Spurgeon, Charles Haddon - Predigt-Entwürfe - 100. Geistliche Wiedergenesung.
„Ich will sie stärken in dem Herrn, dass sie sollen wandeln in seinem Namen, spricht der Herr.“ Sach. 10, 12.
Beziehe den Text und das ganze Kapitel auf das alte Volk des Herrn, die Juden. - Sie werden so sehr vergessen und so oft verfolgt und so allgemein verachtet, dass wir wohl daran tun, über die Prophezeiungen von einer herrlichen Zukunft, die der Herr ihnen gegeben hat, nachzudenken. Aber das Erbteil des natürlichen und vorbildlichen Israel gehört in seiner geistlichen Bedeutung dem geistlichen Israel, und diese Verheißung gehört uns. Für die, welche ihre Schwächen beklagen, ist die Verheißung des Textes besonders erfreulich. Hier wird:
I. Göttliche Stärkung verheißen. „Ich will sie stärken in dem Herrn.“
- Sie ist schmerzlich nötig. Wir sind von Natur schwach wie Wasser. Nach einer Seelenkrankheit sind wir besonders schwach. Wir fühlen unsere Schwäche angesichts der großen Arbeiten. Uns fehlt die Kraft zum Wachen, zum Wandeln, zum Wirken, zum Kämpfen. - Sie wird freiwillig verheißen. Siehe auch Vers 6. Die Gerechtigkeit könnte uns uns selber überlassen. Die zärtliche Liebe gewahrt unsere Bedürfnisse. Die unendliche Kraft befriedigt sie überschwänglich. - Sie wird von Gott gewährt. Ich.“ Deshalb ist sie ausreichend; es ist ehrenvoll, sie zu empfangen. Wie veredelnd ist es, die Stärkung unmittelbar vom Herrn zu empfangen! Deshalb ist sie unbeschränkt in ihrer Gewährung, wenn wir nur Glauben haben, sie zu nehmen. - Sie wird nach und nach empfangen (wir gehen von Kraft zu Kraft): durch die Anwendung der Gnadenmittel - Gebet, Gemeinschaft mit Gott, geistliche Übung, Erfahrung rc.; durch die stillen Einwirkungen des Heiligen Geistes; durch das Wachstum jeder Gnade und durch die Vermehrung des Lebens innerlich. - Sie wird mit Wonne wahrgenommen. Eine vortreffliche Illustration ist die von einem Kranken, dessen Kräfte allmählich zunehmen: der Appetit kehrt zurück wir erquicken uns am Wort; die Beschwerden Lassen nach die Lasten werden leichter; er sehnt sich nach Beschäftigung die Kräfte wünschen sich zu üben; er beschäftigt sich mit der Zukunft wir verlassen die enge Kammer, in welcher die franke Seele eingeschlossen war. Die Freude wird empfunden und die Dankbarkeit angeregt. - Sie wird hinlänglich fortgesetzt. Gott fährt fort, uns von Tag zu Tag zu stärken. Er vermehrt unsere Kraft, je nachdem es nötig ist. Er macht seine Kraft in unserer Schwachheit mehr und mehr offenbar, bis wir keine andere Kraft kennen, als seine Kraft.
II. Christliche Tätigkeit angekündigt. „Sie sollen wandeln in seinem Namen.“
- Sie werden Ruhe genießen. Das ist hier eingeschlossen.
- Sie werden Freiheit haben.
- Sie werden für den Herrn tätig sein, und zwar in verschiedener Weise.
- Sie werden in solcher Tätigkeit ausharren und immer mehr freudig ausrufen: Vorwärts und aufwärts!“
- Sie werden diese Tätigkeit mit Sorgfalt dem Herrn weihen, „in seinem Namen“. Alles tun in dem Namen des Herrn Jesu.
Kranke Seelen werden die Tätigkeiten der Wiedergenesenen verrichten, wenn der Herr ihnen die Kraft dazu mitteilt. Die, welche sich von der Krankheit erholen, wissen, wie glücklich solcher Zustand gewöhnlich ist.
III. Beide Segnungen garantiert.
- Hier ist das göttliche „Ich will“ der allmächtigen Gnade.
- Hier ist das göttliche „sie werden“ der geweihten, freien Tätigkeit.
- Hier ist das göttliche „spricht der Herr“ der unfehlbaren Treue. Alles dies vereint, macht unseren Text zu einem herrlichen Text. Bist du krank, niedergedrückt, schwach? Dieser Text ist für dich. Sieh', wo deine Stärke ist! Blick auf zu dem Starken.
Glaube an Jesum, um sie zu erlangen! Er ist bereit, sie zu gewähren.
Wenn du sie hast, so verwende sie reichlich! Hilf den Schwachen, trage die Lasten anderer, diene dem Herrn mit Freuden und verherrliche Gott!
Worte eines großen Predigers.
Sir Walter Scott erzählt in seiner Selbstbiographie, dass in seiner Kindheit eines seiner Beine gelähmt wurde, und dass, als die ärztliche Kunst nichts ausrichten konnte, sein freundlicher Onkel ihn dadurch verlockte, die Muskeln seines kraftlosen Gliedes anzuspannen, dass er eine goldene Uhr vor ihm auf dem Fußboden hinzog, damit er derselben nachkrieche und die Tätigkeit und Muskelkraft anwende und nach und nach vermehre. So handelt Gott mit uns in unserer geistlichen Kindheit und der Schwäche unsres Glaubens. Wie schwach sind unsere Bemühungen, wie langsam unsere Bewegungen! Aber so langsam und schwach diese Bemühungen und Bewegungen auch sind die geistliche Lebenskraft wird dadurch gelockt, entwickelt und gestärkt.
Jedermann bedarf der Stärke. Wir bitten um das tägliche Brot, und wir erbitten es als Mittel zur Erneuerung unserer Stärke. Wir haben es ebenso nötig, um Stärke zu bitten, wie um Erlösung von dem Bösen, wie um Vergebung unserer Sünden. Da gibt's gewisse Dinge zu tun, gewisse Dinge zu erdulden, Dinge, denen widerstanden werden muss und das alles kann nur geschehen durch Kraft einer gewissen Art und durch Kraft in einem gewissen Maße. Aber Kraft ist nicht nur nötig zum Tun und zum Leiden, sondern auch zum Genuss. Die Schwäche hat um so viel weniger vom Leben und die Schwachen leben nur in einem sehr geringen Maße.
Der Mangel an Kraft ist ernster als der Mangel an irgend welcher Art äußerlicher Habe. Ein schwacher, reicher Mann ist in einer viel schlechteren Lage als ein starker, armer Mann, und der starke, arme Mann ist in Wirklichkeit der reichere. Die Schwäche verringert die Arbeit, beschränkt den Genuss und macht die Leiden irgend welcher Art viel größer. In vielen Beispielen ist sie die Ursache der Gottlosigkeit, insofern sie direkt zu Übertretungen führt und den Schwachen überaus gefährlichen Versuchungen aussetzt, so dass wir, um uns selbst vor der Sünde schützen zu können, täglich um Stärke bitten sollten.
Jedermann bedarf der Stärke; aber niemand hat in sich die Kraft, die den an ihn gestellten Anforderungen entspricht. Er muss deshalb Stärkung suchen. Der Christ bildet keine Ausnahme von dieser Regel. Er bedarf der Kraft. Seine Bekehrung war nicht eine Versetzung zur Untätigkeit, zur Ruhe und zum ununterbrochenen Stillsitzen. Seine Aufgabe ist nicht unaufhörliches Psalmensingen, während er auf grünen Auen weidet und an frischem Wasser lagert. Es gibt Zeiten, da er lagert, aber dann ist er ermüdet, und er lagert, um sich als stärkerer Mensch wieder zu erheben und in den feurigen Kampf einzutreten und härtere Arbeit zu verrichten. Wir ruhen, nicht um des Ruhens willen, sondern um wieder wirken zu können.
Brüder, einem Christen wird die Stärke nur dadurch, dass er gestärkt wird. Bei dem Anfang seines Lebens ist ihm weder als Menschen noch als Christen ein Vorrat von Kräften verliehen. Tag für Tag und Schritt für Schritt bedarf der Mensch der Stärkung, zuerst als Säugling, dann als Jüngling und dann als Vater in Christo. Und wie herrlich ist es, dass, anstatt dass uns unsere Hilfsquellen bei Anfang unsres christlichen Lebens gegeben sind, dieselben uns geöffnet werden je nachdem wir ihrer bedürfen! Hält uns diese Anordnung nicht in inniger Verbindung mit unserem geistlichen Vater und mit der Quelle aller Kraft und Weisheit? Samuel Martin.