Besser, Wilhelm Friedrich - Die Briefe St. Johannis in Bibelstunden für die Gemeinde ausgelegt - 4. Der Christen Macht zum Ueberwinden der Welt.

Besser, Wilhelm Friedrich - Die Briefe St. Johannis in Bibelstunden für die Gemeinde ausgelegt - 4. Der Christen Macht zum Ueberwinden der Welt.

Cap. 2, 12-17.

Tröste uns, HErr, mit Vergebung der Sünden und lehre uns wandeln in der Kraft der Ueberwinder. Amen.

St. Johannes schreibt zur Freude seiner Brüder (Cap. 1, 4.) und seine Rede ist eine freundliche, evangelische Rede (Jes. 40, 2.), auch wo sie so lautet: „Ich schreibe euch ein altes Gebot, das Gebot der neuen Liebe.“ Indem er den gesammten Inhalt dessen, was zu schreiben ihm anlag, vor seinem innern Auge vorübergehen ließ, wie derselbe etwa in dem Spruche zusammengefaßt ist. „Wer da sagt, daß er in Ihm. bleibe, der muß auch wandeln, gleichwie Jener - der im Evangelium Beschriebene - gewandelt hat“ (V. 6; vergl. hernach Cap. 4, 17.), fand er sich innig erquickt im Hinblicke auf die Gemeinde, bei welcher das wahrhaftige Licht im Worte evangelischer Predigt einen Leuchter gefunden und seinen hellen Schein in die Herzen gegeben hatte. Daß er im Stande war seinen Kindlein das zu schreiben, was er ihnen schrieb, deß war er fröhlich. Ihrer keiner durfte ja der apostolischen Forderung eines Lichtwandels in der Nachfolge Jesu entgegnen: „Du forderst, was ich nicht vermag!“ So gewiß nicht, als geschrieben steht: „Auch die Lahmen werden rauben (den köstlichen Gnadenraub, der in Zion ausgetheilt wird). Und kein Einwohner wird sagen: Ich bin schwach, denn das Volk, so darinnen wohnt, wird Vergebung der Sünden haben“ (Jes. 33,23. 24). Aus diesem Brunnen der Kraft schöpfen die Christen Leben und Seligkeit, und weil der Gnadenbrunnen im Evangelio den Kindlein Johannis eröffnet worden, so gebraucht er großer Freudigkeit in seinem Schreiben. Vor allen Dingen also stellt er die Empfänger seines Briefes allesammt, die Alten und die Jungen, als Genossen des evangelischen Schatzes der Vergebung der Sünden dar: sie standen ja in der Licht-Gemeinschaft der Gläubigen, die das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, rein macht von aller Sünde (Cap. 1, 5-2, 2). Sodann wendet er sich an die Väter, die Jünglinge, die Kinder insonderheit und bezeugt ihnen, was sie an dem Jesus haben, der die Vergebung der Sünden ihnen erworben. Die Väter kennen Ihn als den eingeborenen Sohn Gottes, der da von Anfang ist; damit wird ihnen das Capitel von den Merkmalen der Erkenntniß Christi (V. 3-11) sonderlich zugeeignet. Die Jünglinge haben durch Ihn den Bösewicht überwunden; ihnen vornehmlich ruft der Apostel zu, daß sie ihre Stärke in Christo treulich gebrauchen sollen im Kampfe gegen das Reich des Bösewichts, die Welt und ihre Lust. Die Kinder kennen den Vater Jesu Christi als ihren Vater; was Johannes für die namentlich auf dem Herzen hat, spricht er von Vers 18. an aus, und wir werden es in der nächsten Bibelstunde zu erwägen haben. - Nach diesem Vorblicke in den Zusammenhang unters köstlichen Textes laßt uns denselben Vers für Vers betrachten.

V. 12. Ich schreibe euch, Kindlein: denn die Sünden sind euch vergeben um Seines Namens willen. Mit der leutseligen Anrede Kindlein umfaßt der Apostel die ganze Gemeinde, Väter, Jünglinge und Kinder1), denn er (sammt Paulo) hatte sie gezeugt durch das Evangelium (1 Cor. 4, 15). Euch, Kindlein, schreibe ich, und euch darf ich also schreiben, wie ich thue, denn die Sünden sind euch vergeben um Seines Namens willen. Wie jenes Weib, die große Sünderin, viel liebte, weil ihr viel vergeben war (Luc. 7, 47.), so erwartet Johannes von seinen Kindlein, daß ihr Wandel in der Liebe Zeugniß davon gebe, ihre Sünden seyen ihnen vergeben. So ist denn die Vergebung der Sünden das Gemeingut aller Christen. Es gibt Güter und Gaben, ohne welche man leben mag; jedoch gleichwie wir zum irdischen Leben wohl des Zuckers, aber nicht des Salzes, wohl des Marzipans, aber nicht des Brotes entbehren können, so können wir zum ewigen Leben wohl der Wundergaben, in deren Schmucke die erste Kirche prangte, aber nicht der Vergebung der Sünden entbehren. Vergebung der Sünden ist das Brot, wovon Große und Kleine, Apostel und Schächer, Weise und Unmündige, Könige und Bettler (Könige als Bettler, und Bettler als Könige) leben im Reich Gottes, wie denn im Vater unser die vierte und die fünfte Bitte durch ein merkliches. Und mit einander verknüpft sind. Vergebung der Sünden ist das eigentliche „Gut des Landes,“ welches die gesegneten Einwohner genießen (Jes. 1, 19); darum folgt im Glaubensbekenntniß auf den Namen des durch den Heiligen Geist regierten Heiligen Landes und Volkes: „Eine heilige christliche Kirche, die Gemeinde der Heiligen,“ alsbald das heilige Gut des Landes: „Vergebung der Sünden.“ Christus läßt predigen in Seinem Namen Buße und Vergebung der Sünden (Luc. 24, 47.), und das Amt Seiner Prediger, die Er sendet wie Ihn gesandt hat der Vater, hat diese Vollmacht: „Welchen ihr die Sünden erlasset, denen sind sie erlassen“ (Ev. 20, 21 ff.). „Das Wort der Absolution verkündigt dir Friede und ist das Evangelium selbst.“ Apol. der Augsb. Conf. Art. 5. Luther sagt in seinem Glaubensbekenntnisse (des „christl. Bekenntnisses vom Abendmahle“ Schluß): „In dieser Christenheit und wo sie ist, da ist Vergebung der Sünden, das ist, ein Königreich der Gnaden und des rechten Ablasses. Denn daselbst ist das Evangelium, die Taufe, das Sacrament des Altars, darin Vergebung der Sünden angeboten, geholt und empfangen wird, und ist auch Christus und Sein Geist daselbst. Und außer solcher Christenheit ist kein Heil noch Vergebung der Sünden, sondern ewiger Tod und Verdammniß. Obgleich großer Schein der Heiligkeit da ist und viel guter Werke, so ist doch alles verloren. Solche Vergebung der Sünden ist nicht auf einmal, als in der Taufe, zu gewarten, wie die Novater lehren, sondern so oft und vielmal man derselbigen bedarf bis in den Tod.“ Dies Letzte spricht unser Katechismus aus in den kostbaren Worten: täglich und reichlich. Die Sünden sind uns vergeben, da wir getauft wurden (Apostelg. 2, 38; Col. 2, 11 -13.); sie werden uns täglich vergeben, so oft wir bußfertig - sonder Vergessen (2 Petr. 1, 9.) - in unsre Taufe zurückkehren und den Schatz derselben, gläubig ergreifen.2) - Wir können dies Zeugniß, welches Johannes tief in den Seelengrund seiner Kindlein hineinruft: Die Sünden sind euch vergeben! nicht lesen, ohne entweder zu frohlocken oder zu zittern - am besten ists, wenn wir uns freuen mit Zittern (Ps. 2, 11). Sind auch uns alle Sünden vergeben? Haben wir, in dieser Stunde, Vergebung unserer Sünden? Ist unser Gewissen freigemacht von dem Fluche des Gesetzes, von der Furcht des Todes, und wandeln wir im Frieden mit Gott (Röm. 5, 1.)? Wagen wir getrost den Anspruch auf das ganze Vermächtniß, welches im Evangelio dem Sünder angeboten wird, und zweifeln wir nicht, daß Gott unser lieber Vater, wir Seine lieben Kinder seyen - kurz, sind wir selig (Ephes. 2, 8)? Nun, unsere Freude soll ja völlig werden. Darum zieht Johannes unsern Blick ganz und gar weg von uns selber, daß wir die Ursach der Vergebung der Sünden nicht in unserm Eignen suchen sollen (da müßten wir freilich ohne Freude zittern), sondern steif und fest auf Jesum Christum sehen: um Seines Namens willen sind uns die Sünden vergeben. Er nennt den Namen nicht aus (vergl. V. 6); im Herzen seiner Kindlein funkelte derselbe hell. Um Seines Namens willen: um deß willen, was der ganze Jesus ist, und zwar für uns, von der Krippe bis zum Throne; um der großen Thaten Gottes in Christo willen, welche im Evangelio verkündigt werden (Luc. 24, 46. 47.; Röm. 1, 1-4); um der Versöhnung willen, welche der Mittler des Neuen Testaments vollbracht hat und als unser Fürsprecher ewig geltend macht (V. 1. 2), sind uns die Sünden vergeben. Dem Namen, dem Amt, dem Gehorsam, dem Blut des Sohnes Gottes zum Lohne und zur Ehre geschieht es (Jes. 53, 11. 12.), daß der Vater, welcher Wohlgefallen hat an Seinem geliebten Sohne, zu uns verlorenen und verdammten Menschen in Barmherzigkeit und Treue, ja in Gerechtigkeit (Cap. 1, 9.) Sich neigt und uns unsre Sünden vergibt. Der Name Jesu Christi ist ein festes Schloß; in Ihm sind wir unsers Heils gewiß, und danksagen dem Vater, der uns tüchtig gemacht hat zu dem Erbtheil der Heiligen im Licht, da Er uns errettet hat von der Obrigkeit der Finsterniß und hat uns versetzt in das Reich Seines lieben Sohnes, an welchem wir haben die Erlösung durch Sein Blut, nämlich die Vergebung der Sünden (Col. 1, 12- 14.). Wir haben die Vergebung der Sünden, und weder die Welt soll sie uns abstreiten, noch unsre Vernunft (der Friede Gottes ist ja höher denn alle Vernunft, Phil. 4, 7.) die Richterin darüber seyn, ob wir sie haben. Zwei Dinge sind geschehen, die der Teufel nicht ungeschehen machen kann: Christus ist gestorben und auferstanden, und wir sind durch die Taufe in Seinen Tod mit Ihm begraben, auf daß wir Seines Lebens theilhaftig würden (Röm. 8, 4.). Darauf hin haben wir eine freie Ansprache an Gott mit gutem, freudigen Gewissen (1 Petr. 3, 21.), so oft wir unsre Sünden bekennen „Ich wage den Bund nicht auf eigene Kräfte, nur auf Dein allmächtiges Gnadengeschäfte; gefallen werd ich Dir in meinem Versöhner, Er schmückt mich und heilt mich und bildet mich schöner.“ Der HErr hat uns Sein Wort gegeben, das geschrieben steht und durch den Mund Seiner Diener uns gepredigt wird, und Er erleuchtet uns zum Glauben an dies Wort, aus welchem allein wir unser Urtheil uns holen. Er will nicht, daß wir zweifeln sollen, in vorgeblicher Demuth, ob uns die Sünden vergeben seyen. Wenn solche Demuth (nach eigner Wahl, Col. 2 18.) sollte gelten, dann müßten die tröstlichsten Sprüche aus der Bibel und die hellsten, fröhlichsten Lieder aus dem Gesangbuche ausgestrichen werden; dann dürfte weder Johannes die Freudigkeit zu seinem Schreiben aus der Gewißheit entnehmen, daß seine Kindlein mit Vergebung der Sünden begnadigt waren, noch Paulus an die Corinther schreiben: „Ihr seyd abgewaschen, ihr seyd geheiligt, ihr send gerecht geworden in dem Namen des HErrn Jesu Christi und in dem Geiste unsers Gottes“ (1. Cor. 6, 11.). Die Hebräer wären fälschlich getröstet: „So lasset uns hinzu gehen mit wahrhaftigem Herzen in völligem Glauben, besprengt in unserm Herzen und los von dem bösen Gewissen, und gewaschen am Leibe mit reinem Wasser“ (Heb. 10, 22,), und wir dürften nicht mehr singen: „Nun weiß und glaub ich feste, ich rühm's auch ohne Scheu, daß Gott der Höchst und Beste mein Freund und Vater sey: und daß in allen Fällen Er mir zur Rechten steh und dämpfe Sturm und Wellen und was mir bringet Weh. Der Grund, da ich mich gründe, ist Christus und Sein Blut“ u, s. w. Aber bleiben soll Gottes Wort, der Halt und die Zuflucht unsrer Seelen, fest soll die Verheißung stehen auf den beiden Pfeilern „aus Gnaden“ und „durch den Glauben“ (Röm. 4,16-21.), und halten lasset uns am Bekenntniß des Evangelii, damit wir aller „ quälenden Gedanken“ ledig gehen und (mit dem sel. Woltersdorf) ganz getrost sprechen mögen: „Ich weiß es, ich weiß es und werd es behalten; so wahr Gottes Hände das Reich noch verwalten so wahr Seine Sonne am Himmel noch pranget, so wahr hab ich Sünder Vergebung erlanget.“ -

Nachdem Johannes die allen einen Kindlein gemeinsame Gnade bezeugt hat, redet er nun die Väter, die Jünglinge, die Kinder insonderheit an und spricht jeder Altersstufe einen eigenthümlichen Antheil an dem Reichthume des Geheimnisses Christi zu. Einer jeden Klasse gilt der Brief des Apostels auf besondere Weise, weil einer jeden der Name des HErrn Jesu besonderen Segen eingebracht hat. Väter, Jünglinge und Kinder ermahnt das apostolische Schreiben, daß sie je die Gabe erwecken, die in ihnen sey.

V. 13. Ich schreibe euch, ihr Väter: denn ihr kennet Den, der von Anfang ist. Wie Paulus an der Stelle, die wir vorhin anführten: „- an welchem wir haben die Erlösung durch Sein Blut, nämlich die Vergebung der Sünden,“ fortfährt und die ewige Gottheit des Sündentilgers herausstreicht: „Welcher ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborne (vor) aller Creatur; denn durch Ihn ist Alles geschaffen u.s.w.“ (Col. 1, 15. 16): ebenso gesellt hier Johannes zu der Sündenvergebung um des Namens Jesu Christi willen die Erkenntniß Dessen, der da von Anfang ist, indem er diese heilsame Erkenntniß das selige Theil vornehmlich der Väter nennt. „Diese Väter waren Liebhaber des Ewig-Vaters (Jes. 9, 6).“ Augustin. Die Lehre vom ewigen Worte, in welcher die Epitome des Evangeliums Johannis beschlossen ist und deren gottseliges Geheimniß wieder im Eingange seines Briefes („das da von Anfang war“) verkündigt wird, war den Vätern köstlich; daß sie ihren Heiland und Seligmacher als Den erkannten, der von Anfang war, als den eingebornen Sohn des ewigen Vaters, das war die Krone ihrer Weisheit und Erkenntniß. „Bei den Vätern ist Weisheit, und Verstand bei den Alten“ (Hiob 12, 12), und „es ist der Alten Krone, wenn sie viel erfahren haben“ (Sir. 35,8). Ihr Väter, welcher Erfahrung erfreuet ihr euch? Man hört ja alte Leute oft erzählen von ihren Erlebnissen, und wenn einer etwa gar die „Freiheitskriege“ mitgemacht hat, so trägt seine Erfahrung eine Purpurhaube (Sir. 6, 31.). Das ist auch ganz in der Ordnung. Jedoch den Herzog unserer Seligkeit zu kennen und zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes, die Er erstritten hat, in einem langen Glaubens-Leben von Tage zu Tage näher hinangekommen und heimisch geworden zu seyn im anbetenden Umgange mit dem Sohne Gottes, genommen zu haben Gnade um Gnade, Licht um Licht, Wahrheit um Wahrheit aus der Fülle Jesu Christi und den forschenden Geist gesättigt zu haben aus Seinem unausforschlichen Reichthume (Ephes. 3, 8): das ist der rechte Väter-Ruhm. Den spricht Johannes hier den Vätern zu. Einer unserer Pommerschen Väter, Joh. Bugenhagen, führte den Wahlspruch: „Wenn du Christum wohl weißt, so ist's genug, ob du sonst auch Nichts wissest; wenn du Christum nicht weißt, so ist's vergeblich, daß du alles Andere lernest.“3) Das ist auch der Sinn der Väter gewesen, denen Johannes schrieb. Der HErr lege unsern Vätern in Herz und Mund das freudige Lied: „Wollt ihr wissen, was mein Preis? Wollt ihr lernen, was ich weiß? Wollt ihr sehn mein Eigenthum? Wollt ihr hören, was mein Ruhm? - Jesus der Gekreuzigte!“ Der Vater Simeon sey aller Väter Vorbild: unsere Augen sollen sich nicht schließen, es sei denn, um im Reiche der Herrlichkeit Den von Angesicht zu sehen, den wir am Tage des Neuen Testaments als unsern Heiland erkannt haben. „Kennen Sie auch den HErrn Jesum?“ wurde einst ein alter Mann gefragt, der von vielen, vielen berühmten Leuten erzählte, die er in seinem langen Leben kennen gelernt habe. Er verstummte auf diese Frage; aber vergessen konnte er sie nicht mehr, und noch um die elfte Stunde suchte er die Bekanntschaft, nach welcher allein vor der Himmelsthür gefragt werden wird (Luc. 13, 25.). - Die Erkenntniß der von Johannes angeredeten Väter war übrigens eine ganz praktische Erkenntniß: je tiefer sie gegründet wurden in der Erkenntniß Dessen, der da von Anfang ist, desto völliger wurde ihr Trost an. Seinem Namen, um dessetwillen die Sünden ihnen vergeben waren; desto gewisser wurde ihnen die Erlösung, die Sein Blut als des Sohnes Gottes (Cap. 1, 7) ihnen erworben, die Gerechtigkeit, die ihr Glaube an dem HErrn Jesu hatte (Röm. 10, 9), und die Kindschaft in dem Ewig-Geliebten des Vaters, wozu sie verordnet worden vor Grundlegung der Welt (Ephes. 1,4-8). Dahin ziele auch unserer Alten „Weisheit und Klugheit4)“, und bemächtigte sich der Theologie, die unsers Vaters Luth er einiger Zweck war: „welche den Kern in der Nuß, das innerste Mehl im Weizen, das Mark in den Gebeinen durchforscht“ (schon im Jahr 1509 drückte er das Sinnen seines Lebens in diesen Worten aus). „Wir wissen unsre Lection. Sie kann in zwei Worte gefaßt werden: Unser Jesus, an den wir glauben, ist der Sohn Gottes. Aber es sind darin so viele, nöthige, tiefe, unergründliche, selige Dinge des göttlichen Geheimnisses von unserm Heil begriffen, daß wir nie stille stehen, nie überdrüssig satt seyn, noch uns auf etwas Anderes einlassen dürfen. Es kommt vielmehr darauf an, uns in dieser Wahrheit immer tiefer zu gründen und von einer Klarheit zur andern zu kommen, damit wir in unserm geistlichen Wachsthum dadurch gefördert und zur ganzen Gottessülle bereitet werden.“ Steinhofer.

Ich schreibe euch, ihr Jünglinge: denn ihr habt den Bösewicht überwunden. „Der Jünglinge Stärke ist ihr Preis“ (Spr. 20, 29.). Johannes spricht den Jünglingen, die zu seinen Kindlein gehörten, die Siegesstärke im Kampfe mit dem Bösewicht, dem Teufel. als ihren rechten Preis und wahren Schmuck zu. Diese Jünglinge hatten mit der Vergebung ihrer Sünden die freudige Gewißheit erlangt, daß dem starken Gewappneten von dem Stärkeren, der über ihn gekommen ist und ihn überwunden hat, sein Harnisch genommen ist, darauf er sich verließ (Luc. 11, 22.). Der Name Jesu Christi: „HErr, der unsre Gerechtigkeit ist“ (Jerem. 23, 6.) war ihnen köstlich, und ihr Wahlspruch lautete: „Im HErrn habe ich Gerechtigkeit und Stärke“ (Jes. 45, 24.). Sie hatten's erfahren, daß der Bösewicht der Jugend am grimmigsten feind ist und seine feurigsten Pfeile auf sie abschießt. Was für ein höllisches Vergnügen ist es dem Argen, wenn er einem Jünglinge den kindlichen Glauben abwendig machen, das Wort Gottes ihm verdächtigen und durch das Sprachrohr der Vernunft und des Fleisches ihm zuflüstern kann: „Sollte Gott gesagt haben -?“ Wie bietet der Bösewicht alle seine Gewalt auf, um den Jüngling, der sich aufmacht zum Zerreißen der satanischen Stricke in der Kraft Jesu Christi und dem Wesen dieser Welt entflieht, wieder zu verflechten in die Weltlust und die Freude der Heiligen am Laufe eines jungen, munteren Genossen zu verderben! „ Halt - spricht er - das will ich nicht leiden! Mögen die Alten fromm werden, ich kann sie in meinem Dienste ohnehin nicht viel mehr brauchen; auf diesen Jüngling aber habe ich stark gerechnet, wenn der sich bekehrte, das sollte mich kränken und meinem Reiche mächtig Abbruch thun: darum -“ und so umstrickt er ihn mit den „Lüsten der Jugend,“ vornehmlich mit der Lust an Neuem, Glänzendem auf dem Gebiet der Lehre (2 Tim. 2, 22.), oder er spielt ihm das Lied auf: „Wohl her nun und laßt uns wohlleben, weil's da ist, und unsers Leibes brauchen, weil er jung ist! Laßt uns die Maienblumen nicht versäumen, laßt uns Kränze tragen von jungen Rosen, ehe sie welk werden!“ Das thut „des Teufels Neid“ (Weish. 2, 6 ff.). Aber die Gemeinde der Heiligen singt ihren Jünglingen zu: „Auf! des Feindes Grimm und Tücke, der aus lauter Rache denkt, daß er Jesum unterdrücke, wird in eure Hand geschenkt. Auf! und brennet vor Verlangen, diesem Drachen Tort zu thun; nehmt den Bösewicht gefangen, laßt ihn keine Stunde ruhn!“ Johannes schreibt an Jünglinge, welche den Bösewicht überwunden haben. Der Sieg Jesu Christi, an den sie glauben, ist ihr Sieg (Cap. 5, 4. 5). Das Ueberwinden Christi und der Christen Heldenthum kommt in den Schriften Johannis häufiger vor als sonstwo in der Schrift. Ihm stand das Wort des Heilandes: „Seyd getrost, Ich habe die Welt überwunden“ (Ev. 16, 33) tief im Herzen geschrieben, und das Lamm schaute er zugleich als Löwen an (Offenb. 5, 5; 12, 7 ff). Alle einzelnen Siege der Christen über den Bösewicht und ein finsteres Reich erkennt er daher als Erfolge des einmal vollführten Sieges Christi, in dessen gläubiger Ergreifung sie einmal den Bösewicht überwunden haben und der Erlösung aus seiner Gewalt gewiß sind. Nur der überwindet, wer überwunden hat. - Unter den alten Griechen galt es als die höchste Ehre eines Jünglings, aus der Schlacht mit der erbeuteten Rüstung des überwundenen Feindes zurückzukehren, und Eltern, die einen solchen Sieger zum Sohne hatten, priesen sich selig. Die jungen Streiter Jesu Christi sollten sich ja nicht beschämen lassen von jenen, die um den Preis einer vergänglichen Krone kämpften. -

Ich schreibe euch, ihr Kinder: denn ihr kennet den Vater. Also auch den Kindern hat Johannes geschrieben. „Gottes Schriften sind die Triften, auch der Lämmer Kost.“ Mit Recht bemerkt Calov, daß diese Ansprache an die Väter, Jünglinge und Kinder beweise, wie die heil. Schrift allen Gläubigen zum Lebensbrunnen und Schatzhause bestimmt sey. Mit freudiger Zuversicht schreibt der Apostel an die Kinder, weil sie erkannt haben den Vater. Es war die Weissagung nun erfüllt: „Sie sollen Mich Alle kennen, beide, Kleine und Große, spricht der HErr. Denn Ich will ihnen ihre Missethat vergeben und ihrer Sünden nicht mehr gedenken“ (Jer. 31, 34). Den rechten Vater, nach welchem die leiblichen Väter ihren schönen Namen haben (Ephes. 3, 15), kannten diese Kinder. Ihnen hatte der Heiland, an den sie glaubten, durch Vergebung ihrer Sünden ein recht kindliches Herz geschenkt, daß sie den Vater im Himmel, der keines von diesen Kleinen verloren haben will (Matth. 18, 14), Abba, lieber Vater! anriefen. Ist es doch der Kinder liebliches Loos, in das Vaterherz Gottes einfältigen, hellen Auges hineinzuschauen und ganz vertraulich in Seinen Schooß sich zu schmiegen, nach der Weise, wie sie im Schooße der Vater- und Mutterliebe ohne Zweifel und Sorge sich geborgen wissen. Wie im 8ten Palme die Kinder und Säuglinge als eine „Macht“ erscheinen, wodurch die lästernden und schmähenden Feinde Gottes geschwichtigt werden: so stellt hier Johannes die Kinder, welche den Vater kennen, als heilige Macht den Widerchristen gegenüber, welche in hochmüthiger Verachtung des HErrn Jesu den Vater und den Sohn leugnen (V. 22). „Wenn Satans Stolz ein Kind verlacht, so sind die Kinder Deine Macht; ihr Mund, der noch nicht mündig heißt, ist oft ein Schwert für Deinen Geist.“ Der Meinung war Luther damals auch, als er sich selber und den verzagten Melanchthon mit der Macht tröstete, die Gott aus dem Munde lallender Kindlein wider die antichristische Gewalt des Pabstthums zugerichtet habe. Als Churfürst Johann Friedrich von Sachsen im Jahre 1552 aus der kaiserlichen Gefangenschaft in sein geliebtes Stammland heimkehrte, ward er als ein Märtyrer der evangelischen Wahrheit unter Jauchzen und Lobgesängen eingeholt - „denn Gott,“ schreibt Melanchthon, „der ihn wie Daniel unter den Löwen erhalten und ihn nunmehr frei gemacht, habe dadurch gezeigt, daß Er wahrhaftig Gott sey, der in diesem sterblichen Leben sich eine ewige Kirche sammle, ihr Bitten und Seufzen erhöre.“ Vor den Städten erschienen da weit draußen die Rathsherren in den schwarzen Mänteln, ihrer Amtstracht, um den angestammten Herrn zu bewillkommnen, die Bürger mit ihren Rüstungen oder in ihren besten Kleidern bildeten ein Spalier; auf den Märkten warteten die Prediger mit der männlichen Jugend auf der einen Seite, auf der andern die eisgrauesten Bürger mit den jungen Mädchen, die in fliegenden Haaren mit dem Rautenkranz erschienen. Der Fürst schritt huldreich und freundlich grüßend durch die Reihen hin. Als er aber (in Coburg) zu einem Haufen von Kindern herankam, und die Knaben das Tedeum lateinisch anstimmten, worauf die jungen Mädchen mit dem deutschen: HErr Gott Dich loben wir! antworteten, da entblößte er sein Haupt und sprach: „Diese Macht hat mich los gebetet.“ -

Was für einen Eindruck mußte die Rede des Apostels auf die Väter, Jünglinge und Kinder machen, wenn nun der Brief in der Gemeinde vorgelesen wurde! Wie Jemand die Adresse eines Briefes, der eine Freudenbotschaft oder ein Geschenk enthält, wohl zweimal darauf ansieht, ob das Schreiben wirklich an ihn gerichtet sey: so mag der Vorleser an dieser Stelle des Briefes innegehalten und die Angeredeten mögen aus die ihnen beigelegte Würde und Macht anbetenden Gemüths sich besonnen haben. „Wie? ist's wirklich also? Sind wir solche Christen? Dürfen wir uns deß annehmen, was unser Vater Johannes uns hier zuspricht? HErr, versiegele in uns dieses Zeugniß durch Deinen Geist!“ In diese Stimmung versetzt sich die zärtliche Liebe des Apostels, und es liegt ihm an, seinen Kindlein allen recht stark die gute Zuversicht zu bezeugen, welche er ihrethalben hege, auf daß ihre Freude völlig sey, Vergl. die ganz ähnliche Stelle Gal. 1, 8, 9, Darum wiederholt er dieselbigen Worte, als sagte er: Ihr habt euch nicht verlesen; ich halte wirklich so von euch allen, wie ihr höret, und habe euch geschrieben, weil ich mich dessen zu euch versehe.

V. 14. Ich habe euch geschrieben, ihr Väter: denn ihr kennet Den, der von Anfang ist. Ich habe euch geschrieben, ihr Jünglinge: denn ihr seyd stark, und das Wort Gottes bleibet bei euch, und den Bösewicht habt ihr überwunden. Den Vätern will Johannes nur dies Eine wiederholen, ohne weiter etwas hinzuzusetzen, denn in was für einem Wandel die Erkenntniß Christi sich fruchtbar erweise, hat er Vers 3-11. deutlich genug beschrieben. Aber für die Jünglinge und die Kinder hat er noch etwas Sonderliches auf dem Herzen. An die Jünglinge wendet er sich in diesem und den folgenden drei Versen, an die Kinder in V. 18 - 27. Zunächst bezeugt er den Ueberwindern des Bösewichts, wo das Geheimniß ihrer Stärke wurzele: das Wort Gottes bleibt bei euch. Das Wort Gottes thut's! „Mein heilsam Wort soll auf dem Plan getrost und frisch sie greifen an und seyn die Kraft der Armen.“ Die Jünglinge in eigener Stärke fallen hin und die Knaben in eigener Kraft werden müde und matt; aber die auf den HErrn harren und die Stärke anziehen, welche Sein Wort dem Unvermögenden darreicht, die kriegen neue Kraft, daß sie auffahren mit Flügeln wie Adler (Jes. 40, 29 - 31.).

Der Hochmuth des Gottlosen spricht: „Ich werde nimmermehr darniederliegen“ (Ps. 10, 6) - auch der natürliche Muth in Petro sprach so etliche Stunden vor seinem Falle; aber die Demuth des Frommen spricht: „Wo der HErr nicht bei uns wäre, so ersäufte uns Wasser, Ströme gingen über unsere Seele“ (Ps. 124). Die Macht der Gnade hebt an und kriegt Raum, wo die Ohnmacht der Natur erkannt wird (2 Cor. 12, 9). „Wo die Natur auszieht, da zieht Gott ein,“ sagt Tauler. 5) Hier scheidet sich scharf das christliche Heldenthum von dem heidnischen, und je schwerer es gerade Jünglingen fällt, an der üppig blühenden Kraft des eignen Geistes zu verzagen, desto herrlicher ist an ihnen das Werk der göttlichen Gnade, welcher es gelingt den Harnisch Gottes ihnen anzulegen, auf daß sie stark seyen in dem HErrn und in der Macht. Seiner Stärke (Ephes. 6, 10. 11), jagend und singend: „Mit unserer Macht ist nichts gethan, wir sind gar bald verloren, es streit für uns der rechte Mann, den Gott selbst hat erkoren!“ Stark zum Ueberwinden macht das Wort Gottes, so es in uns bleibt. Wenn wir das Wort, welches Jesum Christum und Sein Ueberwinden für uns zum Inhalte hat, durch den Glauben bewahren, dann bleibt uns der Bösewicht ein überwundener Feind, den wir stets von neuem zum Fliehen zwingen, weil wir ihm widerstehen mit dem Schwerte, das allein ihn fällen kann (1 Petri 5, 9; Jak. 4, 7). Unser Kampf mit dem Bösewicht und einem Reiche ist nicht zweifelhaften Ausgangs, was schrecklich wäre; bleiben wir nur bei der Fahne unseres Siegesherzogs, so sollen wir täglich völliger und dereinst vollkommen erfahren, was es heißt: überwunden haben. Christi Heeres Kreuzesfahne, so da weiß und roth gesprengt, ist schon auf dem Siegesplane uns zum Troste aufgehängt. Wer hier kriegt, nie erliegt, sondern unterm Kreuze siegt.“ Die Jünglinge, an die Johannes geschrieben hat, haben es auf ein siegreiches Bleiben des Wortes Gottes in ihnen angelegt (ihr Widerspiel sind die V. 19. Beklagten). Das gepredigte Wort Gottes hatte in ihnen „gefaßt“ (Ev. 8, 37.) und war durchs Hören in ihren Glauben eingegangen und eingewachsen (Hebr. 4, 2.). Christus, das persönliche Wort, wohnte in ihnen (Eph. 3, 17.), und der in ihnen war stärker, denn der in der Welt (Cap. 4, 4.). Sie waren grüne Reben am Weinstocke (Ev. 15, 7.), gesegnete Genossen des Fleisches und Blutes Jesu Christi (Cap, 6. 56.). Das selige Loos der Ueberwinder, bei denen das Wort Gottes bleibt, schaut Johannes in der Offenbarung da ihm auf dem himmlischen Zionsberge um das Lamm her die Hundertvierundvierzigtausend (12 mal 12, gesteigert durch 1000, die Vollzahl der Ueberwinder) gezeigt werden, welche den Namen Jesu Christi und Seines Vaters an ihre Stirne geschrieben hatten (Offenb. 14, 1.). Das sind die, welche gegen alle Anläufe des Bösewichts und der bösen Welt den Namen, worin ihr Heil gar allein steht, durch treues und beharrliches Bekenntniß siegreich behauptet und die Annahme des Namens des Thieres an ihre Stirn standhaft verweigert haben (Offenb. 13, 17.): bei ihnen ist das Wort Gottes geblieben. Zu der Zeit, als Johannes dies schrieb, regte sich bereits der Bösewicht, um die heidnische Weltmacht zum verzweifelten Kampfe gegen die Kirche aufzubieten. Wohl denen, die auf das böse Stündlein gerüstet waren! Das Bekenntniß des Namens Jesu ist das Feldgeschrei, dieser Namenszug die heilige Kokarde der Streiter in unsers Königs Heere, und die ewig junge Liebe der Gläubigen an diesen Namen ist die rechte Jünglingsstärke, wodurch dem Bösewicht gewehrt wird, das Zeichen, worin sie siegen, ihnen zu entreißen. Bleibt das Wort Gottes bei uns, dann werden wir erfahren, was jene Wolke von Zeugen unsers Glaubens erfahren hat, welche „ sind kräftig geworden aus der Schwachheit, sind stark geworden im Streit“ (Hebr. 11, 34,), dann wird geschehen, was geschrieben steht: „Welcher schwach seyn wird unter ihnen zu der Zeit, der wird seyn wie David“ (Sach. 12, 8.), und der höllische Goliath wird überwunden. - Ehe aber der Bösewicht durch die Verfolgung der Welt die Jünglinge angriff, versuchte er durch Verführung zur Welt sie dem HErrn abspänstig zu machen und ihre Stärke zu brechen. Darum ermahnt Johannes dieselben, daß sie ihren über den Argen einmal errungenen Sieg mit heiliger Entschiedenheit verfolgen möchten im Abweisen aller lockenden Lust der im Argen liegenden Welt (Cap. 5, 19). Fest und unbeweglich beharren im Glauben (Col. 1, 22.), das angefangene Wesen bis ans Ende festbehalten (Hebr. 3, 14.), halten was sie hatten, daß Niemand ihre Krone nehme (Offenb. 3, 11): das war ihnen noth. Johannes, wie die ganze Schrift, ist grundfern von der Lehre (welche derhalben von unserer Kirche verworfen wird), „daß diejenigen, so einst sind fromm worden, nicht wieder fallen mögen.“

V. 15. Habt nicht lieb die Welt, noch was in der Welt ist. So Jemand die Welt lieb hat, in dem ist nicht die Liebe des Vaters. Sechsmal nennt der Apostel in diesem und den beiden folgenden Versen die Welt, welcher Name im Munde desselben stets eine Anklage und Wehklage enthält (vergl. Ev. 1, 10). Was bei Johannes schlechthin Welt heißt, nennt Paulus diese Welt (Rom. 12, 2; 2 Cor. 4, 4; Ephes. 2, 2. und 6, 12; Gal. 1, 4; 2 Tim. 4, 10.). Alles Erschaffene, nicht insofern es Gott gemacht hat (Ev. 1, 3; Apostelg. 17, 24), sondern insofern es der Teufel verderbt hat, heißt die Welt, deren Liebe mit der Liebe Gottes in Niemand zusammen seyn kann. -Diese arge gegenwärtige Welt,“ wie sie ist, seitdem die Sünde gekommen ist in die Welt (Rom. 5, 12.): das Fürstenthum des .Gottes dieser Welt,“ der Inbegriff aller Eitelkeit und Ungerechtigkeit, das durch die Finsterniß verderbte lichte Werk des allmächtigen Schöpfers, die Menschen, welche aus dem Licht des Lebens in die Finsterniß des Todes sich verloren haben und gegen das schon scheinende Erlösungslicht in der Liebe zur Finsterniß sich verschanzen - das ist die Welt, wovon Johannes sagt: Habt nicht lieb die Welt! Indem uns die Sünden vergeben werden um des Namens Jesu willen, werden wir errettet von der Welt (Gal. 1, 4.), und es geschieht eine innere Scheidung zwischen den Kindern Gottes und den Kindern der Welt. Jedoch so lange die nicht von der Welt Stammenden doch in der Welt sind (Ev. 17, 11.14.). thut ihnen die Ermahnung noth: Habt nicht lieb die Welt! „In der Welt senn, die Welt sehen, die Welt empfinden, ist etwas anders als die Welt lieb haben,. gleich wie es auch etwas anders ist Sünde haben, Sünde fühlen, als Sünde lieben.“ L. So wir sagen: wir haben keine Sünde, verführen wir uns selbst (Cap. 1, 8.); und so wir sagen: Neigung zur Welt haben wir nicht mehr, so wissen wir weder was Welt, noch was Gottesliebe ist. Aber nicht hingeben wollen sich Christen an die Welt, deren bezaubernde Macht sie wohl fühlen, sondern in der Kraft Christi Allem absagen, was die Welt als lustig und begehrungswürdig ihnen vorhält, sie zu betrügen um das ewige Gut. Wohl gibt es eine Liebe zu der Welt, welche Gottes Kinder mit Gott gemein haben, die Liebe, welche das im Weltverderben Gefangene zu erretten trachtet durch Jesum Christum, den Heiland der Welt; die Gefangenen, aber nicht das Gefängniß, das Weltelend, aber nicht das Weltarge hat die Liebe der Christen zu der von Gott geliebten Welt (Ev. 3, 16.) zum Gegenstande, und nicht erlustigt sie sich an der Welt, sondern sie erbarmt sich der Welt. Mit der ganzen gottfeindlichen Welt haben Christen gebrochen, weil sie den Bösewicht, den Fürsten dieser Welt, überwunden haben durch das im Glauben ergriffene Blut Jesu Christi (Gal. 6, 14.): wie sollten sie nun irgend ein Weltstück, etwas von dem, was in der Welt ist, lieb behalten wollen? Wer die Welt in einem Punkte lieb hat, der ist ganz in ihrer Gewalt und hat ein zerbrochenes Schwert gegen den Teufel.6) „Ob dich die Welt an einem Halme, ob sie dich an der Kette hält,“ das kommt am Ende auf eins hinaus, wie denn der Apostel die Liebhaber einer einzelnen Weltart gleich wieder Liebhaber der Welt insgemein nennt, indem er fortfährt: So Jemand die Welt lieb hat, in dem ist nicht die Liebe des Vaters, Wo die Liebe Gottes in ein Christenherz einkehrt, da will sie alleinregierende Königin seyn, und die von des Vaters Liebe erweckte und ernährte Liebe der Kinder wird Ihm allein anhangen und dienen - „die Liebe leidet nicht Gesellen.“ „Können dieselben Augen auch zugleich den Himmel und die Erde anblicken? Also können in einem Herzen die Liebe Gottes und die Liebe zur Welt nicht zusammen wohnen.“ Augustin. So wenig Jemand Gemeinschaft mit Gott haben mag, der in der Finsterniß wandelt (Cap, 1, 6.), ebenso wenig kann die Liebe des Vaters in einem Liebhaber der Welt seyn. „ Das Eine Herz faßt nicht zwei einander so feindselige Liebesmächte.“ Neda. Der Welt Freundschaft ist eine Feindschaft Gottes (Jak. 4, 4.). Wer die Welt lieb hat, der hat einen andern Vater, als den Vater Jesu Christi (Ev. 8, 44.), und er lügt, wenn er sagt, daß er den Vater kenne. Man kann aber den apostolischen Satz auch umkehren, so ist er gleich wahr: In wem die Liebe des Vaters nicht ist, der hat die Welt lieb. „Zweierlei Liebe gibt es, woraus alle Lust je nach ihrer Art hervorgeht: der Mensch, der ohne Liebe nicht seyn kann, ist ein Liebhaber entweder Gottes oder der Welt.“ Leo d. Gr. Dies Entweder - Oder steht fest und wird nimmer einem Sowohl - Als auch Platz machen. Johannes scheidet scharf zwischen dem Leben in der Liebe, welches den heiligen Gott, den Vater Jesu Christi, zum Urheber hat, und der Lust, welche eine der Welt eigene ist:

V. 16. Denn Alles, was in der Welt ist: die Lust des Fleisches, und die Lust der Augen, und die Hoffahrt des Lebens, ist nicht vom Vater, sondern von der Welt. Drei Hauptstücke von Allem, was in der Welt ist, nennt der Apostel, und das Verständniß seiner Worte wird uns desto besser gelingen, je genauer wir die Christen, denen dieselben am ersten geschrieben sind, ins Auge fassen. Jünglinge sind es, welche die Weltliebe fliehen sollen, und vornehmlich die reizenden, lockenden Welt-Lüste der Jugend (2 Tim. 2, 22.), heute dieselbigen wie damals, faßt Johannes in dem dreitheiligen Register: Fleischeslust, Augenlust, Hoffahrt des Lebens zusammen. Fleisch bezeichnet an dieser Stelle nicht, wie sonst gewöhnlich in der Schrift, den natürlichen Menschen überhaupt, im Gegensatz zu dem aus dem Geist gebornen; sonst würden nicht daneben (durch und angereiht) Augenlust und Lebenshoffahrt stehen, welche ja auch „ Werke des Fleisches“ im Sinne von Gal. 5, 19 ff. sind. Die Lust des Fleisches ist hier die Weltart, da der Leib als Fleisch sich geberdet und wider den Spruch: „Wartet des Leibes nicht zur Lust“ (Röm. 13, 14.) von den „fleischlichen Lüsten“ sich brauchen läßt, welche den Pilgersinn des Christen verrückend „wider die Seele streiten“ (i Petr. 2, 11.). Diejenigen erstlich, welche den Bauch zu ihrem Gott machen (Phil. 3, 19.), wie Esau, ihre Herzen beschweren mit Fressen und Sausen (Luc. 21, 34.) und sprechen: „Laßt uns essen und trinken, denn morgen sind wir todt“ 1 Cor. 15, 32); die Trunkenbolde, aber auch die Faulen, die Liebhaber der Gemächlichkeit und Bequemlichkeit, deren erste Sorge die Leibsorge ist - die haben die Lust des Fleisches lieb. Zweitens aber die, welche ihren Leib, statt dem HErrn, der Hurerei geben und „ sündigen an ihrem eignen Leibe“ (1 Cor. 6, 13 ff.). „Des Fleisches Lust ist von der Welt; nämlich diejenige Wollust, da ich meinem Fleische suche nachzuhängen und demselben den freien Zügel schießen lasse (gegen 1 Cor. 9, 27.), als da ist Hurerei, Fressen und Saufen, Müßiggang, Schlaf.“ L. Die Jünglinge der ersten Christengemeinden waren umgeben von Heiden, bei deren Götzenfesten die Fleischeslust den Vorsitz am „Tische der Teufel“ (1 Cor. 10, 21.) führte - Petrus beschreibt den heidnischen Wandel „in Unzucht, Lüsten, Trunkenheit, Fresserei, Sauferei und greulichen Abgöttereien“ (1 Petr. 4, 3.) - und die in die Gemeinden Christi eindringenden Irrlehrer machten Fleischesfreiheit zu einem Privilegium ihrer Anhänger. Und heute? Es sollte allen frommen Jünglingen durch die Seele gehen, daß Johannes vor dem Liebhaben der Fleischeslust solche Jünglinge warnt, welche doch den Bösewicht überwunden hatten. Ihr seyd umgeben, ihr jungen Streiter Christi, von einer Welt, welche von der „Emancipation (Entzügelung) des Fleisches“ trunken ist und deren grausame List dahinzielt, durch Spione in euerm eignen Lager, ja mitten in euch selbst, eure schwachen Seiten zu erkundschaften und euch durch „vergebliche Worte“ (Ephes. 5, 6.) - z.B. „liebenswürdige, muntere Gesellschafter,“ „unschuldige Vergnügungen,“ „jugendliche Fröhlichkeit“ u.s.w. - zu verführen, daß ihr verlernen sollt, was die Schrift Huren und Buben nennt. Ach wie mancher Jüngling von denen, welche die Kraft des Blutes der Besprengung schon an sich erfahren haben, wird zum „närrischen Jünglinge,“ der „wie ein Vogel zum Strick eilt, und weiß nicht, daß es ihm das Leben gilt“ (Spr. 7, 23.)! Es ist furchtbar, was die Lust des Fleisches an Betrug der Sünde verübt. Wo solch ein Wurm am Marke des Lebens nagt, ohne zertreten zu werden durch Widerstehen bis aufs Blut, da wird alle Kraft der Seele entnervt und alle Adern des Geistes werden ausgehöhlt. „Fleischesfreiheit (heißt's recht in jenem Liede) frißt hinweg des Glaubens Oele, läßt nichts als ein faules Holz,“ Ja, wie faules Holz, welches matt und kalt leuchtet ohne zu brennen, welches von der Art durchhauen wird ohne zu spalten, ist eine vom Fleische unterjochte und von seiner Lust gegängelte Seele Was Ps. 109, 70. von denen geschrieben steht, welche gegen Gottes Wort unempfindlich, zur Buße und zum Glauben untüchtig sind: „Ihr Herz ist dick wie Schmeer,“ das gilt recht eigentlich von den Fleischeslüstlingen - wiewohl etliche, wie Herodes Marc. 6, 20.), das Bedürfniß haben, sich zuweilen bis zu Thränen rühren zu lassen - und wenn ich sagen soll, welche Welt-Vögel zum Herauspicken des edlen Samens aus den noch übrigen Ritzen des hartgetretenen Weges gar spitze Schnäbel haben (Luc. 8, 5.), so sind's wahrlich die unkeuschen Gedankenbilder, womit die Lust des Fleisches die Seele bevölkert. Die Fleischeslust weidet die betrogenen Weltkinder als auf einen Schlachttag (Jak. 5, 5.); „wie es geschah zu den Zeiten Noä, so wird es auch geschehen in den Tagen des Menschen Sohnes: sie aßen, sie tranken, sie freiten, sie ließen sich freien, bis auf den Tag, da Noah in die Arche ging, und kam die Sündfluth und brachte sie alle um“ (Luc. 17, 26. 27.). Ziehe deine Stärke an, du heiliges Jugendvolk des HErrn! Und wo Christen beten, denen das Verderben unsrer Jugend zu Herzen geht, da heiße es im rechten Ernst -. „ Starker Gott, ob Legionen eines Sünders Herz bewohnen: Du gebietest ihnen bald! Keinen Menschen sollt ihr quälen, Säuen mögt ihr noch befehlen; das sey euer Aufenthalt!“ (Marc. 5.). Ein den abgöttischen Festen der Fleischeslust entronnener Jüngling schrieb mir einmal, es sey an ihm im besondern Sinne das Wort wahr geworden: „Siehe, ich will den Koth eurer Feiertage euch in das Angesicht werfen“ (Mal. 2, 3.). - Die Lust der Augen ist der zweite Schößling aus der Wurzel des Weltsinnes. Während die Lust des Fleisches den eignen Leib zum Sündenstoffe nimmt, braucht die Lust der Augen die Außenwelt, das was die Augen sehen, zur Sünde. „Das Auge ist des Leibes Licht.“ Dieser Spruch der Bergpredigt steht mitten unter den Abmahnungen vom Mammonsdienste. Nicht die Schätze auf Erden, sondern die Schätze im Himmel sind der Christen Augenmerk und Augenweide; wenn das Auge begehrlich himmelwärts schaut, so ist es licht und einfältig, wenn es aber am Mammon sich ergötzt, so ist es finster und ein Schalk (Matth. 6, 19 ff.). Die Augen sind die Pforten, wohindurch der Mammon in den Menschen einzieht; die Flügel der habsüchtigen Begierde, das Handwerkszeug derer, die da reich werden wollen - „ laß deine Augen nicht fliegen dahin, das du nicht haben kannst; denn das Auge macht sich Flügel, wie ein Adler, und fliegt gen Himmel,“ in die Wolken (Spr. 23, 5.). Das schalkhafte, arge Auge sieht in das irdische Gut, Gottes Creatur, den Abgott hinein und ist unersättlich in seiner Lust (Spr. 27, 20; Pred. 1,8; 4.8.), Die Augenlust hatte jenen reichen Menschen zum „Narren“ gemacht, der in seinen Scheunen Ruhe suchte für seine Seele (Luc. 12, 16 ff.); die Augenlust war es, welche jenen Geladenen das Abendmahl verächtlich machte und sie derweil zum Besehen ihrer Aecker und Ochsen antrieb (Luc. 14, 18 ff.); die Augenlust führte den Judas ins Verderben, da er statt auf Jesum auf den Beutel, den er trug, den Blick heftete. Der Jünglinge Augen wenden sich nach Gottes Ordnung lebhaften Blickes dem irdischen Berufe zu, in welchem sie auch Nothdurft und Nahrung zum Leben in der Welt (Cap. 3, 17.) finden und ihr eignes Brot essen sollen (2 Thess. 3. 12.). Das ist die Zeit, wo die Lust der Augen besonders geschäftig sich regt und oft unter täuschendem Scheine junge Seelen betrügt und verdirbt. Das irdische Gut, dessen Besitz ein Amt von Gott ist, zur Uebung der Treue, wird von dem Gotte dieser Welt als ein Mittel des Genusses den Augen vorgehalten, und unser so eitles Herz verliebt sich bald in Dinge, welche - ungeweiht durch Einordnung in den Haushalt des Reiches Gottes - nur Dreck sind. Die reichen Jünglinge (Matth. 19, 22.) sollen im Spiegel dieses Textes ihre Augen untersuchen und sich fragen: „Was ist meiner Augen Lust?“ Ists nicht Jesus Christus, der Gekreuzigte, so wird's gewiß ein goldenes Kalb seyn. Doch nicht ausschließlich den Mammon hat das Gelüste der Augen zum Ziel. August in zählt namentlich die „Schauspiele“ zu den Dingen, an welchen die Augen ihre weltliche Lust ersehen, und Johannes hat wohl diese Vogelherde des Teufels nicht am letzten gemeint, denn gerade damals war die Welt sonderlich geschäftig, an diesen Orten die Augen der Jugend zu fangen. In Summa, Alles gehört zur Lust der Augen, was an den sichtbaren Dingen der vergänglichen Welt abgöttisch vergnügt und um die unvergänglichen Güter der unsichtbaren Welt die armen Seelen betrügt (2 Cor. 4, 18). Die Ueberwinder der Augenlust sprechen zu der lustigen Welt: „Was hab ich denn, o Welt, zu schaffen mit deiner leichten Rosenkron? Fleuch hin und gib sie deinen Affen, laß mir des Kreuzes Dorn und Hohn. Besitz ich Jesum nur allein, ist. Alles, was ich wünsche, mein.“ - Die Hoffahrt des Lebens, der dritte Hauptzweig am Baume der Weltlust, ist der Weltsinn, welcher auf ein „Leben in Herrlichkeit und Freuden“ (Luc. 16, 19) übermüthig pocht (in Röm. 1, 30. und 2 Tim. 3, 2. bilden die „Hoffährtigen“ und die „Ruhmredigen“ ein Paar) und in diesem Leben7) Ehre sucht, mit Verachtung der Ehre, welche den Kindern Gottes im ewigen Leben bereitet ist. Jakobus straft die Hoffahrt der auf ihr Leben trotzigen Menschen in den Worten: „Nun aber rühmet ihr euch in euerm Hochmuth; aller solcher Ruhm ist böse“ (Jak. 4, 16). David fiel in diese Hoffahrt des Lebens, als ihn der Satan zu der Volkszählung d. h. zu dem Vornehmen versuchte, aus dem Reiche Israel ein Weltreich zu machen (1 Chron. 22, 1). Salomo suchte in dieser Hoffahrt des Lebens vergebens sein Glück, als er „große Dinge that“ und „nahm zu über Alle, die vor ihm in Jerusalem gewesen waren“ (Pred. 2, 1 ff). Nebukadnezar fröhnte dieser Welthoffahrt, da er sprach: „Das ist die große Babel, die ich erbaut habe zum königlichen Hause, durch meine große Macht, zu Ehren meiner Herrlichkeit“ (Dan. 4, 27.).. Agrippa und Bernice in ihrem „großen Gepränge,“ eigentlich „mit vieler Phantasie“ (Apostelg. 25, 23), präsentirten sich in Hoffahrt des Lebens. Tyrus, die schöne in Gold und Edelgestein strahlende Prachtstadt, „inwendig voll Frevels ob ihrer großen Handthierung und hoffährtigen Herzens über ihre Schönheit, betrogen durch ihre Pracht“ (Ezech. 28, 16. 17.), und die römische Weltmacht zur Zeit Johannis, wie er sie - mit Entsetzen und Verwunderung - sah, als ein Weib auf einem Thiere sitzend, „bekleidet mit Purpur und Rosinfarbe und übergoldet mit Golde und Edelgestein und Perlen, einen goldenen Becher in ihrer Hand“ (Offenb. 17, 4.), sprechend in ihrem Herzen: „Ich sitze, und bin eine Königin, und werde keine Wittwe seyn, und Leid werde ich nicht sehen“ (Offenb. 18, 7.): das sind Bilder der Hoffahrt des Lebens. Sie wird abgemalt in den Psalmen, welche - wie der 37ste u. 73ste - ganz mit jener „Verwunderung“ des Sehers der Offenbarung das Prangen und Prahlen der Gottlosen beschreiben („ich habe gesehen einen Gottlosen, der war trotzig und breitete sich aus und grünte wie ein Lorbeerbaum;“ „ihre Person brüstet sich wie ein fetter Wanst“), und dann im „Merken auf ihr Ende“ (vergl. Offenb. 18, 8 ff.) dem Aergerniß der Frommen Arzeney eingeben („da man vorüber ging, siehe, da war er dahin; ich fragte nach ihm, da ward er nirgend gefunden;“ „wie werden sie so plötzlich zu nichte! sie gehen unter und nehmen ein Ende mit Schrecken“. „Da kommt alle Hoffahrt her,“ sagt Sirach, „wenn ein Mensch von Gott abfällt, und sein Herz von seinem Schöpfer weicht; und Hoffahrt treibt zu allen Sünden, wer darinnen steckt, der richtet viele Greuel an“ (Sir. 10, 14. 15.). Wo man blind ist gegen die Herrlichkeit des lebendigen Gottes und stolz auf die Creatur und ihre dem Heu gleiche Herrlichkeit, sich brüstend mit einem Leben, das doch Rauch ist; wo man auf den zerbrechlichen Stelzen irdischen Wesens sich groß macht und hochherfährt (Luc. 12, 29): da hat die Hoffahrt des Lebens das Herz bethört - „ diese Erzkünstlerin des Betrugs und rechte Lasterquelle, ein Zunder der Sünden, ein Rost der Tugenden, eine Motte der Heiligkeit, eine Verblenderin der Herzen, welche aus Arzeneymitteln Gifte und aus Herzstärkung Ohnmachtstrank macht.“ Bernhard. Schließlich erschrick vor der Hoffahrt der Pharisäer! Wer mit Gerechtigkeit vor den Menschen stolzirt, ja! vor Gott seine eigene durchlöcherte Gerechtigkeit als Prachtkleid anzuziehen verblendet genug ist, der schlürft die giftigste Hoffahrt dieses Lebens ein. - Der Apostel schreibt an Jünglinge vornehmlich. Der Jugend imponirt ja die Ehre und der Prunk des Weltlebens, und das „Trachten nach hohen Dingen“ (Röm. 12, 16.) gilt bei der Welt als ein seines Lob aufstrebender Jünglinge. Ihnen insonderheit gilt darum der Zuruf: „Folge nicht, Zion, folge nicht der Welt, die dich suchet groß zu machen, achte nichts ihr Gut noch Geld! Nimm nicht an den Stuhl des Drachen: Zion, wenn sie dir viel Lust verspricht, folge nicht!“ Das ist die Absicht des alten Bösewichts, der Kirche die Krone des ewigen Lebens durch Verführung in die Hoffahrt des zeitlichen Lebens zu entwenden und eine Kirche herzustellen, die von der Welt ist. Um den Preis will er sie unverfolgt lassen, ja ihr „Kirchenfürst“ will er werden, wie er dort in der Wüste Christo seine Bundesgenossenschaft anbot um den Preis, daß der demüthige Heiland ein hoffährtiger Weltherr werden sollte (Luc. 4. 6. 7.). Ach, habt nicht lieb die Welt! „Was hoch ist vor den Menschen, das ist ein Greuel vor Gott“ (Luc. 16, 15.). - Christliche Jungfrauen vergleichen zu diesem Texte auch 1. Petr. 3, 3. 4. und wünschen unverworren zu bleiben mit dem Kleider - Gepränge8) der stolzen Töchter Zions (Jes. 3, 16.). - Steinhofer warnt noch vor einer recht seinen Hoffahrt des Lebens, von welcher auch „Ueberwinder“ in gegenwärtiger Zeit leicht sich beschleichen lassen: „Man ist gegen die Welt und ihre Art ziemlich nachgebend geworden. Die Weltleute sollen selbst nicht anders sagen können als: Das ist ein seiner Mann; er weiß auch zu leben, ob er schon mit Ernst ein Christ seyn will. Allein dadurch macht man sich nicht nur der Welt nach ihrem Sinn gefällig, sondern man wird auch nach und nach von ihrem Geiste so eingenommen und gebildet, das man nach ihrer Denkart in den meisten Sachen urtheilt und nach ihrer. geschminkten Weise handelt, folglich sich von ihr, unter gutem Schein, zum Sklaven machen läßt. Dabei kann die Einfalt auf Christum, die Liebe zu Seinem Kreuz, die Freiheit des Herzens, und mit einem Wort: die Wahrheit, so in Christo Jesu ist, unmöglich bestehen.“ - Unter sich hängen diese drei Arten der Weltlust: Fleischeslust, Augenlust und Lebenshoffahrt eng zusammen. „Die Lust des Fleisches ist die gemeinste und am tiefsten sitzende, bei Armen und Reichen, auch bei solchen, welche den Schein der Selbstverleugnung vor sich her tragen. Wird dieselbe nicht überwunden, so schreitet von ihr aus der Mensch bald weiter zur Lust der Augen, wenn lustige Dinge ihm vor Augen kommen, und von dieser zur Hoffahrt des Lebens, wenn ihm dieses Leben zu Gebote steht. Die dritte Weltart schließt die zweite, die zweite schließt die erste ein. Mit diesen dreien fallen nicht schlechthin zusammen die drei Grundlaster: Wollust, Geiz, Stolz; jedoch sind diese drei in jenen dreien mitenthalten.“ Bengel. Johannes stellt die Weltliebe, deren drei Hauptgeschäfte er hier nennt, in eine Reihe neben zwei andere Grundarten der Sünde: die falsche Lehre und den Haß („folgende drei Stücke sind nicht vom Vater, nämlich: 1. der Haß der Brüder, 2. die drei Götzen der Welt, 3. falsche und verführerische Lehre“, L., und diese drei haben wieder zur gemeinschaftlichen Mutter die Lüge, des Argen „Eigenes“ (Joh. 8, 44.). - Nicht vom Vater, der ein Gott des Lichts und des Lebens ist (Cap. 1, 5.), sondern von der Welt selbst ist die Weltlust. Es ist dem Apostel mächtig viel daran gelegen, daß die weltliche Lust (Tit. 2, 12.) als das erkannt werde, was sie vor Gott ist, nämlich als Sünde; darum legt er so scharfen Nachdruck auf die Worte: Das ist nicht vom Vater, sondern von der Welt ist es. Nicht Gott ist der Urheber des „ungöttlichen Wesens“, sondern Fleischeslust, Augenlust und Hoffahrt des Lebens gehören der Welt eigen (Jak. 1, 13 ff.), seit sie eine verderbte, im Argen liegende ist: seit jenem Tage, da der anfängliche Lügner den dreifältigen Lustsamen in das Menschenherz eingesäet hat, und auch die Creatur der Eitelkeit und dem Dienste des vergänglichen Wesens verfallen ist (Röm. 8, 20, 21). Was aber der Fall Adams verderbt hat, das hat der Sieg Jesu Christi wieder gut gemacht (Röm. 5, 18). Der Fürst der Welt hat den Heiland zu dreifacher Weltlust versucht: zur Fleischeslust, indem er an den Hunger des Menschensohnes sich wandte; zur Augenlust, indem er Ihm ein Schauwunder eigner Wahl zumuthete; zur Hoffahrt des Lebens, da er die Herrlichkeit der Welt. Ihm anbot. Aber er hatte Nichts an Ihm, und an denen, in welchen das Wort Gottes bleibt, soll er auch Nichts haben (Ev. 14, 30.). „Flucht doch aller Sünde, sie hat Ihn gequält! Seyd ihr nicht gelinde, laßt sie nicht verhehlt! stoßt sie aus dem Herzen: Wollust, Stolz und Geiz schlagt, ob auch mit Schmerzen, an das blutge Kreuz!“

V. 17. Und die Welt vergeht mit ihrer Lust; wer aber den Willen Gottes thut, der bleibt in Ewigkeit. So ist denn betrogen; wer die Welt lieb hat. Die Welt vergeht: wenn der Teufel, der die Welt verdorben hat und als Lügner die Menschen verführte, in den Feuersee geworfen und seines Fürstenthums ein Ende seyn wird (Offenb. 20, 10), dann wird die Welt in ihrer heutigen Gestalt (1 Cor. 7, 31.), „der erste Himmel und die erste Erde“, vergehen (Offenb. 21, 1) und diesem Ende zueilend, ja! von den Gerichten des kommenden Richters schon ergriffen, ist sie stündlich im Vergehen. Und auch die Luft, die von der Welt ist, welche die Welt hat an sich selber, ist eine vergängliche Lust (2 Petr. 1, 4); will der Mensch ihr nicht entsagen im Gnadenscheine des Lichtes, vor welchem die Finsterniß vergeht (V. 8), so muß er sie lassen im Gerichtsscheine des Feuers, in welchem die Welt vergeht. Schon mit dem Tode entschwindet dem Weltmenschen die Weltlust (Luc. 16, 23), und einst wird ihren verödeten, verarmten Seelen ein Leib gegeben werden, an dem sie empfangen, nachdem sie bei Leibes Leben gehandelt haben (2 Cor. 5, 10.): für die Lust des Fleisches Qual und Leid, für die Lust der Augen Leere in äußerster Finsterniß, für die Hoffahrt des Lebens Schande und Blöße (Offenb. 18, 6 ff.; 20, 12.). Da wird es heißen: „Deine Pracht ist herunter in die Hölle gefahren, sammt dem Klange deiner Harfen. Motten werden dein Bette seyn und Würmer deine Decke“ (Jes. 14, 11.). Bleiben aber in Ewigkeit sollen die, deren Liebe „ Der von Anfang,“ das A und das O ist, die Ueberwinder, in welchen das ewigbleibende Wort bleibt (V. 14). Die sind's, welche den Willen Gottes thun, dessen heilige Summa heißt: Glauben an den Namen Seines Sohnes Jesu Christi (Cap. 3. 23. Co. 6, 40.); in denen ist wahrlich die Liebe des Vaters, und wer von der ewigen Liebe geliebt wird und in ihr seines Lebens Grund hat, der bleibt ewiglich. „Himmel und Erde werden vergehen“, spricht der HErr, „aber Meine Worte vergehen nicht“ (Luc. 21, 33). und in apostolischem Munde wird die Prophetenstimme neu: „Alles Fleisch ist wie Gras, und alle seine Herrlichkeit wie des Grases Blume. Verdorrt ist das Gras, und die Blume ist abgefallen; aber des HErrn Wort bleibt in Ewigkeit“ (1 Petr. I, 24. 25.). Werden Willen Gottes, der unsre Seligkeit ist, thut und dem Willen des Bösewichts, der unser Verderben ist, in Kraft des Wortes Gottes widersteht, der bleibt, wo und wie das Wort - das ewige Wort, Jesus Christus - bleibt, nämlich in Ewigkeit, in ewigseligem Leben. Er bleibt darinnen, denn er ist schon darinnen.

„Eine Seele hat nichts in der Ewigkeit, als was sie in der Zeit in sich gefaßt hat.“ Spener. Die Ueberwinder des Bösewichts, welche leiden die Last und meiden die Lust der Welt, sie sind Inhaber des ewigen wahren Guts. Jesus ist ihr Reichthum, ihre Ehre, ihr Leben (Spr. 22,4). „Meine Eine, wahre Freude, wahre Weide, wahre Gabe hab ich, weil ich Jesum habe.“ „Behalte, Welt, das deine, du arme blinde Welt! Der Glaube bleibt das meine, der Christi Blut behält. Wenn alle Reichen darben, wenn Fürsten betteln gehn, will ich mit Freudengarben in Zions Thoren stehn!“ „Welt, bleibe nun zurücke, verliebe dich in dich, es nehmen meine Blicke nur Himmelsart an sich.“

HErr Jesu Christe, Du HErr und Haupt Deiner Gemeinde, wir bitten Dich, Du wollest durch das ewige Evangelium heute und bis ans Ende der Tage Dir Christen sammeln und erhalten, welchen Dein Geist Zeugniß gebe, daß Dein heiliger Apostel auch ihnen, ja auch ihnen geschrieben hat, was er schrieb. Dein ist die Kraft, und Du hast überwunden: auch unser sey die Kraft, denn die Sünden sind uns vergeben in Deinem Namen, HErr Jesu! Erhalte Deinem erkauften, in Deinen Tod getauften Volke sein schönes Erbtheil; laß die Predigt von der Vergebung der Sünden lauter und rein unter uns erschallen und eindringen in Herzen, in welchen das Wort haste und bleibe durch den Glauben. Wir bitten um Väter, die Dich kennen, Du Wort von Anfang, und in deren ehrwürdigem Munde kündlich groß sey das Geheimniß des Himmelreichs, daß Du, Glanz der Herrlichkeit, bist ins Fleisch gekommen und hast gemacht die Reinigung unsrer Sünden durch Dich selbst. Wir bitten um Jünglinge, die sich gürten in der Kraft Deines Heldenthums und siegen im Streite gegen den Bösewicht, weil sie ihn überwunden haben durch Dein Blut. Wir bitten um Kinder, welche sammt den Vätern Dich kennen, o eingeborner Sohn im Schooße des Vaters, der Du als Kind in Mariens Schooße gelegen hast, und lehrst nun Deine Mitkinder das Abba schreien; ja, HErr, laß diese „Macht“ uns nicht fehlen, und hilf, daß wir ihrer uns fröhlich getrösten wider unsre und Deine Feinde. Und erhalt, was Du gebauet! Ach sonderlich unsre Jugend, die Hoffnung der künftigen Zeiten, legen wir an Dein Jesusherz. Du siehst ja. daß der Bösewicht mit großem Zorne gegen Deine Jünglinge wüthet; aber Du bist größer, denn er, und aus Deiner Hand soll Niemand sie reißen. So laß sie denn mitten in der argen Welt bewahrt werden vor dem Argen; durch Deine Liebe laß sie überwinden die Liebe zur Welt. Sey du eine feurige Mauer um sie her und beweise Dich herrlich an ihnen. - Liebster Heiland, ohne Dich können wir nichts thun. Dein Geist reinige uns von aller Befleckung dieses Leibes, der ja mit Deinem Leibe gespeist wird zu geistlichem, unvergänglichen Wesen, Dein Kreuz ertödte in uns des Fleisches Lust; halte, halte unsre Augen, daß sie nichts zu sehen taugen, als die Schatze allem, die kein Rost verzehrt; sey Du unser Ruhm und unsre Zier, worin wir prangen. Du schöne Saronsblum, und Neide uns in den Schmuck, der verächtlich vor der Welt köstlich ist vor Gott. Ach HErr, wir haben, wir fühlen noch die Lust der Welt - wir sind noch sündig, der Erde noch geneigt; aber lieb haben wollen wir sie nicht, sie thut uns weh, und wir hassen sie - sey tausendmal darum gepriesen, daß Deine göttliche Liebe uns entleidet hat, was nicht vom Vater, sondern von der Welt ist, Nun bewahre uns, daß wir nicht wiederum verflochten werden in die Liebe weltlicher Lust und ungöttlichen Wesens; mit Furcht und Zittern lehre uns, unsre Seele in unsern Händen tragen, daß wir, auch im Geringsten treu, der Welt jedes Zugeständniß und Nachgeben versagen, mit ganzem Ernste wachen und beten und in aller Demuth wohl zusehen, daß wir nicht fallen. Hast Du es uns beschieden, daß wir noch in Sichtungsstunden sollen kommen, in große Trübsal und Verfolgung um Deines Namens willen, wie die Jünglinge, an die Johannes schrieb: o dann hilf uns Deinen Namen behalten an unsrer Stirn und nicht annehmen das Maalzeichen der Weltmacht, auf daß unsre Macht sey am Holz des Lebens und wir eingehen zu den Thoren der neuen Stadt. Wenn die Welt vergehen und die Lust an ihr nicht mehr seyn wird; wenn die Lust an Deiner Schöne vollkommen werden wird im neuen Himmel und auf der neuen Erde: dann laß uns Deine Herrlichkeit sehen und mit Dir bleiben, leben und regieren in Ewigkeit. HErr Jesu, Amen.

Mel. Wachet auf! ruft uns die Stimme.

Jesu, hilf doch Deinen Kindern
Und mache sie zu Ueberwindern,
Die Du erkauft mit Deinem Blut.
Schaffe in uns neues Leben,
Daß wir uns stets zu Dir erheben,
Wenn uns entfallen will der Muth.
Geuß aus auf uns den Geist,
Dadurch die Liebe fleußt
In die Herzen,
So halten wir
Getreu an Dir,
Im Tod und Leben für und für.

1)
Durch Kindlein übersetzte Luther das griechisch Wort teknia, durch Kinder das andere: paidia.
2)
Poenitentia est regressus ad baptismi thesaurum, sagen die Alten (Buße thun heißt zurückkehren zum Taufschatze
3)
Si Christum bene scis, satis est, si cetera nescis; Si Christum nescis, nil est, si cetera discis.
4)
Der alte Dresdener lutherische Katechismus setzt hinter jedes Lehrstück die beiden Fragen: „Wie dient uns diese Lehre zu einem gottseligen Leben, und wie dient sie uns zu einem kräftigen Troste?“ Dieser Katechismus (der s. g. Kreuzkatechismus, bei Naumann in Dresden in neuer, unveränderter Auflage erschienen) ist nicht bloß ein Lernbuch für Kinder, sondern auch ein rechtes Erbauungsbuch für Väter, und wer darin sich übt, von dem wird's heißen: „Wer seinen Katechismus liebet, der hält ihn nicht für Kinderschuh; je mehr er sich darinnen übet, je mehr wächst seine Lust dazu, so daß er, bis der Tod sich weist, ein Katechismusschüler heißt.“ „Gottlob, daß mir die reine Lehr im Katechismusglanz tagtäglich strahlt so mild und hehr, die Wahrheit voll und ganz!“
5)
Egrediente natura, ingreditur Deus.
6)
„Einen Heller zur Gottlosigkeit beitragen, ist ebenso viel, als ihr das Ganze einräumen,“ sprach ein christlicher Jüngling, den man überreden wollte, der Welt einen nur ganz kleinen Gefallen zu thun. Antipas, d, h. Widerall, muß jeder Christ heißen, will er anders als treuer Zeuge erfunden werden (Offenb. 3, 13.).
7)
Joh. gebraucht hier nicht das Wort zoe, welches bei ihm für das wahrhaftige, ewige Leben ausgesondert und geweiht, sondern bios, irdisches Leben, vergl. Cap. 3, 17
8)
Der fromme Sänger L. v. Pfeil singt in einem „Hofliede“ („als ich von einem großen Hoffest! zurückkam“): „Bei dem Glanz und Stolz der Kleider, bei dem ausgeputzten Haar, Gold und Silber, womit leider ich auch selbst geschmücket war, dacht ich mitten unter ihnen an das rechte Gallakleid, an den Schmuck der Blutrubinen, Christi Blutgerechtigkeit.“
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