Spitta, Carl Johann Philipp - Wem gehörest du an?
Als Abrahams Knecht im Auftrage seines Herrn gen Mesopotamien und zu der Stadt Nahor kam, da begegnete ihm Rebecca, Bethuels Tochter, am Brunnen, und tränkte ihn und sein Vieh. Er aber sprach: „Meine Tochter, wem gehörest du an? das sage mir doch. Haben wir auch Raum in deines Vaters Hause zu herbergen?“ Sie sprach zu ihm: „Ich bin Bethuels Tochter, des Sohns Mila, den sie dem Nahor geboren hat.“ Und sagte weiter zu ihm: „Es ist auch viel Stroh und Futter bei uns, und Raum genug zu herbergen.“ 1 Mos. 24. - Es ist gewiß eine schöne Sache, wenn man auf die Frage: „Wem gehörest du an?“ ohne Verlegenheit und Schämen antworten, und sich als Sohn oder Tochter unbescholtener, rechtlicher, auch wohlhabender Eltern bekennen kann, wie Rebecca gegen den Knecht Abrahams. Aber eine ungleich größere Sache ist es doch, auch dann um die Antwort nicht verlegen zu sein, wenn sich die Frage: „Wem gehörest du an?“ nicht auf leibliche Herkunft und Geburt, irdischen Wohlstand und Reichthum sich bezieht, sondern auf die Wiedergeburt, den Gnadenstand und die Gotteskindschaft. Es hängt ja Alles davon ab, ob man Gott oder der Welt, Christo oder Belial, dem Licht oder der Finsterniß angehört. Es versteht sich doch keinesweges schon von selbst, daß man ein Kind Gottes und Angehöriger Jesu Christi sei, weil man ein Mensch, oder weil man getauft und ein Hörer des Worts ist. Wer freilich weder Gottes Rechte und Gebote, noch des Menschen Bestimmung und Pflicht erkennt, der wird sich frech und unbedenklich eine Ehre anmaßen und einen Namen beilegen, die ihm nicht gebühren. Aber Seelen, die nicht mehr in Sünden schlafen, träumen und reden, denen kann die Frage: „Wem gehörest du an?“ große Verlegenheit und Unruhe machen. Bei denen geht es oft erst durch große Noth und Dunkelheit, ehe der Geist Zeugniß giebt ihrem Geist, daß sie Gottes Kinder, und also auch Gottes Erben und Miterben Christi sind. Der Anblick ihrer Sünden, die Erfahrung ihrer Mängel und Gebrechen, und die langsam fortschreitende Heiligung, machen sie ungewiß und verlegen, ob sie Christo angehören. Da bitte du Gott um den Glauben, der Christum ergreift und sich zu eigen macht, der sich in den vollen Besitz, Gebrauch und Genuß alles dessen versetzt, das uns von Gott in Christo gegeben ist. Wenn Christus dir angehört, dann gehörst du auch ihm an. Wer ihn hinnehmen kann, als den, der uns von Gott gemacht ist zur Weisheit, zur Gerechtigkeit, zur Heiligung und zur Erlösung, der wird hinwiederum von Christo also hingenommen, daß er singen und sagen mag:
Herr, mein Hirt, Brunn aller Freuden
Du bist mein,
Ich bin dein,
Niemand kann uns scheiden:
Ich bin dein, weil du dein Leben
Und dein Blut,
Mir zu gut,
In den Tod gegeben.
Du bist mein, weil ich dich fasse,
Und dich nicht,
O mein Licht!
Aus dem Herzen lasse.
Laß mich, laß mich hingelangen.
Wo du mich
Und ich dich,
Ewig werd' umfangen.