Thomas von Kempen - Buch 3 - Kapitel 15
Wie man bei Allem, was man wünscht, sich verhalten und sprechen soll.
1. Sohn! bei Allem, was du wünschest, sprich: Herr, wenn es dir wohlgefällt, geschehe das so.
Herr, wenn es zu deiner Ehre gereicht, geschehe das in deinem Namen.
Herr, wenn du siehst, daß es mir gut und heilsam ist, so verleihe mir zugleich, daß ich es zu deiner Ehre gebrauche.
Weißt du aber, daß es mir schädlich sein würde, und nicht zum Heil meienr Sache dienlich: so nimm von mir ein solches Verlangen.
Denn nicht jedes Verlangen ist vom heiligen Geiste, auch wenn es dem Menschen recht und gut scheint.
Es ist schwer, richtig zu beurtheilen, ob ein guter Geist oder ein böser dich treibe, dieses oder jenes zu wünschen, oder auch, ob du von deinem eigenen Geiste angetrieben werdest.
Viele sind am Ende betrogen worden, die anfänglich von einem guten Geiste geführt zu werden schienen.
2. Darum muß man immer mit Gottesfurcht und Demuth des Herzens wünschen und bitten, was immer Begehrenswerthes dem Gemüthe vorkommt; und vorzüglich solslt du, mit völliger Hingebung deiner selbst, mir Alles anheimstellen und sprechen:
Herr, du weißt, wie es besser ist; es geschehe dieß oder jenes, wie du willst.
Gib, was du willst und wie viel du willst, und wann du willst.
Machs mit mir, wie du weißt und wie es dir besser gefällt und wie es zu deiner größeren Ehre gereicht.
Stelle mich, wohin du willst, und thue mit mir in Allem nach deinem Wohlgefallen.
Ich bin in deiner Hand, drehe und wende mich um und um.
Siehe, ich bin dein Knecht und zu Allem bereit; denn ich verlange nicht, mir zu leben, sondern dir: o möchte es würdig und vollkommen geschehen!
Gebet.
3. Verleihe mir, o gütigster Jesu, deine Gnade, daß sie mit mir sei und mit mir arbeite, und bei mir bis an’s Ende verharre.
Gib, daß ich allezeit begehre und wünsche, was dir am angenehmsten ist und am meisten gefällt.
Dein Wille sei der meinige, und mein Wille richte sich immer nach dem deinigen, und stimme mit ihm bestens überein.
Mein Wollen und Nichtwollen sei Eins mit deinem, und immer müsse ich nichts Anderes wollen und nicht wollen, als was du willst und nicht willst.
4. Gib, daß ich Allem absterbe, was in der Welt ist, und daß ich um deinetwillen gern verachtet und unbekannt sei in dieser Zeitlichkeit.
Gib, daß ich dich über alle Dinge liebe, und in dir allein den Frieden meines Herzens suche.
Du bist allein der wahre Frieden des Herzens, du seine einzige Ruhe, und außer dir ist nichts als Qual und Unruhe.
In diesem Frieden, ja in ihm allein, das ist, in dir, dem einen höchsten und ewigen Gute, will ich schlafen und ruhen. Amen.