Tersteegen, Gerhard - Briefe in Auswahl - Der Schreiber bittet um einen Segenswunsch in seiner neuen Wohnung.
In unserm teuren Heilande, der Dich ganz erfüllen möge, sehr werte und herzlich geliebte Schwester!
Unerwartet habe ich eine andere Wohnung beziehen müssen, womit ich gerade beschäftigt und noch lange nicht nach dem Äußern eingerichtet bin, so dass ich kaum ein Plätzchen zum Schreiben habe. Da ich zu diesem Umzug gezwungen wurde, so bin ich dabei beruhigt, sonst sind mir alle Veränderungen der Mühe nicht wert für diese kurze Zeit. Wünsche mir den Segen des HErrn in meinem neuen Zimmer, wenn es Dir eingegeben wird. Und ich wünsche, dass Gideons Altar: der HErr des Friedens, in Deinem Herzen aufgerichtet werde (Richter 6, 24). Der wahre Gideon (deutsch: Brecher, Zerschmetterer) tue solches zu seiner Verherrlichung, wenn die Altäre aller andern Götter in uns zertrümmert sein werden! O, wie göttlich ist dieser Friede! Ja, Gott selbst ist der tiefe Friede eines Herzens, in dem der Kreatur und der Selbstliebe nicht mehr geopfert wird, und in dem der Geist mit Wahrheit sagt und wie ein süßes Geruchopfer dies große Wort aufsteigen lässt: Der HErr ist Gott! Nun, dieser Friede verberge und erfülle uns, dann ist es überall gut, und in diesem geräumigen Element können wir einander auch abwesend grüßen und begegnen, wenn es dem HErrn also gefällt.
Ich bleibe
Dein
Dich im HErrn liebender Bruder.
Mülheim, den 16. April 1745.