Tersteegen, Gerhard - Absage und Jüngerschaft
Ein jeglicher unter euch, der nicht absagt allem, was er hat, kann nicht mein Jünger sein
(Luk. 14, 33).
Alles muß verleugnet und drangegeben werden, wenn wir zu der verheißenen Ruhe und also in unsers Herrn Freude eingehen wollen. Wir müssen bei unserm Ausgang nicht nur nichts zurücklassen, sondern auch nach unserm Ausgang mit nichts Neuem beladen sein wollen. Als die Kinder Israel durchs Rote Meer hindurch waren, da kamen sie in die Wüste.
Da hatten sie weder Häuser noch Stäche, sondern wohnten nur unter Zelten und in Hütten. Sie konnten da auch weder säen noch ernten, noch sich mancherlei Speisen anschaffen. Gott gab ihnen zwar das Manna vom Himmel, aber sie durften doch jedesmal nicht mehr davon sammeln, als sie auf einen Tag nötig hatten, und jedem sollte gegeben werden. Den Tag vor dem Sabbat ausgenommen, denn da mußten sie doppelt sammeln, weil das Fleisch am Sabbat nicht kam. Wie sie einmal nach Fleisch lüstern waren, da wurden sie hart gestraft. Bisweilen hatten sie auch Mangel an Wasser und dergleichen. Kurz, sie mußten sich all derjenigen Bequemlichkeiten, die sie zuvor in Ägypten gehabt, gänzlich begeben und sich nur mit dem Notdürftigen begnügen. Dies ist eine deutliche Abbildung, wie wir uns gegen die Dinge dieser Welt nach unserer Bekehrung und nachdem wir von der Welt ausgegangen sind, verhalten sollen. Es muß bei unserm Ausgang nicht eine Klaue, nicht das Allermindeste zurückbleiben, dem wir nicht gänzlich entsagt haben (2. Mose 10, 26). Es muß alles, was nicht Gott ist, noch uns zu ihm führt, verleugnet werden. Denn die äußern Dinge können uns die Ruhe unsrer Seele nimmer geben, wohl aber nehmen, wenn wir nicht behutsam wandeln. Mancher denkt wohl, wenn er dies und jenes nur hätte, wenn er zu diesem und jenem Stande gelangt wäre, dann wollte er ruhiger Gott dienen. Mensch, du betrügst dich. Nicht das Haben der Dinge, sondern das Verleugnen der Dinge bringt Ruhe.
Sollt' ich so Zeit und Kraft verzehren
in Dingen, die nicht machen satt?
Mein Geist muß sich zum Ursprung kehren,
der ihn für sich geschaffen hat.
Weg Schein und Traum, weg Kreatur!
Dem einen will ich leben nur.