Spurgeon, Charles Haddon - Die Pfeile des Heils vom Herrn.

Spurgeon, Charles Haddon - Die Pfeile des Heils vom Herrn.

Hättest du fünf- oder sechsmal geschlagen, so würdest du die Syrer geschlagen haben, bis sie aufgerieben wären; nun aber wirst du sie dreimal schlagen.
2. Kön. 13, 19.

Diese Sterbebettszene ist ein gewaltiges Zeugnis für die Macht der Heiligkeit. Elisa war der Prophet Gottes; ein Mann in keiner ehrenvollen Stellung, ausgenommen, dass derjenige immer geehrt ist, den Gott beruft, Ihm zu dienen; Joas, der König Israels — der oft Elisas Ermahnungen verworfen, und seine Verehrung in den Hainen Baals fortgefetzt hatte, obwohl Elisa gegen dieselbe gesprochen und verkündet, dass Jehovah allein Gott sei — kommt jetzt, da der Prophet in dem hohen Alter von neunzig Jahren im Sterben liegt, um an seinem Bette zu weinen. Es war etwas Merkwürdiges, dass der König überhaupt dahin kam. Könige besuchen nicht oft Sterbebetten, besonders die Sterbebetten der Diener Gottes. Aber es war noch etwas Merkwürdigeres, dass gerade dieser König da stand, auf die dahinwelkende Gestalt des greisen Propheten schaute und um ihn weinte. Noch merkwürdiger waren die Worte, in denen der König seine Empfindung von dem Wert, den der Prophet für den Staat hatte, aussprach: „Mein Vater, mein Vater, Wagen Israels und seine Reuter.“ Er hatte das Gefühl, als wenn jetzt alle seine Kraft hinweggenommen sei. Der König hatte auf seine Kavallerie vertraut, obgleich er nur eine geringe Macht besaß, und er verglich den Propheten mit dem, was er als den stärksten Zweig seiner militärischen Kraft ansah; oder ihm erschien der Staat jetzt als ein Wagen mit wilden Pferden, und kein stattlicher Prophet mehr, der aufrecht steht und die Zügel hält. Nun sind die Zügel der Hand entsunken, und wohin wird der Wagen gehen? Er wird bald umgeworfen werden, und die tollen Renner werden ihn hierhin und dorthin schleppen. So steht der König mit einer Art von selbstsüchtiger Ehrfurcht vor dem Propheten — denn es war Ehrfurcht und doch war es Selbstsucht — und weint an seinem Totenbette.

Lieben Freunde, lasst uns suchen, so zu leben, dass selbst ungöttliche Menschen uns vermissen, wenn wir dahingegangen sind. Es ist möglich für uns, in einer ruhigen, nicht aufdringlichen Weise so „die Lehre Gottes, unsres Heilandes, zu zieren in allen Stücken,„ dass, wenn wir sterben, viele sagen werden: „Meine Seele müsse sterben des Todes dieses Gerechten, und mein Ende werde wie dieses Ende,“ und die Leute eine Träne vergießen werden, und die Laden schließen, und eine oder zwei Stünden stille und ernst sein, wenn sie hören, dass der Knecht des Herrn tot ist. Sie lachten über ihn, so lange er lebte, aber sie weinen um ihn, wenn er stirbt; sie konnten ihn verachten, so lange er hienieden war, aber nun er dahingegangen, sagen sie: „Wir hätten leichter einen weniger bekannten Mann entbehren können, denn er, und solche, die ihm gleichen, sind die Säulen des Gemeinwesens; sie bringen Ströme von Segen über uns alle.„ Ich möchte dies ernstlich als eine Gabe begehren, nicht um der Ehre und Achtung der Menschen willen, sondern zur Ehre und zum Ruhme Gottes; damit selbst die Verächter Christi gezwungen wären, zu sehen, dass in dem Wandel eines aufrichtigen Mannes eine Würde und etwas Achtunggebietendes ist.

Doch, der Auftritt am Sterbebett des Elisa, — köstlich wie er ist durch den Tribut der Ehrfurcht, der dem Propheten von einem ungöttlichen und grundsatzlosen Monarchen gezollt wurde, ist denkwürdig um der Lehren willen, die da und dann den König gelehrt wurden, und nicht weniger voll ist er von nützlichen Unterweisungen für uns. Ich schlage euch deshalb vor, zu allererst das bedeutsame Zeichen zu betrachten; dann möchte ich, dass ihr euch mit mir vereintet im Tadel des schlaffen Königs; nach diesem werden wir keine Schwierigkeiten haben, denke ich, einstimmig den gerechten Zorn des Propheten zu billigen.

I.

Sehr bedeutsam war das Zeichen.

Israel war zu dieser Zeit im Krieg mit Syrien begriffen. Als ein Zeichen, dass Gott beabsichtigte, seinem Volk Sieg zu geben, wird dem König befohlen, Bogen und Pfeile zu nehmen. Elisa legt als Gottes Vertreter seine Hand auf des Königs Hand, das Fenster wird aufgetan und der Pfeil abgeschossen. Als er durch die Luft fliegt, sagt der Prophet, dass dieser Pfeil ein Pfeil des Heils ist, dass der Herr sein Volk aus der Hand Syriens befreien wird.

Die Deutung dieser symbolischen Handlung ist einfach genug. Gott will erretten; Befreiung ist vom Herrn, aber sie muss durch menschliche Werkzeuge vollführt werden. Joas muss Bogen und Pfeile nehmen, aber die Hände des Joas können den Pfeil nicht fliegen machen, wenn nicht Elisa als Gottes Vertreter seine Hände darauf legt. So schießt der Mensch, von Gott gestärkt, den Pfeil ab, und die Befreiung kommt.

Das ist vom Anbeginn der Zeit bis auf die Gegenwart Gottes gewöhnliche Weise gewesen, sein Volk zu segnen und seine Erwählten einzusammeln. Er wirkt; das Werkzeug ist nichts ohne Ihn; Er trägt Sorge, Mittel zu wählen, die gerade durch ihre Schwäche den größten Zweifler überzeugen, dass die Kraft nicht in dem Geschöpfe sein kann; während Er zu gleicher Zeit selten ohne menschliche Mittel etwas Großes für sein Volk tut. Gott, der alle Dinge schuf, ist der Wirkende; aber Er gebraucht die Geschöpfe als Werkzeuge und Waffen in der Hand des Kundigen und Mächtigen. Er wirket in uns beides, das Wollen und das Vollbringen nach seinem Wohlgefallen. Es ist sein Wohlgefallen, es ist Er selber, der in uns wirket; aber es ist unser, zu wollen und zu tun, weil Er in uns wirket. Überblickt die ganze Geschichte der Gemeinde, wie ihr sie in der Schrift findet, und ihr werdet sehen, dass es immer so gewesen ist. Als Gott eine erwählte Anzahl aus der Masse des Verderbens, das zuletzt zu faul geworden war, als dass selbst seine Geduld es hätte tragen können, erretten wollte, da rettete Er die erwählten Acht — wie? Durch ein Wunder? Nennt es ein Wunder, wenn ihr wollt, aber es war mechanisch genug, als Noah begann, Brett auf Brett zu legen, sie mit Nägeln befestigte und die Arche baute. Es war eine einfache Handlung des Glaubens und eine sehr vernünftige Handlung dazu, ein Schiff zu bauen; doch in diesem Schiff wurden Gottes erwählte Acht erhalten. Ihr seht die Gnade Gottes und den Gehorsam Noahs. Ihr wisst, dass der Allmächtige den Plan zur Arche entwarf, und menschliche Hände sie verfertigten nach dem Muster, das Er gegeben. Geht weiter, zu einem noch erstaunlicheren Werke göttlicher Macht, als Gott sein Volk aus Ägypten führte mit hoher Hand und ausgerecktem Arm; als Er sie durch das Meer führte, wie durch die Wüste, und die Tiefen aufrechtstehen ließ wie einen Haufen, als wären sie gefroren im Schoße des Meeres. Hier offenbarte sich Gott herrlich, so dass das ganze Lied dem Herrn gesungen ward, und dem Herrn allein: „Singet dem Herrn, denn Er hat eine herrliche Tat getan, Ross und Wagen hat Er ins Meer gestürzt!“ Dennoch, dennoch, seht ihr nicht jenen ruhigen, sanftmütigen Mann mit ausgestrecktem Stabe, das Sinnbild der stetigen menschlichen Mittel inmitten der Wunder Jehovahs? Gott teilt das Meer, nicht Mose; aber Gott teilt nicht das Meer ohne Moses Stab. So auch, als der Fels Wasser gab in der Wüste, Moses Stimme und nachher Moses Stab musste das Wasser aus dem Felsen bringen. Und als der Jordan geteilt ward, gingen die Füße der Priester zuerst bis an den Rand des Flusses, und dann: „Was war dir, du Jordan, dass du dich zurückwandtest?„ Sprachen die Priester zu ihm? Wer wähnt das? Und dennoch tat Gott es nicht ohne die Priester. So war es mit der Eroberung der verschiedenen Städte unter Josua. Bei jener ersten und denkwürdigen, der Eroberung von Jericho, taten sie nur wenig, als die Mauern an dem siebenten Tage umfielen; aber ihr werdet euch erinnern, dass diese Mauern nicht fielen, bis das Volk sieben Tage um die Stadt herumgezogen war, und sie fielen auch nicht ohne den Ton der Posaunen und das Feldgeschrei der Menge. Wendet euch ferner zu der Zeit der Richter, wie befreite Gott sein Volk da? Nun, meine Freunde, ihr findet, dass es das eine Mal der Ochsenstecken Samgars ist, und das andre Mal der Eselskinnbacken in der Hand Simsons; einmal ist es Gideons Fackel und Krug, und dann wieder Jephthas gutes und treues Schwert. Allezeit ist es wahr, dass Gott Mittel hat, und die Dinge der Erde auswählt, um das Amt des Himmels auszuführen. Aber ich würde euch vielleicht ermüden, wenn ich die Geschichte der Könige erwähnte und die Propheten durchginge; deshalb lasst uns gleich zu den apostolischen Zeiten kommend Das alte Rom sollte unterworfen werden; die tiefgewurzelten Götzendienste von Jahrhunderten sollten ausgerottet und die fabelhaften Gottheiten von ihren Piedestalen heruntergeworfen werden. Der Geist des Herrn konnte es in einem Augenblick tun; Er hätte alle Menschen von der Torheit der Abgötterei überführen können; wenn Er schweigend die Seelen angehaucht, wären sie von der Sünde überführt worden und hätten sich zu dem großen Vater der Geister gewandt. Eine Offenbarung Christi hätte jedem Menschen gegeben werden können ohne einen einzigen Prediger. Aber gefiel es Ihm, dies zu tun? Nein, meine Brüder, Er tat es nicht. Die zwölf Fischer mussten zuerst das Wort verkünden, und nachher mussten solche Männer wie Timoteus und die, welche die wahren „Nachfolger der Apostel“ waren, in jedem Lande das Wort der Wahrheit predigen. Zeigt mir eine einzige Periode in der Geschichte der Gemeinde, wo Gott ohne Werkzeuge gewirkt hat, und ich will euch sagen, dass ich zweifle, ob Gott da überhaupt gewirkt habe, wenn ich nicht die Werkzeuge sehe, die Er gebraucht hat. Nehmt die Reformation, könnt ihr an sie denken, ohne an Gott zu denken? Aber zu gleicher Zeit, könnt ihr sie nennen ohne die Namen von Luther und Calvin und Zwingli und Melanchthon? Dann in der späteren Reformation in England, als unsre schlummernden Gemeinden plötzlich aus ihrem Schlaf geweckt wurden, wer tat es? Der Heilige Geist selbst; aber ihr könnt nicht von dieser Erweckung sprechen, ohne die Namen von Whitefield und Wesley zu nennen, denn Gott wirkte vermittelst ihrer, und Er wirkt immer noch durch Mittel. Ich pflegte auf die Bemerkung zu achten, die betreffs der Erweckung im Norden von Irland gemacht wurde, dass kein hervorragendes Werkzeug dabei zu sein schiene. In dem Augenblick, wo ich dies sah, hatte ich Misstrauen dagegen. Wäre es Gottes Werk gewesen, völliger entwickelt durch den Gebrauch von Werkzeugen, so glaube ich, hätte es nicht so schnell ein Ende genommen.

Wir gestehen euch zu, dass Gott ohne Mittel wirken kann, und selbst wenn Er Mittel gebraucht, gebührt Ihm die Ehre, denn es ist alles sein eigen; doch ist es die Regel gewesen und wird die Regel bleiben, bis der Tag der Mittel zu Ende sein wird; gerade wie Gott den Menschen dadurch rettete, dass Er selbst das menschliche Fleisch annahm, so beruft Er überall in der Welt die Menschen dadurch, dass Er zu ihnen durch Menschen von ihrem eignen Fleisch und Blut spricht. Gott wird Fleisch — wenn ich einen so starken Ausdruck in einem eingeschränkten Sinne gebrauchen darf — in seinem Heiligen Geiste, wird Fleisch in den erwählten Menschen, besonders in seiner Gemeinde, in der Er wie in einem Tempel wohnt; und dann gefällt es Ihm, durch diese Gemeinde die Welt zu segnen. Nun müssen wir dies immer festhalten. Wir sollen nicht die Pfeile still liegen lassen und sagen: „Gott wird sein eigenes Werk tun; Elisa wird die Pfeile schießen.„ Dies ist Trägheit; davon haben wir genug gehabt. Seht auf jene Gemeinden, die sprechen: „Gott wird sein eigenes Werk tun.“ Ihr werdet finden, je mehr diese Leute davon schwatzen, dass Gott sein eigenes Werk tun wird, desto mehr sinken sie in eine gefährliche Apathie. Keine Sonntagsschule; keine Sorge für die Bekehrung von Seelen! sondern Bigotterie, Bitterkeit, Mäkelei und Verleumdung aller, die willig sind, in des Herrn Weinberg zu arbeiten. Und wenn sie Brüder, deren Bekehrung unter andrer Predigt, als die ihre, stattgefunden hat, an sich gelockt haben, so schwatzen sie, als wenn diese aufs neue bekehrt wärm und die Wahrheit nicht gekannt hätten, bis sie das besondere, vortreffliche, superfeine, heißgepreiste Evangelium hörten, dass sie selber vortragen. All dergleichen findet sich bei ihnen; ihr seht ein Gemüt, welches das Gegenteil von Liebenswürdigkeit ist, einen Sinn, der ganz klar dem widerspricht, der in Jesu Christo war. Auf der andren Seite ist es ein ebenso gefährlicher Irrtum, zu glauben, dass wir die Pfeile nehmen und ohne Gott schießen sollen. Dies ist in der Tat der gefährlichste von den beiden; obgleich ich, wenn ich zwei Teufel miteinander vergleichen soll, nicht weiß, welcher der schlimmste von diesen bösen Geistern ist; der Geist, der träge sagt: „Überlass es Gott,„ oder der Geist, der an Gottes Werk geht ohne Vertrauen auf Gott. O Herr Zebaoth, es ist nicht durch Heer, noch durch Kraft, sondern durch Deinen Geist; desungeachtet zwinget uns die Liebe Christi, in seiner Sache unsre Kraft zu brauchen und zu verzehren.

II.

Und nun lasst uns zweitens den schlaffen König tadeln.

Der Prophet gab ihm Bogen und Pfeile und hieß ihn auf die Erde schießen. Es ward ihm überlassen. Gott wusste und hatte vorher bestimmt, wie viele Siege er gewinnen sollte; aber doch ist es wunderbar, wie unsre freien Handlungen genau Gottes Vorherbestimmungen entsprechen. Ihm wird befohlen, zu schießen, und er schießt einmal; er spannt seinen Bogen und schießt wieder; ein drittes Mal spannt er den Bogen und dann wirft er ihn schlaff auf den Boden und der Prophet ist zornig auf ihn, denn er wird nur drei Siege haben. Der König ist zu tadeln und streng zu tadeln; aber da er tot und dahin ist und unser Tadel ihn nicht viel berühren kann, lasst uns die tadeln, die ihm jetzt nachahmen, und wir meinen, dass wir sehr viele derselben Art finden können.

Wie viele Gläubige haben nur wenig Glauben und scheinen ganz zufrieden, nur so wenig zu haben. Sie können die Verheißung Gottes nicht ergreifen und gläubig hoffen, sie erfüllt zu sehen. Sie kennen ihren eignen Anteil an Christo; sie sind geborgen genug, aber sie sind für gewöhnlich elend genug. Sie können nicht Gott beim Worte nehmen, und deshalb lasten ihre zeitlichen Leiden und ihre geistlichen Sorgen schwer auf ihnen. O, dass sie Gnade hätten, die Erde sechsmal zu schlagen! O, dass sie es verstünden, alle ihre Bürden auf Den zu werfen, der für sie sorgt! O, dass der Herr ihnen neuen Glauben gäbe, so dass sie Ihm unbedingt vertrauten und ihre Seele in den Händen Dessen ließen, der sein Herzblut vergoss, um sie vom Zorne zu erretten! Wie? mir ist es nicht bekannt, lieben Freunde, dass irgend eine Notwendigkeit für uns da ist, beständig zu zweifeln, zu fürchten und zu zittern. Einige meinen dies, aber das ist, weil sie keine hohe Vorstellung von dem Stande eines Gotteskindes haben und von der Stufe, die es nach Gottes Willen erreichen soll. Sie schießen drei Pfeile und sagen dann: „Ich bin errettet; das ist genug; ich werde in den Himmel kommen.“ O, dass sies fortführen zu schießen, bis sie einen Himmel hienieden erhielten, bis sie in starkem Glauben anfingen, „ihr Anrecht auf die himmlischen Wohnungen klar zu lesen,„ und mit unaussprechlicher Freude sich zu freuen.

Ihr seht eine andre Klasse von Leuten, welche ganz ebenso sind betreffs ihrer Erkenntnis. Sie verstehen nicht die tiefen Dinge Gottes; sie sind zufrieden, das zu wissen, was eine Seele vom Verderben errettet, und das Heilmittel, das in Christo bereitet ist, aber sie kennen nicht die Lehre von Gottes erwählender Liebe und geben nichts darum, sie kennen zu lernen. Sie tauchten nie hinab in die Lehre von Gottes unveränderlicher Treue gegen sein erwähltes Volk; sie lassen die tiefen Dinge Gottes liegen für starke Männer, aber sie selbst sind es zufrieden, Kindlein zu sein. O, lieben Freunde, wie vieles verlieren die, welche das Forschen in dem Wort Gottes vernachlässigen; und was für Segnungen schleudern die von sich hinweg, die willig sind, in Unwissenheit über die höheren Wahrheiten der Offenbarung zu bleiben! Ich wollte, dass sie, anstatt dreimal zu schießen, soviel Gnade Gottes hätten, mehr und immer mehr zu schießen, bis sie begriffen, mit allen Heiligen, welches da sei die Breite, und die Länge, und die Tiefe, und die Höhe der Liebe Christi, die alle Erkenntnis übertrifft.

Ihr werdet vielleicht diese selben Leute oder andre ihnen gleiche sehen, die sehr zufrieden sind mit ihrem täglichen Wandel und Verhalten! Sie sind keine Trunkenbolde; sie fluchen nicht; sie sind äußerst wahrhaft; sie brechen den Sabbat nicht, aber wenn ihr dies sagt, so habt ihr ungefähr alles von ihnen gesagt, was ihr sagen könnt. Ihre Religion scheint sie sittlich gut gemacht zu haben, aber es würde schwer wahrzunehmen sein, dass sie sie heilig gemacht habe. Es ist sehr wenig Hausandacht da; nicht viel Interesse für die Bekehrung ihrer Kinder; es ist ein zorniges Temperament da, das vielleicht ein wenig gezügelt ist, aber man hält es für unmöglich, es noch mehr zu zügeln, und verstattet sich deshalb einen gelegentlichen Ausbruch desselben; es ist vieles da, was in den Augen der Welt vielleicht nicht unverträglich mit dem Glauben ist, aber was sich sicherlich nach dem Urteil des Geistes Gottes nicht damit verträgt. Diese Brüder haben in der Tat dreimal geschossen und haben die Erde ein- oder zweimal geschlagen, aber sie haben die ihnen anklebenden Sünden niemals rein ausgefegt; sie dulden noch immer einige von ihnen; sie haben keine hohe Stufe der Heiligkeit erreicht. Nun, ich bin so weit wie nur irgend einer von dem Glauben entfernt, dass ein Mensch je in diesem Leben vollkommen sein wird, aber ich will nie zufrieden sein, bis ich es bin; und wenn ich nicht vollkommen sein kann, so will ich mit Gottes Gnade suchen, so nahe wie möglich da hinan zu kommen. Und dies sollte das Streben jedes Christen sein. Nicht um sich zu erretten, sondern weil er errettet ist, sollte er nach den höchsten Gnaden der Heiligkeit ringelt und streben, dass Gott durch ihn hindurch leuchten möge wie durch eine Lampe, so dass die Menschen erkennten, dass er bei Jesu gewesen und von Ihm gelernt hätte. Hoher Glaube, hohe Erkenntnis, hohes Leben: o, was für selige Christen würden wir haben, wenn diese drei zusammen gingen!

So gibt es auch viele Christen, die nicht mehr als dreimal schießen, indem sie an sehr geringer Freude sich genügen lassen. O, die vielen, vielen Christen, die ihr ganzes Leben lang der Knechtschaft unterworfen sind! Nun, Christus kam, solche von der Furcht des Todes zu erlösen, doch obgleich Christus kam, dies zu tun, ist es bei ihnen nicht geschehen. Sie empfangen nicht den Geist der Kindschaft, sondern scheinen den Geist der Knechtschaft empfangen zu haben, abermal sich zu fürchten und sie meinen, dies sei die Regel für das Volk Gottes. Wenn sie von einigen Heiligen lesen, die Berge erstiegen und liebliche Gemeinschaft mit Christo gehabt haben, sagen sie: „Ach, solche Menschen sind ungewöhnlich und solche Erfahrungen sind wie Engelbesuche, wenige und selten; wir können dazu nicht hinankommen.“ Ich glaube, lieben Freunde, dies Gefühl beschleicht uns alle. Wir lesen das Leben eines Mannes wie Brainerd, und wir schließen das Buch, seufzen und sagen: „O, ich könnte nie so Gott geweiht sein wie er.„ Wir haben das Leben von Whitefield gelesen, und wenn wir fertig sind, sagen wir: „Ah, ein außerordentlicher Mann — ein sehr außerordentlicher Mann! Es ist nicht wahrscheinlich, dass ich je seinen Eifer haben werde.“ Und wenn wir uns zum Alten Testament wenden und von Abraham lesen, sagen wir: „Ja, Abrahams Glaube war sehr wunderbar; aber wir betrachten ihn nicht als ein Muster, das wir nachahmen sollen; wir denken, sein Glaube ist etwas hoch in einer Nische Aufgestelltes, das wir nie erreichen können.„ Meine Brüder, dies ist alles verkehrt. Ich glaube, dass der Christ nicht damit zufrieden sein sollte, Abraham gleich zu sein, weil Abraham im Dunkel lebte, ehe die Sonne aufgegangen war. Es war wenigstens nur Dämmerung in Abrahams Tagen; und doch, wenn er soviel Glauben hatte, als er nur durch den trüben Rauch geopferter Widder und Farren sehen konnte, wieviel mehr Glauben und Zuversicht auf Gott sollten ihr und ich haben, wenn wir Christum selber sehen, und wenn Gott zu uns durch seinen Sohn spricht! Schande über uns, dass wir uns begnügen, solche Zwerge zu sein, wenn wir zu Riesen hinanwachsen könnten, dass wir hier unsre Zeit vertändeln, wenn wir uns unsterblich machen und unsren Herrn verherrlichen könnten. Wie ist es, dass wir zufrieden sind, erst eine magere Ähre hervorzubringen und dann eine dünne, wenn sieben Ähren auf einem Halme sein sollten, wie bei der Fülle in Ägypten? Wie ist es, dass wir nur hier und da eine Weintraube haben, während wir, wenn wir mehr Zweige trieben, wenn wir mehr Glauben und Vertrauen zu Gott hätten, den Weinstöcken Eskols gleichen könnten, deren Trauben zu schwer für einen Mann zu tragen waren? Ja, ich fürchte, es ist in unsrem christlichen Lande sehr, sehr viel von diesem Zurückbleiben hinter dem, was wir sein könnten. Wir strecken uns nicht zu dem, was da vorn ist, sondern sprechen: „Ich bin errettet,“ und sind zufrieden und sitzen nieder, ehe wir das vorgesteckte Ziel erreichen und das ergriffen haben, um deswillen wir von Christo Jesu ergriffen sind.

Nun wünsche ich eure Aufmerksamkeit auf einen Augenblick, während ich versuche, euch einige der Ursachen zu zeigen, weshalb der König nicht mehr schoss.

Ich kann es nicht für gewiss sagen, aber ich denke, einige der Ursachen, die ich euch geben will, mögen richtig sein. Vielleicht war er ziemlich milde gegen die Syrer gesinnt. Es ist wohl möglich, dass er fühlte, als wenn er ihnen nicht gar zu viel Schäden tun möchte; er wollte siegreich sein, er wollte seinen Feind unter den Füßen haben, aber wenn er mehr täte, würde er ihn ganz und gar zertreten, und das wollte er eben nicht. So, denke ich, wollen einige Christen nicht zu hart mit ihren Sünden verfahren; sie haben eine Art heimlicher Zärtlichkeit für ihre bösen Neigungen. O lieben Freunde, wie sehr zornig werden wir, wenn jemand uns ein wenig zu deutlich unsre Fehler vorhält, und wie zornig sind wir über alles, was unserer Lieblingssünde den Hals abzuschneiden versucht. Ach, wir wissen nicht, wie zärtlich wir gegen unsre Sünden sind, während die Natterbrut im Neste zertreten werden sollte! Wir sagen oft, wenn wir sie verwunden: „Ja, sie niederhalten; aber nein — ich könnte sie nicht alle aufgeben — ich könnte es nicht — nein, ich muss mir ein wenig erlauben; dies und das muss da sein.„ Die Axt an die Wurzel des Baumes zu legen, ist kein angenehmes Geschäft. Schneidet die großen Zweige ab, wenn ihr wollt, aber die Axt an die Wurzel legen — nein, wir lieben das nicht. Es ist um unsres natürlichen Verderbens willen im Grunde doch eine Anhänglichkeit an unsre Sünden in uns. Der alte Mensch sagt: „schone sie;“ und es gehört viel Gnade, und triumphierende Gnade dazu, um zu sagen: „Nein; haue selbst Agag in Stücke vor dem Herrn, und lasst nicht einmal die besten von den Schafen oder den Rindern verschont bleiben.„ Weichlichkeit gegen die Sünde wird uns stets im Wachstum der Gnade hindern. Wir werden Gottes Bogen nicht so viel gebrauchen, wie wir es sollten, wenn wir einmal beginnen, uns selber zu schonen, unserer Bequemlichkeit zu pflegen und das Fleisch zu verzärteln.

Ferner fuhr der König vielleicht nicht mit Schießen fort, weil er dachte, dass es sich kaum für ihn passe, als Bogenschütze gebraucht zu werden. „Warum soll ich hier immer stehen,“ dachte er, „und Pfeile schießen? Ich hatte nichts dagegen, als des Propheten Hand auf mir war, zu schießen, aber hier zu stehen und die Erde zu schlagen, ist kaum eine Beschäftigung für einen König.„

Und dann dachte er vielleicht, dass er drei Siege haben sollte, und das würde genug sein. „Wie? es wird etwas Wundervolles sein! Drei Siege, einer nach dem andren, werden ganz genug sein, mich mit ewigem Ruhm zu krönen, und ich will nichts weiter als dass“ und deshalb schoss er nur dreimal. Und wie mancher Gläubige scheint zu sagen: „Kann ich immer Wache über meine bösen Neigungen halten? Soll ich es so genau nehmen und so sehr in Gottes Nähe leben? Was, soll ich soviel beten? Soll ich soviel in der Bibel forschen und mich soviel mit ihr beschäftigen? Nein, wenn ich einige meiner Sünden besiegen und ein achtbares Mitglied der Gemeinde sein kann, ein wenig in der Sonntagsschule tue und dann in den Himmel komme, das ist genug.„ Ihr wünscht nicht, seht ihr, gut gemacht zu werden; ihr wünscht nicht, Christo gleich gemacht zu werden; ihr wünscht nicht, über eure Sünden triumphieren zu können; ihr missversteht euren hohen Beruf; ihr meint, zu einem Sklaven berufen zu sein, während ihr zum Herrschen berufen seid; ihr bildet euch ein, dass ihr berufen seid, Sacktuch zu tragen, wenn euch geheißen ist, Purpur und seine Leinwand anzulegen; ihr denkt, dass Gott euch auf einen Dunghaufen berufe, während Er euch auf einen Thron berufen hat; ihr meint, dass ihr nur hier und da sein sollt, beim Scharmützel im Kriege, während Er euch bestimmt hat, in den Vorderreihen zu stehen und beständig für seine Sache zu streiten.

Ich denke auch, dass der König angefangen haben mag, zu zweifeln, ob die Siege wirklich kommen würden. Er wusste sehr gut, dass er nicht viele Soldaten hatte, und dass Syrien sehr stark war, deshalb dachte er: „Nun, es gehört schon Glaube dazu, zu denken, dass ich sie dreimal schlagen werde, aber es ist nicht wahrscheinlich, dass ich es zum viertenmal tun werde.“ Er zweifelte an der göttlichen Macht und der göttlichen Verheißung, wegen seiner eignen Schwachheit; und mancher Christ tut das. Ich denke, Brüder, wir, die im Predigtamt stehen, könnten weit mehr für Gott tun, als es der Fall ist, wenn wir den Gedanken an unsre eigne Schwachheit nicht den an Gottes Kraft überschatten ließen! Wie! Was kann ein Mann nicht tun, wenn er Glauben an Gott hat? Ohne Christum können wir nichts tun; aber denkt an die umgekehrte Seite dieses Satzes, dass mit Ihm wir alles tun können. Wenn Er mit mir sein will, kann ich alles tun und alle Leiden tragen. Lasst uns dies nicht vergessen; und lasst niemals das Gefühl menschlicher Schwachheit unsre klare Erkenntnis der Macht und Majestät Gottes stören. Lasst uns oft schießen, denn so oft wir schießen, wird Gott unsrem Glauben antworten.

Und haltet ihr es nicht auch für sehr wahrscheinlich, dass der König des Propheten Pläne verachtete? Wie, scheint er zu denken, dies ist abgeschmackt, die Erde so zu schlagen! Wenn Menschen da wären, auf die er schießen sollte, so würde er die Pfeile nicht sparen; aber die Erde auf diese Weise zu schlagen — abgeschmackt! Lächerlich! So gehen auch wir oft eines Segens verlustig, weil wir Gottes Pläne nicht lieben. Wir haben selbst ein neues Schema gemacht; es ist nicht die Predigt des Evangeliums — die ist altmodisch; wir wollen etwas andres versuchen; das ist besser, als an die Landstraßen und Zäune gehen und sie nötigen, hereinzukommen. Nein, wir wollen einen kürzeren Weg als diesen; wir bleiben dabei, uns einzubilden, wenn wir eine göttliche Anordnung aufgäben, wenn wir vielleicht betreffs der Taufe unsren Mund hielten, wenn wir diese und jene Lehre zurechtschnitten, so würden wir besser vorwärts kommen. Ach! dies ist alles verkehrt, lieben Freunde. Fleischliche Politik mag ihren Platz im Kabinett und in der Regierung des Landes einnehmen, aber niemals im Hause Gottes. Wenn Recht Recht ist, so handelt danach; wenn Gott befiehlt, tut es, und überlasst die Folgen Ihm. Wenn Er euch auf die Erde schießen heißt, schießt auf die Erde. Ihr mögt keinen Syrer da sehen; aber jedesmal, wenn ihr schießt, findet der Pfeil das Herz eures Feindes, und ihr werdet ihn niederschmettern.

Ich wollte, lieben Freunde, ich könnte heute abend so zu euch sprechen, dass ich den Gliedern dieser Gemeinde einen hohen und edlen Ehrgeiz einflößte, viel für Gott zu tun, und viel für Gott zu empfangen, viel Gnade zu empfangen; viel Heiligkeit zu haben; viel Arbeit zu tun. Kurzum, ich wünschte, ich könnte sie in einen solchen Herzenszustand bringen, wie der Prophet ihn in Jonas zu sehen wünschte; dass sie die Pfeile nähmen und sie abschössen.

III.

Der gerechte Zorn des Propheten ist unser dritter Punkt; und wir meinen, wir können seinen Zorn wohl rechtfertigen.

Wir sehen nicht gern einen Greis oder einen Sterbenden zornig, aber ich meine, der Prophet tat hier recht, zornig zu sein, selbst in der Stunde des Todes. O, wie liebte er das Volk, und wie weinte er bei dem Gedanken, dass ihr König ihnen im Lichte stand, und sie köstlicher Vorrechte beraubte! Nun, lieben Freunde, wenn ich auf viele Gemeindeglieder blicke und sehe, wie gänzlich träge und sorglos sie in Christi Sache sind, und wie viele Christen so tot zu sein scheinen wie die Sitze, aus denen sie sitzen, und nicht mehr Gnade haben als Weltlinge; so denke ich, wenn meine Seele von einer heiligen Leidenschaft gegen sie erglühte, könnte ich mit mehr Recht als Jona sagen: „Billig zürne ich.„

Wieviel leidet Israel durch die Schlaffheit des Königs! O Christen, ihr leidet selber; ihr verliert tausend Tröstungen! Was ihr für Gott tun könntet, seid ihr unfähig zu tun; das, wovon ihr euch selber nähren könntet, verliert ihr, weil ihr nicht weiter gehen und höhere Stufen suchen wollt. Und all eure Brüder leiden auch. Eure Gebete in der Betstunde haben nicht die Wärme und Salbung, die sie haben würden, wenn ihr mehr in Gottes Nähe lebtet. Eure Erfahrung ist ihnen nicht so nützlich, wie sie es sein könnte, wenn ihr mehr mit Christo wandeltet. Der ganze Kirchenschatz wird von euch beraubt. Mitgliedschaft der Gemeinde ist eine Art Handelsgesellschaft; wir, jeder von uns, nehmen aus dem Kapital heraus und legen hinein. Es ist ein Gebetsschatz da; wir alle wünschen, dass man für uns bete; das ist das Herausnehmen; wir müssen alle Gebete in den Schatz legen, und die Mitglieder, welche nicht beten — und sind solche da? — und die Mitglieder, welche nicht über Seelen seufzen — und sind nicht solche da? — die Mitglieder, welche keinen Eifer für Gott haben — und es gibt solche — berauben den Gotteskasten; und ich weiß nicht, ob ich sie nicht Ananias und Sapphira vergleichen kann, denn sie behalten einen Teil des Preises zurück. Gott sei ihnen gnädig; aber die Gemeinde hat sehr durch sie gelitten.

Wie leicht hätte der Triumph erreicht werden können. Wie? wenn dieser König mehr Pfeile geschossen hätte, wäre Syrien ganz überwunden und in Stücke gerissen worden; aber weil er hierin schlaff war, schwang Syrien über gefangene Mädchen sein stolzes Banner, und trauernde Witwen, deren Männer in der Schlacht erschlagen waren, weinten in den Gassen Samarias. Der Teufel freut sich, wenn er schlummernde Christen sieht. Die Welt lacht sich ins Fäustchen über die heutigen Bekenner, weil sie sagt: „In den alten puritanischen Zeiten waren wir bange, wenn wir einen Christen sahen; ah! wenn ein Mann Mitglied der Gemeinde in jenen Tagen wurde, so war er ein Mann, der meinte, was er sagte. Aber o! es sind so viele von ihnen jetzt, die nur Gemeindeglieder werden, um respektabel zu sein; sie gehen nur zu einem Gotteshause der Kundschaft wegen, damit die Leute mit ihnen handeln und sich betrügen lassen; damit sie mit ihnen schwatzen und ein so müßiges Geschwätz hören, wie sie es nicht von Leuten auf der Gasse vernehmen, die nie ein christliches Bekenntnis abgelegt haben. Ah! wir haben die Gemeinde fast überwunden und zerstört, wenn wir ihre Glieder sich so betragen sehen.“ Diese Leute, die Christen sein mögen, die aber nur halbe Christen sind; diese Leute, die nicht ganz kalt sind, aber die auch nicht warm sind; diese Leute, die ich nicht mit den Schlacken wegschaufeln möchte, die aber doch so mit schlechtem Metall versetzt sind, dass ihr sie kaum reines Gold nennen könnt; diese Leute sind es, die machen, dass die Tochter Philistäas sich freut und die Söhne des Gegners triumphieren.

Wie ward Jehovahs Name entheiligt. In Syriens Straßen lachten sie über Jehovah. Sie sagten, ihre Götter seien größer als Er. O, was für eine Schmach ist es, dass ihr und ich je Christo mehr Schmach bereiten, als Er um unsertwillen schon erduldete! Meine Brüder und Schwestern, was denken wir von uns selber, wenn wir je in irgend einem Maße den Herrn von neuem gekreuzigt und Schande über Ihn gebracht haben? Es sind nicht nur die Christen, deren Wandel geradezu ihrem Bekenntnis widerspricht, welche dieses tun, sondern solche Christen, die nicht suchen, höhere Stufen zu erreichen, die zufrieden sind, arm in der Gnade zu sein, wenn sie reich sein könnten. Ich glaube, solche Menschen bringen Christo viel Unehre durch ihre Zweifel, durch ihre harten Gedanken von Christo, durch ihre trübseligen Gesichter und oft auch durch ihren Mangel an Eifer, ihren Mangel an Gebet und ihre Oberflächlichkeit in den Wegen Gottes. Blickt um euch her und seht, wie geschäftig die Menschen in der Welt sind! Wenn ein Mann Geld machen will, seht, wie früh er aufsteht, wie spät er aufsitzt, und das Brot der Sorge isst! Es ist wunderbar, was für Scharfsinn Menschen aufwenden, um Vergnügen zu gewinnen, was für verzweifelte Anstrengungen sie machen; wie sie nach Indien gehen, und unter dem glühenden Himmel schwitzen, und dem Fieber dort trotzen. Seht, wie am Nordpol kühne und brave Männer ihr Leben geopfert haben, um eine Durchfahrt zu erzwingen. Menschen sind willig gewesen, für wissenschaftliche Experimente gesellige Annehmlichkeiten aufzuopfern, ihre Gesundheit zu wagen und ihr Leben zu verlieren. Es scheint mir, dass jedermann enthusiastisch ist, ausgenommen die Christen, und dass Menschen ihr Blut erhitzen können über jeden Gegenstand, ausgenommen Religion; dass in diesen Tagen das Eis der Gemeinde Gottes gegeben und das Feuer auf die Welt geworfen ist. Blickt auf des Teufels Anwälte, wie sie Meer und Land umziehen, einen Proselyten zu machen. Wenn ihr tot und stumpf seid, werden sie hier bei euren nächsten Nachbarn nicht so sein, in St. Georges Kathedrale.1) Ihr mögt sorglos betreffs der Armen sein, aber sie werden es nicht sein; ihr mögt vielleicht aufhören, viel zu beten und viel zu tun, aber ihr werdet finden, dass sie nicht mit ihren Zauberformeln aufhören. Wie? wenn der Teufel zu einem Manne kommt, sagt er zu ihm: „Komm mit mir; ich wünsche, dass du Weib und Kinder heute abend verlassest; komm mit mir,„ und fort geht der Mann zu irgend einer niederen Kneipe. „Ich wünsche, dass du hier hineingehst,“ sagte der Teufel, und der Mann geht hinein, vielleicht ein respektabler Mann, wie die Welt sagt. „Nun,„ sagt der Teufel, „wünsche ich, dass du Bier und Grog trinkst; es wird dir den Kopf schwindlig machen; es wird deine Augen rot machen morgen früh, und vielleicht dir das delirium tremens zuziehen.“ „Ich will es tun,„ sagt der Mann, und es schmeckt ihm lieblich und süß, als wäre es ein Trunk himmlischen Nektars. Es mag sein, dass er taumelnd nach Hause geht oder getragen werden muss, aber er ist ganz willig, wieder und immer wieder hinzugehen, obgleich er seine Kinder zu Bettlern macht, und sein weinendes Weib und seine hungernde Familie sieht. Er tut es alles so fröhlich, und denkt in der Tat, dass er ein sehr guter Kerl sei und sich nur einen Genuss verschaffe, während er unsagbares Elend über seine Familie bringt. Ihr werdet zuweilen einen Mann in Laster fallen sehen, seinen eignen Körper an den Rand des Grabes bringen, und sich selbst zu einer faulen Masse machen auf Befehl des Teufels, und doch murrt er nie über seinen Herrn, denkt nie daran, von ihm hinwegzulaufen; und hier ist mein Herr und Meister, dessen Dienst vollkommene Freiheit ist, der uns bessere Speise und besseren Trank gibt, als Engel je genossen; der, je mehr wir für Ihn tun, uns desto mehr belohnt und desto, mehr Kraft zur Arbeit gibt, und doch sind wir kalt und stumpf und tot; und wenn wir gebeten werden, etwas zu tun, antworten wir, es würden so viele Ansprüche an uns gemacht; und wenn man uns zum Anschluss an ein Unternehmen auffordert, mit dem ein wenig Unehre oder Unbequemlichkeit verbunden ist, treten wir zurück, wollen im Bett liegen und der Gemächlichkeit pflegen. O, was für eine Schande, was für eine Schande ist dies! Prophet, du tatest recht, zornig zu sein! Ich möchte, dass einige glühende Seelen zu uns kämen, und selbst bitter mit uns sprächen, wenn sie uns nur fühlen lassen könnten, dass das Leben ein „Wirkliches, ein Ernstes ist,“ und dass die Sache Christi es erfordert, dass Geist, Seele und Leib in höchster Anspannung sind, in ernstlichster Anstrengung, sich „darlegen und dargelegt werden,„ selbst bis aufs Blut; der Sünde widerstehen und für die Herrschaft Christi streiten.

Nun, ich nahm diesen Text, weil es mir schien — ich weiß nicht, wie es euch scheint — als wenn er eine Lehre für euren Prediger und für euch selber wäre. Hier seid ihr in diese neue Kapelle gekommen, und in eine euch neue Nachbarschaft. Wir, die hier aus andren Gemeinden gekommen sind, wünschen euch, wie es in einem alten Gebetbuche heißt: „Glück im Namen des Herrn.“ Wir wünschen euch das höchste und Beste Wohlergehen, das wir für uns selber wünschen. Aber wir wünschen euch einzuprägen, dass die Gemeinde, während Gott ihr helfen und beistehen wird, stets tätig sein muss. Jeder einzelne muss sein Teil in diesem heiligen Kampfe, in diesem Kreuzzug wider die Sünde tun. Ich bitte den Bruder E., nie seine Hand vom Schießen der Pfeile abzulassen. Wenn Gott ihn in einem Unternehmen segnet, so möge er noch ein zweites beginnen. Wenn er sieben Seelen bekehrt sieht, möge er trauern, dass es nicht acht sind. Wenn er das Haus voll sieht, möge er auch dann nicht zufrieden sein, sondern um etwas noch darüber hinaus bitten; und wie der Adler nicht ruht, sondern aufwärts stiegt, immer der Sonne zu, so möge sein Lauf sein, vorwärts und aufwärts, und dem Gebote treu, bis der Herr ihn in seine Herrlichkeit aufnimmt, in die Ruhe, die noch für das Volk Gottes vorhanden ist.

Und ihr, die ihr hier seid, sitzt nicht still. Sagt nicht: „Wohl, wenn wir diese Sitze recht voll bekommen, wollen wir zufrieden sein.„ Ich hoffe, ihr werdet sie voll haben, aber ich hoffe, ihr werdet dann nicht zufrieden sein. Nein, lasst es dann euer Ziel sein, zu beten, dass Gott die Inhaber der Sitze bekehren möge, so dass die Zuhörerschaft eine Gemeinde werde. Und seid dann nicht zufrieden, bittet, dass die Gänge gefüllt werden, dass Gott die Stehenden bekehre und dass eure Gemeinde die Mauern des Hauses, in dem ihr zusammenkommt, sprengen möge. Denkt nicht, dass euer Maßstab einer Betstunde ein niedriger sein müsse. Beginnt nicht, zu sagen: „Wenn wir zwanzig oder dreißig bei der Betstunde haben, das ist genug.“ Viele unserer Gemeinden erreichen selbst dieses Maß nicht. Seid nicht einmal mit fünfzig zufrieden, sondern fahrt fort zu schießen. Ja, Bruder E., fahre fort; und ihr, Glieder der Gemeinde, fahrt fort, eure Pfeile zu schießen. Bittet nicht Gott um ein Weniges, sondern tut euren Mund weit auf, und Gott wird ihn füllen; sorgt dafür, dass ihr ihn so weit auftut, wie ihr es nur könnt. Bittet Ihn um Großes, und wenn ihr bittet, so bittet nicht, als wenn ihr glaubtet, sehr waghalsig zu sein; nein, sondern bittet, weil es sicher ist, dass Er geben wird. Glaubt, dass Gott euch eine gnädige Rechtfertigung geben kann und will, für euren Glauben an Ihn. Bittet auch, weil Er weiß, was euer Herz nicht einmal begreifen kann, denn Er kann überschwänglich tun über alles, was ihr bitten könnt. Seid nicht zufrieden, ich bitte euch, wenn ihr eine gute, respektable, starke Gemeinde der Denomination seid. Begnügt euch damit nicht. Ich sage es mit großer Trauer, wir haben einige Gemeinden gekannt, die „fein liefen;„ sie bekamen ein gutes Gotteshaus, ein sehr hübsches Gebäude mit kleinen Stückchen gefärbten Glases und die Gesichter der Leute am Sonntag waren in allen Farben; und als sie diese Stufe erreicht hatten, sagten sie: „Nun, wir sind sehr respektable Leute; wir wollen die Armen nicht haben, wir wollen nicht hinausgehen an die Zäune, Landstraßen und in die Hintergassen und sie hereinholen.“ Wirklich, sie gleichen mitunter einigen von unsren alten Dienern; ihr wisst kaum, wer Herr und wer Diener ist; so mag Gott der Herr kaum wissen, wer Herr in der Gemeinde ist — diese Leute oder Er selber, denn sie wollen nicht tun, was Er ihnen sagt; sie sind zu groß dazu geworden; sie konnten es einst tun, aber jetzt nicht mehr. Nun, das wird hier noch in manchen Jahren nicht der Fall sein; ich hoffe, dass es nie der Fall sein wird, mögt ihr stets eine treue Gemeinde, eine tätige Gemeinde sein, bis der Herr selber kommt. Gott gebe, dass ihr fortfahrt, eure Pfeile zu schießen, dass ihr große Dinge erwartet und große Dinge tut.

Und nun, ihr Mitglieder dieser Gemeinde, und wir alle, die hier gegenwärtig sind, lasst uns aufs neue uns Gott weihen. Lasst uns heute abend darüber nachsinnen, ob wir nicht zu wenig Pfeile abgeschossen haben; ob wir nicht zu hoch von dem Wenigen, das wir getan, gedacht haben; ob wir nicht hätten mehr tun können; ob wir nicht mehr tun müssen; ob wir nicht nun für die Zukunft Gottes Verheißungen fester glauben, sein Wort kühner predigen, es andren häufiger sagen, freigebiger für Gottes Sache sein, ernster zu Gott beten, uns dem Herrn noch völliger weihen und hingeben wollen. Ich bin gewiss, es ist noch Raum für große Verbesserung in den Besten von uns. O Herr, was für ein Funke ist meine Liebe zu Dir! O, dass Du ihn zu einer Flamme anfachen möchtest, bis er Wachholderkohlen gliche! Um die Worte eines alten Predigers zu gebrauchen: „David sprach: Der Eifer um Dein Haus hat mich gefressen, aber es wird lange Zeit währen, bis einige Leute gefressen sind; es hat noch nicht an ihnen zu nagen begonnen, und es ist nicht zu fürchten, dass sie gefressen werden.„ Nun, ich möchte einen Mann von seiner Religion „gefressen“ sehen. Ich möchte, dass der Christ sich so ganz dem mächtigen Wirbelwind der göttlichen Gnade hingäbe, dass er ihn hinwegführte und ihn gleich einem Strohhalme in seinem gewaltigen Laufe machte. Der Herr gebe euch Kraft und Gnade, Ihm euch so hinzugeben und Ihm so zu dienen.

Möge Gott nun seinen Segen hinzufügen um Christi Jesu willen. Amen.

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Eine katholische Kirche.
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autoren/s/spurgeon/p/spurgeon-die_pfeile_des_heils_vom_herrn.txt · Zuletzt geändert: von aj
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