Arndt, Friedrich - Das Leben Jesu - Zehnte Predigt. Aussendung der Apostel.
Text: Matth. X., V. 5 - 15.
Diese zwölf sandte Jesus, gebot ihnen, und sprach: Gehet nicht auf der Heiden Straße, und ziehet nicht in der Samariter Städte; sondern gehet hin zu den verlorenen Schafen aus dem Hause Israel. Gehet aber und prediget, und sprechet: Das Himmelreich ist nahe herbei gekommen. Machet die Kranken gesund, reiniget die Aussätzigen, wecket die Todten auf, treibet die Teufel aus. Umsonst habt ihr es empfangen, umsonst gebt es auch. Ihr sollt nicht Gold, noch Silber, noch Erz in euren Gürteln haben. Auch keine Taschen zur Wegfahrt, auch nicht zween Röcke, keine Schuhe, auch keinen Stecken. Denn ein Arbeiter ist seiner Speise werth. Wo ihr aber in eine Stadt oder Markt gehet, da erkundiget euch, ob Jemand darinnen sei, der es werth ist; und bei demselben bleibet, bis ihr von dannen ziehet. Wo ihr aber in ein Haus gehet, so grüßet dasselbige. Und so es dasselbige Haus werth ist, wird euer Friede auf sie kommen. Ist es aber nicht werth, so wird sich euer Friede wieder zu euch wenden. Und wo euch Jemand nicht annehmen wird, noch eure Rede hören, so gehet heraus von demselbigen Hause oder Stadt, und schüttelt den Staub von euren Füßen. Wahrlich, ich sage euch: dem Lande der Sodomer und Gomorrher wird es erträglicher ergehen am jüngsten Gericht, denn solcher Stadt.
Zwölf Apostel waren es, die Jesus gewählt hatte aus dem Volke Israel zu Seinen Zeugen und Boten an die Welt.
Im Texte ertheilte Er ihnen nähere Anweisung für ihren Beruf und ihre Thätigkeit, ehe Er sie je zwei und zwei zum ersten Male in die verschiedenen Kreise des gelobten Landes aussendet; eine Anweisung, die allerdings Vieles enthält, was die Apostel bei ihrer ersten Aussendung allein anging, aber auch Vieles, was noch immer gilt für alle Diener der Kirche, für alle Missionare, für alle Jünger Christi überhaupt. Wir können nichts mehr wünschen, als daß diese Anweisung an allen Thüren und Häusern zur täglichen Lebensordnung geschrieben stände, und daß der heilige Geist mit unauslöschlichem Griffel sie in alle Herzen schriebe zur lebenslänglichen Beobachtung. Viererlei ist es, darauf Jesus zunächst Seine Jünger aufmerksam macht, 1) ihr Wirkungskreis, 2) ihre Botschaft, 3) ihre Ausrüstung, 4) ihr Verfahren.
I.
Zuerst der Wirkungskreis oder der Kreis, in welchem die Apostel für den Herrn thätig sein sollten: „Gehet nicht auf der Heiden Straße, und ziehet nicht in der Samariter Städte, sondern gehet hin zu den verlorenen „Schafen aus dem Hause Israel.“ Wohl war Jesus gekommen für die ganze Welt und wollte ebensosehr der Heiden und Samariter, als der Juden Heiland sein; aber die erste Anwartschaft auf das Reich Gottes hatte immer Israel. Es war seit zweitausend Jahren das auserwählte Volk Gottes; ihm waren Gottes Offenbarungen und Verheißungen vom Messias insbesondere anvertraut worden; ihm gehörten auch die erhabenen Vorbilder der Heilstage, der Tempel, das Priesterthum, das Opferwesen, die heiligen Festzeiten, die Männer Gottes mit ihrem Leben und ihrer Geschichte zu eigen, die die Schatten waren der zukünftigen Güter; Israel war vorbereitet durch Lehre und Zucht, wie kein anderes Volk, für Jesum und Sein Evangelium. In Israel wollte Jesus daher auch zunächst Grund legen zu Seiner Kirche. Es war dies im göttlichen Recht der Haushaltung Gottes begründet. - Es war dies auch zugleich sehr weise. Noch waren ja die Jünger schwach und befangen in allerlei jüdischen Vorurtheilen: wie hätten sie gestutzt, wenn der Herr sie jetzt schon hätte zu den Heiden und Samaritern schicken wollen? Wie wären sie an Jesu vielleicht irre geworden, und hätten die an den Pflugschaar gelegte Hand wieder von demselben zurückgezogen? Dazu bedurfte es erst längerer Vorbereitungen und Uebergänge; Schritt vor Schritt allein konnten in ihrem Herzen die Vorurtheile überwunden und der Wahrheit Bahn gebrochen werden. Noch waren aber auch die Israeliten erfüllt von glühendem Haß gegen die in ihren Augen unreinen Heiden und die nicht minder unreinen Samariter, als daß sie eine Sendung zu diesen Völkern ohne Widerspruch und Haß hätten aufnehmen können; Israel, hätte sogar einen in seiner Geschichte und Berufung begründeten Scheinvorwand für seinen Unglauben an Christum gehabt, wenn Jesus gleich von Anfang an die bestehende Scheidewand zwischen den Nationen aufgehoben hätte. Diese konnte erst fallen mit dem versöhnenden Tode des Herrn. Von da an wurde der Auftrag an die Apostel ein allgemeiner, daß sie hinausgehen sollten in alle Welt und predigen das Evangelium aller Creatur; von da an predigten sie: „Thut Buße, und lasse sich ein Jeglicher taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung der Sünde.“ (Ap. Gesch. 2,38.) Und selbst da noch setzten die Apostel den Vorzug Israels vor den Heiden niemals aus den Augen, sondern wandten sich allezeit zuerst an die Juden, und erst, wenn diese das Heil verworfen hatten, gingen sie mit ihrer freudigen Botschaft an die Heiden. „Euch zuvörderst,“ ruft Petrus den Juden zu, „hat Gott auferweckt Sein Kind Jesum, und hat Ihn zu euch gesandt, euch zu segnen, daß ein Jeglicher sich bekehre von seiner Bosheit,“ und Paulus zu Antiochien: „Euch mußte zuerst das Wort Gottes gesagt werden; nun ihr es aber von euch stoßet und achtet euch selbst nicht werth des ewigen Lebens, siehe, so wenden wir uns zu den Heiden'“ (Ap. Gesch. 3, 26.13.46.) Es ist einmal die allgemeine Regel in Gottes Regiment, daß Er Seine Führungen immer erst in den engsten Kreisen anhebt und sie dann zu den weiteren und weitesten ausdehnt; daß Er Seine Christen mehr segnet als die Juden, Türken und Heiden; daß Seine Gnade und Wahrheit im Reiche der Herrlichkeit glänzender leuchtet, als im Reiche der Natur und der Gnade, daß die Empfänglichen immer einen Vorzug besitzen vor den weniger Empfänglichen, wie vor den Unempfänglichen. Darum unterscheiden wir eine allgemeine, eine besondere und eine besonderste Vorsehung. Darum hatte Jesus einen weiteren Kreis von siebenzig, einen engeren von zwölf, einen engsten von drei Jüngern. Darum ermahnt der Apostel zuerst zur brüderlichen, dann zur allgemeinen Liebe. Darum schreibt er bündig und bestimmt: „So Jemand die Seinen, sonderlich seine Hausgenossen, nicht versorget, der hat den Glauben verläugnet, und ist ärger, als ein Heide,“ (1 Tim. 5,8.) und ein andermal: „Als wir denn nun Zeit haben, so laßt uns Gutes thun an Jedermann, zu allermeist aber an des Glaubens Genossen.“ (Gal. 6,14.) - Wie es der Herr macht in Seiner Haushaltung, so haben wir es auch zu thun in der unsrigen, Geliebte. Erst gilt es, das eigene Herz bekehren, dann die Häuser und Familien; erst die Häuser und Familien, dann die Stadt und das Vaterland, die Gesetze und die Sitten des Volks. Erst das Einzelne, dann das Ganze. Erst das Kleine, dann das Große. Erst das Nahe, dann das Entfernte. Erst das Einheimische, dann das Fremde.
Es war demnach ebenso weise wie gerecht, wenn Jesus Seine Instruction an die Apostel eröffnete mit dem Auftrage: „Gehet nicht auf der Heiden Straße, und ziehet nicht in der Samariter Städte, sondern gehet hin zu den verlorenen Schafen aus dem Hause Israel.“ Merket aber wohl den Ausdruck: verlorene Schafe! Das waren eigentlich Alle in Israel, die Führer wie das Volk; aber nicht Alle erkannten sich als verlorene an; gerade die Allerverlorensten und Kränksten hielten sich für die Gerechtesten und Gesundesten. Jesus macht unter den Schafen Israels daher noch einen Unterschied zwischen denen, die sich verloren hielten und nach dem verlorenen Hirten schmachteten, und denen, die sich nicht verloren dünkten und die suchende Retterstimme überhörten, die angebotene Retterhand verschmähten. Jene, die es werth waren (V. 11.), sollen sie aufsuchen; diese aber nicht, damit sie ihre Zeit nicht unnöthig zersplitterten, noch ihre Kraft aufrieben. Und sie sollen jene aufsuchen mit dem Gefühl, mit welchem der Hirt das verlorene Schäflein, die Frau den verlornen Groschen, der Vater das verlorne Kind aufsucht, mit dem Gefühl der dienenden und bessernden, der unermüdlich nachgehenden und keine Beschwerden und bittere Erfahrungen achtenden Liebe; mit dem Gefühl, mit welchem Christus, der Sohn Gottes selbst, vom Himmel herabgekommen war, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist. O daß dies Gefühl doch allezeit in unserem Herzen glühte und niemals wieder erkaltete! Daß es sich gleich bliebe auch dann, wenn wir auf Undank und Verkennung stoßen, oder Jahre lange Anstrengungen nicht die mindeste Frucht tragen! Daß wir anhielten, es sei zur rechten Zeit, oder zur Unzeit, strafend, dräuend, ermahnend, mit aller Geduld und Lehre!
II.
Nachdem Jesus den Aposteln ihren Wirkungskreis abgegrenzt, zeichnet Er ihnen den Inhalt ihrer Botschaft, das große Thema, über das sie lebenslang zu predigen hätten, und fährt fort: „Gehet aber und prediget und sprechet: das Himmelreich ist nahe herbeigekommen.“ Das war das Thema, über welches Johannes und Christus gepredigt hatten; das sollen auch die Jünger zum Hauptgegenstand ihrer Verkündigung machen, - daß es ein Reich Gottes auf Erden gebe, ein Reich aller Reiche, kein Reich dieser Welt, und dennoch ein Reich, wo ein König regiere und Gesetze walten, und Ein Band der Liebe Fürst und Volk verbinde, und jeder Unterthan durch treue Anhänglichkeit an seinen König und Herrn glücklich und selig sei; daß dieses Reich ein Reich Gottes sei, ein Himmelreich, ein von Gott gewolltes und bestimmtes, ein zum Himmel führendes Reich, in welchem alle heiligen Wünsche des menschlichen Herzens vollkommene Befriedigung finden, in welchem jeder Sünder ein Kind Gottes werden und Vergebung, Gerechtigkeit, Friede und Freude im heiligen Geist erlangen könne; daß dieses erhabene und beseligende Himmelreich kein Traum, kein Gedicht, keine Einbildung, kein leerer Wunsch, sondern Wahrheit und Wirklichkeit sei; daß es nicht in weiten, unerreichbaren Fernen liege, sondern nahe herbeigekommen sei, so daß wir es mit Augen sehen und mit Händen greifen können und Jedem, der nur will, der Eintritt offen steht: das ist es, was den Hauptinhalt aller Predigten in der christlichen Kirche ausmachen soll bis an das Ende der Tage. Keine Weisheit dieser Welt, keine menschliche Klugheit, kein Geschwätz von Politik und Tagesereignissen, keine eigenen Träume, die die Seele weder bessern, noch beseligen, keine bloße Moral, noch ein tödtendes Gesetz, wie im alten Testament, sollen die Diener des Evangeliums im Munde führen; Christum allein sollen sie predigen, von Gott uns gemacht zur Weisheit, zur Gerechtigkeit, zur Heiligung und zur Erlösung. Nichts Besseres können sie den Menschen geben, nichts Besseres können ihre Zuhörer von ihnen vernehmen, und es ist eine ungeheure Verirrung und eine lebensgefährliche Krankheit des Geistes, wenn jene etwas Anderes predigen, diese etwas Anderes hören wollen. Möge Gott uns Alle vor dieser tödtlichen Krankheit, so lange wir leben, bewahren!
Diese Predigt sollten die Apostel sodann als eine göttliche und wahrhaftige bestätigen durch außerordentliche Werke und Wunder, die der Herr durch sie thun würde, durch belebende Wunder einerseits, indem sie die Kranken heilten und die Todten auferweckten, durch reinigende Wunder andererseits, indem sie die Aussätzigen reinigten und die Besessenen vom Teufel erlöseten. (V. 8.) Ohne diesen höheren Beglaubigungsbrief, wer hätte jenen Fischern und Zöllnern Glauben geschenkt? Und noch immer soll sich die christliche Predigt vom Reiche Gottes geistig auf gleiche Weise bewähren, und bewährt sich auch, wenn sie wahrhaftig eine Predigt vom Reiche Gottes ist und nichts Eigenes oder Menschliches bringt, auf diese Weise; sie macht die kranken, wunden Herzen gesund und gibt ihnen den himmlischen Frieden; sie weckt die sichern geistig-todten Seelen auf, daß sie ergreifen das ewige Leben; sie reinigt die Aussätzigen vom Aussatz der Sünde und aller Entehrung und Befleckung des Geistes und Fleisches; sie erlöset die Besessenen vom Teufel des Stolzes, der Eitelkeit, des Zornes, der Wollust und der fleischlichen Begierden. Bleiben diese Beweisungen des Geistes und der Kraft aus, so ist's entweder nicht die rechte Predigt vom Reiche Gottes gewesen, welche verkündigt worden ist, oder die Hörer haben für sie keine Ohren und Herzen gehabt, sondern haben Anderes gesucht, und sind darum leer ausgegangen.
Endlich setzt Jesus noch eine Bedingung hinzu, und befiehlt den Aposteln: „Umsonst habt ihr's empfangen, umsonst gebet es auch!“ Beides also, die Predigt und die wunderthätige Heilung, soll völlig uneigennützig von ihnen getrieben werden; nicht um eigener Ehre oder schnöden Gewinnes willen sollen sie predigen und Wunder thun, sondern aus Herzensgrunde, um Gottes willen, damit Ihm unsterbliche Seelen gewonnen und geworben werden; nicht nur dann sollen sie ihr Amt thun als aus dem Vermögen, das Gott darreicht, wenn sie dafür bezahlt und belohnt werden mit Anerkennung und Befolgung, sondern auch dann, wenn ihr einziger Lohn der Haß, die Feindschaft, die Verfolgung der Welt sein würde. Ist ja an sich schon die Gnade Gottes, die in Predigtamt und wunderthätiger Heilung angeboten wird, so hoch und herrlich, daß aller Welt Güter und Schätze sie nicht bezahlen noch lohnen können; und wird doch, wer die Gnade in ihrer ganzen Herrlichkeit an seinem Herzen erfahren und erkannt hat, sich von innen heraus getrieben fühlen, sie aus freien Stücken, ohne Rücksicht auf Lohn und Ehre, in innerer Liebe und seliger Lust den Brüdern und Schwestern anzupreisen' Wie sehr sich die Apostel diesen Wink des Herrn gemerkt, bewies Petrus, als er dem Zauberer Simon zurief: „Daß du verdammt werdest mit deinem Gelde, daß du meinest, Gottes Gabe werde durch Geld erlanget!“
III.
Vom Wirkungskreise und von der Botschaft führt Jesus die Apostel sodann zu ihrer Ausrüstung. Keine Frage, die bedurften sie. Niemand wird eine Reise antreten, ohne sich mit dem Nöthigen zu versehen. Aber nun höret, welche wunderliche Ausrüstung unser Herr Seinen Jüngern mit auf den Weg gibt; wahrlich, sie klingt gar absonderlich und möchte den Kindern dieser Welt nicht zusagen und munden.
Zu einer Reise gehört offenbar Dreierlei: Geld, Mundvorrath und Kleider; Jesus aber spricht: „Ihr sollt nicht Gold, noch Silber, noch Erz in euren Gürteln haben,“ d. h. euch anschaffen, also kein Geld, weder goldenes, noch silbernes, noch kupfernes; „auch keine Taschen zur Wegfahrt,“ d. h. keine Reisesäcke mit Mundvorrath, „auch nicht zween Röcke, keinen Schuh, auch keinen Stecken“, außer dem, den sie bei sich hatten; genug, sie sollten sich aller weiteren Zurüstungen enthalten, und sich allein auf das schlechthin Unentbehrliche, was sie am Leibe trugen, beschränken, allen anderen Bequemlichkeiten und Bedürfnissen aber entsagen, zum Zeichen, daß sie noch ein besseres Leben kenneten, als das Wohlleben. Da ist von keinem Wechsel, von keiner Anweisung auf dieses oder jenes Haus, von keinen Empfehlungsbriefen, von keinen vollen Taschen und Gürteln die Rede; als die Armen sendet sie der Herr aus, die Nichts haben und doch Alles haben und Viele reich machen; als die Nachfolger des Herrn, der auch nicht hatte, wo Kr Sein Haupt hinlegte. „Arm und klein, stets mit Gott gemein“, das sollte ihre Losung sein. - Nicht, als ob Jesus den Besitz irdischen Gutes überhaupt getadelt hätte; Er hatte ja selbst Geld, Beutel und Brodkörbe. Nicht, als ob Er ihnen die Annahme irdischen Gutes, das ihnen geschenkt wurde, verboten hätte; Paulus schreibt ausdrücklich: „Welcher pflanzt einen Weinberg, und ißt nicht von seiner Frucht? Oder welcher weidet eine Heerde und ißt nicht von der Milch der Heerde? So wir euch das Geistliche säen, ist's ein groß Ding, ob wir euer Leibliches ernten? Wer unterrichtet wird mit dem Wort, theile mit allerlei Gutes dem, der ihn unterrichtet.“ (l Cor. 9,7. Gal. 6,6.). Nicht als ob für die späteren geordneten Zustände der Kirche die hier für die erste außerordentliche Sendung gegebenen Vorschriften maßgebend sein, und wir auch heute noch unsere Missionare in die Heidenwelt ohne die mindeste Ausstattung aussenden sollten: das wäre ein Mißverstand und eine Buchstäbelei, von der mit Recht gälte: der Buchstabe tödtet, der Geist macht lebendig. Das allein will der Herr sagen, daß Seine Diener so wenig Bedürfnisse wie möglich haben sollen. Und hat Er darin nicht Recht? Sind diese vielen Bedürfnisse nicht allezeit ein Haupthinderniß für das Reich Gottes gewesen? Ist nicht das große Unglück unserer Gegenwart meist mit daher gekommen, daß die Menschen dieser Zeit zu viel Bedürfnisse haben, daß sie die Natur überall durch die Kunst erweitern, daß sie unnatürlich, unersättlich, ungenügsam, unzufrieden in's Maßlose hinausstreben, daß sie das vollkommen Entbehrliche und Ueberflüssige auch für unentbehrlich und nothwendig halten? Die Schrift sagt: „Gott hat den Menschen einfach geschaffen, aber der Mensch sucht viele Künste.“ Glücklich, wer wenig braucht! Glücklich, wer in seinem Gebet um Irdisches über die Grenze nicht hinausgeht: „Unser täglich Brod gib uns heute“! und der apostolischen Ermahnung nachkommt: „So wir Nahrung und Kleidung haben, so lasset uns begnügen; denn wir haben nichts in die Welt gebracht, darum offenbar ist, wir werden auch nichts hinausbringen!“
Die zweite Ausrüstung ist enthalten in der Verheißung: „denn ein Arbeiter ist seiner Speise werth“, d. h. sorget darum nicht, daß ich euch nichts mitgebe; wenn ihr nur wahrhafte Arbeiter seid, werdet ihr schon den nöthigen Unterhalt empfangen. Von wem sie ihren Lohn empfangen sollten, sagt Jesus nicht; Er brauchte es auch nicht zu sagen, denn das verstand sich von selbst. Sie sind Gottes Arbeiter, so ist es auch Gott der Herr, der für sie sorgen, der ihnen die Herzen erwecken und die Hände öffnen wird. In den Augen der Welt war das allerdings wenig genug mitgegeben, in den Augen gläubiger Kinder Gottes war diese Anweisung auf den reichen Vater im Himmel, diese Verheißung: „Der Arbeiter ist seiner Speise werth“, wichtiger, als noch so volle Taschen und Gürtel voll Gold; denn diese Anweisung erkennt Gott allezeit als die Seinige an, diesen Wechselbrief zahlt Er gewiß und pünktlich aus, und Er hat noch nie Banquerott gemacht in der Erfüllung Seiner Versprechungen; was Er spricht, das geschieht, was Er gebeut, das steht da. So lange die Welt steht, hat der Herr Wort gehalten; Er ist nicht ein Gott, daß Er lüge oder daß Ihn etwas gereue. Als Jesus am Ende Seines dritten Lehrjahres die Jünger fragte: So oft ich euch gesandt habe ohne Beutel, ohne Tasche und ohne Schuh, habt ihr je Mangel gehabt? mußten sie antworten: Herr, nie keinen!
Das also ist die Ausstattung, welche der Herr Seinen Aposteln mitgibt: wenig Bedürfnisse und viel Gottvertrauen! Und diese Ausstattung hat sich bewährt im Laufe der Zeiten. So oft die Kirche gekränkelt hat oder erstarrt und zu Grabe getragen ist, hat der Grund daran gelegen, daß sie zu viel Bedürfnisse und zu wenig Gottvertrauen gehabt hat; und so oft sie in voller Blüthe prangte und Früchte der Gerechtigkeit trug, jedesmal werdet ihr dann in ihrem Schoße wenig Bedürfnisse und viel Gottvertrauen finden. Was aber von der Kirche gilt, gilt von jedem Einzelnen auch. Versuche es einmal in deinem Hauswesen oder in deinem Herzensleben mit dieser Ausrüstung, und du wirst nicht zu Schanden werden.
IV.
Noch einen vierten Gegenstand bringt heute in unserm Texte der Herr zur Sprache, nämlich das Verfahren der Apostel oder die Methode bei ihrer Wirksamkeit. „Wo ihr aber in eine Stadt' oder Markt gehet, da erkundiget euch, ob Jemand darinnen sei, der es werth ist, bei dem die Gnade bereits vorgearbeitet und einen Funken göttlichen Lebens entzündet hat, und bei demselbigen bleibet, bis ihr von dannen ziehet“, da kehret ein mit eurer Friedensbotschaft, den suchet auf, auf den wendet den meisten Fleiß; denn ein heilsbegieriger Mensch ist besser, als hundert bloße Hörer ohne Empfänglichkeit. Ob er sonst reich oder arm sei, hoch oder niedrig stehe, darauf kommt's nicht an; im Gegentheil sei euch in der Beziehung der Eine so lieb, wie der Andere; darin machet keinen Unterschied und meidet jeden bösen Schein, als ob das reichere Haus oder die bessere Bewirthung euch angenehmer sei, als die ärmere. Freilich ist solche Erkundigung nicht leicht; man kann sich dabei irren und von Anderen getäuscht werden; auch die Jünger konnten trotz der genauesten Nachforschung doch auch einmal in ein falsches, unwürdiges Haus hineingerathen, wo sie statt williger Aufnahme Haß und Verschlossenheit antrafen, - allein sie hatten dann doch den Versuch gemacht und das Ihrige gethan, und auch für einen solchen Fall hatte der Herr schon mit den erforderlichen Maßregeln Vorkehrung getroffen.
Er sagt weiter: „Wo ihr aber in ein Haus gehet, so grüßet dasselbige“ mit demnach der Landessitte gewöhnlichen Gruß: Friede sei mit euch! wünschet ihnen den guten Tag, und schließet euch höflich an das Gewohnte an, so daß ihr jedes Absonderliche und Auffallende vermeidet und euch, so viel an euch steht, die Herzen vertrauensvoll zuwendet. Dieser Friedensgruß sei dann auch in eurem Munde kein leerer Wunsch, sondern euer Herz sei bei dem Gruße, Jeder sehe und höre es euch gleich an, daß ihr Friedensboten seid, daß ihr Jedermann den rechten Frieden bringet, und kein brennenderes Verlangen habt, als Alle des göttlichen Frieden, der in euch lebt, theilhaftig zu machen. „Und so es dasselbige Haus werth ist, wird euer Friede auf sie kommen“ und ihnen den Segen Gottes in Haus und Herz bringen; ist es aber nicht werth, - denn darauf muß jeder Bote des Herrn gefaßt sein; aufdrängen kann er Niemanden die Wahrheit, nicht einmal aufreden, sie kann nur angeboten, und darauf entweder angenommen oder verworfen werden; auf Bekehrung in Massen ist nicht zu rechnen, die Wahrheit und Reinheit der Bekehrung ist viel wichtiger; Bekehrung Aller ist sogar unmöglich, es wird immer Unwürdige geben, die, weil sie die göttliche Barmherzigkeit nicht verherrlichen wollen, die göttliche Gerechtigkeit werden verherrlichen müssen; - ist es aber nicht werth, so wird sich euer Friede wieder zu euch wenden, euch selbst zu gute kommen und euren Frieden, eure Glaubensfreudigkeit, euren Zeugenmuth nur noch vermehren. Im Reiche Gottes gibt's keine vergebliche Arbeit. Auf jede Saat folgt hier eine Erndte. Das Wort Gottes kehrt nie wieder leer zurück, sondern richtet immer aus, wozu es gesandt ist. Trägt es keine Frucht bei denen, die es hören, so segnet es desto mehr die, welche es predigen, zum Zeugniß der Verächter und Widersacher. Wie hat sich heut zu Tage diese Wahrheit insbesondere im Werk der Mission bewahrheitet, daß die Christenheit fast mehr oder doch eben so viel als die Heidenwelt gesegnet, und in den letzten Tagen nun auch das Werk der inneren Mission hervorgerufen hat!
So ist das Wort Gottes den Einen, die es annehmen, ein Wort des Lebens zum Leben, den Andern ein Wort des Todes zum Tode; der Friede kehrt zu denen zurück, die ihn bringen, der Fluch kommt aber über die, die ihn verwerfen. „Und wo euch Jemand nicht annehmen wird, noch eure Rede hören, so gehet heraus von demselbigen Hause oder Stadt, und schüttelt den Staub von euren Füßen“, zum Zeichen, daß ihr das Evangelium nicht um eures Gewinnes willen verkündiget, und daher auch nicht das Geringste, nicht einmal den Staub von ihnen nehmt; zum Zeichen, daß ihr keine Mühe gespart habt und auch ihnen nachgegangen seid nach dem Befehl eures Herrn, zum Zeichen, daß ihr keine Schuld habet an ihrem Gericht und ihrer Strafe; zum Zeichen, daß ihr mit Solchen, die euern Herrn und Heiland verwerfen, nicht länger in Gemeinschaft stehen wollet, sondern sie für Heiden erklärt, ob sie auch mitten in Israel wohnten. „Wahrlich, ich sage euch, dem Lande der Sodomer und Gomorrher, welche für die sündigsten Menschen in der alten Welt galten, wird es erträglicher ergehen am jüngsten Gerichte, denn solcher Stadt“; denn Jene hatten so große Gnade nicht erfahren, so viel Gelegenheit zur Bekehrung nicht gehabt, wie die, denen ihr das Evangelium bringet; Jene hatten nur Engel verworfen, diese aber den Herrn der Engel, der sie hat selig machen wollen. Es wird allerdings verschiedene Grade und Stufen der Strafe geben; aber die härteste wird den Unglauben an Christum treffen, welcher den Herrn der Herrlichkeit verschmähet hat. Die Welt hält den Unglauben entweder für eine gar geringfügige oder für gar keine Sünde, im Gegentheil oft für ein Zeichen großer Klugheit und Bildung, und lächelt vornehm über die Einfalt, welche dem Glauben heut zu Tage noch huldigt. Der Herr aber, der Richter der Lebendigen und der Todten, erklärt ihn für die größte und strafwürdigste Sünde. Härter ist nie ein Ort in der Welt gestraft worden, als Sodom und Gomorrha; härter noch soll der Unglaube an Christum nach Seiner Erklärung gestraft werden. Und ist Unglaube nicht wirklich, unverschuldet, ein sehr großes Unglück, verschuldet, die schwerste aller Sünden, weil der Keim und Inbegriff aller andern? Ihr entsetzt euch über den Undank: der schnödeste Undank gegen den Herrn ist aber der Unglaube, denn er tritt die Liebe mit Füßen, die die Welt also geliebt hat, daß sie ihren eingebornen Sohn gab, auf daß Alle, die an Ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Ihr schaudert zusammen vor ungerathenen Kindern und rebellischen Unterthanen, und denkt gleich an die Schriftworte: „Ein Auge, das den Vater verspottet, und verachtet, der Mutter zu gehorchen, das müssen die Raben am Nach aushacken und die jungen Adler fressen; wer das Schwerdt gegen die Obrigkeit nimmt, der soll durch das Schwerdt umkommen“; der empörendste Ungehorsam, die frechste Empörung gegen den ausdrücklichen Willen Gottes, daß wir an den Namen Seines Sohnes glauben sollen, ist aber der Unglaube. Ihr bebt zurück vor Spott und Gotteslästerung: der Unglaube an Christum ist aber Spott und Gotteslästerung, weil er folgerecht den Sohn Gottes für einen Gotteslästerer erklärt und erklären muß. Jesus nennt die Sünde gegen den heiligen Geist die Sünde, die nicht vergeben werden kann, weder in dieser, noch in jener Welt; aber der leise Anfang und der erste Schritt zu jener Sünde liegt im Unglauben; sie ist ja in ihrem innersten Wesen nichts Anderes, als der hartnäckige Unglaube bis in den Tod. Furchtbare Wahrheit aus dem Munde des Herrn: „Es wird Sodom und Gomorrha am jüngsten Gericht erträglicher ergehen, als dem Unglauben!“
„Wer nicht glaubt, daß Ich es sei, der wird sterben in seinen Sünden; wer nicht glaubt, der wird verdammet werden!“ Laßt uns denn, Geliebte, den Aposteln glauben, dann werden wir auch Christo glauben; laßt uns Christo glauben, dann werden wir auch an Christum glauben und das ewige Leben haben. Glauben wir erst wahrhaft an Seine reine, heilige Menschheit: dann werden wir auch an Seine ewige Gottheit glauben. Nur ein Herr, wie Er, konnte solche Befehle an die Apostel erlassen, wie im Texte; nur einem Herrn, wie Ihm, können wir folgen und gehorsam sein. O und dieser Glaube macht selig; dieser Glaube gefällt Gott; dieser Glaube führt zum Schauen; dieser Glaube schaut jetzt schon Gottes Herrlichkeit.
Der Glaube ist ein Licht, im Herzen tief verborgen,
Bricht wie ein Glanz hervor, scheint wie der helle Morgen,
Erweiset seine Kraft, macht Christo gleichgesinnt,
Erneuert Herz und Muth, macht uns zu Gottes Kind.
Amen.