Arndt, Friedrich - 50. Andachten zum Philipperbrief

Arndt, Friedrich - 50. Andachten zum Philipperbrief

Philipper 1.

Als die Gemeinde zu Philippi gehört hatte, daß Paulus in Rom um des Evangelii willen gefangen saß, schickte sie den Epaphroditus dorthin mit einer Gabe für den Apostel. Durch ihn erhielt Paulus zugleich Nachrichten von dem Zustand der Gemeinde, die theils sehr erfreulich waren, theils aber auch Befürchtungen erregen mußten, weil Irrlehrer, wie in Galatien, aufgetreten waren, die neben Christo das mosaische Gesetz wollten gehalten wissen. Paulus schrieb daher diesen Brief an die Philipper und sandte ihn durch Epaphrodit zurück. Er versichert die Gemeinde seiner Liebe und Fürbitte, theilt ihr sodann Nachrichten mit über seinen äußern und innern Zustand, und ermahnt sie zur Standhaftigkeit. Dabei sagt er von sich: Christus ist mein Leben. Großes Wort, nur in meines Gottes Worte, nur an Jesu Herzen gefunden! Großer Apostel, dürfte ich dir’s nachsprechen! O Jesus, mein Heiland und Herr, wärest Du auch mein Leben! Du einziges Licht der Seelen, ihr Friede, ihre Seligkeit! O wäre mein Geist von Deinem Geiste umfangen und Deine Liebe meiner Seele Gluth! Deine Gedanken allein meine Gedanken, und Deine heiligen Wege meine Wege, und Deine heiligen Triebe meine Triebe! Doch, das wirst Du mir werden; Dein Geist sagt es mir zu, und Deine Liebe und Treue tragen ja doch allein mein armes Leben! Ohne Dich ist mir die schöne Welt wüste, aller Welt Geister sind mir fremde, unheilige, unselige Geister; aller Welt Dinge Leerheit, Eitelkeit, Kummer meiner Seele; nur bei Dir ist mir eine Freude Freude, der Frieder erquickend, die Lieb köstlich, das Leben ein Leben; nur bei Dir habe ich Ruhe für meine Seele, und kann dann auch wie Paulus hinzufügen: und Sterben ist mein Gewinn, das Ende alles Ringens und Leidens, die Erlösung von allen Beschwerden dieses armen, vergänglichen Lebens und Eingang in jene selige Ewigkeit, wo keine Sünde mehr sein wird und darum auch kein Leid und Tod ewiglich. Ohne Dich sind Leben und Tod zwei große Uebel, und wir wissen nicht, welches das geringere ist; in und mit Dir ist aber Leben und Tod gut, beides eine Gnade Gottes, und wir können das Leben lieben und den Tod wünschenswerth finden. Amen.

Philipper 2,1-11.

Herr Jesu, lebendiger Heiland, Du hast Dich nach Deiner Auferstehung Deinen vorerwählten Zeugen durch so mancherlei Erweisungen als lebendig dargestellt, und von da an als Gottes Sohn in der Kraft nach dem Geist der Heiligkeit bewiesen: ach. so gehe denn mein armes Herz nicht vorbei, sondern offenbare Dich mir auch, daß ich Dich sehe in Deiner Lebenskraft, besonders an dem Abend dieses Tages. Ja, laß mich nur Dein Herz sehen, getreuer Heiland, welches Du in Deiner Auferstehung den Deinen geoffenbaret hast; so genüget mir. Dein treues Herz hat sich am ersten nach den Elenden umgesehen; ja, die Allerelendesten waren die nächsten an Deinem Herzen. Maria Magdalena, von welcher Du sieben Teufel ausgetrieben hattest, durfte Dir am ersten Deine für sie insonderheit durchgrabenen Füße küssen. Petro, der Dich dreimal verleugnet hatte, ließest Du es am ersten mit Namen durch Deine Engel und Jüngerinnen sagen: daß Du ihm zu gut von den Todten auferstanden seiest; ja, er durfte Dich und Dein Herz der Lieb zu den tiefgefallenen Sündern am ersten unter allen Aposteln sehen. Thomas hatte sich so sehr verirrt und verwirrt durch seinen Unglauben und durch seine Härtigkeit des Herzens; und Du hast ihn mit so besonderer Treue und Erbarmung wieder angenommen. Ach, so bitte ich noch einmal flehentlich und inniglich: gehe doch an mir nicht vorbei in diesen Tagen, an diesem Abend, in dieser Nacht. Ich bedarf Deiner Erscheinung und der Offenbarung Deines treuen Herzens so wohl, als jene, Deine Jünger und Jüngerinnen nimmer. Ich bin viel elender als Maria Magdalena; denn ich liebe Dich noch lange nicht so wie sie, und habe Dich gestern und heute nicht so vor Aufgang der Sonne, nicht mit so heißen Thränen, nicht ohne so alle Vernunftbedenklichkeit in lauterer Liebesbrunst gesucht, wie sie. Ich bin viel elender als Simon Petrus; denn es hat weder die Predigt von Deinem Kreuz, noch das Wort des Lebens von Deiner Auferstehung, welches ich in diesen Tagen so reichlich gehört, mein Herz so zerschmelzet, und meine Augen so zu Thränenquellen gemacht, wie Petri Herz auf einen einzigen Blick von Deinem Angesicht wie Wachs zerschmolzen, und seine Augenlider wie Wasser flossen über sein Verderben. Ich bin viel elender als Thomas; denn Thomas blieb nur acht Tage im Unglauben, ich aber, ach Du Herr, wie lange? So wende Dich denn zu mir in Gnaden. Nahe Dich zu mir. Neige Dein Herz zu meinem Herzen, so neiget sich mein Herz zu Deinem Herzen. Rühre es, so lebet es. Entzünde es, so glühet es. Oeffne es, so thut es Dir sich auf, daß Du eingehen und es mit Deiner Liebe durchdringen kannst. Was hilft mir’s, daß ich lebe, wenn ich nicht in Dir lebe, und wenn Du nicht in mir lebest? Wie kann ich ruhig schlafen in dieser Nacht, wenn Deine Liebe nicht mein Panier über mir ist? Wo soll ich hin in meinem Leiden, wenn mir’s Deine Liebe nicht heiligt und versüßt? Und wie fürchterlich und schrecklich wird das Ende meines Lebens sein, wenn ich Dich, den Ersten und Letzten und Lebendigen, der allein die Schlüssel der Hölle und des Todes hat, nicht in meinem Herzen wohnend und herrschend habe? Darum erfülle auch an mir Deine theure Verheißung: „Ich lebe, und ihr werdet auch leben. Und wer da lebet und glaubet an mich, der soll nimmermehr sterben.“ Ich glaube es, lieber Herr, hilf mir von meinem Unglauben.

Durch Deine Auferstehung und Himmelfahrt hilf mir, lieber Herr Gott. O Leben, leb’ in mir, und laß in Dir mich leben. Amen.

Philipper 2.

Nachdem der Apostel im Anfange dieses Kapitels zur Liebe und Demuth nach dem großen Vorbilde Christi ermahnt hat, gibt er den Philippern Nachricht von zwei treuen Gehülfen bei der Verkündigung des Evangeliums, Titus und Epaphroditus. Auch an mich ist die hohe Ermahnung gerichtet, mit Furcht und Zittern zu schaffen daß ich selig werde. Es ist ja dies die Aufgabe aller Stunden, aller Tage des ganzen Lebens; es gibt dies erst unserm sonst so kurzen und eitlen Leben, auf Erden eine Bedeutung und einen wahren, ewigen Werth. Dies eine Geschäft immerdar vor den Augen unverrückt, und wir haben nicht umsonst gelebt und geliebt, nicht umsonst uns gefreut, nicht umsonst gelitten und geweint, gearbeitet und gekämpft. Aber freilich ist diese Aufgabe für unsere eigenen Kräfte viel zu hoch, und wir können nur mit Furcht und Zittern daran denken. Gottlob, daß der Apostel hinzusetzt: Denn Gott ist es, der da wirket in uns beides, das Wollen und das Vollbringen, nach Seinem Wohlgefallen. Im Werke des Heils ist Er Anfang, Fortgang und Ende. Er gibt uns, was wir uns selbst zu geben nicht vermögen; Er gibt uns in Christo wieder, was wir in der Sünde verloren, Heil, Leben und Seligkeit; Er gibt Wollen und Vollbringen, beides vom dem ersten Zuge des neuen göttlichen Lebens an bis zu dem Höchsten und Seligsten, zu der vollen Freiheit, Macht und Herrlichkeit der Kinder Gottes, und Er hat sein gnädiges Wohlgefallen daran. Sind wir eitel, Er ist wahrhaftig! sind wir untreu, Er ist getreu; vermögen wir nichts, Er vermag Alles; haben wir von uns nichts, er gibt uns Alles. Haben wir in uns nur Unreines und Sünde, Er macht uns rein und heilig, Er macht in uns Alles neu. Herr Jesu, ich glaube es Dir; o mache auch in mir Alles neu und fahre fort zu wirken Wollen und Vollbringen des Guten nach Deinem Wohlgefallen, damit ich durch Dich vor Gott gerecht und selig werde. Amen.

Philipper 3.

Paulus warnt vor den jüdischen Irrlehrern, entwickelt die Nichtigkeit ihrer irdischen Vorzüge und seine wahre und alleinige Gerechtigkeit in Christo, und ermahnt endlich, ihm nachzufolgen, mit Vorhaltung der großen Hoffnung der dereinstigen völligen Verklärung. Nach dieser Verklärung, nach der Herrlichkeit Deines Hauses sehnt sich auch mein Geist, o Herr, und Dein unwürdiges Kind begehrt zum Anschauen Deiner Klarheit zu gelangen. Wann werde ich kommen vor Dein Angesicht, wann werde ich vollendet werden? – Und werde ich würdig sein, Dein Heiligthum zu betreten? Du allein, o Herr, kannst nur die Pforten öffnen, die mich zu Deinem Lichte führen, und nur Du kannst machen, daß meine Hoffnung nicht zu Schanden wird. O verschmähe mich nicht und erbarme Dich mein, hilf mir durch Deinen mächtigen Arm, und laß mich nicht verloren gehen vor Deinem Angesicht durch meine Sünden! Nach Dir dürstet meine Seele, nach Dir, dem lebendigen Gott! Wann werde ich von der dürren Erde zu den Wassern des ewigen Heils gelangen; wann wirst Du meinen Durst stillen und mich tränken vor Deinem Angesicht, Du Quelle alles Lebens? Herrlicher und schöner Tag, den kein Abend endet; wenn die Stimme des Lobes und des Frohlockens gehört wird; wo Freude ohne Traurigkeit kund wird, Freude der Ewigkeit! Dort ist Alles vollkommen, und nichts dort, was Du nicht willst. Kein Feind, kein Fallstrick drohet mehr, sondern die höchste Ruhe und ungetrübte Seligkeit sind das ewige Erbe aller derer, die in Deinem Anschaun versammelt sind. O wann werde ich eingehen und Dich schauen; wann wird die große Erscheinung Deiner Herrlichkeit mein Theil? Ich warte meines Heilandes Jesu Christi, welcher meinen nichtigen Leib verklären wird, daß er ähnlich werde seinem verklärten Liebe. Komm, Herr Jesu, und führe mich, und mir wird wohl sein. Führe meine Seele aus ihren Banden, daß sie Deines heiligen Namens sich freue. Höre mich, Herr, und leite mich aus den Unruhen des zeitlichen Lebens in den Hafen der ewigen Seligkeit. Selig sind, welche die Gefahren des stürmischen Meeres dieses Lebens überwunden haben, und zu Dir, dem sichern Hafen, zu gelangen gewürdigt wurden! Amen.

Philipper 4.

Die Philipper hatten dem Apostel eine Unterstützung durch Epaphroditus geschickt. Paulus erkennt ihre Liebe, spricht seine Freude darüber aus und seine Dankbarkeit, ja, sagt es ihnen mehr als einmal, daß sie Gutes an ihm gethan. Aber er freut sich nicht wie Irdischgesinnte der irdischen Gaben allein, auch nicht wie Kleinmüthige nach jeder sichtbaren Hülfe in ihrem Kleinglauben gierig sind; er hatte auf den Wegen des Herrn ein Anderes gelernt, nämlich: in den mißlichsten Zeiten und den drückendsten Lagen überall und in Allem sich genügen zu lassen. Fragst du: wie denn das? Calvin antwortet: „Denn die Heiligen wissen, daß es also Gott gefällt. Darum aber messen sie, was da genüget, nicht nach der Fülle der Dinge, sondern nach dem Willen des Herrn, den sie aus dem, was da ist, erkennen, dieweil sie überzeugt sind, daß ihre Sachen durch Seinen Willen und Seine Fürsorge regiert sind.“ Freilich ist solches Sichgenügenlassen eine schwere Kunst dem unruhigen, begehrlichen Sinne der Menschen, und stehet nur im kindlichen Glauben an den treuen, und gnädigen Herrn, der jeden Bissen Brodes als Gnadenbrod ansieht, der bei Christo gelernt hat, was der wahre Reichthum ist, was Hoheit und Niedrigkeit in Gottes Augen und die einzige Freude und Ehre der Seelen. Des Glaubens Güter machen die Seele reich; das sonst so unersättliche Begehren des Fleisches, der Sinne, des Herzens legt sich; man genießt das Irdische mit Dank, doch als zur Noth, am Wege, und bleibt nicht darinnen; höher strebt und lebt das Herz. In der Güter Fülle schwelgt man nicht; im Hunger verhungert man nicht; man begehrt weniger, und mit Wenigerem reicht man aus; man weiß von Mangel, und leidet doch nicht Mangel; man freut sich an den Brosamen, die von dem reichen Tische des Herrn herabfallen; ja, sollten auch die Brosamen eine Weile ausbleiben, man glaubt, wartet, harret, und harret nicht vergebens, denn der Herr ist nahe; man vermag das Alles durch den, der uns mächtig macht, Christus. Amen. Hallelujah!

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