenhange mit der ganzen Lehre Christi hell und bündig auszusprechen. Die ins Wort Gottes immer tiefer uns einsenkende Salbung lehrt uns, indem sie uns inne werden läßt der Wahrheit, welche dem evangelischen Glauben an Jesum den Christ der Kraft nach ganz und voll gegenwärtig ist. Es ist die selbige Salbung, welche die Kinder und die Väter, die Kirche vor tausend Jahren und heute lehrt, und ihr Lehren widerspricht sich nicht. Die gesalbten Jünger des Heiligen gleichen - sowohl insgesammt als Glieder Einer Gemeinde, wie auch im Christenleben jedes einzelnen - einem Bau, dessen Grund gelegt ist und dessen Werkstücke zubereitet sind, daß sie nacheinander zusammengefügt werden: jeder neu eingefügte Balken paßt in die Fuge des vorigen und jeder neu eingekittete Stein legt sich genau auf den vorigen, um getragen zu werden und wieder zu tragen. Bei einem rechten Christen und in der rechten Kirche ist Alles aus Einem Guß. So ist es wahr, und keine Lüge: aus Wahrheit kommt nur Wahrheit (V. 21.), und daran wird jedwede Lehre erkannt, daß sie wahr und keine Lüge sey, wenn sie stimmt mit dem anfänglichen Wort, welches durch die Hand der Propheten und Apostel in dem Buche und durch die Salbung in dem Herzen der Christen geschrieben steht.

Die Bitte: „Laß mich Dein seyn und bleiben“ wird uns erfüllt, so wir ernstlich fortfahren zu bitten: „Halt mich bei Deiner Lehr.“ Man bleibt bei Christo durch dasselbige Mittel, durch welches man von Anfang zu Ihm kommt. - Manche wissen allerlei von der Wahrheit und verstehen auch davon zu reden; aber es fehlt ihrem Wissen der süße Geruch, der ihnen und Andern lieblich ist, weil nicht die Salbung sie gelehrt hat. Johann Tauler hatte schon manche gelehrte Predigt gehalten, als der Waldenser Nikolaus von Basel zu ihm kam und ihm entdeckte: „Ihr seyd ein gutherziger Mann und ein großer Pfaff; aber ihr habt in Wahrheit des heiligen Geistes Süßigkeit noch nicht geschmeckt.“ Von da an suchte und fand Tauler in der Schrift und im Kreuz den rechten Lehrmeister, welcher „in einer Stunde uns mehr lehrt, denn alle Lehrer, die von der Zeit sind, bis an den jüngsten Tag immer thun mögen.“

Johannes redet in diesem Abschnitte gegen die verführerischen und lügnerischen Widerchristen eine Sprache, die wie Donner rollt. Auch hierin artet der Liebesjünger dem HErrn Jesu nach, dessen sanftmüthiger Mund schrecklich Wehe ruft über die, welche ärgern eines von den Kleinen, die an Ihn glauben (Matth. 18, 6 ). Indem er nun das Eine, was noth ist, das Bleiben bei Jesu, noch Allen zusammen, wie den Kindern so den Jünglingen und Vätern, ans Herz legen will, redet er sie wieder wie V. 12. an, und schreibt:

V. 28. Und nun, Kindlein, bleibet bei Ihm, auf daß, wenn Er geoffenbart wird, wir Freudigkeit haben und nicht zu Schanden werden vor Ihm in Seiner Zukunft.

Bleibet bei (in) Ihm! So hieß es in Johannis eigener Seele, welche in bräutlicher Liebe dem HErrn der Herrlichkeit anhing, im freudigen Gehorsam und in seliger Erfahrung Seines Wortes: „Bleibet in Mir. und Ich in euch“ (Ev. 15, 4.). Paulus jubelt mitten in Trübsalen, weil er seines Bleibens in Ihm gewiß ist: Nichts, Nichts kann ihn scheiden von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, unserm HErrn (Röm. 8, 38. 39). „Bleibt, Kindlein, bleibt, o geht doch nicht zurück! Ihr seyd mein Ruhm: ach, nehmt mir nicht die Krone! Was wäre mir das für ein Jammerblick! so käm ich künftig ganz allein zum Sohne, der euch, so ihr Ihn laßt, zur Linken treibt. Bleibt, Kindlein, bleibt!“ In demselben Sinne wie dieser Zuruf des sel. Woltersdorf an seine eingesegneten Kindlein, könnte der Zuruf unseres Textes gemeint seyn; der Apostel würde dann seinen Kindlein sagen, er möchte gern am Tage der Zukunft des HErrn mit Freudigkeit auf sie blicken und nicht beschämt werden durch ihr Fehlen zur rechten Hand, Dieser Sinn würde nicht allein mit l Thess. 2, 19, 20., sondern auch mit Johannis eigenem Worte im zweiten Br. V. 8.: „Sehet euch vor, daß wir nicht verlieren, was wir erarbeitet haben, sondern vollen Lohn empfangen,“ gar wohl übereinstimmen, und die Salbung wird dagegen keine Einsprache thun. Jedoch weil Johannes geflissentlich7) an die Stelle 2 Thess. 2,8. - worauf auch Offenb. 2, 16. angespielt wird - erinnert, wo Paulus das Zuschandenwerden des Widerchrists ankündigt, deß der HErr eine Erde machen wird „durch die Erscheinung Seiner Zukunft:“ so schließt er sich nach seiner Gewohnheit mit dem „wir“ in die Zahl seiner Kindlein ein und hofft sammt ihnen (Cap, l, 3) durchs Bleiben bei Jesu, dem verborgenen Leben der Seelen, zur Seligkeit bewahrt zu werden, also daß sie zusammen Freudigkeit hätten, wenn nun Er, ihr Leben, Sich offenbaren werde (Col. 3, 4) Dann, in Seiner herrlichen Zukunft, werden alle Lügner, Alle, die nicht bei Ihm geblieben sind (V. 19.), zu Schanden werden vor Ihm; mit Schrecken werden sie sehen, was sie geleugnet haben, daß Jesus ist der Christ, Gottes Lamm und Löwe in Einer Person, und fliehend vor Seinem Angesicht werden sie rufen: „Es ist gekommen der große Tag des Zorns, und wer kann vor Ihm stehen!“ (Offenb. 6, 17.). Mit Freudigkeit vor Ihm stehen (Mal. 3, 2; Luc. 21. 36.) werden nur die können, welche in Ihm blieben (Cap. 4, 17.), und die Er darum kennt, wo sie her sind, nämlich aus Ihm selber, Christen von Christo (Luc. 13, 25.). „Die Kranken unterweise man erstlich, von wem sie ihren Namen haben, nämlich von Christo; hernach, wer Christus sey: und darauf mag man sie getrost sterben lassen.“ L. - Aus die letzte Stunde folgt die Zukunft des HErrn. So wir nun erkennen, daß die letzte Stunde da ist, so lasset uns die Häupter emporheben, weil unsre Erlösung naht! Durch alle ängstlichen und schmerzlichen Klagen Zions hin muß doch überwindend ihr Freudenruf ertönen: „Die Zukunft des HErrn ist nahe!“ Je tiefer ihre Noth, desto näher ihre Hülfe. Daß wir nur bei Ihm bleiben, während Er heimlich Seine Gewalt führt, dann werden wir bestehen vor Seinem Angesicht, wenn Er Seine Herrlichkeit offenbaren und den Ruf erhören wird, welchen die Salbung die Braut lehrt: „Komm! ja komm. HErr Jesu!“

HErr Jesu, zu Deiner Gnade fliehen wir, denn Du bist unser Schutz; zu bleiben bei Dir, das hilf uns allen. In dieser letzten Stunde, mitten unter kräftigen Irrthümern, in die der Widerchrist, so es möglich wäre, auch Deine Auserwählten verführte; mitten unter Lügnern, die von Deiner heiligen Wahrheit ein Lichtkleid sich borgen und als trügliche Freiheitsapostel der alten Schlange die ganze Welt verführen; mitten unter tobenden Feinden, die mit dem Geschrei: „Lasset uns zerreißen Seine Bande und von uns werfen Seine Seile!“ sich wider Dich auflehnen, HErr Jesu, Du gesalbter König Deines Volks, und umringen das Heerlager Deiner Heiligen und Deine geliebte Stadt - o, HErr, siehe an ihr Drohen und ihre List, und gib Deinen Gläubigen, die nach Deinem Namen genannt sind, Beständigkeit und Geduld. Weisheit und Einfalt, daß wir beharren bis ans Ende. Wir haben, deß sey Dir Dank! die Salbung von Dir und Deinem heiligen Vater, und wir wissen an wen wir glauben: so bitten wir Deine Treue, Du wollest unsern Gang gewiß bleiben lassen in Deinem Wort, das wir von Anfang gehört haben, und das Zeugniß des Geistes, des Geistes Deiner und unsrer Salbung, nimmer uns fehlen lassen, daß wir Gottes Kinder und Deine auserwählten Miterben sind. Ja, erhalt uns, HErr, bei Deinem Wort! Gib Deinem Worte gesalbte Diener, daß die Strahlen Deines Lichtes gesäet werden in Vieler Herzen; laß auch diese Auslegung Deines Wortes das Siegel der Salbung haben. Gib uns Kraft nach dem Reichthum Deiner Herrlichkeit, stark zu werden durch Deinen Geist an dem inwendigen Menschen und Dich wohnend zu haben durch den Glauben in unserm Herzen, und durch die Liebe eingewurzelt und gegründet zu werden. Führe uns immer völliger ein in die Wahrheit aller Wahrheiten, daß Du, wahrer Gottes- und Marien-Sohn, der Heiland der Sünder bist, durch den wir zum Vater kommen; lehre uns mit entschlossenem Ernste weichen, als von Lügnern, von Allen, welche vor Dir die Knie zu beugen sich weigern und die Ehre Dir absprechen, die der Vater Dir gegeben hat; aber bringe auch zusammen durch die Salbung, die ja Alles und Alle Eins lehrt, alle noch hin und her zerstreueten Bekenner Deines Namens, die mit uns die selbige Salbung empfangen haben in der heiligen Taufe, und mit uns Dich HErr heißen durch den selbigen heiligen Geist, Du kannst ja überschwänglich thun über Alles, das wir bitten oder verstehen nach der Kraft, die da in uns wirkt durch die Salbung. Verzeihe uns armen Sündern unsern Unglauben, womit wir die Offenbarung Deiner Herrlichkeit hindern, und gieße von neuem den Geist der Gnade und des Gebets reichlich über uns aus. Wir legen Dir, Du Liebhaber der Lämmer, unsre Kinder noch sonderlich ans Herz, O daß sie doch blieben bei Dir in der Stunde der Versuchung, die ihnen noch beschieden ist; laß sie nicht verführt werden von der Wahrheit, sondern wie sie die Salbung von Dir lehrte von Anfang, also laß sie bleiben bei Dir, und was wir sie lehren, das müsse alles aus der selbigen Salbung seyn. In der Versammlung zu Dir in Deiner Zukunft laß ihrer keines fehlen! Wenn alle Büchlein des ewigen Lebens, womit Du hier Deine Gläubigen reich gemacht hast in den Strom zusammen sich ergießen werden, der glänzend wie Crystall von Deinem Stuhle ausgeht, dann laß auch uns und unsre Kinder offenbar werden in Deiner Herrlichkeit, die Du uns gegeben und zu sehen verheißen hast. Wir warten auf Deinen Tag, o HErr! Behalte uns fest bis ans Ende, daß wir würdig werden mögen zu entfliehen Allem, das in der letzten Stunde geschehen soll, und zu stehen mit Freudigkeit vor Deinem Angesicht. Du zeugst, daß Du kommst und bald. Ja komm, HErr Jesu! Amen.

Mel. HErr Jesu Christ, Dich zu uns wend.

Ach bleib bei uns, HErr Jesu Christ,
Weil es nun Abend worden ist:
Dein Wort, o HErr, das ewig Licht,
Laß ja bei uns auslöschen nicht.

In dieser letzt betrübten Zeit
Verleih uns All'n Beständigkeit,
Daß wir Dein Wort und Sacrament,
Rein behalten bis an das End.

1)
Die Meinung von einem noch jetzt zukünftigen einzelnen Kinde der Bosheit, als dem eigentlichen Antichristen, maßen wir uns zwar nicht an, „Irrlehre“ zu nennen, wofern sie nicht als Glied einer Lehre von den letzten Dingen auftritt, welche dem Glauben unähnlich ist; aber auch in diesem Stück mag man erfahren, daß vieles verlernen muß, wer täglich mehr lernen will.
2)
Da liegt eine Auslegung der Dr. Joh. vor mir, worin ein römischer Theologe (Mayer) in angeerbter Weise alle Lästerungen der Widerchristen, welche „von uns ausgegangen sind,“ den Reformatoren vor die Stirn schreibt. Es gehört dazu Angesichts des Spruches 1 Joh. 2, 19. wirklich mehr als gewöhnliche Verhärtung, Laßt uns dagegen umgekehrt die Liebe festhalten, welche hofft, daß Manche zwar von Rom ausgehen, die doch nicht von Rom sind, sondern von Jerusalem.
3)
Die bereits von Tertullian und Cyprian erwähnte Sitte, die Täuflinge mit Salböl zu salben, lehnte sich wohl an diesen Spruch Johannes an; wenigstens legt Cyrill von Jerusalem seiner Katechese über das Chrisma die Stelle l Joh. 2, 20 - 28. zu Grunde. Merkwürdig, und vielleicht ebenfalls auf unsre Stelle hinweisend, ist das liturgische Formular, dessen die koptische Kirche bei der Salbung der Täuflinge sich bedient. In dem der Priester die Hände des Täuflings salbt, spricht er: „Dieses Oel zerstöre alle Gewalt des Widerwärtigen!“ und bei dem Salben der Herzgrube und anderer Körperteile: „Ich salbe dich mit dem Freudenöl, als der Schutzwehr gegen alle Werke des Widerwärtigen und Boshaftigen, auf daß du eingepfropft werdest, in die Wurzel des fetten Oelbaums, welcher ist Gottes heilig-katholische und apostolische Kirche,“ - Betrachtet man den Eifer, womit jene Klrchengemeinschaft, in welcher das Oel des Geistes schier vertrocknet ist, nämlich die Abessinische Kirche, auf das Salböl hält, so kommt einem wohl in Sinn, was Luther sagt: „Figur oder Zeichen des N. T.'s haben gehört ins A. T. unter die Juden; und wer bekennt, daß er die Figur oder Zeichen des N. T.'s habe, der bekennt damit, daß er das N. T. noch nicht habe, und ist zurückgelaufen, hat Christum verleugnet und ist ein Jude geworden. Denn Christen sollen das N. T. an ihm selbst haben, ohne Figur und Zeichen“. Die Kirche hat die ihr verheißene Salbung (Dan. 9, 21.) recht und reichlich, weil sie Wort und Sacrament recht und reichlich hat, so anders bei ihr geheiligt wird der Name Gottes, des Heiligen, in Lehre und Leben.
4)
Luther sagt zu V. 24. (was ihr von Anfang gehört habt): „Vor allen Dingen muß man auf den Grundsätzen der ersten Lehre feste beharren, daß wir von selbiger überzeugt und gewiß versichert sind. Wo wir es aber darinnen zu einer Gewißheit gebracht haben, sodann halte du Alles, es mag hernach angeführt werden, was da will, für ein Zischen des Satans und verachte es. Christus ist für dich gestorben und auferweckt, durch Den sollst du selig werden. Aber, spricht der Teufel, wie, wenn die Gesetze des Papstes auch gehalten würden? Wenn du ihm hier Gehör gibst, so wirst du aus deiner Gnadenveste und vorigen Lehre fallen. Derohalben spricht Jakobus sehr wohl Cap. 4, 7: Widerstehet dem Teufel, so fleucht er von euch. Er spricht nicht: Disputieret mit dem Satan und mit dem Ketzer, sondern widerstehet ihm, auf diese Weise: Da ist Gottes Wort! Willst du glauben, wohl gut; willst du nicht so gehe nach Paris und disputiere da.“
5)
Deus qui posset, homo, qui deberet
6)
Der das geschriebene Wort herabsetzende und auf ein s. g. inneres Wort lauschende Geist, welcher die reformierten Gemeinschaften von der Kirche des schriftgemäßen Bekenntnisses scheidet, regte sich schon in einem Oekolampad, der das äußere Wort einmal einem Sporn vergleicht, der uns bloß antreibe zu laufen, daß wir in uns die Wahrheit suchen, und brach bald in Männern wie Sebastian Franck und Caspar Schwenkfeld, welche die „buchstabische Sicherheit der Lutheraner“ und das „bestaubte Buch hinter dem Ofen“ verhöhnten und beständig auf den „Geist“ (die Salbung), „den innern Lehrer,“ das „lebendige innere Wort“ pochten, zu offner Feindschaft gegen den Gott und Christus der Schrift, also zu antichristischer Lüge hervor. „Sie sind von uns ausgegangen, aber sie waren nicht von uns,“ Lasset uns halten an dem Bekenntniß: „In diesen Stücken, so das mündliche, äußerliche Wort betreffen, ist fest darauf zu bleiben, daß Gott Niemand Seinen Geist oder Gnade gibt, ohne durch oder mit dem vorhergehenden äußerlichen Wort. Damit wir uns bewahren vor den Enthusiasten, das ist Geistern, so sich rühmen, ohne und vor dem Wort den Geist zu haben, und darnach die Schrift oder mündliche Worte richten, deuten und dehnen ihres Gefallens, wie der Münzer that und noch Viele thun heutiges Tages, die zwischen dem Geist und Buchstaben scharfe Richter seyn wollen, und wissen nicht, was sie sagen oder setzen, - Summa, der Enthusiasmus steckt in Adam und seinen Kindern vom Anfang bis zum Ende der Welt, von dem alten Drachen in sie gestiftet und gegiftet und ist aller Ketzerei, auch des Papstthums und Muhameds Ursprung, Kraft und Macht. Darum sollen und müssen wir darauf beharren, daß Gott nicht will mit uns Menschen handeln, denn durch Sein äußerlich Wort und Sacrament. Alles aber, was ohne solch Wort und Sacrament vom Geist gerühmt wird, das ist der Teufel.“ Schmalk. Art. 111, 8.
7)
Johannes liebt es, auf die Schriften seiner Mitapostel, deren Mund sich bereits geschlossen halte, die Gemeinden zu verweisen, besonders im Schlußbuch der heiligen Schrift, der Offenbarung, aber auch schon in den Briefen. Merke darauf!
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