Spurgeon, Charles Haddon - Nehemia (Andachten)

Spurgeon, Charles Haddon - Nehemia (Andachten)

Neh. 3,8

„Und sie bauten auf zu Jerusalem bis an die breite Mauer.“

Wohl befestigte Städte haben breite Mauern, und solche starke Mauern hatte auch Jerusalem zur Zeit der Blüthe.

In gleicher Weise muss auch das Neue Jerusalem umgeben und beschützt werden von einer breiten Mauer der Ausscheidung von der Welt, der Absonderung von ihrem Geist und ihren Gewohnheiten. Die Bekenner des Evangeliums scharen sich nicht mehr so fest um das Panier des Heilandes; von allen Seiten erheben sich Stimmen für eine Verwischung der scharfen Grenze; man gibt sich leichtsinnigem Zeitvertreib viel williger hin, und eine allgemeine Gleichgültigkeit droht des Herrn eigenes Volk der heiligen Eigenschaften zu berauben, welche es von den Sündendienern aussondert. Das wird ein folgenschwerer, aber unglücklicher Tag sein für die christliche Gemeine und für die Welt, wenn die beabsichtigte Verschmelzung sich vollziehen wird; wenn die Söhne Gottes und die Töchter der Menschen sich untereinander vermengen, dann wird eine andere Sündflut des Zornes Gottes hereinbrechen. Lieber Freund, lass es dein Anliegen sein, im Herzen, im Wort, im Handel und Wandel die breite Mauer zu behaupten, und bedenke, dass die Freundschaft dieser Welt eine Feindschaft wider Gott ist.

Die breite Mauer bot den Einwohnern zu Jerusalem eine Stätte der Erholung, von wo aus sie einer herrlichen Aussicht in die umliegende Gegend genießen konnten. Das erinnert uns an des Herrn sehr breite Gebote, auf welchen wir uns in der Gemeinschaft des Herrn Jesu frei ergehen, und von wo aus wir die Vorgänge auf Erden überblicken und unsere Blicke auf die Herrlichkeiten des Himmels richten können. Von der Welt abgesondert, versagen wir uns alle ungöttlichen Genüsse und fleischlichen Begierden, und dennoch sind wir nicht in einem Gefängnis oder durch enge Grenzen umschränkt, sondern wir wandeln in einer seligen Freiheit, weil wir Seine Gebote halten. Komm, liebe Seele, wandle diesen Abend mit Gott in Seinen Satzungen. Wie ein Freund dem andern begegnet auf der Stadtmauer, so begegne deinem Gott in Gebet und Andacht. Die Bollwerke des Heils darfst du frei betreten, denn du bist ein Gefreiter der königlichen Burg, ein Bürger der Hauptstadt des himmlischen Reiche. (Goldstrahlen August 20)

Neh. 3,15

„Bei dem Garten des Königs.“

Wenn Nehemia den Garten des Königs erwähnt, so wendet sich dabei unsere Erinnerung dem Paradiese zu, das der König der Könige dem Adam zum Wohnsitz bereitet hatte. Die Sünde hat diesen wonnevollen Aufenthalt schrecklich entweiht, und die ersten Menschen wurden daraus vertrieben, um den Acker zu bauen, der ihnen nur Disteln und Dornen trug. Liebe Seele, denke an den Fall Adams, er war auch dein Sündenfall. Weine herzlich, dass der Herr der Liebe von dem Haupt des menschlichen Geschlechts, dem auch du angehörst, so schmählich misshandelt wurde, obgleich Er schuldlos war, wie kein Anderer. Sieh, wie Drachen und böse Geister hausen auf dieser schönen Erde, die einst ein Garten der reinsten Wonne war.

Sieh dort jenen andern königlichen Garten, den der König besprengt mit Seinem blutigen Schweiß: Gethsemane, dessen bittere Wermutskräuter erneuerten Seelen lieblicher schmecken, als einst selbst Edens köstliche Früchte. Hier ward das Unheil, das die Schlange im ersten Paradies anrichtete, wieder gut gemacht, hier war der Fluch wieder von der Erde genommen und getragen vom verheißenen Weibes-Samen. Meine Seele, erwäge tief den Seelenkampf und das Leiden deines Königs; gehe hin zum Garten am Oelberg und betrachte, wie dein großer Erlöser dich aus deinem verlornen Zustande herausrettet. Dies ist wahrlich der Garten aller Gärten, in welchem die Seele schauen kann der Sünde Schuld und der liebe Macht, zwei Gesichte, größer als alles andere.

Gibts keinen Königsgarten mehr? Doch, mein Herz, du bists, oder solltests doch sein. Wie blühen da die Blumen? Erscheinen wohl köstliche Früchte? Wandelt der König darin und ruht Er in den Schattengängen meines Geistes? Lass mich sehen, wie die Pflanzen gereinigt und begossen, und wie die bösen Füchse gefangen werden, die die Weinberge verderben. Komm, Herr, und wenn Du kommst, so lass den himmlischen Wind durch meinen Garten wehen, dass seine Würze triefen. Und nun darf ich auch den königlichen Garten Seiner Gemeine nicht vergessen. O Herr, sende ihr Deinen Segen. Baue ihre Mauern wieder, nähre ihre Pflanzen, lass ihre Früchte reifen, und verbanne die versengende Hitze aus der Völkerwüste, und mache sie zum „Garten des Königs“. (Goldstrahlen April 12)

Neh. 9,20

„Du gabst ihnen Deinen guten Geist.“

Allgemein, nur zu allgemein lässt man sich die Sünde zu Schulden kommen, dass man den Heiligen Geist vergisst. Das ist Torheit und Undankbarkeit zugleich. Er verdiente Besseres um uns, denn Er ist gut, unaussprechlich gut. Als göttliche Person ist Er gut nach der Vollkommenheit Seines Wesens. Er hat Teil an dem dreifachen Lobgesang der Cherubim; „Heilig, heilig, heilig!“ Er ist die ungetrübteste Reinheit, Wahrheit und Gnade! Er ist gut in Seinem gnädigen Wohlwollen gegen uns; denn Er trägt uns zärtlich, hat Geduld mit unserer Verkehrtheit und bekämpft unsern empörerischen Willen; er weckt uns auf von unserm Sündentod und ziehet uns zum Himmel empor. Wie erbarmungsvoll und liebreich ist doch dieser geduldige Geist Gottes. Er ist gut in allem Seinem Thun: Er gibt gute Gedanken ein, Er treibt und ermuntert zu guten Taten, Er offenbart gute Wahrheiten, Er tröstet uns mit guten Verheißungen, fördert gute Gaben in uns und führt Alles zu einem herrlichen Ende hinaus. Es gibt in der ganzen Welt keinen geistlichen Segen, der nicht von Ihm ausginge, und von Ihm gepflegt und gestärkt würde, und selbst der Himmel verdankt die innere Vollendung seiner erlösten Seligen Seinem Wirken. Er ist gut in Seinen Absichten über uns; wenn Er uns tröstet, unterweist, leitet, heiliget, lebendig macht, wenn er für uns bittet: immer versieht Er Sein Amt aufs Beste, und jedes Seiner Werke ist erfüllt mit dem höchsten Segen für die Gemeine Gottes. Wer Seinem Einflusse gehorsam ist, wird gut, wer Seinen Eingebungen Gehör schenkt, tut Gutes, wer unter Seiner Obhut lebt, empfängt Gutes. So wollen wir denn gegen eine so überaus gute Person uns verhalten, wie die Dankbarkeit es uns vorschreibt. Wir wollen Seine Person verehren, und Ihn anbeten als Gott über Alles, hochgelobt in Ewigkeit; wir wollen Seine Macht uns zu Gute kommen lassen; und wenn wir Seiner bedürfen, wollen wir auf Ihn harren in allen unsern Unternehmungen, und unser Thun von Ihm heiligen lassen; stündlich wollen wir Seine Hilfe suchen und Ihn nie erzürnen; wir wollen Sein Lob verkündigen, wo und wie wir Gelegenheit dazu haben. Er ist so gnädig, dass es uns betrüben müsste, wenn Er je durch unsere Gleichgültigkeit und Nachlässigkeit verlegt würde. (Goldstrahlen Februar 16)

Neh. 9,38

„Und in diesem allen machen wir einen festen Bund.“

Es gibt in unsern innern Erfahrungen manchen Anlass, bei welchem wir mit allem Recht und zu unserem Besten unsern Bund mit Gott erneuern. Nach der Wiederherstellung von einer Krankheit, wo uns wie dem König Hiskia wieder eine Reihe von Lebensjahren zugelegt ist, sollten wir dieses nie unterlassen. Nach der Erlösung aus irgendeiner Trübsal, nach welcher uns neue Freuden geschenkt werden, wollen wir auch wieder unter das Kreuz auf Golgatha flüchten und unsre Hingabe an Gott erneuern. Besonders aber wollen wir dies tun, wenn wir durch eine Sünde den Heiligen Geist betrübt, oder die Sache des Herrn durch unser Benehmen verunehrt haben; dann wollen wir auf das Blut sehen, das uns weißer machen kann denn Schnee, und uns aufs neue dem Herrn weihen. Aber wir sollten nicht nur durch unsre Prüfungen und Leiden uns dazu antreiben lassen, unsre Hingabe an Gott zu erneuern und zu bekräftigen, sondern auch unser Wohlergehen sollte uns dazu aufmuntern. Wenn uns je solche Führungen zuteil werden, dass wir ausrufen müssen: „Das ist Throngnade,“ dann wahrlich sollten wir, die unser Gott gekrönt hat, auch wieder Ihn krönen; wir wollen hervortragen alle Kleinodien des göttlichen Reichsschatzes, die in der Schatzkammer unsres Herzens aufgehäuft sind, und wollen Gott ruhen lassen auf dem Thron unserer Liebe, der mit königlichem Schmuck geziert ist. Wenn wir lernen wollten, aus unsrem Wohlergehen Segen zu ziehen, so hätten wir nicht so manche schwere Heimsuchung nötig. Wenn wir aus einem Kuss alles Gute, was uns daraus zufließen kann, uns aneignen würden, so brauchten wir uns nicht so oft mit der Rute züchtigen zu lassen. Haben wir kürzlich einen Segen erfahren, auf den wir kaum zu hoffen wagten? Hat uns der Herr auf einen hohen Felsen gestellt? Können wir von dem Reichtum der Gnade singen? Dann ist der Tag erschienen, wo wir mit unsren Händen die Hörner des Altars fassen und sagen sollen: „Binde mich hier mit Seilen Deiner Liebe, die ewig dauern.“ Wenn wir die Erfüllung neuer Gottesverheißungen nötig haben, so wollen wir aufs neue bitten, dass unsre alten Gelübde nicht mögen zuschanden werden. Lasset uns heute einen gewissen Bund mit Ihm machen, um der Leiden Jesu willen, deren wir mit Loben und Danken eingedenk sind.

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