Besser, Wilhelm Friedrich - Die Briefe St. Johannis in Bibelstunden für die Gemeinde ausgelegt - 11. Unser Glaube an Jesum Christum, den Sohn Gottes.
Cap. 5,1. Wir glauben, und unsre Freude ist völlig.
V. 13-21.
HErr, der Du das Herz gewiß machst, laß die Freude im heiligen Geiste reichlich über uns kommen durch Dein Wort. Amen.
Noch einmal muß es Johannes seinen Kindlein ins Herz rufen, was er gleich im Anfang gesagt hat: „Solches schreiben wir euch, auf daß eure Freude völlig sey“ (Cap. 1,4.). Die völlige Freude der Christen erblüht aus der Gewißheit, des ewigen Lebens, das sie haben im Glauben an den Namen des Sohnes Gottes. Aus dieser freudenreichen Gewißheit redet der Apostel, indem er seinen Brief mit einem viermal wiederholten, triumphirenden: „Wir wissen!“ beschließt. Wir wissen, daß unsre Gebete lauter erhörte Gebete sind, darum bitten wir Alle ins Leben hinein, die uns nicht muthwillig den Gebetsmund verschließen. Ehe wir sollten zu ihnen fallen, müssen sie eher zu uns fallen, denn wir wissen, daß unser Glaube uns Macht gibt, nicht zu sündigen und dem Argen zu widerstehen. Ja, wir wissen, daß wir entrissen sind aus der Gewalt des Teufels und aus seinem Weltreiche durch unsre Geburt aus Gott; und wir wissen, daß wir dagegen versetzt sind in Gott den Wahrhaftigen, denn wir sind in Seinem Sohne Jesu Christo, welcher ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben. Mit diesem Wissen unsers Glaubens treten wir der falschberühmten Wissenschaft entgegen, und hüten uns vor den Abgöttern.
V. 13. Solches habe ich euch geschrieben, die ihr glaubet an den Namen des Sohnes Gottes, auf daß ihr wisset, daß ihr das ewige Leben habet, und auf daß ihr glaubet an den Namen des Sohnes Gottes. Nicht etwas Neues hat Johannes in dem Briefe geschrieben, sondern hat seine Leser gestärkt in der gegenwärtigen Wahrheit und sie ermuntert zum Bleiben bei dem, was sie von Anfang gehört hatten (Cap. 2,21.24.). Ein schönes Vorbild aller evangelischen Predigt in der christlichen Kirche. Die Kindlein Johannis glaubten an den Namen des Sohnes Gottes: wie Er Sich offenbart hat und im Evangelio Seinen Namen ihnen predigen ließ, so glaubten sie an Ihn. Den Segenswunsch, womit Johannes sein Evangelium schließlich begleitet: „Dieses ist geschrieben, daß ihr glaubet, Jesus sey der Christ, der Sohn Gottes, und daß ihr durch den Glauben das Leben habet in Seinem Namen“ (Ev. 20,31.), durfte er als erfüllt ansehen an seinen Kindlein. Nun sollten sie ihre Christenfreude von Niemand sich verdächtigen und von Niemand sich aufhalten lassen in ihrem Glaubenslaufe. Dazu sollte dieser Brief ihnen dienen. Fanden sie es so bei sich, wie Johannes unsre durch den heiligen Geist im Glauben zu Stande gebrachte Gemeinschaft mit dem Vater und mit Seinem Sohne Jesu Christo hier beschreibt, so sollten sie mit ganzer Zuversicht wissen, daß sie das ewige Leben hätten. Gerade wie Petrus an die Gläubigen schreibt, um ihnen zu bezeugen, daß das die rechte Gnade Gottes sey, worin sie stünden (1 Petr. 5,12). Hieraus lernen wir, daß das feste Wort heiliger Schrift es ist, nicht unser veränderliches Gefühl, wonach wir unsern innern Stand zu beurtheilen haben. Das Wort versichert uns, daß wir das ewige Leben haben, wenn wir im Glauben stehen, weil wir im Glauben Jesum haben. Es geschieht zu Zeiten, daß die Empfindung des Lebens einem Gläubigen mangelt, sein verborgener Schatz dem eignen Gefühle gar entschwindet; dennoch ist das Leben da, weil der Glaube da ist, und ob der da ist, das kann Jedermann durch redliche Prüfung erkennen (2 Cor. 13,5), wenn er sein Verhalten zu dem Wort- und Sacrament-Zeugniß Gottes von Seinem Sohne untersucht. Ob uns denn unser Herz verdammte (Cap. 3,20), und wir sprächen in unserm Zagen: „Ich bin von Deinen Augen verstoßen“ (Ps. 31,23); ob unsere Seele voller Jammer wäre, und unser Leben nahe bei der Hölle (Ps. 88,4): dennoch spricht Gott, der größer als unser Herz ist und alle Dinge erkennt, in Seinem theuern Worte unserm Glauben das Leben zu, und nachdem Er gedemüthigt hat, tröstet Er auch wieder (Ps. 71,21), gibt uns zurück, die Freude. Seines Heils und richtet uns auf mit freudigem Geiste (Ps. 51,14).
Johannes weiß nichts von der römischen Verschämtheit, die es für Unverschämtheit hält, einer Seligkeit gewiß seyn zu wollen. Nicht uns, nicht uns, sondern dem Namen des Sohnes Gottes, an den wir glauben, schreiben wir es zu, daß wir das ewige Leben haben, und würden wir daran zweifeln, so begingen wir einen Raub an der Ehre Gottes. Wir sind selig, weil wir glauben, und wir bleiben selig, wenn wir beharren im Glauben. Zum Beharren im Glauben hat Johannes seine Leser durch sein Schreiben ermahnen wollen, wie er ausdrücklich hinzusetzt: und auf daß ihr glaubet an den Namen des Sohnes Gottes. „ Eine seltsame Rede! Sie glauben, und er schreibt, auf daß sie glauben. Was bedarf's denn der Ermahnung zum Glauben, wenn man schon glaubt? Unsre Widersacher, die von der Kraft des Glaubens nichts empfinden, lachen darüber, wenn wir so viel vom Glauben lehren, erinnern und schreiben.“ L. Es ist ja nicht möglich, heute das Leben zu haben durch einen gestrigen Glauben. Hier gilt kein Stillstand; wer glaubt, der glaube ferner (Offenb. 22,11.). Immer von neuem singt darum die Christenheit: „Nun bitten wir den heiligen Geist um den rechten Glauben allermeist, daß er uns behüte an unserm Ende, wenn wir heimfahren aus diesem Elende.“ Und Er behütet uns auch. Aus Gottes Macht werden wir durch den Glauben bewahrt zur Seligkeit (1 Petr. 1,5.), und sind gewiß, daß Er mächtig ist unsre Beilage uns zu bewahren bis an jenen Tag (2 Tim. 1,12.) - wer will uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, unserm HErrn (Röm. 8,35.38.)? Je gewisser unsrer Seligkeit die Erfahrung des Glaubens uns macht, desto fester werden wir auch im Glauben gegründet, wie ein gesunder Baum um so tiefer seine Wurzeln in das fruchtbare Erdreich einsenkt, je höher er von dessen Kraft durchdrungen emporwächst. - Die Lebens-Gewißheit, die wir haben im Glauben und worin unsre Christenfreude völlig ist, äußert sich in freudigen Lebens-Geschäften, als deren erstes der Apostel das erhörliche Gebet nennt:
V. 14.15. Und das ist die Freudigkeit, die wir haben zu Ihm, daß, so wir etwas bitten nach Seinem Willen, so hört Er uns; und so wir wissen, daß Er uns hört, was wir bitten, so wissen wir, daß wir die Bitten haben, die wir von Ihm gebeten haben. Gebetsfreudigkeit ist die Nährkraft des Glaubenslebens. Wie der Heiland in der Rede vom Weinstock und den Reben das freudige, der Erhörung gewisse Gebet als die Frucht des Bleibens der Seinen in Ihm und Seiner Worte in ihnen bezeichnet (Ev. 15,7.), so weist uns hier Johannes auf die uns geschenkte Gebetsmacht hin als auf den lebendigen Pulsschlag unsrer Gemeinschaft mit Gott, den Hauch der Liebe Gottes in uns, die ausgestreckte Hand unsers Glaubens, womit wir an Den, den wir nicht sehen, uns halten, als sähen wir Ihn (Hebr. 11,27.), den Ausdruck unsers persönlichen Umgangs mit unserm himmlischen Vater - kurz, als auf das Freudengeheimniß zwischen Gott und Seinen Kindern, denen Er von Seinem Geiste gegeben hat (Cap, 4,13.). Und das ist die Freudigkeit, die wir haben zu Ihm. Habe ich anders nicht vergeblich geschrieben, meine Lieben (will der Apostel sagen); wisset ihr, daß ihr im Glauben an den Sohn Gottes das ewige Leben habet, und strecket ihr euch munter zum Fortfahren im Glauben aus: dann werdet ihr jetzt, während ihr dies leset, mit aller Freudigkeit bitten: „Lieber Vater, laß uns bleiben bei Jesu!“ gleichwie ich Freudigkeit habe solches zu bitten für euch. Das ist die Freudigkeit, die wir zu Ihm haben, nicht bloß dann und wann, sondern als bleibenden Stand, mit völliger Ueberzeugung zu wissen: daß Er uns hört, so wir etwas bitten nach Seinem Willen. Die Worte: nach Seinem Willen zeigen klärlich an, worin die Gebetsfreudigkeit der Christen ihren Grund hat, nämlich darin, daß sie wissen den geoffenbarten Willen ihres Gottes und darum bitten, daß er geschehe (vergl. Cap. 3,22). Fruchtbarlich haben die Kindlein Johannis diesen Brief gelesen, wenn sie denselben in lauter Bitten verwandelt haben nach Seinem Willen, und wir wünschen es auch zu thun. Möchten es nur wirkliche Bitten werden, daß unsre Seele mit bettelndem Verlangen anhalte: Bitte, bitte, lieber HErr, thue es doch! Das ist die Kunst des Glaubens, den im göttlichen Worte offenbarten Gotteswillen, nachdem wir ihn erkannt, zum erbetenen Willen zu machen. So bitten wir mit unbedingter Freudigkeit und halten Gott vor Sein Wort (Ps. 27,8.). Du hast gesagt - so lautet das Gebet, womit die alten Helden Gott beim Worte hielten und alle Schreckniß vertrieben, die ihnen vor Augen war (vergl. z. B. 1 Mos. 32,9 ff.). O wie freudig mögen die ersten Leser dieses Briefs gebeten haben: HErr Gott, lieber Vater, der Du größer bist, als der in der Welt, hilf uns Deinen Kindern, daß wir nicht lieb haben die Welt, sondern sie überwinden; HErr Jesu, Du Sohn Gottes, der Du kommst im Wasser und Blut, behalte uns fest im Glauben an Deinen Namen, daß Niemand von Dir uns verführe; komm, heiliger Geist, salbe uns mit Weisheit und mit Kraft, gieße aus in uns die Liebe Gottes, und benimm uns alle Furcht durch Dein wahrhaftiges Zeugniß! - Im Bitten nach Seinem Willen unterrichtet uns Gott, so oft wir Sein Wort hören und lesen; insonderheit aber hat Er uns im heil. Vaterunser ein Bittregister gegeben, worin wir alle Bitten verzeichnet finden, die Ihm gefällig sind. Steigt in deinem Gemüthe ein Wunsch auf und will zum Gebete werden, ohne daß du doch rechte Freudigkeit hättest, denselben wirklich an Gottes Herz zu legen, so siehe in aller Einfalt zu, ob du dein Anliegen in eine der Vaterunser-Bitten gewickelt Gott vortragen kannst, und dann bitte entweder getrost oder schweig gar, damit du nicht übel bittest (Jak. 4,3.). „Also hast du Seinen Willen ganz und gar, daß Er gewißlich nichts anders gedenkt noch im Herzen hat, denn dir das Vaterunser zeigt, und so du also betest, daß es nach solchem Seinem Willen geht, so ist es gewißlich erhört.“ L. Auch gibt ja der heil. Geist, dessen Vertretung die Beter erfahren (Röm. 8,26.), ihnen nur solche Seufzer und Bitten ein, die Gott erhören will. Er hört uns. „Der HErr hört, wenn ich Ihn anrufe.“ sagt David (Ps. 4,4). Wie das Echo der rufenden Stimme, antwortet das göttliche Hören dem menschlichen Bitten. Dieses Geheimniß weiß Niemand, als der es erfährt, aber es ist ein seliges Geheimniß, in welchem die Fäden des unsichtbaren Reiches Gottes eingewoben werden in unsern Erdenwandel. Unser Bitten verhält sich zu Gottes Hören, deß die betende Seele inne wird, ebenso wie unser Annehmen des Zeugnisses der drei Erdenzeugen zu dem Innewerden des Zeugnisses der drei Himmelszeugen. Als einst Daniel betete nach Gottes Willen („um Dein selbst willen, mein Gott, merke auf und ihm es und verziehe nicht, denn Deine Stadt und Dein Volk ist nach Deinem Namen genannt“), da trat der Engel Gabriel zu ihm und sprach:„-Daniel, jetzt bin ich ausgegangen, dir Antwort zu bringen. Denn da du ansingst zu beten, ging dieser Befehl aus“ (Dan. 9,23.) Dasselbe erfahren noch heute alle nach Gottes Willen Bittenden, und jenes geheime „Angerührt werden,“ wie von Engelhand, gehört zu dem Wandel im Himmel auf Erden, worin die Christen sich betend üben. Heinrich Müller gibt in seiner Kreuz-, Buß- und Betschule eine schöne Erklärung von Ps. 42,1.: „Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu Dir.“ Der Hirsch schreit, und mit seinem Gehör merkt er, wo der Ton seines Geschreis auf eine Wasserfläche trifft, die eine Art Resonanz bewirkt, und so entdeckt er durch sein Schreien das frische Wasser: gerade so findet die betende Seele den HErrn, dessen erwiedernder Friedensgruß tief innerlich in sie hineinschallt. - Doppelt ist unsre Gebets - Freudigkeit. Wir wissen, daß Gott uns hört, so wir etwas bitten nach Seinem Willen, darum bitten wir im Glauben und zweifeln nicht (Jak. 1,6.); und wir wissen, daß Gott unser Ihm wohlgefälliges Bitten erhört hat, darum sind wir zufrieden (wie Hanna, l Sam. 1,17 ff.) und schließen mit Danksagung, wartend in Geduld, bis die Erhörung auch erscheint (dort bei Daniels Gebet erschien sie erst 490 Jahre hernach). Diese gedoppelte Freudigkeit drücken die Worte aus: Und so wir wissen (wir wissen's ohne Zweifel), daß Er uns hört, was wir auch bitten, so wissen wir, daß wir die Bitten haben, die wir von Ihm gebeten haben.
-Mit diesen Worten beschreibt Johannes, wie ein recht gläubig Herz geschickt ist im Gebet, nämlich daß ihm nicht anders zu Sinne ist, denn daß es erhört sey und habe die Bitte schon erlangt, das ist auch wahr. Aber solchen Glauben und gewisse Sicherheit muß der heil. Geist geben, darum wird ohne den heil. Geist freilich kein Gebet gethan.„ L. Der himmlische Vater hält Seinen lieben Kindern eine Sparbüchse, worin Er ihrer Bitten Erhörung aufbewahrt, um zu der Stunde, die Er weiß, sie vor ihnen auszuschütten, wo es sich denn findet, daß Er manchmal einen Thaler eingelegt hat, da sie nur um einen Pfennig baten). Laßt uns unsern Text noch an die Bitten der Heiligen im Alten Bunde halten, desto deutlicher wird er uns werden. Es ist merkwürdig, daß die Dankopfer im A. T. die Bittopfer einschließen. David brachte nach 2 Sam. 24, 25. Brandopfer und Dankopfer dar, „und der HErr ließ Sich erbitten für das Land, und die Plage hörte auf von dem Volke Israel“ (vergl. auch Nicht. 20,26; 21,14.). Darin wurde verkörpert, daß die Bittenden hatten die Bitten, welche sie von Gott gebeten hatten, wie ja auch der heil. Paulus uns ermahnt, daß wir unsre Bitten durch Gebet und Flehen „mit Danksagung“ vor Gott sollen kund werden lassen (Phil. 4,6.). In den Psalmen, durch welche der heil. Geist die Kirche aller Zeiten in der Gebetskunst unterweist, finden wir vieler Orten den Ausdruck der Freudigkeit, welche der Apostel in unserm Texte den Gläubigen zuspricht. Als das Volk Israel am tiefsten daniederlag, sang es die freudigen Halleluja-Psalmen. In Ps. 9. schickt sich David zu der Bitte an, daß der HErr ansehen wolle sein Elend unter den stolzen Feinden, welche seiner Hoffnung spotteten; aber er hat die Bitte schon und beginnt mit dem Danke: „Ich danke dem HErrn von ganzem Herzen und erzähle alle Deine Wunder; daß Du meine Feinde hinter sich getrieben hast, sie sind gefallen und umgekommen vor Dir.“ Mitten in der Noth, die er seinem Gott klagt, ruft er Ps. 54. aus: „Ein Freudenopfer will ich Dir thun, und Deinem Namen danken, HErr, daß er so tröstlich ist,“ und in Ps. 56., den er sang, „da ihn die Philister griffen zu Gath,“ als „die Menschen ihn ängsteten und wollten ihn versenken,“ sagt er mit gleicher Freudigkeit: „Ich habe Dir, Gott, gelobt, daß ich Dir danken will; denn Du hast meine Seele vom Tode errettet, meine Füße vom Gleiten, daß ich wandeln mag vor Gott im Licht der Lebendigen.“ Als Exempel der vielen Psalmen, welche mit Angstgeschrei ansangen, aber mit Lob- und Dankgetöne endigen, weil die Sänger unter dem Gebet die Bitte erlangt hatten, welche sie von Gott gebeten, mag der 13te Psalm gelten, dessen erster Vers heißt: „HErr, wie lange willst Du meiner so gar vergessen? wie lange verbirgst Du Dein Antlitz vor mir?“ und der letzte: „Mein Herz freut sich, daß Du so gerne hilfst. Ich will dem HErrn singen, daß Er so wohl an mir thut.“ Wer im Namen Jesu Christi bittet, dessen Glaube besitzt als gegenwärtiges Gut das zukünftige Heil, und sein Bitten geht nach der Weise jenes Dankgebets, welches der HErr schon vor der Erweckung des Lazarus sprach: „Vater, Ich danke Dir, daß Du Mich erhört hast“ (Ev. 11,41.). Ich weiß, mein Gott will es, und Ihm habe ich's befohlen: nun bin ich stille und glaube, was ich nicht sehe. Im Glauben habe ich Gott, und in Ihm alles nach Seinem Willen Erbetene, mir wird Nichts mangeln. So ist meine Freude völlig.) - Indem Johannes schreibt: „Wir haben die Bitten, die wir von Ihm gebeten haben,“ hört er wohl manchen seiner Leser seufzen: „Ach, wie viele Gebete sind mir doch nicht erhört, sonderlich um den und die! Die hätte ich doch gern zu Christen gebetet, aber es ist mir nicht gelungen.“ Was sagt zu solcher Klage das apostolische Wort? Es sagt:
V. 16. So Jemand sieht seinen Bruder sündigen eine Sünde nicht zum Tode, der soll bitten, und er wird ihm das Leben geben, denen, die da sündigen nicht zum Tode; es ist eine Sünde zum Tode, dafür sage ich nicht, daß Jemand bitte. Also der Apostel ermuntert zur Fürbitte, der Christenbitte rechter Art, weil wir mit ihr als Priester, als Genossen des Fürsprechers (Cap. 2,1.) vor Gott stehen; aber zugleich wendet er das vorige: „Bitten nach Seinem Willen“ auf das Fürbitten an und weist der fürbittenden Bruderliebe den Weg des göttlichen Wohlgefallens. Zuvörderst fragen wir: was will Johannes verstanden haben unter Sünde nicht zum Tode im Unterschiede von Sünde zum Tode? Zunächst aus dem Briefe selbst haben wir die Antwort zu entnehmen. Dieselbe Unterscheidung, die hier ausgesprochen wird, ist uns der Sache nach schon öfter begegnet. Wir haben gelesen, daß auch die im Licht Wandelnden noch Sünde haben, wovon sie sich reinigen in stetiger Buße und in täglicher Zuflucht zu dem Blute Jesu Christi, den sie haben als Fürsprecher beim Vater (Cap. 1,7 ff.; 2,1; 3,3). Sie leiden die Sünde mehr, denn daß sie dieselbe thun, ihr neues aus Gott gebornes Ich haßt und bekämpft die Sünde, überwindet sie auch durch Christum, in welchem sie haben Vergebung der Sünde und Kraft zur Heiligung. Darum entfallen sie nicht durch Unglauben dem Leben, das sie haben in Christo. So oft die ihnen noch immer anklebende Sünde das Leben in ihnen unterdrückt, wird dasselbe ihnen wiederum gegeben, weil ihr Glaube wieder zum Ursprunge und Halt ihres Lebens, zu dem Blute der Versöhnung, herzunaht. So sündigen sie nicht zum Tode, weil sie den Erretter vom Tode, Christum ihren Heiland und ihr Leben, nicht von sich stoßen. Höher und mächtiger als ihre Sünde ist ihre Gerechtigkeit, sie heißt Jesus Christ. Dagegen hat der Apostel aufs deutlichste und schärfste von solchen geredet, welche das erschienene Leben haßten und von Jesu Christo sich losgesagt hatten; von Kindern des Teufels, welche dessen Werke, die Jesus Christus gekommen ist zu zerstören, Ihm zum Trotze aufrichteten als Sünden-Thäter; von Irrgeistern und Widerchristen, welche den im Fleische gekommenen Sohn Gottes leugneten und die Gläubigen in ihre Lüge zu verstricken trachteten; von Nachfolgern Kains, welche ihren Haß gegen den unsichtbaren Gott aufließen an. Seinen sichtbaren Kindern (Cap. 2-4). Offenbar weist er eben auf diese hin und nennt die Sünde, der sie dienten, Sünde zum Tode, denn sie stießen ja Den mit frecher Hand von sich, der allein vom Tode helfen kann. Was dem Apostel Sünde zum Tode sey, tritt in ganz helles Licht, wenn die Zurückbeziehung unsrer Stelle auf ein Wort des HErrn im Evang. erkannt wird. „ Ich habe euch gesagt,“ spricht Er zu den ungläubigen Juden, „daß ihr sterben werdet in euern Sünden; denn so ihr nicht glaubet, daß Ich es sey, so werdet ihr sterben in euern Sünden“ (Ev. 8,24.). Die Widerchristen erklärten nun frank und frei, frech und frevelig: „Wir leugnen, daß dieser Jesus der Christ ist,“ darum sieht sie Johannes der Sünde zum Tode überliefert, und wie er selbst keine Fürbitte für sie im Herzen findet, so will er auch Niemand ermahnen, für sie zu bitten. - Laßt uns jedoch den heiligen Apostel nicht falsch verstehen. Einer jener Jünglinge, an die er schreibt: „Ihr seyd stark und habt den Bösewicht überwunden: habt nicht lieb die Welt!“ (Cap. 2,14.15.), und den er dem Bischofe von Ephesus vor versammelter Gemeinde noch sonderlich ans Herz gelegt hatte, war dennoch wieder, von seinem Seelsorger veruntreut, in die Liebe der Welt zurückgesunken, ja nach und nach so tief gefallen, daß er als Hauptmann einer Räuberbande in den Wäldern hauste. Als Johannes zu der Gemeinde zurückkehrte (so erzählt Clemens von Alexandrien, mit dessen Worten wir fortfahren), redete er den Bischof an: „Wohlan, Bischof, gib das Pfand uns wieder, welches ich und der Heiland dir vor der Gemeinde anvertraut haben.“ Der Bischof erschrak, und meinte zuerst, es sey von veruntreutem Gelde die Rede. Als aber Johannes sagte: „Den Jüngling fordre ich wieder und die Seele des Bruders,“ seufzte der Greis und sprach unter Thränen: „Er ist gestorben!“ - „Gestorben?“ fragte der Jünger des HErrn, „und an welcher Krankheit?“ „Er ist Gotte gestorben,“ erwiderte der Bischof, „er ist gottlos geworden und am Ende ein Räuber. Nun hat er mit seinen Genossen anstatt der Kirche einen Wald inne.“ Da zerriß der Apostel unter lautem Klagegeschrei sein Kleid und rief: „O welchen Wächter habe ich über meines Bruders Seele zurückgelassen!“ Er besteigt ein Pferd und eilt mit einem Führer nach dem Orte, wo die Räuber sich aufhielten. Die aufgestellte Wache ergreift ihn, er flieht nicht, sondern ruft: „Eben deshalb bin ich hergekommen, bringt mich zu euerm Anführer!“ Dieser erwartete gewaffnet des Fremden Ankunft; als er aber sah, wer zu ihm kam, nahm er eilends die Flucht. Johannes aber, sein Alter vergessend, eilt ihm im Fluge nach und ruft: „Warum flichst du mich, o Kind? mich, deinen Vater, den Wehrlosen, den Greis? Habe Mitleid mit mir, o Kind! fürchte dich nicht! Du hast noch eine Hoffnung des Lebens. Ich will Christo Rechenschaft für dich ablegen. Soll es seyn, so will ich gern für dich sterben, weil auch Christus für uns gestorben ist. Ich will mein Leben für dich lassen. Steh! glaube, Christus hat mich geschickt.“ Der Jüngling zauderte, endlich blieb er stehen und blickte zur Erde. Dann wirft er die Waffen weg und sängt an zu zittern und bitterlich zu weinen. Und als der Greis herankommt, umfaßt er seine Knie und steht mit heftigster Wehklage um Vergebung, mit seinen Thränen gibt er sich gleichsam die zweite Taufe, nur die rechte (blutbesteckte) Hand verbirgt er. Der Apostel aber verbürgt sich und schwört, daß er vom Heilande Vergebung für ihn erhalten habe, bittet, wirft sich auf die Kniee und küßt des Jünglings durch die Buße reingewaschene Hand. So führte er ihn zur Gemeinde zurück. Und hier betete und rang er flehentlich für ihn mit Gott und ermahnte ihn mit Liebesworten, bis er ihn endlich der Kirche wiederschenken konnte. - Diese Geschichte, an deren Wahrheit wir nicht zu zweifeln haben, stimmt ganz zu dem Spruche Cap, 2,2, Auch dem gefallenen Bruder gönnt Johannes die Fürbitte der Christen. Wie könnte es auch anders seyn bei dem Bruder und Freunde des Petrus, den er so tief fallen, den er aber auch an der Fürbitte und an dem Gnadenblicke des Heilandes sich wiederaufrichten gesehen hatte? Also nicht allein die Schwachheitssünden der Christen (die „täglichen Kindersünden,“ wie Luther sie wohl nennt) sind nicht zum Tode, sondern auch Abtrünnige, bei welchen Glaube und Leben unterging in dem Unflath der Welt (2 Petr. 2,20.). haben noch „eine Hoffnung des Lebens,“ und es ist uns unverwehrt, für solche Verlornen zu bitten. Aber ob wir die Bitte haben, die wir für sie von Gott gebeten haben, nicht zweifelnd, Er wird ihnen das Leben geben? Es ist möglich, aber es ist nicht Jedermann gegeben, also zu glauben und zu beten. Die heil. Schrift unterscheidet von der ordentlichen, allen Gläubigen gegebenen Gnadengabe des Gebets eine außerordentliche Gnadengabe des Glaubens (1 Cor. 12,9.), aus welcher außerordentliche Gebetsfreudigkeit hervorwächst. Der Beter genießt hierbei einer besonderen Leitung des heiligen Geistes für die Dinge, um welche er beten soll; er betet mit der Zuversicht eines Propheten für die Bekehrung eines noch Unbekehrten, für die Rückkehr eines verlorenen Sohnes und übt betend eine Macht aus, welche keine andere Schranke kennt außer derjenigen, die sich die göttliche Liebe selbst gesetzt hat, indem sie den Sünder bitten, nicht zwingen will aus dem Tode ins Leben zu kommen. Wer möchte sagen, daß diese außerordentliche Gebetsgabe jetzt erloschen sey? Sie wird vielmehr währen bis ans Ende, und wenn die Gemeinde der Gläubigen mit einfältigen Augen sie sucht, so wird sie dieselbe finden in ihrer Mitte, der HErr wird sie erwecken und in Kraft gehen lassen, wo es nütze ist und Ihm gefällt. Jedoch zunächst redet Johannes in unserm Texte nicht von dieser außerordentlichen Gabe des Gebets, sondern von der ordentlichen Gabe der Fürbitte für die Brüder, die alle Gläubigen haben. Da wissen wir nun gewiß, daß wir nach Gottes Willen bitten und auch erhört sind, wenn wir bitten für einen Bruder, den wir fündigen sehen nicht zum Tode, und unser Gebet wird ihm geben und erhalten das Leben, welches ihm gehört in Christo, an dessen Namen er glaubt. Auch „für alle Menschen“ bitten wir, und thun es mit Freudigkeit, denn Gott will ja, daß allen Menschen geholfen werde durch den einigen Mittler, der die Versöhnung ist für die Sünden der ganzen Welt (Cap. 2,2; 1 Tim. 2,1 ff); auch für die Irrigen und Verführten, für unsere Feinde, Verfolger und Lästerer bitten wir, daß Gott sie wiederbringe und bekehre, und wir thun das mit Freudigkeit, denn wir wissen, daß Gott kein Gefallen hat am Tode des Sünders. Paulus flehte Gott an, daß die in Blindheit und Unverstand hingegebenen Juden selig würden (Röm. 10, 1). Aber während wir bei diesen Bitten (ordentlicher Weise) nicht wissen, ob die, denen wir Vergebung und Leben herbeibitten, das ihnen Gegebene auch aufnehmen werden, wissen wir bei der Bitte für die Brüder gewiß, daß Gott als Geber und Erhalter des Lebens an ihnen wird gepriesen werden, so gewißlich es wahr ist, was wir bekennen: „In welcher Christenheit Er mir und allen Gläubigen täglich alle Sünden reichlich vergibt.“ So oft wir im Glauben bitten: „Vergib uns unsre Schuld,“ und in diese Bitte einschließen den Bruder, welchen wir sündigen sehen - und wen sähen wir nicht sündigen im Leibe dieser Schwachheit und dieses Todes? - so oft wird der Trost der Vergebung und des Lebens, den der heilige Geist in unser Herz ausgießt, uns deß vergewissern, daß wir auch für den Bruder die Bitte haben, die wir für ihn von Gott gebeten haben. Sehet, welch einen Segen hat Gott auf die fürbittende Bruderliebe gelegt! Jetzt erkennen wir es stückweise, aber wenn erscheinen wird, was wir seyn werden, dann werden wir vollkommen erkennen, was die Fürbitte unsrer Brüder uns eingebracht hat. Daß wir hindurchkommen durch die Welt; daß wir den Sieg behalten im Glauben, immer von neuem gezogen werden vom Vater zum Sohne und immer von neuem zu Ihm kommen, damit Sein Blut uns rein mache von aller Sünde; daß wir nicht liegen bleiben in Lauheit und Schläfrigkeit, in Angst und Verzagtheit, in Leichtsinn und Eitelkeit, sondern immer wiederaufstehen in der Kraft des Wortes Gottes, das bei uns bleibt, zu neuer Gewißheit des Lebens in Christo Jesu: das verdanken wir der Gnade und Treue des heiligen Geistes, welcher nicht in uns allein, sondern auch in unsern Brüdern die vor Gott köstlichen Seufzer erweckt, welche unserer Schwachheit aufhelfen. Ist dir's noch nicht wichtig geworden, wie dringend und wiederholt der heil. Paulus den Fürbitten seiner Brüder sich empfiehlt und von ihnen Hülfe erwartet (2 Cor. 1,11.)? Luther sagt einmal: „So lange ich einen Christen habe, der für mich betet, will ich gutes Muths seyn und mich vor Niemand fürchten.“ Ja, das gebe Gott, daß unser Name nimmer fremd werde Seinen Ohren und den Lippen Seiner betenden Kinder! Es gibt solche, für welche der Geist des Gebets in keinem Christenherzen mehr geschäftig ist, und das sind eben die, welche in der Sünde zum Tode stecken - dafür sage ich nicht, daß Jemand bitte. Unter den Widerchristen und Lügnern, deren teuflischen Sinn Johannes in seinem Briefe aufgedeckt hat, waren solche Kinder des Todes, derethalben die Christen nicht anders mehr zu beten hatten als: „HErr, Du wollest den Satan unter unsre Füße treten!“ Der Schmidt Alexander, welcher der Predigt Pauli hartnäckig widerstanden hatte, und dem dieser nachruft: „Der HErr bezahle ihm nach seinen Werken!“ (2 Tim. 4,14.), den sah Paulus in der Sünde zum Tode hingehen, welcher gegenüber Hoffnung zu ersterben und Fürbitte zu stocken pflegt. Derselbe Gott, welcher einst zu Mose sprach: „Laß genug seyn, sage Mir davon nicht mehr“ (5 Mos. 3,26; vergl. auch Jer. 7,16; 11,14.), heißt noch heute den Geist der Fürbitte weichen vor der Sünde zum Tode, weil Er nicht will, daß Seme Kinder vergeblich bitten. Luther versteht unter der Sünde zum Tode sonderlich die Ketzerei, die man anstatt der Wahrheit einführt, und damit wird der Sinn des Apostels wohl getroffen seyn. „Ich kann zwar beten, sagt er, daß Gott sie bekehren möge, ehe sie völlig verstockt werden; wo sie sich aber nicht wollen bessern lassen, da bete ich: HErr, laß das nicht Gerechtigkeit oder recht seyn, was sie wollen, sondern beweise Deine Gerechtigkeit an ihnen.“ Vielleicht ist dirs schon begegnet, daß du dich so an Gott aussprechen mußtest: „Lieber HErr, ich habe keine Fürbitte mehr für diesen Feind Deines Namens; aber Deine Geduld ist groß und Deine Gnade unaussprechlich, Du wirst ihn noch erretten aus dem Tode, wenn es möglich ist.“ Diese Resignation steht uns wohl an. Petrus wußte, daß Sapphira den Weg ihres Mannes zum Tode hinunterlies (Apostelg. 5,9.), und er sah beide sündigen eine Sünde zum Tode, für welche er nicht bat; wo die außerordentliche Gabe der Geisterprüfung uns nicht gegeben ist, bescheiden wir uns, die Frage, ob zum Tode, ob nicht zum Tode? nicht mit göttlicher Gewißheit beantworten zu können, und auch da, wo wir keine Freudigkeit zur Fürbitte finden, wo wir - nach Luther's Ausdruck - „über Verstockten und Verblendeten dem Zorne Gottes müssen Raum geben und Sein Gericht lassen gehen,“ lassen wir doch zugleich ungebunden die Barmherzigkeit Gottes, welche über unser Bitten und Verstehen thun kann. - Warum fügt nun Johannes der Ermunterung zur brüderlichen Fürbitte diese Beschränkung hinzu, und zwar so nachdrücklich, daß er dieselbe zweimal ausspricht? Er thut es deshalb, weil er die christliche Gebetsfreudigkeit seinen Kindlein unbenommen und ungekränkt erhalten wissen will. Wie oft hatten sie wohl schon in der Gemeinde gebetet um die Bekehrung ihrer Verstörer! - und waren nicht erhört worden. Das konnte sie zum Zweifel versuchen an dem apostolischen Worte: „So wir wissen, daß Er uns hört, was immer wir bitten, so wissen wir, daß wir die Bitten haben, die wir von Ihm gebeten haben.“ Gegen diese Anfechtung will der Apostel sie sichern und führt ihnen zu Gemüthe, daß es Sünde zum Tode gebe, für die zu bitten Gott uns keinen Befehl und Verheißung gegeben hat. Darum sollten sie die Brüder, die sie sündigen sahen nicht zum Tode, in ihren Gebeten nicht vermengen mit Kindern des Teufels, die das Leben in Jesu Christo haßten. Wie reichlich dagegen die Fürbitte für die Brüder im Geschäfte stehen möge, zeigen die folgenden Worte:
V. 17. Alle Untugend ist Sünde; und es gibt Sünde nicht zum Tode. Sündigen sehen wir den Bruder, der seinen Lichtwandel mit irgend etwas verdunkelt, was vor Gott nicht taugt, was nicht so ist, wie es seyn soll nach Gottes heiligem Gesetze. Es gibt keine Ungerechtigkeit, auch nicht die geringste, die nicht Sünde wäre (Cap. 3,4) und nicht des Todes schuldig machte, es sey denn, daß sie uns vergeben werde um des Blutes Jesu Christi willen. Und darum eben sollen wir bitten, und dürfen es thun mit Freudigkeit, daß alle Untugend, die wir an uns und unsern Brüdern sehen, als erkannte Sünde in den Spruch eingeführt werde: „So wir aber unsere Sünden bekennen, so ist. Er treu und gerecht, daß Er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Untugend“ (Cap. 1, 9). So helfen wir uns untereinander zurecht (Gal. 6, 1), einer legt den andern ans Herz der versöhnenden Liebe. Dieser Liebe danken wir es, daß Sünde, deren Sold der Tod ist, doch nicht zum Tode oder nicht verdammlich (Röm. 8,1) ist an denen, die des Glaubens an den Sohn Gottes leben, durch dessen Versöhnungstod alle Sündenschuld bezahlt ist. Mit Freuden blickt der Apostel auf seine Kindlein hin und bittet für sie mit aller Zuversicht, denn er weiß, daß sie sammt ihm in der Gemeinschaft mit dem Vater und Seinem Sohne Jesu Christo frei geworden von der Sünde zum Tode. Darum wiederholt er jetzt zum Schluß, was er von der Macht der Christen über Sünde, Tod und Teufel Cap. 3, 8.9. geschrieben: V. 18. Wir wissen, daß wer von Gott geboren ist, der sündigt nicht; sondern wer von Gott geboren ist, der bewahrt sich, und der Arge tastet ihn nicht an. Wir haben also den Apostel richtig verstanden in jenen Sprüchen Cap. 3, 6 - 9. Das Sündigen, welches Christen unmöglich ist vermöge ihrer Geburt aus Gott, ist das Sündigen zum Tode, welches den Kindern des Teufels eigen ist. Sünde haben (Cap. 1, 8) ist nicht zum Tode, aber die Sünde thun (Cap. 3, 9), das ist zum Tode. Wir wissen, aus seliger Erfahrung (V. 19), mit dem untrüglichen Wissen der Salbung, daß aus Gott geboren seyn und sündigen zwei wie Licht und Finsterniß von einander geschiedene und wider einander streitende Dinge sind. In unserm Fleische steckt ja leider noch Finsterniß, aber sie ist im Vergehen vor dem Lichte, das schon scheint, der Geist, den Gott uns gegeben hat, ist des Fleisches Widerpart (Gal. 5, 16, 17), und während die Weltmenschen die Sünde lieben, mit der sie sich beflecken, reinigen wir uns von der Sünde, die wir hassen (Cap. 3, 3). Daß der Apostel mit nicht fündigen den Christenstand bezeichnet, da man der Sünde das Jawort verweigert und keine Herrschaft ihr einräumt, das ist recht deutlich zu erkennen aus dem hinzugefügten Gegensatze: sondern wer aus Gott geboren ist, der bewahrt sich. Die Sünde ist den Kindern Gottes etwas Räuberisches, wogegen sie ihres Lebens sich wehren. Wie die Schildwache vor eines Königs Hause, so steht vor der Wohnung Gottes im Herzen. Seiner Kinder eine Wache mit Schild und Schwert (Ephes. 6.). „Keinem Andern sag ich zu, daß ich ihm mein Herz aufthu, keinen Andern laß ich ein: Dich alleine nenn ich mein!“ Und schlüpft doch ein Andrer hinein, so wird gekämpft auf Tod und Leben, und nicht zum Tode, sondern zum Leben geht der Kampf hinaus, so gewiß Alles, was von Gott geboren ist, die Welt überwindet (V. 4.). Sich bewahren und bleiben, das ist eins. „Wer seinen Weg bewahrt, der behält sein Leben“ (Spr. 16, 17.). Die heil. Schrift (wie 1 Petr. 1,5; Phil. 1, 6; 2 Thess. 3, 3.) legt nicht allein die Geburt zum Leben, sondern auch die Bewahrung im Leben der Macht und Treue Gottes bei. Dennoch muß sich bewahren, wer bewahrt werden will. Gott ist es, der die Mittel zur Bewahrung darreicht, und Er bewahrt Alle, die solcher Mittel sich annehmen (2 Tim. 1, 12. u. 14, wo Paulus Gottes Bewahren und der Christen Selbstbewahren zusammenfaßt). Der Brief des heiligen Johannes selbst ist solch ein Bewahrungsmittel. Laßt uns bitten, daß der Teufel uns recht umschanzt antreffe mit dem Worte der Wahrheit, welches aus diesem Briefe seinen Glanz in unsre Herzen streckt, damit er auch von uns, wie einst von Hiob, voller Verdruß sagen müsse: -Hast Du sie doch ringsumher verwahrt„ (Hiob l, 10.). Die sechste Bitte des Vaterunsers laßt uns beten mit gebührender Freudigkeit, und auch deß uns trösten, daß wir täglich in diese Bitte eingeschlossen sind von der ganzen Christenheit. Es ist eine theure Verheißung, und der HErr wird sie nicht brechen: Und der Arge tastet ihn nicht an. Respektiren muß der Arge den Psalmspruch: „Tastet Meine Gesalbten nicht an“ (Ps. 105, 15.). Die Christen, die Gesalbten des Neuen Testaments, sollen des Schutzes ihrer Würde in Fülle genießen. Die Salbung, die bei ihnen bleibt (Cap. 2, 27.), wird wider alle Lüge und Verführung des Argen sie verwahren, daß er nicht anders ihnen nahe, wie die Mücke, welche in das Lampenlicht flattert. Mag dem Satan zugelassen werden, uns - wie Hiob und Paulus (2 Cor. 12,7.) - mit Fäusten zu schlagen; liebkosen aber wird er uns nicht, so lange wir durch den Glauben uns bewahren in der Gemeinschaft mit Gott und Seinem Sohne Jesu Christo. Thut nur sein Griff uns höllisch wehe, wie ein Mord in unsern Gebeinen, so hat es keine Noth; doch wenn er je uns antastete mit streichelnder Hand, weil er ein „geschmücktes“ Haus bei uns fände (Luc. 11,25.), dann hätten wir unsern Brautschmuck verloren und die Locken unserer Kraft in seine Hände ergeben. Lasset uns wachen und nüchtern seyn! Keine Gasse dem Argen, Alles verwahrt mit Christi Blut und verriegelt mit dem Riegel: „Es steht geschrieben!“ - dann flieht er von uns, denn er spürt dann Den in uns, an welchem er Nichts hat (Ev. 14, 30.), den Zerstörer seiner Werke (Cap. 3, 8.). „Kinder Gottes haben darauf zu merken, wo der Satan einen Griff auf ihr Gemüth, wegen ihrer Vereitlung, Zerstreulichkeit. Vergänglichkeit falscher Lust, falscher Demuth und Geistlichkeit der Engel, deß man nie keins gesehen hat und ist ohne Sache ausgeblasen in seinem fleischlichen Sinn (Col. 2, 18.), hat thun können, daß sie bald sein Gift wieder hinauswerfen und ihn überwinden in wahrer Herzensdemuth und Bekenntniß ihrer Sünde durch des Lammes Blut, und ihre Seelen wahrhaftig wieder gereinigt werden von aller Befleckung des Fleisches und des Geistes; sonst dringt es immer weiter aus eigner Schuld und verderbt Leib und Seele. Darum soll man den Frieden Gottes Herz und Sinne bewahren lassen in Christo Jesu,“ Steinhofer. - Johannes schreibt, was er bezeugen kann, denn er hat es erlebt, und die Gemeinschaft mit ihm haben, sprechen ihm nach:
V. 19. Wir wissen, daß wir von Gott sind; und die ganze Welt liegt im Argen. Solche von Gott Geborne, die mit der Sünde nicht Umgang pflegen, sondern vor der Sünde sich bewahren, und die der Arge nicht antastet, als gehörten sie ihm, solche sind wir; Gottlob, daß wir's wissen! Weißt du es auch? Johannes ruft am Schlusse seines Briefes, wie am Schlusse seines Evangeliums (Ev. 21, 24.), dem Widerspruch der ganzen Welt zum Trotz in völliger Freude sein: Wir wissen! in die Kirche aller Zeiten hinein, und das Zeugniß des aus Erden und im Himmel zeugenden Geistes klingt in diesem Ruse zusammen. Wir wissen, daß wir von Gott sind! Dabei sollen nun die Leser noch einmal die geistliche Gesichtsbildung der Kinder Gottes und deren einzelne Züge, wie der Apostel sie beschrieben hat, sich lebendig vor die Seele stellen. Das wollen wir thun. Kinder Gottes haben Gemeinschaft mit Gott, denn sie wandeln im Lichte (Cap. 1, 5 s), und mit Seinem Sohne Jesu Christo, welchen sie haben als ihren Fürsprecher und Versöhner und welchen sie kennen, weil sie Seinem Liebeswandel nachfolgen (Cap, 2, 1 s). In der Gemeinschaft mit Ihm haben die Väter, die Jünglinge und die Kinder Macht zur Ueberwindung der Welt und in der letzten Stunde Schutz vor dem Wüthen des Widerchrists, darum üben sie sich zu bleiben bei Ihm und an dem Worte göttlicher Predigt, das sie von Anfang gehört haben, und so behalten sie die Salbung (Cap. 2, 12 - 28.). Sie bleiben bei Ihm, und Er offenbart in ihnen Seine Herrlichkeit, als des Sündentilgers und des Lebensfürsten im Reiche der Liebe, und was sie sind in Ihm, nährt ihre Hoffnung auf die Erscheinung dessen, was sie seyn werden (Cap. 3.). Ihrer Gemeinschaft mit dem Vater und mit dem Sohne sind sie gewiß durch den Geist, der ihnen gegeben ist. Der lehrt sie Jesum bekennen als den Christ, im Fleische gekommen, und stärkt sie zum sieghaften Behaupten der Wahrheit im Streite mit dem Geiste des Irrthums (Cap. 4, 1 -6.); der eint mit heilsamer Lehre heiliges Leben, indem er die in Christo erschienene Liebe Gottes durch selige Erfahrung in ihnen verklärt, die opferfreudige Losung: „Lasset uns Ihn lieben, denn Er hat uns zuerst geliebt!“ ihnen ins Herz schreibt und ihre Augen erleuchtet, daß sie liebend den unsichtbaren Gott finden in den sichtbaren Brüdern (Cap. 4.). Und Alles, was sie sind und vermögen, im Lieben und im Siegen, das sind und vermögen sie durch ihren Glauben an Jesum Christum, den Sohn Gottes; in ihrem Glauben haben sie das Leben, dessen im Himmel entsprungene Ströme auf Erden fließen im Wort und Sacrament, und mit dem gedoppelten Zeugniß des dreieinigen Gottes begnadigt wissen sie, an wen sie glauben, und daß sie wahrhaftig von Gott sind. - O daß auch unsre Freude völlig wäre im Erwägen dessen, was Johannes geschrieben hat! Sie wird völlig seyn, wenn wir auch unser Christenantlitz in diesem Spiegel erkennen; sie wird völlig werden, wenn wir bitten, daß wir je mehr und mehr Gemeinschaft haben mögen mit dem Jünger der Liebe, der hier zeugt. - Ein Christ kann nicht bekennen, was er von Gottes Gnaden ist, ohne zugleich zu bekennen ein Geschiedenseyn von der Welt, die unter Gottes Zorn bleibt. Der Apostel jetzt hinzu: und die ganze Welt liegt in dem Argen. Die Kinder Gottes tastet der Arge nicht an: die Welt dagegen liegt in dem Argen. Eine erschreckliche Beschreibung der Welt! Der HErr spricht zu. Seinem Volke: „Ihr vom Hause Israel, die ihr von Mir im Leibe getragen werdet und Mir in der Mutter lieget“ (Jes. 46, 3). Im Widerspiel dagegen liegt die Welt in dem Argen, in ihrem Gotte (2 Cor. 4, 4), wie ein Kind in der Mutter (Ev. 8, 44); sie zieht ihre Nahrung aus ihm, ist mit ihm verwachsen, seiner Art, von einem Geiste durchdrungen, durchwirkt und beherrscht („wer die Sünde thut, der ist vom Teufel,“ Cap. 3,8). „Der Teufel ist der Fürst der Welt, die Welt ist eine Teufelswelt, und zwar ganz, die gelehrte Welt, die ehrbare Welt u. s. w. eingeschlossen, diejenigen allein aufgenommen, welche sich Gott und Christo ergeben haben. Durch ihre Abgötterei, Blindheit, Lug und Trug, Tyrannei, Unzucht und alle Bosheit bleibt sie in dem Argen liegen, verlustig des Lebens aus Gott und des Sinnes für das Leben. Der jammervolle Zustand der Welt wird mit dem kurzen Summarium: Die ganze Welt liegt in dem Argen aufs treffendste bezeichnet, und zur Auslegung dieses Spruches dient die Welt selbst, das Thun und Treiben der Weltkinder, ihre Reden, ihre Händel, ihre Gesellschaften u. s. w. Daß sie es so arg machen, ist weniger zu verwundern, als daß sie es nicht ärger machen.“ Bengel. Unter den in die Augen fallenden Weltgeschäften (Cap. 2, 15. 16) erkennt das Auge des Christen die wirksamen persönlichen Kräfte des Reiches der Finsterniß, darum bewahrt er sich vor aller Weltförmigkeit; der Lauf der Kinder Gottes hat nichts gemein mit dem Laufe der Welt (Ephes. 2,2). Auch sie lagen weiland mit der Welt in dem Argen, und weil der Arge mit großem Zorne allen Entronnenen nachstellt, daß er sie wiederum unter seine Gewalt bringe und in seine Lust verflechte, so halten sie eine heilige Diät und enthalten sich jeglichen Dinges (z. B. des weltüblichen Tanzens, Schauspiellens, Romanlesens u. s. w.), wodurch ihre Genesung mit Rückfall bedroht wird. - Von der im Argen liegenden Welt erhebt Johannes den Blick zu dem Erlöser aus des Argen Gewalt und bekennt noch einmal den heilsamen Namen Jesu Christi, aus dem Sinne aller Gläubigen: V. 20. Und wir wissen, daß der Sohn Gottes gekommen ist, und hat uns einen Sinn gegeben, daß wir erkennen den Wahrhaftigen; und wir sind in dem Wahrhaftigen, in Seinem Sohne Jesu Christo. Dieser ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben! Der Sohn Gottes ist gekommen, daß Er die Werke des Teufels zerstöre (Cap. 3, 8). Das hat Er gethan für uns und thut es in uns; weggenommen hat. Er unsre Blindheit, und während der Gott dieser Welt der Ungläubigen Sinne verblendet hat, daß sie nicht sehen das helle Licht des Evangeli von der Klarheit Christi, welcher ist das Ebenbild Gottes (2 Cor. 4,4), hat der Sohn Gottes uns, die wir glauben an Seinen Namen, einen Sinn gegeben, daß wir erkennen den Wahrhaftigen. Dieser den Gläubigen gegebene Erkenntniß sinn ist die Salbung (Cap. 2, 20), die erleuchteten Augen des Verständnisses (Ephes. 1, 18), der helle Schein in unsere Herzen gegeben (2 Cor. 4, 6). Johannes sah die Herrlichkeit des eingebornen Sohnes, und im Lichte dieser Herrlichkeit erkannte er Den, welcher sonst nimmer erkannt wird (Ev. 1, 18; 14,6), den Wahrhaftigen. Mit diesem Namen nennt er Gott im Gegensatze zu der Welt des Scheins und zu dem Argen, dem Lügner. Die im Argen liegende Welt will betrogen seyn und wird betrogen mit Scheingütern, die das Gift des Todes eine Weile überzuckern, und eilt den nichtigen Götzen ihrer Gedanken nach; die Christen aber wissen, daß ihr Glaube das ewige wahre Gut gefunden hat, den Wahrhaftigen, Jehovah den HErrn, den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, den Vater Jesu Christi. Wer ist, der erkennt den Wahrhaftigen, ohne der da glaubt, daß Jesus Gottes Sohn ist? In dieser Glaubenserkenntniß beweist sich der neue Sinn der Christen, und ihr Erkennen ist ein Haben Gottes in Seinem Sohne (Cap. 2, 23). Sind wir durch den Glauben in dem Sohne des Wahrhaftigen, der sammt dem Vater der Wahrhaftige ist, dann erkennen wir den Wahrhaftigen. Wie Cap. 2, 4.5: „Gott erkennen“ und „in Gott seyn“ zusammensteht, so auch hier: und wir sind in dem Wahrhaftigen, in Seinem Sohne Jesu Christo. Das ist unsere Gemeinschaft mit dem Vater und mit Seinem Sohne Jesu Christo. Von allen Menschen und von aller Creatur jagt die Schrift, daß sie in Gott lebe, webe und sey (Apostelg. 17, 28); aber in Gott selig (was in der Sprache Johannis leben heißt) lebt, webt und ist allein die in Christo neue Creatur (2 Cor. 5, 17). Alle Dinge trägt Christus, der HErr über Alles, mit Seinem kräftigen Wort, und die Welt (der Fürst der Welt nicht aufgenommen) ist in Seiner Hand wie der Thon in der Hand des Töpfers; aber Seine Gläubigen trägt Er, das Haupt der Gemeinde, mit dem Geiste Seines Lebens, und die Kirche liegt an Seinem Herzen, wie die Braut an dem Herzen des Bräutigams. Den Namen göttlicher Majestät: der Wahrhaftige legt der Apostel auch dem Sohne Gottes bei, der Eines Wesens mit dem Vater ist, und aus dessen Munde er hernach vernahm „Das sagt der Heilige, der Wahrhaftige“ Offenb. 3, 7.). Doch er will den Grundton seines Zeugnisses von Christo, womit das Evangelium und auch dieser Brief gleich beginnt, das Freudenlied der Christenheit: „Gleicher Gott von Macht und Ehren!“ jetzt am Schlusse noch einmal hell und mächtig erschallen lassen, und seine ganze apostolische Verkündigung in Ein Glaubenswort zusammenfassend schreibt er: Dieser ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben! Dieser, Jesus Christus, auf welchen Johannes so gerne hinweist als auf den unter uns Gegenwärtigen, ist der wahrhaftige Gott. Wäre Er es nicht, so wäre unser Glaube eitel. Aber Er ist es. Halleluja! „Es ist kein andrer Gott!“ Der da gekommen ist im Fleische, der Sein Blut am Kreuze für uns vergossen hat, der da kommt im Wasser und im Blut und von dem der Geist zeugt, daß uns die Sünden vergeben werden durch Seinen Namen: Er ist der wahrhaftige Gott. Unser Glaube legt die Hand in Seine Wundenmale und betet an: „Mein HErr und mein Gott!“ Der gedoppelte Fingerzeig Johannis: Dieser ist's (hier u. V. L.) vergnügt unsern Glaubenssinn und macht unsre Freude völlig. “ Das ist nun Summa Summarum der kurze Inbegriff der Seligkeit, darüber die Kirche triumphiert und jauchzt, daß der Mensch Jesus Christus wahrer Gott sey, und daß in diesem Gott und Menschen wir Alle das ewige Leben haben.„ L. Als das ewige Wort, welches bei Gott und Gott war, war Er im Anfang das ewige Leben; aber jetzt, als das fleischgewordene Wort, als Jesus Christus, welcher der wahrhaftige Gott ist, ist. Er für uns das ewige Leben (V. 11.). So bindet Johannes den Schluß des Briefes mit einem Anfange zusammen: „Wir verkündigen euch das ewige Leben, welches war bei dem Vater und ist uns erschienen (Cap. 1, 2) - dieser Jesus Christus, an dessen Namen wir glauben, ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben!“ Was der HErr im hohenpriesterlichen Gebete erbeten hat, daß Alle, die der Vater. Ihm gegeben, im Glauben an. Seinen Namen den wahrhaftigen Gott erkennen und in solcher Erkenntniß das ewige Leben haben sollen (Ev. 17, 3): das spricht Johannes als dankerfülltes Bekenntniß der Gläubigen aus. - Dazu eine Bekenntnißgeschichte. Ein alter Schulmeister im Braunschweigischen war noch am Abend seines Lebens durch das Gebet und Zeugniß seines Neffen (des seligen Müller) zur Erkenntniß Jesu Christi gelangt. Redlichen Herzens hielt er die Vernunftreligion, die so lange ein Gewinn gewesen, für Dreck und suchte Frieden im Worte vom Kreuz. Aber sehr schwer wurde es ihm, seinem rationalistischen Pastor gegenüber Christum zu bekennen. Sein Neffe legte ihm diese Schuld oft ernst ans Herz, er nahm sich's auch vor zu thun, doch immer wieder entfiel ihm der Muth dazu. Da wurde er bettlägerig krank. Der Pastor besuchte ihn, und die strohernen Tröstungen dieses trostlosen Mannes peinigten ihn; dennoch verschluckte er einmal ums andre das Wort, das der heil. Geist ihm gab zum Bekennen seiner Hoffnung. Bald wurde es schlimmer mit ihm, es ging sichtlich zum Ende; schon drei Tage hatte er sprachlos gelegen, als der Pastor zum letzten Male zu ihm kam. „Es ist aus mit ihm,“ sprach der; „nun, er kann ruhig sterben, denn er ist ein rechtschaffener, überzeugungstreuer …“ Da richtete der Alte sich noch einmal aus, und strahlenden Auges nach oben blickend, rief er mit lauter Stimme: „Jesus Christus ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben!“ Als er das gesagt, sank er auf sein Kissen zurück, und war entschlafen. - Diese Geschichte beleuchte zugleich die armseligen Bemühungen der Gelehrten, welche sich vornehmen zu beweisen, daß das Wort „dieser in unserm Texte nicht auf Christum, sondern auf Gott hinweise. - Indem der Glaube Johannis in dem Menschenantlitz Jesu Christi die herrliche Majestät des wahrhaftigen Gottes erblickt, ruft er seinen Glaubensgenossen noch ein: „Bleibet bei Ihm!“ ins Herz:
V. 21. Kindlein, hütet euch vor den Abgöttern! Amen. Götzen heißt er Alles, was außer und neben Jesu Christo, der da ist der wahrhaftige Gott, als „Gott“ genannt mag werden. Die antichristischen Geister, vor deren Verführung er seine Kindlein so dringend warnt, rühmten sich auch einer „Gemeinschaft mit Gott,“ und über den heidnischen Götzendienst meinten sie hoch erhaben zu seyn; aber es -ist gleich, ob Götzen aus Holz geschnitzt und in Gold gegossen, oder ob sie aus Menschengedanken gefertigt werden (Apostelg. 17, 29.), ja! vor den Abgöttern, welche der Geist sich macht, haben Christen noch wachsamer sich zu hüten als vor denen, welche die Hand aus Holz macht. Nicht der wahrhaftige Gott, sondern ein Abgott ist, was die Juden, die Jesum Christum verworfen haben, und die Muhammedaner, die einem Lügenpropheten huldigen, ihren “ Gott“ nennen; nicht der wahrhaftige Gott, sondern ein Abgott ist, was die abgefallenen Christen, die im Namen Jesu die Kniee zu beugen sich weigern (Rationalisten und Pantheisten), „Gott“ nennen. „Darum ist allerlei Religion, sie habe einen Namen und Schein, so groß und heilig er seyn mag, da man Gott ohne Sein Wort und Befehl dienen will, nichts anders denn Abgötterei, und je heiliger und geistlicher sie scheinen, je schädlicher und giftiger sie sind.“ L. Vergl. Cap. 2, 22. 23. Hütet euch! Möge das Amen zu diesem Wächterrufe des heiligen Johannes nimmer verstummen in der Stadt Gottes! Allen Götzenbildern (Idolen), welche die falschberühmte Kunst mit dem Namen Gottes schmückt, setzt die Kirche Jesu Christi das Bekenntniß entgegen: Dieser ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben, und vom Himmel her bekräftigt Gott dies „ewige Evangelium,“ da die große Stimme ertönt: „Fürchtet Gott und gebet Ihm die Ehre!“ (Offenb. 14. 7.).
HErr Gott lieber Vater, wir danken Dir, daß Du Dein theures Wort reichlich uns beschert und uns Gnade erzeigt hast, an diesem goldenen Kleinode Deiner Kirche, dem Briefe Deines Apostels Johannes, miteinander uns zu freuen. Bereite nun unsern Herzensacker, daß darinnen wurzele und fruchtbar aufkeime, was Du gesäet hast. Unsern Glauben an den Namen Deines Sohnes Jesu Christi wollest Du, liebreicher Gott, mehren und stärken und unser Herz gewiß machen, daß wir das ewige Leben haben, weil wir durch Deine Gnade glauben an Ihn, in dem das Leben und volle Genüge ist. Wir dürfen Dich bitten, Abba lieber Vater, mit Freudigkeit, denn Dein Geist, der uns bitten lehrt, gibt uns Zeugniß, daß Du uns hörest: so bitten wir denn, schreibe den Brief Johannis in unsre Herzen; ja, laß uns selber ein Brief Christi seyn, zubereitet durch apostolischen Dienst und geschrieben mit Deinem Geiste, lebendiger Gott! So viele Sprüche wir in dem Briefe gelesen haben, so viele Bitten, erlangte Bitten laß in unsern Herzen zu lesen seyn. Und unsre Brüder, die mit uns suchen in der Schrift und hören Dein Wort, die stärke und erquicke sammt uns. Ziehe zu Deinem Sohne alle verlornen Sünder, und gib ihnen das Leben in Seinem Blute. Gerechter Vater, der Du Leben und Seligkeit nicht gibst, ohne allein in Jesu Christo, in welchem wir haben die Vergebung unsrer Sünden, behüte vor der Sünde zum Tode die Hörer Deines Evangelii, hole die Verirrten wieder, ehe sie verstockt werden - was sich nicht beugt, zerbrich, und rette Deine Ehre, wo die Menschen Ueberhand kriegen. Mitten in einer Welt, die im Argen liegt, erhalte Deine Kinder in Deinem Arm und Schooß. Sey Du eine feurige Mauer um uns her, unsre feste Burg, unser Schild und Schutz. Du weißt es, denn Dein Werk in uns ist es, daß wir die Sünde hassen und Dich lieben; ach! verzeihe uns alle Untugend, die uns noch anklebt, und schärfe unser Gewissen, daß wir als Sünde erkennen, was vor Deinen Augen nicht taugt, und nimmer uns zufrieden geben, bis wir Deiner Vergebung gewiß sind. Ja, kleide uns täglich in den Rock des Heils, in Deines Sohnes Blut und Gerechtigkeit, daß der Arge Nichts finde, wobei er uns antaste. Bewahre Du uns, und laß uns im Glauben fassen Deine bewahrende Hand, Erhalte uns in der Wahrheit und hilf, daß wir uns hüten vor den Abgöttern, womit der Arge die ganze Welt verführt. Erhalte uns und alle Deine Gläubigen durch den Beistand Deines heiligen Geistes in der Gemeinschaft mit Dir und Deinem Sohne Jesu Christo, und laß unsers Glaubens Freude völlig bleiben bis ans Ende, bis hin zum Schauen, da wir mit ganz herrlicher und unaussprechlicher Freude von Angesicht zu Angesicht Dich, den Wahrhaftigen, erkennen und Dir sammt dem Wahrhaftigen, der zu Deiner Rechten auf dem Stuhl sitzt, unserm HErrn Jesu Christo, ewig jauchzen werden: „Dieser ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben!“ Amen.
Mel. Wach auf mein Herz.
Erhalt uns in der Wahrheit,
Gib ewigliche Freiheit,
Zu preisen Deinen Namen
Durch Jesum Christum. Amen.