Thomasius, Gottfried - 3. Advent - Die Erkenntnis des Heils und des Unheils.

Thomasius, Gottfried - 3. Advent - Die Erkenntnis des Heils und des Unheils.

Die Gnade unsers Herrn Jesu Christi, die Liebe Gottes, des Vaters, und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit uns Allen. Amen.

Wenn man die Menschen zumal, die auf Erden leben, fragen würde, was sie denn suchten mit all ihrer Arbeit und Mühe, die sie sich machen, sie würden Alle, wie aus Einem Mund, antworten: wir suchen Heil und Leben; sieht man aber ihren Wandel an, wie er hingeht, so wird man sagen müssen, dass die Wenigsten das finden, was sie suchen. Denn was ist das Leben der Meisten anders, als eine Reihe getäuschter Hoffnungen, verfehlter Wünsche und, im besten Fall, ein rastloses, ruheloses Treiben von heut auf morgen? Ja, was der Psalm von den Menschenkindern bezeugt: „den Weg des Friedens wissen sie nicht“, das bestätigt schon ein Blick auf die Außenseite ihres Daseins; und könnte man erst in die Tiefe blicken, in die Herzen hinein, wo die verborgene Quelle der Leiden und Freuden fließt, man würde erstaunen über die Größe des Elends und über die Last des Unheils, die auf unserem Geschlecht liegt. Selbst bei solchen, die da scheinen die Glücklichsten zu sein, würde sich diese Erfahrung bestätigen. Aber da mitten hinein in dieses arme, friedenlose Dasein, mitten hinein in diese Welt voll Unruhe und Verwirrung wirft das Wort des Herrn einen Blick der Gnade und Erbarmung, und zeigt den Verirrten den Weg zum Heil. An alle heilsbedürftigen Herzen, an alle müden und beladenen Seelen wendet es sich und sagt ihnen, wo sie das gewiss und sicher finden können, was sie suchen und begehren: es ist der Höchste selber, der zu seinem Volke spricht:

Hosea 13.9.
“Israel, du bringst dich ins Unglück: denn dein Heil steht allein bei mir.“

Man könnte sagen, dass der Inhalt dieses Wortes der Grundton des ganzen alten Testamentes ist; denn überall, wo der Herr zu seinen Kindern redet, bezeugt er ihnen, dass in ihm und sonst in keinem Anderen das Heil zu finden sei. So spricht er zu Abraham, dem Vater der Gläubigen: „Ich bin dein Schild und dein sehr großer Lohn“; zu seinem Volk: „Wahrlich, es hat Israel keine Hilfe denn am Herrn,“ und die Loblieder seiner Heiligen, die Psalmen und Dankopfer seiner Frommen, was sind sie anders, als die Antwort auf diese Rede, als der Wiederhall dieser gnadenreichen Verheißung! Denn so rühmt Mose, der Knecht des Herrn: „Der Herr ist meine Stärke, mein Lobgesang und mein Heil“! und David, der König: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln“! und die Propheten Israels: „Unsere Hilfe kommt von dem Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.“ So ist es denn recht eigentlich der Mittelpunkt der heiligen Schrift, dieses Wort des lebendigen Gottes in unserem Text: „Israel, dein Heil steht allein bei mir.“ Ein Wort voll großen Trostes und dieser Trost soll seinem Volk gepredigt werden: denn also lautet der Befehl an seine Diener: „Tröstet, tröstet mein Volk.“ Aber was soll der Trost den Seelen, die seiner nicht bedürfen, und die Predigt vom Heil denen, die in sich selber satt und voller Genüge sind? Was hilft es überhaupt, vom Heil Gottes reden, so lang das Unheil nicht erkannt ist, von dem er uns erlösen will? Denn erst die Erkenntnis des Unheils führt zum Glauben an das Heil, Unser Text aber, meine Geliebten, lehrt uns Beides:

Die Erkenntnis des Unheils und des Heils.

I.

Er lehrt uns nämlich, dass beides, Heil und Unheil, nicht darin besteht, worin wir es gewöhnlich suchen.

1) Vergleichen wir, meine Geliebten, das Wort unseres Textes mit dem Sinn der Welt, wie er sich allenthalben ausspricht, so stehen beide im geraden Widerspruch mit einander. Denn der Herr sagt zu seinem Volk, dass es sich selbst ins Unglück bringe, darum, weil es ihn verlasse und mit seinem Herzen von ihm weiche; dass aber in der Rückkehr zu ihm allein die Rettung liege; „denn dein Heil, spricht er, steht allein bei mir.“ Die Welt hingegen schiebt all ihr Unglück und Elend auf Gott. Er muss die Schuld des ganzen Unheils tragen, das auf ihr lastet; er muss sich von ihr schelten lassen, wenn sie in Not und Jammer steht. Dagegen aber sucht sie alles Heil bei sich selbst. Auf ihren Wegen, in ihren Werken oder Gütern will sie es finden, und hat sie es da gefunden, so gibt sie sich selbst die Ehre und spricht zu sich selber: Siehe, mein Heil steht bei mir. Und dass es da in der Tat die allermeisten Menschen suchen, das liegt ja offen am Tage. Sie sehen das Heil in die Dinge dieses Lebens; teils in die irdischen, leiblichen Güter, Wohlstand, Reichtum, gute Tage, teils in die geistigen Güter, Weisheit, Bildung, Wissenschaft, Kunst. Darinnen suchen sie ihre Wohlfahrt und meinen, wenn sie diese Güter errungen und erarbeitet hätten, so besäßen sie das Heil; ihre Seele habe dann Ruhe und volles Genüge. Ich nun, meine Geliebten, will weder diese Dinge schelten, noch das Trachten nach ihnen, denn es sind das Alles gute Gaben von Oben, deren Erwerbung zum Teil mit unserem irdischen Beruf zusammenhängt, und darum erinnere ich nur an die Warnung der Schrift: „So hüte dich nun, wenn du gegessen hast und satt geworden bist und schöne Häuser baust und Alles, was du hast, sich mehrt, dass du alsdann des Herrn, deines Gottes, nicht vergisst und sagst in deinem Herzen: „Meine Kraft und mein Vermögen haben mir das ausgerichtet“; denn der Undank gegen den Geber nimmt seinen Gaben den Segen. Aber wenn der Herr selber spricht: Dein Heil steht allein bei mir, so können es doch diese Dinge nicht sein, die des Menschen wahres Heil begründen, und es muss nur eine schwere Täuschung, es muss eine tiefe Verblendung sein, wenn Jemand wähnt, es darin zu finden; denn der Sinn jener Rede ist ja der, dass weder in menschlicher Kunst und Weisheit, noch in irgend einem sichtbaren Gut, das von ihm ausgeht, sondern dass bei ihm, in ihm selbst das Heil der Menschen steht. Denn Er ist selber das höchste, alleinige Gut; Er das Leben und die Liebe, Er die Fülle des Friedens und der Seligkeit; „Ich, spricht Er, Ich bin der Herr und ist außer mir kein Heiland.“ Ihn selber musst du also im Herzen haben, mein Christ, zu deinen Gott und Heiland ihn haben, dein Ein und Alles musst du ihn sein lassen; suchst du aber in seinen Gaben das Heil, suchst oder besitzt du sie so, dass du in ihnen dein Leben und dein Genüge findest, so, dass deine Liebe in ihnen aufgeht und wären es alle Schätze der Erde, und wären es die edelsten geistigen Güter: siehe, so sind sie dir eben dadurch zum Unheil geworden. Denn woran ein Mensch sein Herz hängt, das ist sein Götze, und was er ohne oder außer Gott mit seiner Liebe umfasst, das ist sein Abgott. In solcher Abgötterei werden dir dann alle guten Gaben zum Fallstrick, und jedes, noch so mühsam errungene Besitztum zum Unsegen, weil es dein Herz weg von dem einzigen, wahrhaftigen Gut, weg von dem ewigen Heil zu der Kreatur herabzieht, welche in sich selber eitel ist; weil es dein Auge verblendet, dass du das tiefste Bedürfnis deines mit Gott verwandten Geistes nicht mehr erkennen, die Leere und Armut deines von Gott ausgeleerten Gemütes nicht mehr fühlen kannst. Wir wissen es Alle, meine Geliebten, wie weit die Habsucht und der Geiz das Menschenherz von Gott entfremdet, wir haben Exempel genug, wie oft Geld und Gut um Heil und Seligkeit bringt; aber irren wir uns nicht auch die Güter, die wir für die höchsten achten, Freundschaft und Liebe der Menschen, oder Erkenntnis und Weisheit, sie werden, ja sie sind uns schon zum Unheil geworden, sobald wir das Heil in ihnen suchen oder finden; nicht sie selber, sondern die Richtung des Herzens auf sie macht sie uns zum Fluch; „denn dein Heil, spricht der Herr, dein Heil steht allein bei mir.“

2) Dasselbe aber, meine Geliebten, lernen wir aus unserem Text über das, was die Menschen das Unheil nennen. Unheil nennen sie das Weh und Leiden der Erde, die Armut, den Schmerz, die Not und da sind nicht nur Tausende, die unter solchen Übeln seufzen, sondern sie klagen auch und sagen: sie hätten dawider ihr Leben lang gekämpft und gestritten, hätten auch Gott um Abnahme der Last gebeten, aber keine Hilfe erfahren; und so hätten sie wohl Leid und Unheil genug, aber von Gottes Heil und Hilfe erführen sie nichts. Ich will euch, die ihr also sprecht, nicht erst danach fragen, ob nicht vielleicht die Ursache dieses eures Unheils an euch selber liegt; denn es gilt allerdings von der Mehrzahl der Leiden, welche heut zu Tag die Menschen quälen, was der Herr zu seinem Volk sagt: „Israel, du bringst dich selbst ins Unglück, es ist deiner Bosheit Schuld, dass du so gestäupt wirst und deines Ungehorsams, dass du so gestraft wirst. Also musst du inne werden und erfahren, was für Jammer und Herzeleid es bringt, deinen Gott verlassen und ihn nicht fürchten, spricht der Herr.“ Merkten wir, meine Geliebten, mehr als wir tun, auf unsere eigenen Sünden, wir würden, statt den lebendigen Gott, uns selber anklagen darüber, dass unser Elend so groß ist. Doch von diesem teils offenbaren, teils heimlichen Zusammenhang unserer Leiden und Sünden will ich jetzt nicht reden, sondern ich frage nur: Wenn euer Unheil, wie ihr sagt, von Gott kommt, ob es denn dann nicht vielmehr ein Heil, als ein Unheil ist? Legt denn Er seinen Kindern eine Last auf, um ihnen wehe zu tun und nicht vielmehr, um sie väterlich zu züchtigen? Wissen wir denn nicht, dass seine Wege allesamt eitel Weisheit und Güte sind, denen, die ihn fürchten, und dass dahin auch vor Allem die Leidenswege und Kreuzeswege gehören? Denn die Absicht dieser Wege, ja unserer ganzen Lebensführung ist keine andere, als die Erkenntnis in uns zu bewirken, dass unser Heil allein bei ihm, dem Herrn, steht, und uns zu bewegen, es auch allein da zu suchen. Und weil wir, wie törichte Kinder, das so schwer begreifen, darum nimmt uns seine Hand oft gerade die irdischen Stützen weg, auf die wir uns am meisten verlassen und die irdischen Dinge, an die wir unser Herz am liebsten hängen. Weg von dem Sichtbaren zu dem Unsichtbaren, weg von allen Seelen verderblichen Götzen zu sich, dem wahren, alleinigen Gut, will er uns leiten; deshalb sendet er den Schmerz und die Not in unser Leben herein, und wer unter solchen Erfahrungen ihn hat suchen und finden lernen, oder in der Gemeinschaft mit ihm befestigt worden ist, der nennt dann auch das Leiden nicht mehr ein Unheil, sondern väterliche Zucht, und spricht mit dem Apostel: „Wir rühmen uns auch der Trübsal, dieweil wir wissen, dass Trübsal Geduld bringt, Geduld aber Erfahrung, Erfahrung Hoffnung und Hoffnung lässt nicht zu Schanden werden.“ Nicht also ein Unheil sind die Übel dieser Zeit, sondern es ist ein großer Segen in ihnen, weil sie zu Gottes Heil und Frieden uns führen. Aber gleichwie die Güter des Lebens, so werden auch sie uns zum Unheil, sobald wir sie ohne Gott und ohne göttliche Gesinnung ertragen; sobald wir das Heil nur in der Befreiung von ihnen suchen, und nicht vielmehr in ihm, der sie aus weiser Güte uns auflegt, und uns zum Trost in seinem Wort sagen lässt: „Dein Heil steht allein bei mir.“ Ja, sind wir innerlich von ihm los und entfremdet, haben wir ein arges, ungläubiges, ungeduldiges Herz, dann verwandeln sich für uns alle seine heilsamen Prüfungen zu Gerichten, und jede Last, die wir tragen, wird uns zum Unsegen und zum Fluch; denn sie treibt uns so nur immer weiter von ihm hinweg, in den Unglauben, in die Verhärtung, in viele große, schwere Sünden hinein. Nicht das Leiden, das von Gott kommt, ist Unheil, aber die verkehrte Herzensrichtung macht es dazu. Und so lernen wir denn aus unserem Texte, dass weder das Heil, noch das Unheil darin besteht, worein wir allermeist es setzen; nämlich weder in den Gütern, noch in den Leiden dieses Lebens. Und diese Erkenntnis ist von der höchsten Wichtigkeit, denn sie lehrt uns

II.

dass beides, Unheil und Heil gerade darin besteht, worin es die Wenigsten suchen.

1) Hat nämlich, meine Geliebten, der Herr gesagt: Dein Heil steht allein bei mir,“ so muss Alles dasjenige Unheil sein, was uns von ihm entfernt und entfremdet. Das aber tut die Sünde. Denn die Sünde ist die Abkehr des Herzens von dem Quell des Lebens; sie scheidet den Menschen von Gott und Gott von den Menschen, und beschließt den Sünder unter Gottes Ungnade und Zorn; denn der Herr unser Gott ist ein heiliger Gott, ein Licht, in welchem keine Finsternis ist, wer böse ist, bleibt nicht vor ihm, er ist Feind allen Übeltätern, er hasst alles gottlose Wesen; darum ist die Sünde unter allen Übeln das Größte, und unter allem Argen das Ärgste, oder vielmehr sie ist das einzige Unheil für den Menschen. Aus ihr fließen, wie aus einer bitteren Quelle, alle die anderen Übel her, die das menschliche Leben zerrütten, aus ihr die Unruhe und die Friedenlosigkeit, welche uns mitten durch die Tage der Ruhe hindurch begleitet und uns der guten Gaben Gottes niemals recht froh werden lässt, aus ihr der Missmut, die Ungeduld, die uns jedes Leiden verdoppelt, aus ihr das böse Gewissen, das wie ein heimlicher Wurm am Herzen nagt. Um ihretwillen heißen wir Kinder des Zorns, um ihretwillen sind wir des Todes schuldig, welcher der Sold der Sünde ist. Und eben das, meine Brüder, erkennen wir meistens nicht. Zwar was ich von den äußeren Folgen der Sünde sagte, kann sich keiner ganz verbergen; denn der Zusammenhang des öffentlichen und häuslichen Elends, unter dem unsere Zeit fast erliegt, mit den öffentlichen Übeltaten, oder, dass ich deutlicher rede, mit den Lastern der Unzucht, der Völlerei, der Weltlust liegt so sehr am Tage, dass es nur die Frechheit leugnen kann. Aber das ist eben der Fluch der Sünde, dass sie selbst diese Erfahrung, die uns noch zum Heile werden könnte, alsobald ins Gegenteil verkehrt, indem sie die Leute betört, statt das grauenvolle Unheil der Sünde zu erkennen, sie nur für ein Übel zu halten, welches andere Übel erzeugt. Und da kommt dann die Weisheit des Fleischs herzu und rät, mit Maß und Vorsicht zu sündigen, damit man die üblen Folgen vermeide. Das aber, meine Geliebten! ist dann der Gipfel des Unheils. Dass die Sünde nicht mehr anerkannt wird, als das, was sie ist, nicht mehr als Versündigung an der hohen Majestät des Herrn, nicht mehr als Verletzung seines heiligen Willens, nicht mehr als des Menschen Schmach und Verderben das achte ich, sei noch ärger, als die Sünde selbst, wenn man anders so sagen darf; denn aus der Sünde ist doch noch Errettung möglich, aber diese Verblendung, vom Vater der Lüge erzeugt, diese seelenmörderische Lüge schneidet auch den letzten Ausweg ab; denn sie ertötet die Sehnsucht nach Erlösung von der Sünde. Und doch, was kann es geben, wovon wir so sehr der Erlösung bedürften als von ihr? denn Dein Heil, spricht der Herr, steht allein bei mir. Die Sünde aber treibt uns fort von dem Angesicht seiner Gnade, fort von seiner treuen Liebe und von dem Segen seiner Gemeinschaft, in welcher ein Mensch alleine Ruhe finden kann; sie bricht das heilige Band der schuldigen Kindestreue entzwei, sie reizt das Kind zur Empörung gegen den himmlischen Vater, und stößt sodann den verlorenen Sohn aus dem Vaterhaus hinaus, um ihm die Rückkehr für immer zu verschließen. Was aber das heiße, meine Geliebten, was aus dem Sünder werde, der von Gott geschieden bleibt? - ich meine schon das heimliche Grauen, das der Gedanke erregt, ließe uns das ahnen. Sünder aber sind wir Alle und bekennen es auch Alle. Nun werden wir freilich sagen, die Sünde habe in uns noch keine solche Macht gewonnen, dass wir nicht immer wieder uns zu Gott kehren könnten; allein das ist eine eitle Rede. Denn mit der Entfremdung von Gott verschwindet uns auch die Kraft zum Guten, und wenn ihr keine andere Bürgschaft für eure Errettung habt, als das Vermögen des eigenen, verkehrten Willens, so wirds wohl dabei bleiben, dass die Sünde für den Menschen das tiefste Unheil ist, weil er in ihr verloren gehen muss. Wollte Gott, dass wir das Alles erkennten, dann würde jene Sehnsucht nach Heil in uns erwachen und jenes Rufen nach Hilfe aus der Tiefe, für welches unser Text die Antwort hat.

2) Denn, dein Heil, spricht der Herr, steht allein bei mir. Wie wunderbar, meine Geliebten, derselbe, den wir mit unseren Sünden betrüben, dessen Heil wir von uns stoßen, der spricht: Dein Heil steht allein bei mir. Er kann dein Unheil wenden, Er kann aus der Sünde heraus in Freiheit, aus dem Tod zum Leben dich führen - Er allein; denn sein ist Macht und Stärke; und er kanns nicht nur, er will es auch. Seine Macht ist eine Macht der Gnade und Erbarmung; sein Name heißt: Ich bin die Liebe. Die ewige Liebe aber will auch des Verirrten Heil; ja was sage ich, sie will? Als sie in Knechtsgestalt auf Erden gewandelt hat, als sie die Sünden der Welt getragen, als sie am Kreuz für uns das Leben gelassen hat, um es wieder zu nehmen, da hat sie uns das Heil erworben da hat sie Erlösung gestiftet und ewiges, seliges Leben ans Licht gebracht. Nun steht für Alle, die danach begehren, die Gnadentüre offen, nun ist für jede Seele, die sich heraus aus dem Unheil sehnt, die Hilfe vorhanden in der barmherzigen Liebe des Herrn. Und damit unser enges kleines Herz dieses Wunder der Liebe um so leichter fassen und ergreifen könne, so geht sie umher und ruft einem Jeden in ihrem Worte zu: Siehe, dein Heil steht allein bei mir! da suche es, lieber Mensch, denn du bedarfst es fürwahr, wenn du nicht verloren gehen willst, und da suche es allein. Siehe nicht auf die Schwere deiner Schuld, sondern auf die Macht seiner Gnade, nicht auf die Ohnmacht deines Vermögens, sondern auf den Reichtum seiner Erbarmung. Lass es dich auch nicht hindern, dass du ihrer so gar unwürdig bist. Es liegt nicht an deiner Würdigkeit und Unwürdigkeit, nicht an deinem Reichtum oder an deiner Armut, es steht allein bei ihm. Fasse aber ein Herz zum Glauben und sammle deine Seele zu einem demütigen Gebet, so wirst du es an dir selber erfahren; dann ist deine Seele vom Unheil genesen und hat das Heil gefunden, welches da ist in Vergebung der Sünden. Und das gilt nicht bloß für den Anfang des Heils, sondern dieselbe Liebe, die dich einmal angenommen hat, ist reich genug, um dir Alles zu schenken was du zur Bewahrung des Heils, zum Beharren in der Gnade, zum Frieden für deine Seele bedarfst. Wie der Anfang, so beruht auch der Fortgang allein auf ihr; der dich berufen hat zu seiner Herrlichkeit in Christo, will dich auch vollbereiten, kräftigen, gründen und dir allezeit aus seiner Fülle geben Gnade um Gnade. Seine Gnade aber ist Leben und Friede. Was er von dir begehrt, ist zunächst nur dies, dass du das Unheil der Sünde samt deinem Unvermögen erkennst und das Heil bei ihm alleine suchst im demütigen Glauben. Verflucht ist der Mann, der sich auf Menschen verlässt und hält Fleisch für seinen Arm, gesegnet aber ist der Mensch, der sich auf den Herrn verlässt und des Zuversicht der Herr ist. Diesen Segen wirst du dann auch an deinem ganzen Leben erfahren. Er wird dir jedes irdische Gut zu einem Denkmal jener göttlichen Liebe und jedes zeitliche Leiden zu einem Zug nach Oben machen; er wird dir nachgehen durch gute und böse Tage, und auch in der tiefsten Trübsal dich rühmen lehren: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird Nichts mangeln, er weidet mich auf einer grünen Aue, er führt mich zum frischen Wasser, er erquickt meine Seele, er führt mich auf rechter Straße um seines Namens willen. Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Lebenlang, und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.“ Zu solcher Erfahrung verhelfe uns Allen Gott durch die Gnade unseres Herrn Jesu Christi. Amen.

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autoren/t/thomasius_g/zeugnisse/thomasius_zeugnisse_3_advent.txt · Zuletzt geändert: von aj
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