Stiller, Erich - Psalm 2.
Ausgezeichnet steht der Verfasser dieses Psalms als Verkündiger des Heilands da! Solche tiefe und umfassende Erkenntnis, wie er sowohl von der Person und dem Amte Christi, als auch von der Beschaffenheit seines Reiches hatte, war bisher Niemanden von Gott zu Teil geworden! In den Psalmen sind die wesentlichsten Stücke, welche Christum betreffen, weissagungsvoll mitgeteilt; und dass man nicht irrt, wenn man das in den Psalmen hier und da Gesagte auf Christum anwendet, ist damit hinlänglich bewiesen, dass Jesus selbst im Allgemeinen sagt, es müsse Alles erfüllt werden, was von ihm geschrieben sei im Gesetze Mosis, in den Propheten und in den Psalmen (Luk. 24.); sowie Christus selbst einzelne Stellen aus den Psalmen auf sich anwendet.
Wir beziehen nach Weise der besten Ausleger der älteren und neuern Zeit auch diesen Psalm auf Christum, und betrachten nach Anleitung desselben das Verhalten der Welt gegen Christum, den Gesalbten Gottes.
Warum toben die Heiden, und die Leute reden so vergeblich? Die Könige im Lande lehnen sich auf, und die Herren ratschlagen miteinander wider den Herrn und seinen Gesalbten! Gott hat viele Gesalbte unter den Menschen; hier aber ist, wie aus der Apostelgeschichte Kap. 4 her vorgeht, von dem die Rede, der ohne Maß gesalbt worden ist, dem der Vater Alles in seine Hand gegeben hat, und der mit ihm herrscht und regiert in alle Ewigkeit; - es ist die Rede von Jesu von Nazareth, von dem alle Propheten zeugen, dass durch seinen Namen alle, die an ihn glauben, Vergebung der Sünden empfangen sollen, von dem Petrus sagt, es sei in keinem andern Heil, es sei auch kein anderer Name den Menschen gegeben, darinnen sie sollen selig werden. Christus wird vorzugsweise der Gesalbte Gottes genannt, weil er mit dem heiligen Geiste und mit Kraft gesalbt war, und zwar zu einem Propheten, Hohenpriester und König. Dieser Christus fing aber nicht erst zu sein an, als er in Bethlehem geboren wurde, sein Ausgang ist von Anfang und von Ewigkeit; er hat noch eine andere Geburt, eine Geburt aus Gott, die von Ewigkeit her ist; deshalb heißt es auch in unserm Psalme: Ich will von einer solchen Weise predigen, dass der Herr zu mir gesagt hat: du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt. Der Vater hat ihn gezeugt, d. h. nach dem gewöhnlichen Sinne des Wortes, wie es von Menschen gebraucht wird, er hat ihm seine ganze Natur und sein ganzes Wesen mitgeteilt, so dass wie der Sohn eines Menschen die ganze menschliche Natur hat, mithin sündlich und sterblich ist, so hat der Sohn Gottes die ganze Natur und das ganze Wesen Gottes, und das von Ewigkeit her.
Wie verhielten sich aber die Menschen gegen Christum? haben sie ihn alle als den Gesalbten Gottes und als ihren Herrn aufgenommen? Ach nein! David sah es im Geiste voraus, es werde anders kommen; das beweisen seine Worte: Was toben die Heiden, und die Leute reden so vergeblich? Die Könige im Lande lehnen sich auf und die Herren ratschlagen miteinander wider den Herrn und seinen Gesalbten. Von seiner Geburt an bis er auf Golgatha rief: Es ist vollbracht, tobten Heiden und Juden, Hohe und Niedere wider ihn und sein Reich, und machten Bündnisse, und hielten Rat, wie sie ihn und sein Reich unterdrücken und vertilgen könnten! Ist es anders geworden, geliebte Christen? Nein, es gibt immer noch viele, die Christum Jesum, Gottes Sohn, stoßen wollen von seinem Thron, denen er wie einst den Juden ein Ärgernis, und den Heiden eine Torheit ist, die viele vergebliche Worte machen, um die Wahrheit in Irrtum zu verkehren, und das Licht zu Finsternis! Es gibt viele, die ihn weder als einen Propheten, Hohenpriester und König erkennen, noch von ihm sich wollen leiten und regieren lassen! Obgleich alle Propheten und Apostel von Christo zeugen; obschon Johannes der Täufer und mit ihm alle treuen Diener Gottes auf Jesum die Aufmerksamkeit lenken und sagen: Siehe das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt; obschon Gott den Glauben jedermann vorhält, und seinen Himmel, seine Kindschaft, seine Gnade und die ganze Seligkeit aus unbegreiflicher Liebe darbietet, so sind doch sehr viele, welche es nicht achten, die selten an ihren Erlöser denken, und mit dem edlen Kleinode, das Gott ihnen darreicht, so leichtsinnig umgehen, als wäre es eine Sache, die leichten Kaufes zu gewinnen ist; und der Herr darf wohl ausrufen: Hört ihr Himmel, und du Erde nimm es zu Ohren! Ich habe Kinder erzogen und erhöht, und sie sind von mir abgefallen! Ich habe die Seelen der Menschen so sehr geliebt, dass ich sie mit meinem Blute habe erkauft, und habe sie mir durch viele Mühe und Arbeit zum Eigentume erworben, aber sie haben mich verlassen, und an den Feind gehängt! weh des sündigen Volkes! des Volks von großer Missetat, des boshaften Samens, der schändlichen Kinder, die den Herrn verlassen!
Woher kommt aber wohl, geliebte Christen! dieses Verhalten gegen den Gesalbten des Herrn? Sie sprechen: Lasst uns zerreißen die Bande, und von uns werfen ihre Seile; sie meinen, Christus wolle ihnen Fesseln und Bande anlegen. Wie verkehrt ist dieses Urteil! Christus ist nicht in die Welt gekommen, die Menschen zu binden, sondern von den Banden der Sünde, des Teufels und des Todes loszumachen, und zur Freiheit der Kinder Gottes zu bringen. Und wie er von Gott ausgesendet worden ist, also sendet er Botschafter aus zu predigen den Gefangenen eine Erledigung, und den Gebundenen eine Eröffnung. Aber das will die Welt nicht annehmen, sie will sich nicht gläubig und fromm machen, sie will sich an das sanfte Joch Christi nicht binden lassen, die Menschen wollen lieber Sklaven der Sünde sein, und ihre Glieder zum Dienste der Unreinigkeit begeben. Der Fürst der Welt hat sein Werk in ihnen, ihr Herz ist seine Werkstätte, er ist ihr Meister und sie sind seine Gesellen! Was ist das aber für eine elende Freiheit, wenn man vom Gehorsame Gottes sich losreißt, und ein Knecht der Welt und der Sünde wird, - wenn man die Seile der Liebe von sich wirft, und dafür in die Stricke des Satans sich täglich mehr und mehr vertieft? Es ist gerade so, als wenn ein Schiff, das keinen Steuermann hat, und auf dem Meere vom Winde und Wetter getrieben dahingeht, sich seiner Freiheit rühmen wollte; oder als wenn ein armes Schaf, das sich von der Herde verirrt hat, sagen wollte, es sei glücklich, denn es dürfe sich vor des Hirten Hund und Stab nicht fürchten! Der verlorene Sohn war nie in einem gefährlicheren Zustande, als da er sich der Aufsicht des Vaters entzogen hatte; je ferner er vom Vater war, desto näher war er dem Verderben. Frei sein von Gott, heißt gefangen sein vom Teufel; frei sein von der Gerechtigkeit und dem sanften Joche Christi heißt, leben in den Ketten und Banden der Finsternis!
Was hilft aber dieses Streben sich von Gott loszureißen und sich wider den Gesalbten Gottes aufzulehnen? Der im Himmel wohnt, lacht ihrer, und der Herr spottet ihrer! Er lacht über die Torheit derer, welche gegen Christum auftreten, und spottet derer, die sich bemühen einen andern Weg zum Himmel ausfindig zu machen. Christus ist und bleibt unser Haupt und der Herr der Kirche, der Gesalbte Gottes! Gott hat ihn selbst zum König eingesetzt auf seinem heiligen Berge Zion, d. i. über seine Kirche, die sein Reich ist, welche er durch die Predigt seines Wortes sammelt, mit seinem heiligen Geiste regiert, beschützt und beschirmt! Er ist und bleibt unser Prophet und Lehrer, der selbst predigt und andere von Gott und seinem Rat und Willen predigen lässt, und dadurch zur Erkenntnis und ewigen Seligkeit führt! Er ist und bleibt unser Hohepriester, weswegen Gott zu ihm spricht: heische von mir, so will ich dir die Heiden zum Erbe geben, in welchen Worten die Fürbitte Christi für seine Kirche, und somit sein hohepriesterliches Amt angezeigt ist.
Wehe aber Allen, die sich also verhalten, die Christum nicht für den Gesalbten Gottes erkennen und von ihm sich nicht leiten und regieren lassen, die wohl gar wider ihn toben und ratschlagen - wider den Herrn und seinen Gesalbten! Der Herr spricht: Du sollst sie mit einem eisernen Zepter zerschlagen, wie Töpfe sollst du sie zerschmeißen! Tod und Verdammnis ist ihr Los! Es ist in keinem andern Heil, als in ihm; wer von ihm weicht, der weicht von seinem Heile; er ist der Weg, - wer ihn verlässt, geht in der Irre; er ist die Wahrheit, - wer ihn nicht hört und sein Wort nicht achtet, bleibt in der Finsternis; er ist das ewige Leben, - wer ihn nicht ergreift, geht der Verdammnis entgegen! Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingebornen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben; wer an den Sohn nicht glaubt, der ist schon gerichtet, er hat kein geistliches, göttliches Leben in sich, und gehört in das höllische Feuer! Wer nicht in mir bleibt, spricht Christus, wer die Bande des Glaubens zerreißen will, die ihn mit den Gesalbten Gottes in Gemeinschaft bringen, der wird weggeworfen wie eine Rebe, und verdorrt, - und man sammelt sie, und wirft sie in das Feuer, und muss brennen!
So lasst euch nun weisen, ihr Könige, und last euch züchtigen, ihr Richter auf Erden, dient dem Herrn mit Furcht und freut euch mit Zittern, küsst den Sohn, dass er nicht zürne und ihr umkommt auf dem Wege! Was hier Regenten, Richtern und Räten gesagt wird, dass sie Christum als den König aller Könige, als den Herrn aller Herren erkennen und von ihm sich züchtigen lassen sollen, das wollen auch wir zu Herzen nehmen, geliebte Brüder und Schwestern! Eins ist Not, nämlich in Christo Jesu erfunden worden! Wohl allen, die auf ihn trauen! Lasst uns alle hineilen zu dem Herrn, lasst unsere Seele sein, wie einst Maria Magdalena war, die nirgends Ruhe fand, so lange sie ihren Herrn verloren hatte; sie weinte und seufzte, bis er sich ihr offenbarte, und sie sagen konnte: Ich habe den Herrn gesehen! Lasst uns dafür sorgen, dass unser Herz werde, wie der Altar im alten Testamente war, auf dem immer das Feuer brannte, von dem immer Rauch und Funken und Flammen zum Himmel emporstiegen; es müssen ohne Unterlass unsere Seufzer und unser Sehnen und Verlangen auf Christum zielen! Lasst uns den Sohn fest umschlingen mit den Armen des Glaubens, und ihn küssen mit dem reinen Kuss der Liebe, auf dass er nicht zürne! Amen.
Trotz des bitteren Todes Zähnen!
Trotz der Welt und allen denen,
Die mir sind ohn' Ursach feind!
Gott im Himmel ist mein Freund.
Lass die Welt nur immer neiden!
Will sie mich nicht länger leiden,
Ei, so frag ich nichts danach!
Gott ist Richter meiner Sach.
Ach, Herr! wenn ich dich nur habe,
Sag' ich allem Andern abe!
Legt man mich gleich in das Grab;
Ach, Herr! wenn ich dich nur hab!
Amen!