Stiller, Erich - Psalm 19.
Dieser Psalm weissagt vom Evangelio und spricht vom hohen Werte desselben. Zuerst weissagt David, dass das Evangelium in die ganze weite Welt werde ausgebreitet werden, welches ihm so gewiss ist, dass er nach Propheten Weise davon redet, als wenn es bereits geschehen wäre. Er sagt: Die Himmel erzählen die Ehre Gottes und die Veste verkündigt seiner Hände Werk; ein Tag sagt es dem andern, und eine Nacht tut es kund der andern! Dieses geschieht nun wohl auch durch den sichtbaren Himmel, und durch die Sterne am Firmament, welche uns Gottes Allmacht, Weisheit und Treue verkündigen, und zur Erkenntnis Gottes führen; aber nachdem Paulus Röm. 10, 18. diesen Psalm von der Ausbreitung des Evangeliums auslegt, so werden durch die Himmel und durch die Veste vornehmlich die Apostel Christi und ihre Jünger verstanden, welche einen himmlischen Beruf haben, und mit der himmlischen Lehre erleuchtet Jesum, die Sonne der Gerechtigkeit, in der weiten Welt herumtragen, - und verkündigen, dass Gott seinen Sohn gesandt habe, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Diese Lehre ist die rechte Veste und der Grund auf dem die heilige Kirche erbaut ist. Diese Lehre wird verkündet sowohl des Tags, als des Nachts, d. i. ohne Aufhören bis an das Ende der Welt; ja die Welt wird nicht eher vergehen, bis dass diese Lehre als eine Schnur, oder Regel und Richtschnur in alle Lande ausgegangen ist, und Jedermann unter den Gehorsam des Glaubens gebracht hat.
Die Erfüllung dessen, was hier David im Geiste gesehen, hat bereits begonnen, als am Tage der Pfingsten der Heilige Geist über die Apostel kam, dass sie ansingen, die großen Taten Gottes in allerlei Sprachen zu verkündigen, worauf sie ausgegangen sind, in alle Welt zu predigen das Evangelium aller Kreatur. An der Erfüllung dieser Verheißung wird immer noch gearbeitet, indem immer noch Boten ausgehen um Christum, den Gekreuzigten, auch den Heiden zu bringen, und Tausende legen mit Freuden ihr Scherflein in den Gotteskasten der Mission, auf dass die Sonne der Gerechtigkeit immer weiter laufe, und mit ihren Strahlen die heidnischen Völker immer mehr erleuchtet und erwärmt werden. Wer in dieser heiligen Sache nichts tun will, der kennt offenbar den Wert und das Glück nicht, ein Christ zu sein.
Auf diesen Wert zeigt schon David hin, wenn er im Psalm von dem Gesetze des Herrn, unter dem er aber nicht das mosaische, sondern ein neues Gesetz, oder die neue Lehre versteht, spricht: Das Gesetz ist ohne Wandel, d. h. vollkommen in allen Stücken, so dass ihm nichts mangelt; die Lehre des Evangeliums erquickt die Seele, denn sie verkündet Gottes Gnade und ewige Seligkeit durch Christum allen, die an ihn glauben; sie ist eine Kraft Gottes, alle selig zu machen.
Diese Lehre ist gewiss und fest und beständig, dass man sich darauf verlassen kann; sie macht die Albernen weise, unterrichtet die Einfältigen und macht uns klug und verständig, dass wir wissen, wer Gott nach seinem Wesen und Willen sei, wie er gegen uns gesinnt ist, wie uns von Natur verderbten Menschen wieder geholfen wird, was wir glauben, wie wir leben, in allen Verhältnissen uns verhalten und endlich selig sterben sollen. Die Lehre des Evangeliums ist richtig; sie zeigt den rechten und einzigen Weg zum Heile; sie erfreut das Herz, denn sie bringt den Frieden des Gewissens; sie ist lauter und hell und klar, und hält uns Gottes Willen deutlich vor; sie erleuchtet die Augen, dass man in göttlichen Sachen recht sehen und die Geheimnisse Gottes recht verstehen kann; sie ist rein, ohne menschlichen Zusatz, und erweckt in uns einen reinen Glauben und wahre Gottesfurcht, dass wir nicht aus Heuchelei oder nur zum Schein, sondern von Herzen Gott ehren; sie bleibt ewig, und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen; sie ist wahrhaftig und gewiss, was sie verheißt, das gibt sie auch allen Gläubigen; sie ist gerecht, indem sie gerecht macht alle, die daran glauben; sie ist über Gold und Silber, und übertrifft weit alle Schätze der Erde, weil sie uns Christum vorhält, in welchem alle Schätze verborgen liegen; sie ist süßer denn Honig und Honigseim, eine Lehre, die alles bittere Kreuz und auch den Tod süße und erträglich macht, und ist keine Freude über die, welche das Evangelium in dem Herzen der Gläubigen anrichtet. Die evangelische Lehre erinnert die Kinder Gottes, macht sie wacker und munter und vorsichtig, dass sie vor aller Verführung auf ihrer Hut sind, ihres Berufes fleißig warten, und sich wohl bessern lassen. Endlich gibt das Evangelium großen Lohn, - wer das Wort Gottes hat, das uns Christus gebracht, und wer darauf achtet als auf ein festes prophetisches Wort, der besteht hier und dort, vor Gott und der Welt, und hat das ewige Leben.
Geliebte Christen! haltet dieses neue Gesetz, das euch so reichlich verkündet und in der Heiligen Schrift mitgeteilt wird, für euer köstlichstes Kleinod! Erbaut euch je mehr und mehr auf euern Allerheiligsten Glauben durch den heiligen Geist, und lasst euch aber nicht mit dem genügen, was ihr in eurer Jugend gelernt und von Eltern und Lehrern gehört habt; strebt vielmehr danach, dass ihr durch das innerliche Zeugnis des heil. Geistes die Versicherung des Wertes und der Wahrheit des Evangeliums in euern Herzen empfindet und sprechen könnt: Wir haben selbst gehört und erkannt, dass dieser wahrhaftig ist Christus, der Welt Heiland, und dass sein Wort eine Kraft Gottes zu unserer Seligkeit ist! Danket dem guten Gott ohne Unterlass von Herzen, dass er uns berufen hat zur Gemeinschaft seines lieben Sohnes Jesu Christi, und zu seiner ewigen Herrlichkeit durch die teure Beilage seines göttlichen Wortes.
Führt aber auch einen heiligen Wandel und ziert die Lehre unsers Herrn Jesu Christi in allen Stücken; und müsst ihr mit David im Psalm sprechen: Wer kann merken, wie oft er fehlt; seid ihr zu der Erkenntnis gekommen, dass unser Herz einem Lustgarten gleich ist, der ohne Wart und Pflege bald verwildert und mit Unkraut überzogen ist, - oder einem ungetreuen Diener, der sich in Gegenwart seines Herrn gar fromm und treu stellt, es aber arg macht, wenn er Gelegenheit bekommt; fragt ihr mit dem Apostel Paulus unter Seufzen: Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes? Will es euch schwer werden durch euer Leben vor der Welt zu beurkunden, dass ihr den hohen Wert des Evangeliums erkennt und Christum und sein Wort recht lieb habt, o lernt nur von einem David, was Not tut! Er betete:
Verzeihe mir die verborgenen Fehler! Bewahre auch deinen Knecht vor den Stolzen - vor den vorsätzlichen Sünden, - dass sie nicht über mich herrschen, so werde ich ohne Wandel sein und unschuldig bleiben großer Missetat! Lass dir wohlgefallen die Rede meines Mundes und das Gespräch meines Herzens, welches ich vor dir bringe, Herr mein Hort und mein Erlöser! Betet ihr so von Herzensgrund, seid ihr andächtige und eifrige Beter, dann könnt ihr euch der Worte des Apostels bedienen: Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht, Christus! Ihr überwindet die Sünde, und wenn das böse Stündlein kommt, werdet ihr Widerstand tun, Alles wohl ausrichten und das Feld behalten! Der Herr ist bei euch, er hilft euch frühe!
Amen.