Zinzendorf, Nikolaus von - Reden über den 2. Artikel - Die elfte Rede.

Zinzendorf, Nikolaus von - Reden über den 2. Artikel - Die elfte Rede.

Wer da bekennet, daß Jesus der Gottessohn ist (in ganz eigentlichem Verstande), der bleibet in Gott und Gott in ihm. 1 Joh. 4, 15.

So sieht's mit einer Seele aus, die den Glauben und das Leben hat. So bald man glaubet und bekennet, daß der Jesus der Gott von Gott ist, so folget alles Übrige daraus; man wird ein Kind Gottes, man ist willig, in Alles hinein zu gehen. Nach Deinem Siege wird Dir Dein Volk williglich opfern im heiligen Schmuck. Ps. 110, 3. Es ist billig unter die Fehler der ersten Christen zu zählen, daß sie zuweilen einen ziemlichen Haß gegen die übrigen blicken ließen, die keine Christen waren. Und es kam doch bei denen, die keine Christen waren, nicht lediglich auf den bösen Willen an, sondern die Wahrheit, daß Jesus der Sohn Gottes sei, war eine Sache, der von Jedermann widersprochen wurde, Juden und Römern. Darüber konnten die Menschen, ohne ein apartes göttliches Gnadenlicht, nicht hinkommen und es glauben.

Heutzutage ist es schlimmer, da kostet es mehr, die Menschen zu lieben, die sich unterstehen zu sagen, daß Jesus der Sohn Gottes sei, und dennoch in der äußersten Leichtsinnigkeit leben, und nur das, was zur äußerlichen Religion gehört, mitmachen, außerdem aber die Sache wirklich in Zweifel ziehen, oder doch im Wandel ihren Unglauben verrathen.

Aber es hat doch auch damit eine besondere Bewandtniß, und wir müssen Geduld haben. Die Furcht, die ehemals die Menschen nöthigte zu läugnen, daß Jesus der Sohn Gottes sei, die nöthiget sie itzo, es zuzugehen.

Wer es in der That nicht glaubet, daß Jesus ins Fleisch gekommen ist, den sollen wir seinem Richter stehen lassen. Fleisch und Blut kann uns das nicht offenbaren. Matth. 16, 17. Auferziehung, menschliche Überzeugungen und Gründe schreiben das den Menschen nicht ins Herz, sondern aufs höchste in den Kopf. Es muß durch das Licht geschehen, davon Paulus sagt: Gott, der da hieß das Licht aus der Finsterniß hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben, daß (durch uns) entstände die Erleuchtung von der Erkenntniß der Klarheit Gottes in dem Angesichte Jesu Christi. 2 Cor. 4,6. Dem natürlichen Menschen ist es eine Thorheit, und vernimmt nichts davon. 1 Cor. 2, 14. Die Jünger zu Emmaus verstanden es nicht, aber ihr Herz brannte. Luc. 24, 32. Durch die Gnade des Heilandes muß das Feuer ins Herz kommen, das Er nicht eher ausstreuen kommen, bis Er getaufet war mit der Taufe, über der Ihm so bange war, bis sie vorüber ging. Luc. 12, 49. 50.

Nun aber wird das göttliche Feuer einer jeden Seele mitgetheilt, wenn sie nicht ihr Herz wie ein Demant verhärtet, sondern offen lässet. Aber wer thut das? Wer lässet das Herz offen, wenn gleich der Herr aufschließet? Jesus sagte noch zum Thomas, da er schon wirklich Seine Nägelmale sahe, und Ihm in Seine Seite griff: Sei nicht ungläubig. Also muß man auch da zweifeln können, wenn man siehet. „Der Glaube ist nicht Jedermanns Ding.“ 2 Thess. 3, 2.

Wie siehet es aber mit denen aus, welche es durch die Gnade wahrhaftig glauben, daß Jesus für sie gestorben ist?

Petrus sagt: „Stellet euch nicht, gleichwie vorhin, da ihr in Unwissenheit nach den Lüsten lebetet; sondern nach dem, der euch berufen hat und heilig ist, seid auch ihr heilig in allem euerm Wandel. Denn es stehet geschrieben: Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig. 1 Petr. 1, 14-16.

Zwei Dinge übersteigen unsern Begriff: Die Wichtigkeit der Sache, dazu man nicht Worte genug findet; und: wie man es machen soll, daß man die göttlichen Wahrheiten, wenn man ihnen Beifall gegeben hat, erhält.

Es würde ein schweres Gericht daraus erfolgen, wenn man einmal geglaubt hätte, und hernach das Testament der Gnade wieder schmähen und das Blut der Versöhnung wieder gering achten wollte.

Ein Jeder muß gestehen, wenn's wahr ist, daß Gott Mensch worden ist, so ist nichts, das die schwere Verantwortung einigermaßen erleichtern kann, als die Unwissenheit oder die betrübte Unseligkeit des Unglaubens; die Unwissenheit, wenn man noch nichts davon gehöret hat; der Unglaube, wenn man's nicht annehmen kann, wenn's Herz noch gar anders denkt.

Von der Unwissenheit heißt's: Gott hat die Zeit der Unwissenheit übersehen. Ap.Gesch. 17,30.

So lange der Unglaube das Gegentheil des wirksamen Glaubens, das ist: ein fremdes Werk in uns ist, das uns die Sinnen blendet; so hat es noch was von der ersten Art: so bald aber der Accent auf unser eigenes Glauben-mögen recht gelegt wird, so ist des Heilands Ausspruch klar: Wer nicht glaubet, der ist schon gerichtet. Joh. 3, 18. Wer keine Verdammung in sich fühlet, wer noch kein unruhiges Herz hat, der mache sich's dann erst durch allerlei böse Thaten; den beurtheile ich nicht. denn er ist vielleicht noch nicht gezogen, er hat ohnedem nichts Bleibendes bei ihm, wenn auch schon Verstand und Gefühl zuweilen noch so kräftig dahingerissen würden. Der Heiland muß immer den Anfang machen: man muß erst die Stimme des Sohnes Gottes hören, da wacht man auf, und wenn wir wach bleiben, so lernen wir glauben.

Wer den Zorn Gottes nie fühlet, der ist todt. Ist er aber ein getaufter Christ, so ist er zum andernmal gestorben.

Von der Stunde an, daß eine Seele lebt, daß gleichsam ein Geist aus Gott über sie kommt, da höret sie die Stimme des Sohnes Gottes, die redet nichts als Blut der Versöhnung. Wer das Leben hat, und die Stimme des Sohnes Gottes gehört hat, der fühlet, wenn er Jesum nicht als seinen Herrn erkennet, daß er verloren ist.

Wer aber glaubet, Alles hinwirft, und sich nicht mit Fleisch und Blut bespricht, sondern gleich seinem Herzen nachgehet: der kann in einem Augenblick aus dem Verderben herausgerissen, und ein Kind Gottes werden, so bald er sich nur als einen Sünder vor dem Freunde der Sünder niederwirft. Er hat uns geliebet, und gewaschen von den Sünden mit Seinem Blute. Offenb. 1, 5. Der Trieb des Herzens, des glaubenden Herzens, der den Sünder bis zum Kreuze Jesu getrieben hat, der macht Alles aus. Da braucht man nicht lange mit den Affecten, Neigungen und Begierden Rechnung anzustellen, man braucht sich nicht selbst zu bessern.

Es gehöret beinahe Mühe dazu, wenn man das Blut Jesu erfahren hat, daß man wieder in die alten Sünden komme.

Wer Jesum einmal recht geschmeckt hat, der gibt Ihm sein Herz hin; und es gefällt ihm nichts so sehr, als der Heiland und Seine Nachfolge.

Es sind zwei Reiche, der Natur ihres und der Gnade. Jenes hat seine Verfassungen, in die mengete sich der Heiland nicht. Was Er da fand, das ließ Er; und Seine Kinder machen's auch so.

Aber zum Gnadenreich kann der miserabelste Bettelbube keinen schwerern Eingang haben, als der Prinz, und der Höchste hat keinen leichtern, als der Geringste. Es muß im Staube, Demuth und Beugung gesuchet werden beim Heilande. „Ihr arme Gnadenkinder, die ihr den Ruhm der Sünder vor vielen Andern habt, und euern guten König, dem leicht kein Scherf zu wenig, mit nichts, das euer ist, begabt.“

Alle Menschen sind vor Ihm eins; entweder selige Seelen, durch Sein Blut, oder verloren. Alle haben gesündiget, Alle werden gerecht aus Seiner Gnade. Sie müssen wie Thiere vor Ihm werden (Ps. 73,21.), und sich bücken unter Seine Füße, bis Er sie aus diesen elenden Umständen selbst herausreißt.

Die Gnade überschwemmet unsere Sünden, sie werden bedeckt mit dem Blute des Lammes, wie der Boden des Meeres mit Wasser.

Das Alles sind aber für gewisse Gemüther lauter Wahrheiten, die sie nicht zugestehen. Es sind Glaubens- und nicht Kopflehren, die ziehen sich durch eine göttliche Flamme ins Herz.

Denn es ist die wahre Bekehrung eine unaussprechliche, unübersehliche und den Zeugen selbst erstaunliche Gnade. Johannes weinte sehr, daß Niemand würdig erfunden ward, das Buch aufzuthun, und zu lesen, und darein zu sehen. Da hat ihm Jemand geantwortet: Weine nicht; siehe, es hat überwunden der Löwe, der da ist von dem Geschlechte Juda, die Wurzel David, aufzuthun das Buch, und zu brechen seine sieben Siegel. Offenb. 5, 3-5. Daß man das Wort verstehe, ist nicht allen Menschen gegeben, sondern nur überzeugten und von der Wahrheit, daß Jesus ins Fleisch gekommen ist, durchdrungenen Seelen.

Die kennen auch die Art des menschlichen Gemüthes, sonderlich den großen Leichtsinn bei Anhörung des göttlichen Wortes. Die haben großes Mitleiden mit ihnen und wissen nicht, wie sie den Menschen helfen sollen, das jammert und schmerzet sie; das Herz kommt drüber in eine Bewegung.

Aber sie wissen's, daß Jesus gekommen ist, damit alle Menschen in das Buch hineinsehen können, und da ihren Namen lesen.

Man hat ja Exempel solcher Menschen, die bei dem Evangelio leichtsinnig gewesen, ja, die es gelästert haben, und doch noch ein Triumph des Lammes worden sind.

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