Zeller, Johannes - Die Verleugnung des Petrus.

Zeller, Johannes - Die Verleugnung des Petrus.

Text: Luk. XXII, 54-62.

Sie griffen ihn aber, und führten ihn, und brachten ihn in des Hohenpriesters Haus. Petrus aber folgte von ferne. Da zündeten sie ein Feuer an mitten im Palast, und setzten sich zusammen, und Petrus setzte sich unter sie. Da sah ihn eine Magd sitzen bei dem Licht, und sah fest auf ihn, und sprach: Dieser war auch mit ihm. Er aber verleugnete ihn und sprach: Weib, ich kenne ihn nicht. Und über eine kleine Weile sah ihn ein Anderer, und sprach: Du bist auch deren einer. Petrus aber sprach: Mensch, ich bin es nicht. Und über eine Weile, bei einer Stunde, bekräftigte es ein Anderer, und sprach: Wahrlich, dieser war auch mit ihm; denn er ist ein Galiläer. Petrus aber sprach: Mensch, ich weiß nicht, was du sagest. Und alsobald, da er noch redete, krähte der Hahn. Und der Herr wandte sich, und sah Petrum an. Und Petrus gedachte an des Herrn Wort, wie er zu ihm gesagt hatte: Ehe denn der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. und Petrus ging hinaus und weinte bitterlich.

Geliebte im Herrn!

Sicher und ohne Angst gehen so viele Tausende in die schwersten Stunden, auch in die Todesstunde ein, dass man fast glaubt, sich freuen zu dürfen über diese Stärke und Kampflosigkeit unserer Mitmenschen; aber nein! zittern sollten wir bei einem solchen Anblick, weil es meistens nur menschliche Kurzsichtigkeit, innere Verblendung, entsetzliche Verstocktheit ist, die den Menschen so gleichgültig in die schweren Stunden eingehen und sie durchwandeln lässt. Der allwissende, wahre, liebende, heilige Gott, der mit seinem Blick und seiner Liebe und seiner Allmacht Himmel und Erde, Engel und Menschen, Zukunft und Gegenwart umfasst, warnt ernstlich vor aller solcher Sicherheit; Er sieht den Anfang dazu im Herzen und sagt, dass die Sünde vor der Tür ist; er sieht die Tat und ruft darum: Tut Buße! Er sieht das Ende und bittet, mahnt, warnt, befiehlt darum aufs dringendste: kämpft, ringt, betet, ergreift noch meine Hand, die allein retten kann! O, darum sagte auch der, den er gesendet hat, wiederholt: Wacht und betet betet, auf dass ihr nicht in Versuchung fallt! Ihr erinnert euch noch, wie der Herr seinen Jüngern das mehrmals sagte in jener ernsten Mitternachtsstunde in Gethsemane; aber sie beteten nicht, sie wachten nicht: darum fielen sie auch in der Versuchung. Fürwahr, geliebte Zuhörer, es ist nicht Lüge, nicht bloße einmalige Geschichte, was uns die Bibel erzählt, sondern heiliger Ernst und ewige Wahrheit, die an uns auch noch geredet ist, uns wie jenen gilt. Wer nicht betet, der fällt in Versuchung; wer nicht recht kämpft, der siegt nicht; wer sich nicht warnen lässt, der wird gezüchtigt, und die Zucht kann sich durch des Menschen Verkehrtheit in Gericht und Verderben umwandeln, wie bei Judas! Wer ist sicher, dass er wieder aufstehe vom Falle, wie Petrus? Keiner. O, darum seht zu, dass ihr nicht fallt. Doch hier haben wir nun die Geschichte eines Gefallenen, wir wollen aus ihr den Segen für unsere Seele zu gewinnen suchen, der in ihr für uns liegt.

Die Verleugnung des Petrus ist das in der ganzen Bibel einzige Beispiel solcher Art; sie bietet uns so viele Seiten zur Betrachtung dar, predigt uns für die verschiedensten Seelenzustände und so laut, so erschütternd Demut, Trost, Buße, dass es schwer ist, auch nur das Wichtigste zu berühren, besonders da wir um der Kranken willen genötigt sind, uns kurz zu fassen, und mit Gottes Hilfe versuchen müssen, in gedrängten Worten die Herzen zu treffen und zu führen.

Drei Punkte treten in dieser Erzählung als die wichtigsten hervor: der Fall selbst, die Errettung, die Buße, und so reden wir denn

1. von dem Fallenden, 2. von dem Retter, 3. von dem Geretteten.

Herr, wir sind alle Sünder, abgefallen von Dir: darum schenke uns Liebe und Demut in der Beurteilung unsers Mitbruders und Erkenntnis unserer Sünde durch die seinige. Wir bedürfen alle des Erlösers, darum offenbare auch jetzt deine Retterkraft an uns; wir sind noch ohne gründliche Seelenbuße, drum berühre unser Herz, dass es schmelze und sich demütige vor Dir, dem Heiligen! Amen.

I.

Um den Zustand des verleugnenden Petrus ganz zu erkennen, müssen wir unsere Aufmerksamkeit auf seine Gemütsbeschaffenheit vorher und dann auf die näheren Umstände des Falles selbst richten. Drei Jahre lang war er nun schon in dem segnenden, reinigenden Umgang mit seinem göttlichen Herrn, und zwar wahrlich nicht nur in einem teilweisen und äußerlichen, sondern ununterbrochen und in recht innerlicher Verbindung. Der Herr hatte ihn ja mit Johannes und Jakobus in seine nächste Nähe gezogen, er hörte nicht nur alle die wunderbaren Reden, sah nicht nur alle die herrlichen Taten Jesu, sondern das geheimnisvolle und doch so leicht verständliche Ereignis der Verklärung Christi, wo seine Kleider leuchteten, wie Licht, wobei Petrus ja auch die Stimme vernahm: das ist mein lieber Sohn, den sollt ihr hören! Wahrlich, Petrus hatte ein Herz, das nicht tot und gleichgültig blieb bei all diesen Erfahrungen: die Liebe zu Jesu wuchs in ihm täglich, der Glaube stärkte sich ihm. Du bist Petrus, der Felsenmann, sprach der Herr selbst zu ihm, und auf diesen Felsen will ich meine Ges meine bauen! Wo will ich hingehen, denn du hast Worte des ewigen Lebens? und: ja, du bist der Sohn des lebendigen Gottes! bekannte er freudig mit der wahrsten, tief im Innern wirkenden Empfindung; und wie sündig er, wie heilig der Herr sei, das erkannte er schon im ersten Jahre, denn da schon warf er sich vor ihm nieder und bat: gehe aus von mir, Herr, denn ich bin ein sündiger Mensch! Und doch war einem solchen Manne es noch möglich, so tief zu sinken. Vergegenwärtigen wir uns die Tiefe dieses Falles, blicken wir hinab in den Abgrund, in den er sank, und den er noch finstrer unter sich sah, so müssen wir noch dringender fragen: Wie, warum konnte Petrus so tief fallen? - Das bloß hingeworfene Wort einer Magd, die im Hofe stand und sich mit den Soldaten über den so eben gefänglich eingezogenen Christus unterhielt, das Wort einer niedrigen Magd, die nicht einmal die Absicht hatte, ihm dadurch Gefahr zu bringen, das „dieser war auch mit ihm“ knickte seine Kraft schon, so dass er entschieden erklärte: Weib, ich kenne sein nicht. So rund weg verleugnete er seinen geliebten Meister; und da ihm von neuem gesagt wurde: du bist auch einer davon! so leugnete er abermal, und schon schwur er; und als ihm zum drittenmal behauptet wurde, er sei einer, seine Sprache verrate ihn, und Einer sogar sagte: habe ich dich nicht im Garten gesehen bei ihm? da redete er verächtlich von Jesus: ich kenne den Menschen nicht! - den Menschen nennt er den, von dem er die Worte des ewigen Lebens vernommen; den kenne er nicht, von dem er sich seine Sünden hat vergeben lassen. Und nicht genug daran: er fing nun an, sich zu verfluchen und zu schwören; - um ja sich von allen Flecken vor den Augen jener Menschen, die ihn so in die Enge trieben, zu reinigen.

Geliebte Zuhörer, richtet nicht, aber wähnt auch nicht, als ob wir die Sünde des Petrus nicht Sünde, nur Schwachheit, nur Übereilung nennen sollten: nein, es ist Sünde, bejammernswürdige, denn seinen Meister, dem er seine Seele, sein Leben, Alles geweiht hat, verleugnete er mit Flüchen und Verschwörungen, und gerade in der Stunde, wo sein Herr für ihn sein Leben in die Hand der Feinde legte und den Todesgang zur Versöhnung der Menschen mit Gott betrat. Er verleugnete ihn, ohne selbst in Lebensgefahr zu stehen, nur um höhnenden Seitenblicken, spottenden Bemerkungen zu entgehen. Er verleugnete ihn keck und dreimal, nachdem er doch vorher dreimal ernstlich gewarnt wurde. Es ist Sünde, große Sünde, was Petrus tut, und der Verleugner, der Verleugnete, die Zeit, die Versuchung von außen, die Art der Verleugnung alles gibt seinen Beitrag, um unsere Seele zum Ernste, zum entscheidenden Urteile, dass es Sünde war, zu berechtigen!

Urteilen dürfen wir und müssen wir; darum müssen wir auch noch tiefer in die Seele des Petrus hineinblicken und fragen, wie es denn möglich war gerade in ihm? und hier wollen wir dann beginnen, den, durch die gewonnene Erkenntnis geschärften, Blick auf uns selbst zu richten. Petrus hatte einen frischen, zum Guten freudigen, kräftigen Sinn, ein Gemüt, das gerade dem Göttlichen offen stand und Jesum liebte, einen kühnen Mut, ein Herz, das seine Sünden wohl erkannte und bekannte, und das seine Erlösungsbedürftigkeit wohl einsah und sich nach dem Heiland ausstreckte: aber Eines hatte er noch nicht errungen, Einen Feind hatte er noch nicht in sich vertilgt: seine Naturanlage, sein Temperament war noch nicht durch und durch geläutert, geheiligt. Er hatte sein eigenes Leben noch nicht verloren, seine ganze Seele noch nicht hingegeben, seinen Eigenwillen noch nicht ganz dem göttlichen seines Meisters aufgeopfert, und er wollte es auf alle Warnungen, nach allen Lichtblicken, die ihm der treue Seelenerzieher über seinen Zustand gab, doch nicht einsehen, dass diese bittere Wurzel noch in ihm sei, aus der eine schlimme Frucht hervorgehen werde. Eigenliebe, Selbstgefühl, Ehrgeiz war die nächste Frucht jener noch ungeheiligten Naturanlage: darum konnte er's nicht begreifen, dass Jesus leiden müsse und nicht sogleich zur Herrlichkeit gelange; darum behauptete er auf jede Warnung: und wenn sie alle an dir sich ärgern, so will ich doch mich an dir nimmermehr ärgern; darum wollte er, als nun der Hirt geschlagen und die Schafe zerstreut waren, sich auszeichnen und auf eigne Kraft hin, doch schon mit gebrochenem Mute, es wagen, seinem Herrn zu folgen: und so fiel er - und wahrlich nicht die Magd war die Versucherin allein, denn sein Vertrauen auf eigne Kraft, sein Mangel an Selbsterkenntnis, sein innerer Stolz gab dem innern Versucher Macht, ihn zu fällen, „Simon, Simon, siehe, der Satanas hat eurer begehrt, dass er euch möchte sichten, wie den Weizen!“ hat ihm der treue, innig treue Freund früher schon gesagt.

Nun, teure Zuhörer, habt ihr mir Aufmerksamkeit geschenkt, so lange ich von Petrus redete, aber ihr tatet es ja wohl, weil ihr wisst, dass durch das Anschauen der Menschen, die mit und um Jesus lebten, wir uns in unserem Gemütszustande gegen Gott und seinen Sohn erkennen: und das ist ja denn doch die Hauptsache, dass wir wissen: ob wir mit Gott, oder ohne Gott leben; ob wir den Erlöser kennen, oder für nicht nötig halten; ob wir ihn lieben, oder nicht lieben; ob treu, ob auch in Versuchung treu. Meine Zuhörer, was hättet ihr in dem Vorhofe des hohenpriesterlichen Palastes getan in jener Nacht? über den Gefangenen gespottet und seine Jünger gehöhnt? wer unter euch im rohen, sicheren Sündenleben dahin ging bis heute, noch nichts nach einem Erlöser der Seele frug, frech über göttliche Dinge denkt und redet, ohne Gebet, ohne Lesen im Wort Gottes, ohne Sorge für die Ewigkeit der Lust und Selbstsucht dient, der - der wahrhaft kann ja in dem gefangenen Christo auch nichts Anderes sehen, als einen Schwärmer und Betrüger, und in denen, die ihm nachfolgen, Heuchler oder Betrogene und er wäre, er ist ein Werkzeug des Versuchers für die Kinder Gottes! Oder seid ihr dem Petrus gleich, hättet ihr auch verleugnet? ihr sagt nein; aber gedenkt an das Wort: ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Könnt ihr, die ihr Jesum mit den Lippen bekennt, ihr, die ihr euch gottesfürchtig glaubt, ihr, die ihr durch Leiden oder Erfahrungen geförderte Christen heißt, ihr, die ihr beten, Bibel lesen, glauben könnt - könnt ihr denn überall und zu allen Zeiten das empfindlich kränkende, das hämische, das boshafte, das spottende Wort „dieser ist auch einer von denen“ ertragen? Wenn ihr mitten unter den Wollüstigen und Genusssüchtigen wart, und man sich der Fülle der irdischen Güter freute und leidenschaftlich drin sich versenkte, wenn Alles mit dem Hauche der Unreinheit befleckt war wagtet ihr es da, zu sagen: „es ist genug!“? Nanntet ihr die Sünde wirklich Sünde? Bekanntet ihr, dass das Unsichtbare, das Reine, das Göttliche das höchste Gut ist? Straftet ihr den Frechen, den Leichtfertigen durch Blick und Wort? Nein, ihr schwiegt und wart milde, schwach im Urteil; mehr noch, ihr redetet mit und ließt arge Worte über eure Lippen gehen; ihr jauchztet mit in dem Jauchzen der Sünde, tobtet mit in dem wilden Taumel der Lust, damit es nicht heiße, ihr seid von denen, die die Lebensfreude hemmen, den Kopf hängen, nicht leben und leben lassen, heucheln. - Arme, ihr sagtet: ich kenne ihn nicht. Und als ein hochmütiger, selbstgerechter, wissensstolzer Mensch behauptete, die eigene Kraft, die eigne Tugend, das eigne gute Herz, die rechte Lebensklugheit reiche für Zeit und Ewigkeit zum Heil des Menschen aus: tratet ihr ihm, und wenn er mächtiger und gescheiter als ihr war, entgegen mit den Worten: „Es kann Keiner ins Himmelreich eingehen, es sei denn, dass er von neuem geboren sei!“? Ihr wollt nicht Einfältige sein in menschlicher Weisheit! Wenn die Wahrheit, die euch im Herzen brannte, euch Tadel, Gefahr fürs tägliche Brot, Hass, Schmach zugezogen, und wenn ihr in den Rat der Betrüger und Verleumder gezogen wurdet, so schwiegt ihr und verwandeltet Wahrheit in Lüge und wolltet nicht beschränkt, nicht schwärmerisch, nicht fromm, nicht altväterisch redlich - nicht Christ genannt werden. - Bekennen wir im Rate der Spötter, dass wir beten und unsere Knie beugen, unter den Ungläubigen, dass wir nur durch Gnade selig werden wollen in Christo? „Bist du auch einer von denen?“ nein, nein; diese Frage ist zu Zeiten so lästig, so schwer, so beschimpfend, dass wir lieber nein antworten als ja, und in jenem: nein! ist zugleich auch das: „Ich kenne ihn nicht, ihn, den Gott der Bibel, den Gott, der die Sünde hasst; ich kenne ihn nicht, den Gekreuzigten, dessen Blut uns rein macht, den Sohn Gottes, der da Mensch ward!“ Sicher und in fürchterlicher Herzensruhe können wir so schweigen, verdrehen, leugnen, mit Blick, Wort, Tat, und so gehen wir durchs Leben, und nur zuweilen, in stillen Stunden, will es uns vorkommen, als handelten wir doch gar zu schmählich an unserem Gott und Heiland, gewiss noch ärger als Petrus. Ja, teure Zuhörer, wir wollen nun nicht auf Petrus den Stein werfen, sondern auf unsere Brust schlagen, denn auch wir sind Fallende, Gefallene! - nur sicher, blind, gleichgültig sind wir - und Petrus war es nicht.

II.

Siehe, noch als er redete, krähte der Hahn. Und der Herr ward vorbeigeführt, wandte sich und sah Petrum an. Und Petrus gedachte an des Herrn Wort, als er zu ihm gesagt hatte: ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen!

Ein Blick, aber eben ein Blick von Jesus, rettete den Versinkenden. Er sah ihn an, und da gedachte Petrus! Der Gefallene soll nicht verzagen, und wenn die Wogen des Elendes, der Sünde über ihm zusammenschlagen, so ist noch Heil da, wenn er nur noch seufzen kann: Herr, hilf mir! aber auch, wenn der Sinkende nicht mehr ruft. Sünder, wenn du von der Versuchung überwunden bist, so schlage deinen Blick auf, o öffne die Augen, die Geistesaugen. Siehe, der Herr wendet sich auch zu dir mit innigem Erbarmen und sieht dich an. Er fragt dich: willst du noch tiefer sinken, mich noch mehr kränken, den Wurm, der an dir nagt, behalten, immer ohne Gott, ohne Rettung bleiben? Er bittet dich mit dem Blicke: o komm' und lass dir vergeben, dich befreien aus den finstern Banden, dich versöhnen. O dass ihr den Blick auf Gott zu werfen verständet, o dass ihr seinen Blick des Mitleids, der Liebe, des Erbarmens, der Bitte, den Blick der Allmacht und Kraft, der erlösenden Kraft, fühltet am Herzen. Teure Zuhörer, seid ihr stark geworden in der Sünde, dass ihr solchen Blick nicht mehr versteht, so blickt doch auf den Herrn, er wendet sich zu euch und sieht euch an, mit dem Feuerauge, das eure Finsternis wie ein Blitz durchleuchtet und euere Unreinheit richtet und wegschmelzt. Als David nach dem Ehebruch und Mord ein Jahr ohne Buße dahin ging, da trat Nathan vor ihn, und durch das Auge des Propheten blickte Gott ihn an; seine Seele ertrug das nicht länger in starrer, sündiger Kraft, und als er das „du bist der Mann“ vernahm, da flehte er in Buße um Gnade! Lasst euch anblicken vom Herrn, wendet euren Blick nur nicht ganz von Gott, von Jesus ab, sonst ist des von seiner Sünde gedrückten Sünders Ende die Verzweiflung, wie in Judas, oder er bleibt ohne Angst und stirbt in innerer Verstocktheit dahin. Der Herr wendet sich zu euch und sieht euch an, bald richtend, bald rufend, bald warnend, bald tröstend, bald demütigend, bald stärkend - immer liebend, immer lebenskräftig, vergebend, segnend; und wahrlich, er kann noch so blicken, wie zur Zeit des Petrus, durch ein Freundes-, durch ein Feindeswort, durch einen Menschenblick, durch einen Stern am Himmel, durch einen Blitz, aber noch verständlicher, lebendiger, wirksamer durch den Blick im Wort Gottes, im Gebet. O, merkt auf und lasst diese Blicke in euch hineindringen, haltet die Kraft derselben nicht in Ungerechtigkeit auf, sie demütigen, aber sie erlösen, retten auch, denn es sind Blicke des Allmächtigen, des Allerbarmers.

III.

Getroffen von demselben, gedenkt Petrus der Worte Jesu. So hat der treue Erlöser ihn auch für diesen Fall gerüstet, er sagte ihm solche Worte voraus, solchen Samen legte er ihm ins Herz, dass er jetzt durch Einen Blick zur Frucht wurde. Sogleich gedachte er daran, er ging hinaus, er weinte bitterlich. Es waren nicht Tränen der Erbitterung, nicht der Verzweiflung, sondern der gesunden Herzensbuße; bittere Tränen waren es. Hier ward nun Petrus als ein Geknickter im Vertrauen auf seine eigne Kraft, als ein Geretteter durch Jesu Kraft und Erbarmen ein neuer Mensch. Auf ihn kommen wir mit Gottes Hilfe wieder zu sprechen, wenn wir nach dem Feste die Erscheinungen des Auferstandenen betrachten, und dieser dem Büßenden die dreimalige Frage vorlegt: Hast du mich lieb? Jetzt nur an euch alle noch die Winke: Auch ihr habt früher schon und heute nun die Worte gehört: ehe der Hahn kräht! und darum demütigt euch vor dem Falle, gebt hin eure innerste Lieblingsneigung, sonst führt sie euch in Versuchung. Fällt ihr aber, oder seid ihr gefallen, so blickt Jesum an, und ihr werdet gedenken seines Wortes: ich bin es! „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben, ich kann Sünde vergeben.“ Sogleich aber gedenkt Petrus dessen nach dem Blicke, und nicht zögert er. Zaudert nicht mit der Buße! Bitterlich weinte er; wer noch nie über seine Sünde geweint hat, ist nahe dem Falle, er ist noch nicht ein neuer Mensch, hat seinen Eigenwillen noch nicht Gott geopfert. Hinaus ging Petrus, hinaus vom Orte der Versuchung, hinaus aus den verführerischen Umgebungen. O geht auch hinaus aus den Orten, Verbindungen, Geschäften, Gesellschaften, die euch Versuchung sind. Teure Zuhörer, wacht, auf dass ihr nicht in Versuchung fallt! Gefallene, blickt auf Jesum, gedenkt seiner Gnadenworte, seiner Richterworte, eilt weg von der Versuchung in die Einsamkeit, weint, weint die Tränen der Reue, und so bitter sie sind, unterdrückt sie nicht: denn wer die nicht weint, muss Tränen des ewigen Jammers weinen; wer die der Reue vergießt, erfährt, dass wir in Jesu einen Erlöser haben, der gelitten hat für uns, auch dem untreuen Freunde vergibt, mit Einem Blicke vergibt, rettet, tröstet, heilt, erneuert - denn was Er tut, ist Gnade! Amen.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/z/zeller_johannes/predigten/zeller_johannes_predigten_die_verleugnung_des_petrus.txt · Zuletzt geändert: von aj
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain