Spurgeon, Charles Haddon - Über seine Taufe
„Der 3. Mai des Jahres 1850 wird mir unvergesslich bleiben. Es war der Geburtstag meiner Mutter. Um vor der Taufe einige Stunden zum stillen Gebet und zur Übergabe an Gott zu haben, stand ich morgens früh auf. Darauf hatte ich einen Weg von etwa sechs (englischen) Meilen zu laufen nach dem Orte, an welchem ich dem heiligen Befehl gemäß im Namen des dreieinigen Gottes getauft werden sollte. Welch ein Weg war das! Welche Gedanken und Gebete drängten sich während dieser Morgenreise in meine Seele! Es war ein keineswegs warmer Tag. Das freundliche Lächeln, mit welchem Prediger Cantlow mich begrüßte, war eine volle Belohnung für den langen Weg. Wir begaben uns zusammen nach der Fähre; denn die Freunde in Isleham waren noch nicht so weit entartet, dass sie die Taufe drinnen in einem von menschlicher Hand hergerichteten Bade vollzogen, sondern sie benutzten zu dem Zwecke das geräumige Taufbecken des Flusses.
Die Isleham-Fähre am Flusse Lark ist ein sehr stilles Fleckchen, eine halbe Meile vom Ort, und wird nur selten zu irgendeiner Zeit des Jahres durch Verkehr gestört. An Wochentagen, wenn nicht viele Zuschauer anwesend sind, pflegt der Prediger seinen Stand an der Stelle einzunehmen, wo ein Boot am Ufer liegt. Hingegen an Sabbattagen, wenn viele Leute herbeiströmen, stellt er sich in ein Boot mitten auf dem Flusse, um auf diese Weise zu den Scharen an beiden Ufern reden zu können. An einer seichten Stelle, wo man bequem in den Fluss einsteigt, gingen die Taufkandidaten in das Wasser. Mir schien der Zudrang an jenem Wochentage groß zu sein. Wie ich glaube, mit einer Jacke, mit einem niedergeschlagenen Kragen bekleidet, nahm ich an dem der heiligen Handlung vorhergehenden Gottesdienst teil. Aber die Erinnerung an denselben ist meinem Gedächtnis völlig entschwunden. Meine Gedanken waren im Wasser, bald freudig in meinem Herrn, bald bei mir selbst mit bebender Scheu gegenüber einem so öffentlichen Bekenntnis.
Zuerst sollten zwei Frauen getauft werden, und ich wurde aufgefordert, sie durch das Wasser zu dem Prediger zu geleiten. Das lehnte ich jedoch schüchtern ab. Da ich noch nie einer Taufe beigewohnt hatte und mir also alles neu war, befürchtete ich, irgend etwas verkehrt zu machen. Als die Reihe an mich gekommen war, ins Wasser hinabzusteigen, wehte ein schneidender Wind. Nachdem ich aber einige Schritte getan hatte und die Leute im Fährboot und in anderen Booten sowie an beiden Seiten des Ufers bemerkte, war mir zumute, als ob meinetwegen Himmel und Erde und Hölle allzusammen zuschauen möchten. Schämte ich mich doch an jenem Orte und zu jener Stunde nicht, mich als einen Nachfolger des Lammes zu bekennen. Alle Ängstlichkeit war verschwunden. In jenem Flusse Lark ließ ich tausend Befürchtungen zurück und erfuhr: Wer die Rechte des Herrn hält, der hat großen Lohn. Es war ein dreimal seliger Tag für mich. Gott sei gepriesen für seine bewahrende Gnade, welche es mir vergönnt, noch jetzt nach Verlauf von vierzig Jahren mit herzlicher Freude darüber zu schreiben!
…
Ich hatte nicht die abergläubische Idee, dass ich durch die Taufe gerettet werden würde; denn ich war schon gerettet. Ich suchte nicht, durch Wasser von meinen Sünden gewaschen zu werden; denn ich glaubte durch den Glauben an Jesus Christus schon Vergebung meiner Sünden zu haben. Ich sah aber die Taufe an als ein Zeichen der Reinigung für den Gläubigen, als ein Sinnbild seines Begrabenseins mit dem Herrn und als das äußere Bekenntnis von seiner Wiedergeburt. Nicht auf sie setzte ich mein Vertrauen. Ich habe die äußere Handlung nicht erfüllt, um mich einer Partei anzuschließen und Baptist Zu werden, sondern um ein Christ nach apostolischem Muster zu sein.“