Tersteegen, Gerhard – Briefe in Auswahl – Wir können Gott und seinen Frieden nie wahrhaft finden durch Tun, sondern nur durch Lassen und Dulden, weil alles bloße Gnade ist.

Tersteegen, Gerhard – Briefe in Auswahl – Wir können Gott und seinen Frieden nie wahrhaft finden durch Tun, sondern nur durch Lassen und Dulden, weil alles bloße Gnade ist.

Ich wünsche Dir den Frieden! Mein werter und herzlich geliebter Bruder!

Deinen mir sehr angenehmen Brief habe ich erhalten. Es ist wahr, wie Du mit Recht anmerkst, die einfältige Willenlosigkeit und die liebende Aufnahme Gottes und die Hinnahme seines Wohlgefallens so, wie es im gegenwärtigen Augenblick ist, macht, dass wir in allem befriedigt und wunderbar gefördert werden, auch durch die geringsten und selbst das Gegenteil zu bewirken scheinenden Dinge. Die Übungen, Mittel und Wege, um zu Gott zu gelangen, sind mancherlei nach der Beschaffenheit und dem Zustand der Seelen. Ich liebe und verehre alles, was von der Gnade kommt und zu Gott führt. Unsre Übung und unser Weg scheinen indessen je länger, desto bestimmter und einfacher zu werden. Wir wollen aber unserm guten HErrn nur hingegeben bleiben und seiner Führung folgen, indem wir uns und allem Erschaffenen absterben. Gott und sein Frieden kann, wie es mir vorkommt, nie wahrhaft durch Tun gefunden werden, sondern allein durch Lassen und Dulden; und dies geht ganz einfach zu. Der HErr leiht uns zuweilen seinen kostbaren Hausrat, um unser Haus damit zu schmücken; aber unser Haus mag so schön sein, als es will, doch ist die volle Ruhe der Ewigkeit nicht darin. Gott ist unsre Wohnung. Darum nimmt Er seine Herrlichkeiten wieder zu sich und lässt uns nackt, damit wir, durch Lassen und Dulden Ihm weiter folgend, endlich wirklich an unsern Platz zu Hause gelangen, nämlich in Ihn selbst, wo die reine Liebe, der feste Friede und die keusche Freude in dem heiligen Geist mitgeteilt wird. Der eigne Eifer möchte dies wohl ergreifen und erreichen wollen, aber der Eigenheit ist die Tür verschlossen. Alles ist Gnade. Der will, erhält es nicht, und der nicht will, hat es. Dies klingt sonderbar, und ist doch wahr im Innern (Röm. 9, 16). Du verstehst mich wohl. Ich bete mit vieler Inbrunst, dass der HErr Dich und mich innig besitze und in Ihm vollende.

Ich umarme Dich im Geiste vor seinem Angesicht und bleibe

Dein
in Liebe verbundener Bruder.

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autoren/t/tersteegen/briefe_in_auswahl/tersteegen-briefe-63.txt · Zuletzt geändert: von aj
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