Roos, M. Magnus Friedrich - Christliches Hausbuch - September

Inhaltsverzeichnis

Roos, M. Magnus Friedrich - Christliches Hausbuch - September

1. September. Morgen-Andacht.

Wenn Christus, euer Leben, Sich offenbaren wird, alsdann werdet ihr auch offenbaret werden in der Herrlichkeit. Kol. 3,4.

Weil Christus, das Leben der Glaubigen, Sich erst am Tage Seiner herrlichen Erscheinung offenbaren wird, so folgt daraus, daß Er vorher, und insonderheit so lange die Glaubigen den sterblichen Leib tragen, ihr verborgenes oder geheimes Leben sei. Der lebendige Christus ist in ihnen, Er theilt ihnen etwas von Seinem unauflöslichen Leben mit, das Er in der Auferstehung angenommen hat, und lebt in ihnen. Ein Jeder, der dieses empfindet, erkennt etwas davon, übrigens weiß die Welt gar nicht, was diese Worte bedeuten: Christus ist unser Leben, Er lebet in uns, und macht deßwegen oft verkehrte Auslegungen über diese Worte. Weil man auch nur die sterblichen Leiber der Glaubigen sieht, welche keine andere Gestalt haben, als die Leiber der Unglaubigen und welche wie diese, müde und schwach werden, und der Verwesung heimfallen, so siehet man das Leben Christi nicht an ihnen, wiewohl doch ein Verständiger von dem äußerlichen Bezeugen auf dieses innerliche Leben schließen kann. Diese Verborgenheit des geistlichen Lebens der Glaubigen kommt mit der ganzen gegenwärtigen Haushaltung Gottes überein. Gott ist ein unsichtbarer Geist, welchen kein sterblicher Mensch gesehen hat, noch sehen kann. Christus aber ist selbst jetzt in Gott verborgen. Zwar sehen Ihn die Engel und Seligen im Himmel, auch konnte Er dem Stephanus, Paulus, Johannes, da sie entzückt waren, erscheinen. Aber im Verhältniß gegen die natürlichen Sinne der Menschen ist Er in Gott verborgen. Die unsichtbare Herrlichkeit des göttlichen Wesens verbirgt Ihn, oder macht Ihn unsichtbar, ob Er schon den sterblichen Menschen nahe genug ist. Mit Christo aber ist auch das Leben der Glaubigen, welches das ihnen mitgetheilte Leben Christi selber ist, in Gott verborgen; denn wenn man dieses Leben sehen könnte, so würde man Christum selber sehen; denn es ist Sein Leben, und berührt und bewegt den Geist der Glaubigen an Einem fort. Wenn aber Christus, welcher auf diese Weise das verborgene Leben der Glaubigen war, Sich offenbaren wird; wenn also die Menschen fähig sein werden, Ihn als den Menschen-Sohn, welcher mit der göttlichen Herrlichkeit durchdrungen und umgeben ist, und nun in der Kraft Gottes ewiglich lebet, zu sehen: alsdann werden auch die Gerechten in der Herrlichkeit offenbaret werden. Wenn nämlich die Herrlichkeit Christi an Ihm selber wird sichtbar sein, so wird sie auch an den Gerechten, denen Er sie mittheilt, sichtbar sein. Leben ist also Herrlichkeit, und Herrlichkeit ist Leben; denn da Paulus vorher gesagt hatte: euer Leben ist verborgen, so hätte man erwarten sollen, daß er hernach sagte: ihr werdet mit Ihm als Lebendige offenbaret werden; er schrieb aber: ihr werdet mit Ihm offenbaret werden in der Herrlichkeit. Ein Christ, dessen Leben Christus sein und bleiben soll, muß, wie Paulus V. 5. schreibet, seine Glieder tödten, die auf Erden sind, nämlich Hurerei, Unreinigkeit, schändliche Brunst, böse Lust, und den Geiz, welcher ist Abgötterei; denn mit diesen Dingen kann sich das reine Leben des heiligen Jesu nicht vermengen. Je mehr sie aber getödtet werden, desto völliger lebet Christus in ihm

Mel.: O Durchbrecher aller Bande.

1.
Christen, ihr seid Wunderleute,
Die der Welt ein Scheusal sind.
Doch das Leben wird zur Beute,
Wenn der Welt Gestalt verschwind’t.
Ihr seid nicht daheim auf Erden,
Euer Erbtheil ist im Licht;
Sucht nur Jesu gleich zu werden,
Denn sie kennet Ihn auch nicht.

2.
Wißt, es ist noch nicht erschienen,
Was die Christen werden sein;
Glaubt, daß Jesus doch in ihnen
Als ihr Leben einst erschein’.
Auch im Tod ist nichts verloren,
Euer Leben bleibet euch,
Und ihr seid schon neugeboren
Zu dem hier geglaubten Reich.

3.
Süße Hoffnung jenes Lebens,
Die im Sterben noch erfreut;
Denn ein Christ glaubt nicht vergebens,
Dort heißt’s in der Herrlichkeit:
Gott sei Dank, der Seinem Sohne
Uns auf Erden gleich gemacht,
Und uns nun vor Seinem Throne
Auch des Lebens würdig acht’t!

1. September. Abend-Andacht.

Es ist leichter, daß ein Kameel durch ein Nadelöhr gehe, denn daß ein Reicher in’s Reich Gottes komme. Matth. 19,24.

Der HErr Jesus sagte diese Worte, als ein reicher und vornehmer Mann, welcher sich vorher eines tugendhaften Lebens nach dem Gesetz beflissen hatte, Ihn nach einigen andern Reden gefragt hatte: was fehlet mir noch? Er hatte ihm hierauf geantwortet: willst du vollkommen sein, so gehe hin, verkaufe, was du hast, und gib’s den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben; und komm und folge Mir nach. Der junge Mann scheint viel Eigenliebe gehabt, und viel Vertrauen auf seine eigenen Kräfte gesetzt zu haben, darum demüthigte ihn der Heiland durch ein schweres Gebot, welches seine Schooßsünde, nämlich den Geiz, geradezu angriff. Es hatte aber das Gebot des Heilandes in Ansehung dieses Mannes unter den damaligen Umständen einen guten Grund. Es hatte derselbe gefragt: was ihm fehle? Er hatte dieses, wie die Antwort Jesu anzeigt, in der Absicht, ein vollkommener Heiliger zu werden, gefragt; nun war aber für ihn zur damaligen Zeit, da der HErr Jesus nicht lange an Einem Ort blieb, kein anderer Weg offen, als Jesu nachzufolgen, oder als Sein Schüler mit Ihm zu reisen, um von Ihm unterwiesen, und hernach zur Verkündigung des Evangeliums berufen zu werden. Hätte aber der junge und reiche Mann Jesu nachfolgen wollen, so hätte er seine vielen Güter nicht zugleich verwalten können, ja er wäre auch gehindert worden, ein Zeuge der Wahrheit zu sein, wenn er sie Haushältern oder Pächtern übergeben hätte. Der beste Rath für ihn war also dieser: verkaufe, was du hast, und gib’s den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben. Ohne die Nachfolge Jesu wäre dieses Verkaufen der Güter zur Erlangung der Vollkommenheit ein untaugliches Mittel gewesen, gesetzt, daß er auch den Erlös den Armen gegeben hätte. Da aber der junge Mann das Wort Jesu hörte, ging er betrübt von Ihm; denn er hatte viele Güter. Jesus aber sprach zu Seinen Jüngern: ein Reicher wird schwerlich in’s Reich Gottes kommen. Und weiter sage Ich euch: es ist leichter, daß ein Kameel durch ein Nadelöhr gehe, denn daß ein Reicher in’s Reich Gottes komme. Was Er also vorher Vollkommenheit genannt hatte, nennt Er jetzt ein Kommen in’s Reich Gottes, nämlich in das Reich des Messias, wo nicht nur eine Frömmigkeit nach der Weise des Alten Testaments, sondern ein neutestamentlicher Gnadenstand anzutreffen ist. Uebrigens ist auch schon manches Kameel, wenn es klein genug geworden ist, durch ein Nadelöhr gegangen; denn wie Christus Matth. 19,26. sagt: bei den Menschen ist’s unmöglich, aber bei Gott sind alle Dinge möglich. Paulus befiehlt deßwegen 1 Tim. 6,17.18.19.. den Reichen von dieser Welt nicht, daß sie ihre Güter verkaufen sollen, sondern, daß sie nicht stolz seien, auch nicht hoffen auf den ungewissen Reichthum, sondern auf den lebendigen Gott, der uns dargibt reichlich allerlei zu genießen; daß sie Gutes thun, reich werden an guten Werken, gerne geben, behülflich seien, Schätze sammeln, ihnen selbst einen guten Grund auf’s Zukünftige, daß sie ergreifen das ewige Leben.

Mel.: Jesus meine Zuversicht.

1.
Reichen dieser Welt wird schwer,
Sich in Gottes Reich zu dringen,
Eh’ wird durch ein Nadelöhr
Ein Kameel den Rücken zwingen;
Denn die Pfort ist eng und klein,
Und kein Reicher will hinein.

2.
Mein Gott! gib mir einen Sinn,
Der nicht reich zu sein begehre;
Wenn ich je auch lüstern bin,
Warne mich durch Christi Lehre;
Denn ein täglich Brod und Kleid
Ist genug auf diese Zeit.

3.
Wirfst Du mir auch Vieles zu,
Etwas mehr als manchen Kindern,
Vater! so bewahr’ mich Du,
Laß mich’s an dem Reich nicht hindern;
Lieber wollt’ ich arm und klein,
Als des Reichs nicht fähig sein.

4.
War es doch Dein Gnadenzug,
Mich zur Pforte hinzuweisen;
Gib mir nun Gewalt genug,
Auch Dein Reich an mich zu reißen.
Bleibt das And’re schon zurück,
Wenn ich nur mein Ziel erblick’.

5.
Mache mir mein Sterben leicht,
Daß mich in der Welt nichts halte;
Wenn Dein Geist nicht von mir weicht,
So vergess’ ich gern das Alte.
Mach’ mich dort reich, wo Du bist,
Weil Dir nichts unmöglich ist.

2. September. Morgen-Andacht.

Der HErr Jesus Christus ist unsere Hoffnung. 1 Tim. 1,1.

Wahre Christen sind Kinder Gottes, und gerechtfertigt durch den Glauben an Christum, und haben Gnade. Der Heilige Geist ist ihnen als ein Siegel und Pfand gegeben; ja sie haben schon das ewige Leben: doch hoffen sie noch Vieles. Sie hoffen eine Erlösung von allem Uebel, ein unvergängliches, unbeflecktes und unverwelkliches Erbe, eine ewige und über alle Maßen wichtige Herrlichkeit. Ohne diese Hoffnung wären sie die elendesten unter allen Kreaturen; denn sie hätten alsdann auch diejenigen geistlichen Gaben nicht, welche ein Angeld und Erstling der zukünftigen sind, und müßten dieses ihre ganze Weisheit sein lassen: lasset uns essen und trinken, denn morgen sind wir todt. Paulus sagt aber: Jesus Christus ist unsere Hoffnung. Der Sinn dieser Worte ist dieser: wenn der Heiland Christus nicht wäre, so hätte auch keine Hoffnung bei uns statt. Weil aber Gott die Welt also geliebt hat, daß Er seinen eingebornen Sohn gab, und der Sohn Gottes Sich selbst zur Erlösung gegeben hat, so ist für die Glaubigen eine Hoffnung vorhanden. Sie dürfen hoffen, um des vergossenen Blutes Jesu und um Seiner Fürbitte willen von allem Uebel erlöset und in das himmlische Reich Gottes aufgenommen zu werden. Der HErr Jesus Christus hat ihnen Alles, was sie hoffen können, erworben; er ist’s aber auch, der es ihnen selber geben wird. Er nimmt ihre Seelen, wenn sie von den Leibern getrennt werden, auf. Er erweckt ihre Leiber aus den Gräbern. Er spricht ihnen das himmlische Erbe am jüngsten Tag durch einen richterlichen Machtspruch zu, und gibt es ihnen wirklich nach dem Willen Seines Vaters. Lasset uns also auf Christum sehen, wenn wir hoffen wollen. Wenn wir nur uns selber ansehen, wie wir elende, mangelhafte, sterbliche und überdieß unreine, und schuldhafte Menschen sind, so steht kein Grund der Hoffnung vor unsern Augen; ja wenn wir die ewige und über alle Maßen wichtige Herrlichkeit, von welcher die heilige Schrift redet, das Herrschen mit Christo, das Sitzen auf Seinem Thron, den Sonnenglanz in des Vaters Reich, das Erben mit Christo u.s.w. betrachten, so scheint es unglaublich zu sein, daß ein Mensch, der nach vielem Straucheln und Leiden auf dem Todtenbette röchelt, und unter erbärmlichen Umständen sterben muß, auf diese erstaunliche Höhe werde erhoben werden: aber Jesus Christus ist unsere Hoffnung. Dieser füllet den unermeßlichen Abstand, der zwischen der himmlischen Herrlichkeit und dem irdischen Elend ist, mit Seiner Gerechtigkeit und mit Seiner Lebenskraft aus. Dieses ist Seine Ehre, daß Er aus der Tiefe in die Höhe, aus dem Tod in’s Leben, aus der Traurigkeit in die Freude führt. So will ich denn bei der Erkenntniß und Empfindung meiner Sünden und Leiden fleißig auf meinen HErrn Jesum Christum sehen, weil Er meine Hoffnung ist. Der Heilige Geist verkläre Ihn noch weiter in mir, und mache mich tüchtig, Glaubensblicke auf Ihn zu thun; damit ich mit guter Hoffnung, wie es einem Christen gebührt, die mir beschiedenen Leiden ertragen, und dereinst auch im Frieden dahinfahren könne.

Mel.: Nun ruhen alle Wälder.

1.
Was hat die Welt zu hoffen,
Wenn ihre Zeit verloffen?
Nur Finsterniß und Pein!
Was hat ein Christ zu hoffen?
Der Himmel steht ihm offen,
Sein Trost, sein Licht wird Jesus sein.

2.
Wir hoffen, mit zu leben;
Das kann und wird Er geben,
Er lebt ja uns zum Heil.
Wir hoffen, mit zu erben;
Denn durch versühnlich Sterben
Vermachte Er uns unsern Theil.

3.
Wir hoffen, Ihn zu sehen,
Und vor dem Thron zu stehen
In hellgewasch’nem Kleid.
Wir hoffen, Ihm zu dienen,
Wenn einst Sein Tag erschienen,
Im Anblick Seiner Herrlichkeit.

4.
Wir hoffen, Ihm zu danken,
Wenn Er am Ziel der Schranken
Uns einst das Kleinod schenkt,
Uns Frieden gibt von Hassern,
Und zu den Lebenswassern
Uns selig führt und ewig tränkt.

5.
Wir hoffen, Ihn zu loben,
Und lernen hie die Proben
Zum Hallelujah schon;
Dort werden wir mit singen,
Wenn Gottesharfen klingen
In dem vollkomm’nen Jubelton.

2. September. Abend-Andacht.

Es müssen Rotten unter euch sein, auf daß die, so da rechtschaffen sind, offenbar werden unter euch. 1 Kor. 11,19.

Kein Mensch soll Uebels thun, auf daß Gutes daraus komme; denn wer so handelt, dessen Verdammniß ist ganz recht, Röm. 3,8. Hingegen kann und will Gott nach Seiner Weisheit, Güte und Macht das Uebel zu einer Gelegenheit machen, etwas Gutes darzustellen. Paulus hoffte dergleichen etwas bei der korinthischen Gemeinde, in welcher nach V. 18. Spaltungen entstanden, wenn die Christen zusammen kamen. Die Wirkungen derselben aber waren die Rotten. Wenn sie nämlich mit Worten unter einander stritten, wenn der Eine dieses, der Andre jenes behauptete, so war das Ende des Streites dieses, daß ein jeder Haufe bei seiner Meinung blieb, und eine besondere Rotte oder Parthei ausmachte. Ist es nun recht, wenn es so zugeht? Ist es Gott wohlgefällig, wenn bei Zusammenkünften Trennungen entstehen, und die Leute nach der Trennung in Rotten zertheilt bleiben? Nein, denn Paulus sagt V. 17., solche Zusammenkünfte bessern nichts, sondern machen den Zustand einer Gesellschaft ärger. Hier denkt aber eine jede Rotte, die Andern alle sollten sich zu ihr schlagen, damit eine Einigkeit entstehe; allein die andere Rotte denkt auch so. Eine jede Rotte denkt, diejenigen, die zu ihr gehören, seien die Rechtschaffenen; allein Paulus gibt in seinem ganzen ersten Brief an die Korinther zu verstehen, daß die Rechtschaffenen nicht diejenigen seien, welche sagen: wir sind paulisch, wir sind kephisch, wir sind apollisch, sondern daß diese Alle noch fleischliche Leute und junge Kinder in Christo seien, und nach menschlicher Weise wandeln, 1 Kor. 3,1.2.3. Welches sind also die rechtschaffenen oder bewährten und reifen Christen? Diejenigen sind es, welche mit den Schwachen, die sich trennen und Partheien machen, Geduld haben, sie wegen ihres Eifers, Zanks und Zwietracht freundliche bestrafen und warnen, sich unverrückt an Christum als das Haupt halten, Andere auch auf Ihn weisen, und dabei sanftmüthig warten, bis Alle zu einerlei Glauben und Erkenntniß des Sohnes Gottes gelangen, und ein vollkommener Mann werden, der nach dem Maß des vollkommenen Alters Christi sei. Der Sinn der Rechtschaffenen besteht nicht in der Gleichgiltigkeit gegen die Wahrheit, sie halten vielmehr ein jedes Brosamlein derselben für kostbar, und opfern keines derselben der brüderlichen Liebe auf: doch drängen sie auch kein Stück der Wahrheit Andern auf, und wenn sie davon zeugen, so thun sie es ohne Herrschsucht und Zank. Paulus redet freilich, da er von dieser Sache handelt, von erweckten Leuten, unter denen auch der Schwächste begnadigt war; wie denn die Rechtschaffenen, die bei den Rotten offenbar wurden, den jungen Kindern in Christo, die noch viel Fleischliches an ich haben, entgegen gesetzt sind. Wenn unter Leuten die ganz fleischlich sind, Rotten entstehen, so ist insgemein die Hoffnung, daß sie bald vergehen, weil sich solche Leute vom Geist Gottes nicht strafen lassen. HErr Jesu, erhalte uns in dem Glauben der Wahrheit und in der Liebe. Bringe, was zertrennt ist, zur Einigkeit. Entdecke durch Dein Licht, was echte und unechte Weisheit und Gerechtigkeit sei, und mache zur Ehre Deines Namens aus jungen Kindern, die noch viel Fleischliches an sich haben, rechtschaffene und gegründete Christen!

Mel.: O Gottes Sohn, HErr Jesu etc.

1.
Es müssen je auch Rotten sein,
Das macht uns kein Gewirre;
An solchen offenbart sich fein,
Wer recht geh’ und wer irre.
Die Gnade macht die Seelen fest,
Daß man sich And’re trennen läßt,
Und bleibt an Jesu hangen.

2.
Das Wort, und Christus in dem Wort,
Das soll mein Leitstern bleiben;
Was davon führt, das gehe fort,
Mich soll es nicht abtreiben;
So bleibt mein Herz in seiner Ruh’;
Das Wort führt mich dem Sohne zu,
Der Sohn mich zu dem Vater.

3.
Nur Er soll mir zur Weisheit sein,
Sonst acht’ ich keiner Gaben;
Er zur Gerechtigkeit allein,
Die ich vor Gott kann haben;
Er einig mir zur Heiligung,
Und nach des Worts Versicherung
Er selber zur Erlösung.

4.
Nur diese Wahrheit macht mich frei;
Die ist’s, auf die ich sterbe;
Sein Geist lehrt sie, und zeugt dabei,
Daß ich mit Christo erbe.
Es schwärmen Rotten her und hin,
Wenn ich auf diesem Felsen bin,
So kann mein Bau nicht fallen!

3. September. Morgen-Andacht.

Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende, der Erste und der Letzte. Offenb. 22,13.

Gott ist das A und das O, der Anfang und das Ende, Offenb. 21,6. Eben dieses sagt auch Jesus Kap. 22,13. von Sich, setzt aber dazwischen, was Er schon Offenb. 1,17. von Sich gesagt hatte: Ich bin der Erste und der Letzte. Wäre Christus nur ein Geschöpf, oder doch ein niedrigeres Wesen als der Vater, so könnte Er dieses Alles nicht von Sich selbst sagen, und wäre alsdann nicht der Erste, sondern der Zweite nach dem höchsten Gott. Auch wäre Er nicht der Letzte, zu dem Alles wieder zurückkehren müßte, sondern der Uneinsletzte, über den man noch hinausgehen müßte, um zu dem höchsten Wesen, zu dem uns die ganze heilige Schrift hinweist, zu gelangen. Er wäre auch nicht der Anfang, sondern der Nächste nach dem Anfang, und auch nicht das Ende, oder das Ziel aller Dinge, sondern der Nächste vor diesem Ende und Ziel. Weil Er aber Gott über Alles gelobet in Ewigkeit ist, so ist Er, wie der Vater, mit welchem Er Eins ist, das A und O, das ist der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende. Er ist der Ursprung und das Ziel aller Dinge. Von Ihm sind alle Dinge, und wenn durch Ihn Alles wieder nach dem Wohlgefallen Seines Vaters eingerichtet ist, so kommen alle Dinge wieder zu Ihm. Es ist Alles durch Ihn und zu Ihm erschaffen, und der Zweck der durch Ihn ausgeführten Erlösung ist dieser, daß Ihm Alles unterthan werde. Durch Seinen Geist erneuert, belebt und erleuchtet Er Alles, was selig werden soll, und diejenigen, die Er so erneuert, belebt und erleuchtet, hangen Ihm als ihrem Haupt an, und sind ewiglich Sein Eigenthum. Er ist das Wort, das im Anfang bei Gott, und das Leben, das bei dem Vater war, und den Menschen erschienen ist. Wenn aber am Ende Gott Alles in Allen sein wird, so wird auch Er als das wesentliche Wort Gottes Alles in Allen, und insonderheit auf die vollkommenste Weise das Leben und das Licht der Menschen sein.

Wie hoch sollen wir also Jesum unsern Heiland schätzen! Wie demüthig sollen wir Ihn preisen! Wie begierig uns zu Ihm wenden! Er, der vor der Welt war, durch den Alles gemacht ist, was gemacht ist, und der insonderheit als der Mittler zwischen Gott und Menschen der Urheber oder die Ursache unseres Heils, Hebr. 5,9., worden ist, soll auch der Gegenstand unseres Verlangens, unseres Vertrauens, und unserer Anbetung, ja das Ziel unseres Laufes sein. Ihm sollen wir unsere Herzen opfern, Ihn sollen unsere Lippen preisen, und Ihn soll unser Wandel ehren. Er ziehe uns zu Sich, Er offenbare ich uns, Er nehme uns auf, daß wir ewiglich seien, wo Er ist, und Seine Herrlichkeit sehen. Wie thöricht sind diejenigen, die ihr Glück aus ihnen selbst und aus andern Kreaturen herleiten, und erschaffene Dinge in diesem Sinn für ihr A, für ihr Erstes, und für ihren Anfang, das ist für die Urheber ihres Wohlstandes halten. Wie thöricht sind sie auf einer andern Seite, wenn ihre Wünsche und ihr Bestreben sich im Reichthum, in der Wollust, oder in der Ehre bei den Menschen endigen, als ob diese ihr O, ihr Letztes und ihr Ende wären. Solche Leute werden freilich sich betrogen finden und darben, wenn das Wesen dieser Welt vergehen wird.

Mel.: Entfernet euch, ihr matten Kräfte.

1.
Wer wundert sich ob meinem Liede,
Daß dieß allein auf Jesum geht?
Nur der wird Seines Lobes müde,
Der Seine Größe nicht versteht.
Ist’s denn nicht so?
Das A und O
Ist Jesus in der Schrift allein;
Sollt’ Er’s in meinem Lied nicht sein?

2.
In Christo faßte Gott zusammen,
Was sichtbar und nicht sichtbar ist;
Der Vater gab uns keinen Namen
Zum Seligsein, als Jesum Christ.
Was außer Ihm
Ich sing’ und rühm’,
Ist Gott kein angenehmer Klang,
Ein leer Gedicht, ein falsch Gesang.

3.
O wäre nur von Seinem Lobe
Mir Mund und Herz beständig voll!
O lehrte mich Sein Geist die Probe,
Wie man im Himmel singen soll!
So arm ich bin,
Doch lob’ ich Ihn.
Ach Vater, nimm mein Stückwerk an,
Bis ich es dort vollkommen kann!

3. September. Abend-Andacht.

Siehe, Meine Knechte sollen essen, ihr aber sollet hungern; siehe, Meine Knechte sollen trinken, ihr aber sollet dürsten; siehe, Meine Knechte sollen fröhlich sein, ihr aber sollet zu Schanden werden. Jes. 65,13.

Obschon diese Worte, wie der Zusammenhang mit andern anzeigt, zunächst auf eine große Begebenheit zu deuten sind, die noch auf dieser Erde vorgehen soll, so darf man sie doch auch, wie Anderes, das in den letzten Kapiteln des Jesaias steht, so erklären, daß man die völlige Erfüllung derselben in der unsichtbare Welt sucht, wo ohnehin Vieles vorgehen wird, dessen Vorbild in der sichtbaren vorhergegangen war. Der HErr sagt also: siehe, Meine Knechte sollen von dem verborgenen Manna und von dem Holz des Lebens, das in Meinem Paradiese ist, essen, ihr aber, die ihr Mich verlasset, und Mir zu dienen euch weigert, sollet eine peinliche Begierde nach einem wahren sättigenden Gut in euch behalten, dieselbe aber nicht stillen können, sondern einen quälenden Hunger in euch fühlen. Siehe, Meine Knechte sollen vom Wasser des Lebens trinken, und dadurch unaussprechlich erquickt werden, ihr aber, die ihr Unrecht wie Wasser gesoffen, und die Augenlust, die Fleischeslust und das hoffärtige Leben für euer Element gehalten habt, sollet dürsten, und in den quälenden Flammen nichts, gar nicht, nicht einmal so viel, als mit einem Tropfen kalten Wassers verglichen werden könnte, bekommen. Siehe, Meine Knechte sollen als gerechte, geliebte und herrliche Personen fröhlich sein, ihr aber sollet mit eurem Stolz, mit eurer Kühnheit und Sicherheit, und mit der Rechtfertigung euer selbst zu Schanden werden, bestürzt da stehen, und keine Auskunft mehr finden. Siehe, heißt es ferner V. 14., Meine Knechte sollen als Errettete von allem Uebel, als Hingestellte zur Rechten des Richters, als Reichgemachte durch das himmlische Erbe, und als Hingerückte zu ihrem Gott, der allein gut ist, vor gutem Muth jauchzen, ihr aber sollet als Verworfene, Gerichtete, Verdammte und in das höllische Feuer Verstoßene vor Herzeleid schreien, und vor Jammer heulen. Auf diese Weise wird also offenbar werden, was für ein Unterschied sei zwischen den Gerechten und Gottlosen, zwischen dem, der Gott dienet, und dem, der Ihm nicht dienet. Auf Erden haben schon viele Knechte Gottes Hunger und Durst gelitten, alldieweil die Feinde Gottes herrlich und in Freuden lebten, alle aber haben Schmach und Traurigkeit empfunden, alldieweil trotzige Weltmenschen sich untereinander geehrt und ergötzt haben. Das Blatt wird sich aber wenden. Wer zuletzt essen, trinken, fröhlich sein und jauchzen kann, hat’s gewonnen, und wessen Ueppigkeit, Ansehen und lustiger Muthwille auf Hunger, Durst, Schande und Heulen hinausläuft, ist eine sehr unglückliche Kreatur. Wir sollen uns also befleißigen, nach der Wahrheit Knechte Gottes zu heißen. Ein Mensch kann meinen, er diene Gott, wenn er aber nur seine Zunge nicht im Zaum hält, sondern durch Mißbrauch derselben in sündlichen Reden ausschweift, und so sein Herz verführet, so ist sein Gottesdienst eitel, oder eine leere Einbildung, Jak. 1,26. Verhält es sich mit den Zungensünden so, so darf man den Schluß von denselben auch auf andere herrschende Sünden machen. Der Dienst Gottes erfordert also einen Haß gegen alle Sünden, und einen aufrichtigen Fleiß, den Willen Gottes nach allen Stücken zu thun. Ach Gott, laß mich Deinen Knecht bis an mein Ende bleiben!

Mel.: O Durchbrecher aller Bande.

1.
HErr, HErr! Du hältst ob dem Rechte
Und sagst nichts vergeblich zu;
Du belohnest Deine Knechte,
Deine Feinde strafest Du.
Laß mich dein Wort nicht vergessen,
Schärf’ es mir, so seh’ ich’s ein:
„Meine Knechte sollen essen,
Aber ihr sollt hung’rig sein.“

2.
„Ich will Meine Knechte tränken,
Bis sie von der Wollust satt;
Euch soll Durst und Mangel kränken,
Wo man nichts zur Labung hat.
Meine Knechte sollen Freude
Und die höchste Ehre seh’n;
Aber ihr im tiefsten Leide
Sollt mit lauter Schande steh’n.“

3.
„Sieh’, es sollen die Getreuen
Jauchzen vor vergnügtem Muth;
Ihr sollt heulen, ihr sollt schreien,
Wenn mein Zorn euch wehe thut.“
HErr! so sehr sind unterschieden,
Die Du hassest, oder liebst,
Wenn Du Knechten Ruh’ und Frieden,
Und den Feinden Rache gibst.

4.
Lehr’ mich Dir in Hoffnung dienen
Unter Thränen, Durst und Schmach;
Wenn die Zeit des Lohns erschienen,
Folgt gewiß das Gute nach.
Wie ein Knecht sich nach dem Schatten,
Also sehn’ ich mich dahin,
Wo ich ewig ohn’ Ermatten
Satt und froh und jauchzend bin“

4. September. Morgen-Andacht.

Der Geist Gottes ist der Geist der Gnade. Hebr. 10,29.

Es ist lieblich, daß der Heilige Geist Zach. 12,10. der Geist der Gnade und des Gebets, und Hebr. 10,29. der Geist der Gnade genannt wird. In beiden Stellen ist von dem Heiligen Geist die Rede, wie Er Sich im Neuen Testament offenbart. Es gibt Leute, welche mit einem finstern Grimm Andere richten, drücken, verdammen, und wenn es ihnen möglich ist, vertilgen, dabei aber selbst die Gnade Gottes nicht genießen. Wenn nun solche Leute vorgeben, sie seien im Heiligen Geist versammelt, oder sie werden von dem Heiligen Geist getrieben, so betrügen sie Andere, und vielleicht auch sich selber. Der Geist Gottes ist ein Geist der Gnade, weil Er nicht nur aus Gnade geschenkt wird, sondern auch die Gnade Jesu Christi den Menschen offenbaret, zueignet und zu genießen gibt, ja durch Seine Inwohnung und Wirkung das Pfand oder der Beweis derselben ist. Wer nun diesen Geist der Gnade empfangen hat, kann andere Menschen, wenn er sie auch für irrende und gottlose Menschen halten muß, nicht mehr grimmig richten und verdammen oder thätlich beleidigen; ja es steht ihm auch die Strenge nicht mehr an, welche den Heiligen des Alten Testaments wohl anstand, wie Christus Seinen Jüngern, die sich bei ihrem Eifer auf den Propheten Elias beriefen, Luk. 9,51-56. angedeutet hat. wenn der Geist der Gnade in dem Herzen eines Menschen wohnt, so fließt auch desselben Menschen Mund in Worten der Gnade, oder holdseligen Worten über, Luk. 4,22. Eph. 4,29. Licht ist in seinem Angesicht, Hiob 29,24., und Gnade auf seinen Lippen, Ps. 45,3. Er wandelt im Licht und in der Lieb, wie vornehmlich der Apostel Johannes gelehrt hat. Wo bleibt aber alsdann die Schärfe, die gegen das Böse ausgeübt werden muß? Auch diese mangelt nicht, wo der Geist der Gnade das Regiment führt, denn Er ist ein heiliger Geist, und die Gnade ist nicht die Rechtfertigung oder Entschuldigung des Bösen, sondern die Befreiung von dem Bösen, welche nicht ohne die Anwendung einer heilsamen Schärfe geschehen kann. Der Geist der Gnade lehrt also die Sünde hassen, und den Sünder lieben. Er treibt diejenigen, die Er regiert, zur Bestrafung der Irrthümer und Laster, erhält sie aber bei der lautern Absicht, das Heil der Irrenden und Lasterhaften zu suchen, und treibt sie an, ihnen zu vergeben und für sie zu bitten. Die Schläge eines solchen Liebhabers meinen es recht gut, da hingegen das Küssen des Hassers ein Gewäsche ist, Sprüchw. 27,6. Der Geist der Gnade bringt den Frieden Gottes in das Herz; denn wo Gnade ist, da ist auch Friede. Wenn also die Gottlosen wie ein ungestümes Meer sind, das nicht stille sein kann, und wenn Christen, die noch unter dem Gesetz sind, die verdammende Kraft desselben fühlen, und sich mit unkräftigen Bemühungen ermüden, so hat hingegen derjenige, welcher den Geist der Gnade empfangen hat, ein gereinigtes Gewissen, ein beruhigtes Herz, eine kindliche Zuversicht zu Gott, und eine Kraft, die Versuchungen zu überwinden. Wer den Geist der Gnade nicht empfangen will, und nicht darum bittet, stehet unter der Gewalt des bösen Feindes, der ein Lügner und Mörder von Anfang ist, und Lügner und Mörder aus den Menschen macht. Wer aber sogar den Geist der Gnaden, der in wahren Christen ist, schmähet, wird die Rache Gottes erfahren.

Mel.: Ach bleib’ mit Deiner Gnade.

1.
Lob sei dem Geist der Gnade,
Das Ihm von uns gebührt,
Der auf dem Lebenspfade
Uns in den Himmel führt.

2.
Von Ihm ward selbst empfangen
Der Heiland Jesus Christ,
Der, frei vom Gift der Schlangen,
Der Mensch in Gnaden ist.

3.
Er kam in Seiner Taufe
Und blieb auf Jesu ruh’n,
Daß Er mit Blut erkaufe,
Wem Gott will Gnade thun.

4.
Er lehrt, was Gottes Wille
Für Gnade uns bestimmt;
Wie man aus Jesu Fülle
Um Gnade Gnade nimmt.

5.
Er zündet das Verlangen
Nach Gnade in uns an,
Daß man an Jesu hangen
Und in Ihm bleiben kann.

6.
Er hilft uns glaubig beten,
Zum Gnadenthron in Noth
Mit Freuden hin zu treten;
Gibt Gnade auch im Tod.

7.
HErr, führ’ auch mich gerade
Zu jenem Heiligthum,
Da sei Dir, Geist der Gnade,
Sammt Sohn und Vater, Ruhm!

4. September. Abend-Andacht.

Christus ist ein Mittler des Neuen Testaments, auf daß durch den Tod, so geschehen ist zur Erlösung von den Uebertretungen, die, so berufen sind, das verheißene ewige Erbe empfahen. Hebr. 9,15.

Auch dieses gehört zu der Herrlichkeit des Mittleramts Jesu, daß Er ein Mittler des Neuen Testaments heißt, von welchem Hebr. 8,6. gesagt wird, daß es besser sei als das Alte, und daß es auf bessern Verheißungen stehe. Das Alte Testament ist dasjenige, das Gott mit den Vätern der Israeliten machte, da Er ihre Hand ergriff, sie auszuführen aus Aegyptenland. Damals redete Gott nicht unmittelbar mit den Menschen, sondern gab das Gesetz durch der Engel Geschäfte, wie Stephanus Ap. Gesch. 7,53. sagte, weßwegen es auch Hebr. 2,2 ein Wort genannt wird, das durch die Engel geredet worden, wiewohl es doch so lautete, daß Gott selber der Redende war. Moses war hiebei der Mittler zwischen den Engeln und zwischen Israel. Das Neue Testament aber ist al eine in Worten zugesagte Seligkeit durch den HErrn selber gepredigt worden, Hebr. 2,3., folglich hat Sich Gott bei demselben näher, ja unmittelbar mit den Menschen eingelassen, und schon bei der Verkündigung eine größere Leutseligkeit bewiesen, als bei dem Alten Testament. Bei dem Alten Testament war die Verheißung des ewigen Lebens mit vielen und schweren Satzungen verbunden: bei diesem sind neben den Geboten, welche die wesentliche Gerechtigkeit und Heiligkeit nothwendig macht, nur zwei Sakramente als leichte Satzungen, die noch dazu kräftige Gnadenmittel sind. Bei dem Alten Testament gab es viele Vorbilder, welche vor den zukünftigen Gütern hergingen, wie der Schatten vor dem Körper hergeht, wenn man die Sonne auf dem Rücken hat: bei dem Neuen ist das Wesen der Güter selber, ohne solche unkräftige Schatten. Dort waren die Glaubigen wie unmündige Kinder, die man den Hofmeistern und Haushaltern übergibt, und wurden auf diese Weise wie Knechte behandelt, und von einem knechtischen Geist regiert. durch das Neue Testament aber empfangen die Glaubigen einen kindlichen Geist, durch welchen sie Abba, Vater! rufen, und ihr Kindesrecht mit Freimüthigkeit gegen Gott brauchen dürfen, Gal. 4,1.2.6. Röm. 8,15. Unter dem Alten Testament war die Welt ein finsterer Ort, in dem die Kerze des prophetischen Wortes schien, unter dem Neuen aber bricht der Tag an, wo das Evangelium geglaubt wird, und der Morgenstern geht in den Herzen auf, 2 Petr. 1,19. Und wer will alles Neue erzählen, welches Christus durch das Neue Testament im Himmel und auf Erden angerichtet hat. Gott hat dasselbe als etwas, das besser als das Alte war, für uns zuvor versehen, auf daß jene, die als Glaubige unter dem Alten gestanden waren, nicht ohne uns vollendet würden, Hebr. 11,40. Christus ist aber nicht nur als ein Prophet der Mittler des Neuen Testaments geworden, wie Moses, sondern hat es auch durch Seinen Tod bestätigt oder in der Absicht auf uns gültig gemacht. Weil aber demselben die Uebertretungen aller Menschen entgegen standen, so hat Er davon erlöset, oder ein Lösegeld, das gütig war, dafür bezahlt. Nun kann und will Er selbst den Berufenen das Reich bescheiden, nun dürfen sie es als das verheißene Erbe wirklich empfahen.

Mel.: Valet will ich dir geben.

1.
So ist’s denn ewig feste
Das neue Testament;
Der Mittler hat das Beste
Zur Stiftung angewend’t:
Sein Tod ist nun geschehen;
Wir erben himmlisch Gut,
Und ob wir’s noch nicht sehen,
Versiegelt’s doch Sein Blut.

2.
Die Sünden sind vergeben,
Begnadigt sind wir jetzt,
Wir sind vom Tod in’s Leben
Durch Christi Tod versetzt,
Wir sind erlöst vom Fluche,
Das konnt’ der Mittler thun,
Und in dem Lebensbuche
Steh’n uns’re Namen nun.

3.
O Jesu! welche Gnade,
Was hast Du uns gethan!
Nimmst Du mich arme Made
Denn auch zum Erben an?
Ja, ja, ich darf es glauben,
Dein Wort hat mir’s vergönnt;
Ich steh’ (wer will mir’s rauben?)
In Christi Testament.

4.
Ich glaub’ es dann von Herzen;
Mein Herz ist Trostes voll;
O laß mich nicht verscherzen,
Was ich ererben soll!
Hilf, Gott, daß Dein Kind wandelt
Als Erbe von dem Licht;
Was Esau roh verhandelt,
Bleibt, ob er weint, ihm nicht.

5.
Bin ich kein Erb’ auf Erden,
So wart’ ich in Geduld;
Mir soll ein Bess’res werden
Durch meine Mittlers Huld.
Wenn ich im Glauben sterbe,
So sterb’ ich reich und gern;
Ich sterbe als ein Erbe
Von einem großen HErrn.

5. September. Morgen-Andacht.

Ihr Glaubigen seid ein Volk des Eigenthums. 1 Petr. 2,9.

Obschon der große Gott sagen kann: es ist Alles Mein, was unter allen Himmeln ist, Hiob 41,2., so hat Er doch auch ein besonderes Volk des Eigenthums, gleichwie ein König unter vielen Städten seines Landes eine besondere Residenzstadt, unter vielen Regimentern, woraus sein Kriegsheer besteht, ein besonderes Leibregiment, und unter den vielen Unterthanen, die ihm gehorchen müssen, eine besondere Dienerschaft hat, die seinen Hofstaat ausmacht. Zur Zeit des Alten Testaments war das Volk Israel das Volk des Eigenthums Gottes, 2 Mos. 19,5.6., weil aber nicht alle Israeliten der Stimme des HErrn gehorchten, und Seinen Bund hielten, so sagte Paulus mehrmals deutlich, die Vorzüge und Verheißungen, die Gott Israel gegeben habe, gehen nur die Auserwählten unter Israel, hernach aber auch die Heiden, die dem Stammbaum Israels durch den Glauben eingepfropfet werden, an. Auch Petrus schrieb an glaubige Israeliten, die unter den Heiden wohnten: ihr, nicht die verstockten Juden, sondern ihr seid das Volk des Eigenthums Gottes; oder ihr seid das Volk, das Gott für Sein besonderes Eigenthum hält. Gleichwie Gott zu einem solchen Volk sagt: du bist Mein Volk, und zu einem jeden Glied desselben: du bist Mein, also darf dieses Volk und ein Jeder, der dazu gehört, das unschätzbare Wort auf sich deuten: Ich, der HErr, bin dein Gott. Das ist, Ich verwende alle Meine Eigenschaften für dich, Ich gebe Mich dir hin, daß du Mich nach deinem ganzen Begehren genießest; Meine Ruhe, Meine Freude, Meine Herrlichkeit soll dein sein.

Wer nun sagen will, daß er zu dem Volk des Eigenthums Gottes gehöre, und Gott sein Gott sei, soll der Stimme des HErrn gehorchen und Seinen Bund halten, wie Mos. 19,5. gesagt wird, und weil der Neue Bund oder das Neue Testament durch das Blut und den Tod Jesu bestätigt worden ist, vor allen Dingen dieses theure Blut, diesen unaussprechlich wichtigen Versöhnungstod mit seinem Glauben ehren, und zu dem Neuen Testament, das dadurch bestätigt worden ist, von Herzen Ja und Amen sagen. Daraus wird hernach die Willigkeit und Kraft entstehen, dem HErrn als Sein Eigenthum zu leben. Und wer ihm lebt, wird seine Ehre, seinen Reichthum, seine Freude, und überhaupt seine Glückseligkeit nicht außer Gott suchen, und wenn er Ihn hat, weder nach dem Himmel noch nach der Erde fragen. Weil auch Gott ein ganzes Volk hat, das Sein eigen ist, so soll ein Jeder, welcher dazu gehört, wissen, daß er nicht einzeln für sich bleiben, sondern sich an alle Heiligen in der Liebe anschließen soll, weil Alle miteinander Ein Volk ausmachen. Auf der Erde ist zwar dieses Volk zerstreut, im himmlischen Tempel aber werden diejenigen, die zu diesem Volk gehören, nach und nach versammelt, und werden hernach im neuen Jerusalem in der lieblichsten Eintracht bei einander wohnen; denn diese Stadt wird eine Hütte Gottes bei den Menschen sein, und Er wird bei ihnen wohnen, und sie werden Sein Volk sein, und Er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein, Off. 21,3. Der einige Gott hat nicht Völker sondern Ein Volk, welches unter Ihm als dem einigen HErrn steht, und durch die Liebe verbunden ist.

Mel.: Wer Jesum bei sich hat.

1.
Der Sünde diene noch,
Wer will verderben;
Ich weiß ein sanftes Joch;
Ich will nicht sterben!
Ich diene einem HErrn,
Der mich erworben;
Ihm dien’ ich herzlich gern,
Weil Er gestorben.

2.
Mit Blut bin ich erkauft,
Und war ein Sklave;
Nun hat Er mich getauft
Zu Seinem Schafe;
Ich danke Ihm dafür,
Als nun versühnet;
Mein Herz, wie wohl ist dir,
Das Jesu dienet!

3.
So bin ich nicht mehr mein,
Ich bin Sein eigen,
Ich will es ewig sein
Und will es zeigen.
An mich hat Er das Recht
Bis zum Erkalten;
Kein Herr kann seinen Knecht
So gnädig halten.

4.
Mein HErr, ich rühme mich
Nur Deiner Gnade;
Mein HErr, ich ehre Dich
Im höchsten Grade;
Mein HErr, Du seist von mir
Mit Dank erhoben,
Ach rufe mich zu Dir,
Da will ich loben!

5. September. Abend-Andacht.

Gott hat uns mit Ihm selber versöhnet durch Jesum Christum, und das Amt gegeben, das die Versöhnung prediget. 2 Kor. 5,18.

Man darf bei der Erlösung des menschlichen Geschlechts den Sohn Gottes nicht als abgesondert von dem Vater und Heiligen Geist vorstellen, wie es vielleicht bei der Schwachheit des menschlichen Verstandes öfters zu geschehen pflegt, sondern gewiß glauben, daß auch der Vater durch den Geist dabei wirksam gewesen sei, wiewohl nur der Sohn Gottes als Mensch gekreuziget worden und gestorben ist. Wenn man dieses wunderbare und große Werk des dreieinigen Gottes in dem Verhältniß gegen das Uebel, woraus die Menschen herausgerissen werden sollen, betrachtet, so heißt es eine Erlösung; betrachtet man es aber in dem Verhältniß gegen Gott, so heißt es eine Versöhnung. Gott hat uns, wie Paulus sagt, mit Ihm selber versöhnet durch Jesum Christum. Man darf sich hier freilich keine Versöhnung vorstellen, dergleichen zwischen Menschen, die gleiche Rechte gegen einander haben, vorzugehen pflegt, da nämlich jeder Theil nach einer Abbitte oder Genugthuung oder auch ohne dieselbe seine Feindschaft fahren, und anstatt des Hasses eine neue Liebe bei sich aufkommen läßt. Bei Gott geht keine solche Veränderung vor, und auch damals, da wir Gott durch den Tod Seines Sohnes versöhnt wurden, ging noch keine Veränderung in uns vor. Man nehme also lieber das Bild von einem König, der seinen rebellischen Unterthanen nicht eigentlich feind ist, aber doch eine gerechte Strenge gegen sie ausüben, und sie alle zum Tod verdammen sollte, wiewohl er doch nach der Liebe wünscht, ihrer verschonen zu können. Man stelle sich weiter vor, es stelle sich ein Mittler zwischen den König und die Rebellen, und bringe als dieser ihr Sachwalter durch eine geziemende Abbitte und Genugthuung so viel zuwege, daß der König ihnen Gnade anbieten und erzeigen könne: so hat dieser Mittler die Rebellen mit dem König versöhnt, das ist, einen Weg geöffnet, auf welchem der König seine vorhin gehegte Liebe ihnen erzeigen, und sie anstatt der Todesstrafe begnadigen und mit neuen Wohlthaten überschütten kann. Nun muß aber den Rebellen diese ihre Versöhnung auch verkündiget werden, und diese Verkündigung bei ihnen diese Wirkung haben, daß sie sowohl die Feindschaft gegen ihren König, als auch die zur Verzweiflung führende Furcht vor seinem mächtigen Zorn fahren lassen. Hat nun Gott das Erste, nämlich die Versöhnung der rebellischen Welt durch Seinen Sohn Jesum Christum zu Stande gebracht, so hat Er auch für das Letztere, nämlich für die Verkündigung dieser Versöhnung gesorgt. Er hat, wie Paulus sagt, das Amt gegeben, das die Versöhnung prediget. Dieses Amt ist eine Gabe Gottes, Christus selbst, und hernach die Apostel, verwalteten es zuerst, es muß aber, so lange noch Rebellen auf Gottes Erdboden übrig sind, folglich bis an’s Ende der Welt verwaltet werden. Die durch Christum ausgerichtete Versöhnung muß geprediget werden, weil sie in dem Gesetz, das allen Menschen in’s Herz geschrieben worden, nicht enthalten ist. Hier müssen nun Ermahnungen, hier müssen sogar Bitten vorkommen, mit welchen man die unglaubigen Menschen zu erweichen und zu überreden sucht, daß sie ich für versöhnt halten, aber auch die Gnade nicht vergeblich empfahen sollen.

Mel.: Nun ruhen alle Wälder.

1.
Wie elend müßt’ ich sterben,
Wie würde mein Verderben,
So unvermeidlich sein,
Wenn auf dem Sterbebette
Ich keinen Heiland hätte,
Und wäre Jesus nicht auch mein!

2.
Was wäre mir gedienet,
Daß man, als unversühnet,
Mich einen Menschen nennt,
Wenn über Menschenkindern
Der Zorn, als über Sündern,
Bis in die tiefste Hölle brennt!

3.
Nun ist das Heil erworben,
Da Der für uns gestorben,
Der ohne Sünde war;
Da ward, weil Er Sein Leben
Für Sünder hingegeben,
Die Liebe Gottes offenbar.

4.
So legt sich die Bedienung
Des Worts von der Versöhnung
Recht an dem Herzen an,
Daß solches auf’s Versprechen
Von der Vergebung brechen
Und dort ein Leben hoffen kann.

5.
Das ist ein Trost den Kranken,
Daß man sich in Gedanken
Stets des Versöhners freut;
Der Glaube lernt ihn halten,
Läßt Gottes Gnade walten,
Die waltet bis in Ewigkeit.

6.
HErr! laß mein Sterbebette
Mir eine Ruhestätte
Zu Deinen Füßen sein;
Dein blutiges Versöhnen
Laß mir zum Trostgrund dienen,
So geh’ ich zu dem Leben ein.

6. September. Morgen-Andacht.

Sein Rath ist wunderlich, und Er führet es herrlich hinaus. Jes. 28,29.

Jesaias hatte in diesem Kapitel wie auch in dem vorhergehenden von einem Verderben und Steuern geweissagt, so vom HErrn Zebaoth in aller Welt geschehen werde, V. 22. Er hatte nämlich verkündigt, daß Gott Sein Volk Israel und andere Völker durch harte Strafen, welche vielen zum Verderben ausschlagen würden, heimsuchen, doch aber auch diesem Verderben um der auserwählten willen steuern, und durch Christum, den Eckstein der Kirche, V. 16., ein großes Heil erzeigen werde. Weil es aber Spötter gab, die weder das Verderben noch das Steuern glaubten, so bezeugte er mit sehr nachdrücklichen Worten, daß seine Worte wahr seien, und erläuterte endlich dieselben durch das Beispiel des Ackermannes, welcher den Acker nicht immer durch die Pflugschar umbreche, sondern auch guten Samen darauf säe, und welcher die Frucht, die darauf gewachsen, zwar schlage oder dresche, aber doch nicht gar zu nichte mache. Also, sagte der Prophet, geht Gott auch mit Seinem Volk und mit den Menschen überhaupt um. Er läßt durch Seine Gerichte den Pflug tief gehen, aber nur deßwegen, daß eine Frucht aufgehen könne. Er stäupt auch Seine Auserwählten, aber so, daß sie es ertragen können, und zum ewigen Leben erhalten werden. Er schickt also ein Verderben, und steuert ihm wieder. Sein Rath ist also wunderbar, weil Er so straft und züchtigt, daß es das Ansehen hat, als wollte Er Alles verderben: Er führet es aber herrlich hinaus, weil endlich ein herrliches Heil zu Stande kommt, eine herrliche Frucht entsteht, und die Gezüchtigten durch Christum erhalten, geläutert, und zur Herrlichkeit bereitet werden. Dieses ist’s, was auch Assaph Ps. 73. bezeugt hat, da er sagte: ich bin geplagt täglich, und meine Strafe ist alle Morgen da; dennoch aber bleibe ich stets an Dir; denn Du hältst mich bei meiner rechten Hand; Du leitest mich nach Deinem Rath, und nimmst mich endlich mit Ehren an. Gott steuert dem Verderben bei ganzen Völkern, wenn Er zwar die halsstarrigen Spötter in großer Menge in Seinem Zorn wegrafft, aber die Uebrigen selig macht, s. Röm. 9,17.28. Er steuert ihm aber auch bei einzelnen Menschen, die Er erwählt hat, und die an Ihn glauben, wenn Er ein Verderben über sie kommen läßt, welches ihre zeitliche Habe, ihre ehre bei den Menschen, ihre Gesundheit und andere zeitliche Gaben bis auf einen gewissen Grad, ja zuletzt bis zum Tod des Leibes wegnimmt, sie aber dabei innerlich tröstet, im Glauben erhält, und endlich aus allem Uebel erlöst, und in Sein himmlisches Reich versetzt. Wer ist, der sich in diesen Rath Gottes recht schicken kann? Nach dem Willen des Fleisches und der Vernunft sollte es nicht also gehen; ja die Regierung Gottes ist für alle Geschöpfe, auch für die vortrefflichsten und weisesten unter ihnen unergründlich und unbegreiflich; daher entstehen die Fragen: warum? und wie lange? die im Psalter oft vorkommen. Ja daher entsteht die Begierde der Engel, an der Kirche die mannigfaltige Weisheit Gottes einzusehen, Eph. 3,10. 1 Petr. 1,12. Was wunderbar ist, soll bewundert und nicht getadelt werden. In den Werken Gottes ist das Ende besser als der Anfang. Wohl dem, der bei dem Anfang derselben seine gute Absicht erkennt, bei dem Fortgang diese gute Absicht immer mehr an sich erreichen läßt, und am Ende Ihm fröhlich danken kann.

Mel.: Alles ist an Gottes Segen.

1.
Wenn ich, HErr, auf Deine Werke
Recht mit stiller Ehrfurcht merke,
Treff’ ich lauter Wunder an;
In dem Großen und im Kleinen
Muß am Ende noch erscheinen,
Was man nicht begreifen kann.

2.
Licht bringst Du aus Finsternissen;
Du heilst blutende Gewissen
Selbst mit Deines Sohnes Blut;
Du machst Gutes aus dem Bösen;
Tödt’st, vom Tode zu erlösen,
Als der Gott, der Wunder thut.

3.
Aus dem Nichts muß Etwas werden;
Kleines machst Du groß auf Erden;
In der Schwachheit zeigst Du Kraft;
Thörichte machst Du zu Weisen;
Was man schilt, das läßst Du preisen;
Denn Du, HErr, bist’s, der es schafft.

4.
O was wirst Du im Erwachen
Einst aus uns’rem Staub noch machen,
Dir zum Lob, in Deinem Haus!
Da singt Alles, da heißt’s: wahrlich,
Gottes Rath ist wunderbarlich,
Und Er führt es herrlich aus!

6. September. Abend-Andacht.*

Wer überwindet, und hält Meine Werke bis an’s Ende, dem will Ich Macht geben über die Heiden – und will ihm geben den Morgenstern. Offenb. 2,26.28.

Der HErr sagte Matth. 23,23.: wehe euch Schriftgelehrten und Pharisäern, ihr Heuchler, die ihr verzehntet die Münze, Till und Kümmel (geringe Gartenkräuter, die nach dem Gesetz nicht zehntbar gewesen wären), und lasset dahinten das Schwerste im Gesetz, nämlich das Gericht, die Barmherzigkeit und den Glauben. Dieß sollte man thun, und Jenes nicht lassen. Das Gericht ist also ein wichtiges Stück der wahren Frömmigkeit, nämlich der Haß des Bösen und die muthige und weise Bestrafung desselben, welche allen Christen, die Gelegenheit dazu haben, insonderheit aber denen obliegt, die Amts halber dazu verpflichtet sind. An diesem Gericht ließ es der Bischof zu Thyatira fehlen, indem er das Weib Israel die Gewalt einer Prophetin ausüben, und die Knechte Gottes unter dem Vorwand einer tiefen Weisheit zur Hurerei und zum Essen der Götzenopfer verführen ließ. Der Heiland bestraft ihn deßwegen in dem an ihn geschriebenen Brief, und lehrt ihn auch durch die Verheißung, die am Ende desselben steht, daß ein glaubiger Ueberwinder auch in der zukünftigen Welt ein gewisses Gericht werden ausüben müssen. Wer überwindet, sagt Er, und hält Meine Werke bis an’s Ende, dem will Ich Macht geben über die Heiden, und er soll sie weiden mit einer eisernen Ruthe, und wie eines Töpfers Gefässe soll er sie zerschmeißen; wie Ich von Meinem Vater empfangen habe. Es ist schwer zu sagen, wann und wie diese Verheißung werde erfüllt werden. Dan. 7,10. wird gesagt, daß im Himmel zu derjenigen Zeit, da der Antichrist und sein Anhang, ja das ganze vierte Weltreich vertilgt werden solle, ein Gericht sei. Offenb. 20,4. wird von denjenigen, welche würdig werden, die erste Auferstehung zu erlangen, gesagt, daß sie hernach auf Thronen sitzen, und ihnen das Gericht gegeben sei, und daß sie mit Christo tausend Jahre regieren werden. 1 Kor. 6,2. aber sagt Paulus in der Absicht auf das allgemeine Gericht am jüngsten Tag, daß die Heiligen die Welt richten werden. Auch ist Offenb. 21,24. von Heiden die Rede, die selig gemacht, und im Licht des neuen Jerusalems wandeln werden; Kap. 22,5. aber wird von den Bürgern dieser Stadt gesagt, daß sie mit Christo in die ewigen Ewigkeiten regieren werden. Das Zerschmeißen geht ohne Zweifel vorher, das Weiden aber folgt hernach; die Gewalt aber wird bei beiden Fällen ausgeübt. Ob nun gleich bei dieser Verheißung immer noch eine heilige Dunkelheit übrig bleibt, so erkennt man doch daraus, daß auch dieses zur Vorbereitung auf die selige Ewigkeit gehöre, daß man einen heiligen Haß und Eifer wider das Böse in sein Herz bekomme, und den Heiligen Geist als einen Geist des Gerichts empfange. Wir wollen also unsere schüchterne Trägheit und unsere Gleichgültigkeit gegen das Böse, welche aus der langen Gewohnheit, es zu sehen, und aus der vermeinten Unmöglichkeit, ihm zu steuern, unvermerkt entstehen kann, überwinden. Wir sollen die Werke Christi, welche scharf und heilsam sind, bis an’s Ende halten, oder uns hingeben, daß sie auch durch uns, so lange wir leben, ausgeübt werden, und uns Ihm aus Scheu für Schmach und Plagen nicht entziehen. HErr Jesu, stärke mich und treibe mich an, daß ich überwinde, und Deine Werke bis an’s Ende halte.

Mel.: Aus meines Herzens Grunde.

1.
HErr! ziehe mich mit Stärke
Bis an meine Ende an,
Damit ich Deine Werke
Stets mehr bewahren kann;
Gib unter Deiner Huld,
Auch wenn sich Feinde finden,
Durch Dich zu überwinden,
Mir Treue und Geduld.

2.
Laß gegen Aergernisse
Mich unbeweglich sein,
Gibt man das Gift gleich süße
Für wahren Honig ein,
Und will der falsche Geist
Es tiefe Weisheit nennen,
Laß mich davon nichts kennen,
Was Dein Wort Lügen heißt.

3.
Die Sieger zu belohnen,
Gibst Du den harten Stab
Einst über Nationen,
Wie Dir Dein Vater gab;
Und die das Wort des HErrn
Im ganzen Thun bewahren,
Die läßst Du einst erfahren,
Du seist der Morgenstern.

4.
Du prüfest uns’re Nieren
Und kennst der Herzen Rath;
Du strafst die, die verführen,
Gibst Jedem nach der That.
Mein HErr! erforsche mich,
Laß mich bis zum Erkalten
Geduld und Glauben halten;
Ich kann’s nicht ohne Dich.

5.
HErr! Deinen Geist zu hören,
Eröffne mir das Ohr,
Und leucht’ mit Deinen Lehren
In allem Werk mir vor.
Laß mich, von Lügen fern,
In Deiner Liebe stehen;
Dort gib Dich mir zu sehen,
Den hellen Morgenstern!

7. September. Morgen-Andacht.

Zu Mitternacht stehe ich auf, Dir zu danken für die Rechte Deiner Gerechtigkeit. Ps. 119,62.

In stillen und schlaflosen Nachtstunden kann Vieles zwischen Gott und der Seele vorgehen. Zur Tageszeit soll der Wandel vor Gott, die Anbetung Gottes, und das Anhangen an Ihn und die Ausrichtung Seines Willens beobachtet werden: doch ist der Mensch dabei auch mit irdischen Dingen beschäftigt, und dem Umgang mit Menschen ausgesetzt, welcher ihm oft zur Versuchung wird. Aber in den stillen Nachtstunden ist der Mensch in dem zugeschlossenen Kämmerlein, worin er zu seinem Vater verborgener Weise beten, und Seine Wirkungen in der Seele ungestört empfahen kann. Hier kann ihn der Heilige Geist bestrafen, trösten, lehren, tiefer und höher führen, und ihn entweder zu dem Dienst, den er Gott ferner leisten soll, auf’s Neue gürten, oder zu seinem nahen Ende zubereiten. Hier kann aber auch der Mensch Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für Gott bringen, wenn er vom Geist Gottes dazu erweckt ist. Der HErr Jesus blieb auf einem Berg im Gebet zu Gott über Nacht. Zur Nachtzeit wurde Er verklärt. Zur Nachtzeit kämpfte Er am Oelberg. Diejenigen insonderheit sollen die Nachtstunden zum Heil ihrer Seele wohl benutzen, welche wegen ihres äußerlichen Standes unruhige Tage haben. David sagte zu Gott, Ps. 119,62.: zu Mitternacht stehe ich auf, Dir zu danken für die Rechte Deiner Gerechtigkeit. Es war ihm also nicht genug, auf seinem Lager zu wachen, sondern er stand auch auf. Und was that er alsdann? Er dankte Gott für die Rechte Seiner Gerechtigkeit. Er dachte hiebei an die Rechtssprüche, die in der Bibel stehen, worin Gott nach Seiner wesentlichen Gerechtigkeit das Böse verbietet, und das Gute gebietet; und diese richterlichen Aussprüche waren ihm so gar nicht verhaßt, daß er vielmehr Gott dafür dankte; denn er konnte V. 102. sagen: ich weiche nicht von Deinen Rechten, denn Du lehrest mich, und V. 106.: ich schwäre, und will’s halten, daß ich die Rechte Deiner Gerechtigkeit halten will. Er dachte überdieß daran, wie Gott selber die Rechte Seiner Gerechtigkeit oft in die Erfüllung gebracht, und sagte deßwegen mit einer Danksagung gegen Gott: wenn ich bedenke, wie Du von Anbeginn an gerichtet hast, so werde ich getröstet. Wir, die wir zur Zeit des Neuen Testaments leben, sollen Gott insonderheit für die Rechte Seiner Gerechtigkeit danken, die Er in Christo geoffenbart und thätlich erwiesen hat; denn Er hat Ihn zur Erweisung Seiner Gerechtigkeit in Seinem Blut vorgestellt, daß Er durch den Glauben als ein Gnadenstuhl erkannt würde, auf daß Er allein gerecht sei, und gerecht mache den, der da ist des Glaubens an Jesum, Röm. 3,25.26. Christus hat auch als Mittler alle Rechte der Gerechtigkeit für uns erfüllt, damit wir durch Ihn gerecht würden, und durch Ihn als Gerechte einen Zugang zu Gott haben möchten. Dafür hat man denn Gott insonderheit zu danken; und sich dessen im Glauben zu trösten, und dazu wolle der liebe Heiland um Seiner heiligen Nächte willen unsre Nachtstunden segnen. Wer aber freilich die Sonne mit einem unversöhnlichen Herzen hat untergehen lassen, oder mit einem Gemüth, das mit Sorgen oder bösen Lüsten angefüllt ist, zu Bett geht, oder wohl gar auf seinem Lager nach Schaden zu trachten pflegt, ist dazu nicht tüchtig. Der Geist der Gnaden und des Gebets wohne und wirke in uns bei Tag und bei Nacht, und mache uns tüchtig, in die Stadt zu kommen, wo keine Nacht mehr sein wird.

Mel.: Allein Gott in der Höh’ sei Ehr’.

1.
Auch dich, du stille Mitternacht,
Kann ich zum Lob genießen;
Dem Heiland, dem mein Herz da wacht,
Leg’ ich mich zu den Füßen,
Ich fleh’ Ihm vor, Er spricht mir zu;
Ich sag’: o großer Heiland, Du,
Bist meiner Seele Wonne.

2.
Ich denke, daß Du mich geliebt,
Und danke für die Liebe,
Da Du Dich bis zum Tod betrübt,
Daß ich bei Leben bliebe.
Ich lebe nun und liebe Dich;
Die schwache Liebe zeige ich
Mit meinem schwachen Lobe.

3.
So zeigst Du Dich, mein Heiland, mir
In einer sanften Stille,
Und meine Seele danket dir
Für Deiner Gnaden Fülle.
Gib, daß mein Herz beständig wacht,
Daß, wenn Du kommst um Mitternacht,
Ich Dir entgegen gehe!

7. September. Abend-Andacht.

In dem neuen Jerusalem wird der Tod nicht mehr sein, noch Leid, noch Geschrei, noch Schmerzen wird mehr sein; denn das Alte ist vergangen. Offenb. 21,4.

Welch’ ein seliges Leben wird unter der neuen Regierung Gottes sein, die mit dem Herabfahren eines neuen Himmels und einer neuen Erde anfangen wird! Der Tod wird nicht mehr sein; folglich wird auch die Sünde als die Ursache des Todes ganz aufgehoben sein. Im neuen Himmel und auf der neuen Erde, folglich auch im neuen Jerusalem wird lauter Gerechtigkeit wohnen, 2 Petr. 3,13., folglich auch die Frucht derselben, das ewige Leben, anzutreffen sein. Es wird da kein Leid, keine stille Traurigkeit mehr sein, dergleichen eine insonderheit bei Sterbfällen zu entstehen pflegt, und kein Geschrei, oder laut ausbrechende Wehklage, und endlich kein Schmerz, oder keine Mühseligkeit, deren die Sterblichen insgemein so gewohnt sind, daß sie dieselbe auch ohne Leid und Geschrei übernehmen, aber doch als beschwerlich empfinden. Dieses Alles wird nicht mehr sein, weil die Liebe Gottes Alles, was im neuen Himmel, auf der neuen Erde, und im neuen Jerusalem sein wird, überströmen wird; weil die Menschen Seine Freude genießen, Seine Herrlichkeit, ja Sein Angesicht sehen, und in Seiner innigsten Gemeinschaft stehen werden. Alle Geschöpfe werden zugleich in der völligsten Harmonie stehen, so daß keines das andere drücken, plagen, oder verderben wird. Unter der Regierung Gottes, die vorhergeht, sieht es freilich gar anders aus. Da ist der Tod zu allen Menschen hindurchgedrungen; da gibt es Leid und Geschrei und Mühseligkeit genug, und zwar auch bei den Heiligen und Geliebten Gottes: aber dieses Erste oder Alte wird vorbeigegangen sein, wenn derjenige, der auf dem Thron sitzt, sagen wird: siehe, Ich mache Alles neu. Was ist aber die ganze alte Weltwährung gegen die ewige Währung des Neuen, das Gott machen wird? Und was ist der Lebenslauf eines einzelnen Menschen gegen das ewige Leben unter der neuen Regierung Gottes? Hier richte sich nun unser Geist auf zur heitern Aussicht, zur fröhlichen Hoffnung. Jetzt kann Niemand sagen: es ist Alles gut in mir und um mich herum; aber dieses kann ein glaubiger Christ sagen: es wird Alles gut werden. Die vortrefflichsten Werke, die höchsten Gaben Gottes sind noch zukünftig; aber von Gott in Seinem Wort schon zugesagt. Dieses Wort sei indessen unser Trost bei dem Durst und Kampf unserer Seele, und wirke Geduld in uns bis an das Ende unserer Wallfahrt. Wie schrecklich lautet’s aber V. 8., da gesagt wird: für Furchtsame und Unglaubige und Greuliche und Mörder und Hurer und Zauberer und Götzendiener und alle die Lügner ist ihr Theil in dem See, der mit Feuer und Schwefel brennt, welches ist der zweite Tod. Welch’ eine schreckliche Strafe für eine kurze Lust, aber auch für die Verunehrung des höchsten Gottes und die Verschmähung Seiner unschätzbaren Gnade! Auf der gegenwärtigen zum Verbrennen bestimmten Erde tummeln sich viele Menschen so herum, als ob nichts Besseres und nichts Aergeres bevorstünde als dasjenige, was sie da finden. Wenn aber diese Erde vergehen wird, so wird offenbar werden, wie wichtig einerseits dasjenige sei, was auf derselben geschehen ist, weil es so große Folgen hat, aber auch wie eitel und gering Alles gewesen sei, woran ich die irdisch gesinnten Menschen vergafft haben. Auch unsere Trübsal wird alsdann als zeitlich und leicht erkannt werden.

Mel.: HErr Jesu, Gnadensonne.

1.
Hier ist nicht gut zu leben,
Man lebt in Todespein;
Was Jesus einst wird geben,
Da wünscht mein Geist hinein;
Das Alte ist vergangen,
Dort, wo wir hin verlangen,
Dort wird der Tod nicht sein.

2.
Hier ist lang zu bedauern,
Wer lang zu leben hat;
Die Seele wird von Trauern
In bangen Nächten matt.
Dort geht man nie im Leide,
Dort wechselt nicht die Freude,
Man lebt in Gottes Stadt.

3.
Hier hört man täglich Klagen,
Ein jämmerlich Geschrei,
Daß Menschen Menschen plagen,
Und trennen sich entzwei.
Dort lebt man froh und stille,
Dort ist der Sinn und Wille
Bei Allen einerlei.

4.
Hier nagt der Schmerz die Glieder,
Den oft das Mittel mehrt.
Dort legt kein Schmerz uns nieder,
Die Leiber sind verklärt.
Wie sanft ist da zu leben!
Laßt uns nach diesem streben,
Es ist des Ringens werth.

5.
HErr! ziehe meine Triebe
Im Leiden auch dahin;
Denn wenn ich Dich nur liebe,
Ist Alles mein Gewinn;
So sterb’ ich doch im Frieden,
Daß ich, auf Dich verschieden,
Bei Dir im Leben bin.

8. September. Morgen-Andacht.

Zu derselbigen Zeit wirst du sagen: ich danke Dir, HErr, daß Du zornig bist gewesen über mich, und Dein Zorn sich gewendet hat, und tröstest mich. Jes. 12,1.

Es ist dieses eine Weissagung, die alsdann erfüllt werden wird, wenn das Volk Israel ein begnadigtes und mit den Gaben des Heiligen Geistes reichlich gesegnetes Christenvolk sein, und den Heiden selbst mit seinem Licht vorleuchten wird. Vor diesem gesegneten Zustand geht ein anderer her, bei welchem Israel den Zorn Gottes empfindlich spüren wird. Die Beschreibung dieses Zustandes findet man in andern Weissagungen, die auf eben diese Zeit zu deuten sind. Jes. 54,7.8. spricht der HErr: Ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen; Ich habe mein Angesicht im Augenblick des Zorns ein wenig vor dir verborgen; und V. 1.: Du Elende, über die alle Wetter gehen, und du Trostlose. Jes. 51,17.19.20. aber wird von Jerusalem gesagt: du hast von der Hand des HErrn den Kelch Seines Grimms getrunken, die Hefen des Taumelkelchs hast du ausgetrunken, und die Tropfen gelecket; diese zwei sind dir begegnet, wer trug leid mit dir? da war Verstörung, Schaden, Hunger und Schwert, wer sollte dich trösten? Deine Kinder waren verschmachtet; sie lagen auf allen Gassen, wie ein verstrickter Waldochse, voll des Zorns vom HErrn und des Scheltens von deinem Gott. Diese und andere Beschreibungen stellen die Noth Israels als sehr groß vor, wenn aber der HErr demselben wird Gnade und Licht und auch eine Errettung von der leiblichen Noth haben widerfahren lassen, so wird es zur selbigen Zeit sagen: ich danke Dir, HErr, daß Du zornig gewesen bist über mich, und dein Zorn sich gewendet hat, und tröstest mich. Siehe, Gott ist mein Heil, ich bin sicher, und fürchte mich nicht; denn Gott, der HErr ist meine Stärke, und mein Psalm, und ist mein Heil u.s.w.

Ein jeder Mensch erlebt eine Zeit oder auch Zeiten, da er sagen muß: ich will des HErrn Zorn tragen, denn ich habe wider Ihn gesündiget, Mich. 7,9.; oder: Deine Pfeile, o Gott, stecken in mir, und Deine Hand drücket mich, Ps. 38,3.; oder: Du hast mich in die Grube hinuntergelegt, in die Finsterniß und in die Tiefe; Dein Grimm drücket mich, und drängest mich mit allen Deinen Fluthen, Ps. 88,7.8. Doch verstoßet der HErr nicht ewiglich, sondern Er betrübet wohl, und erbarmet Sich wieder nach Seiner großen Güte, Kl. Jer. 3,31.32. Auch unter der Empfindung Seines gerechten und väterlichen Zorns darf man hoffend sagen: Er wird mich an’s Licht bringen, daß ich meine Lust an Seiner Gnade sehe, Mich. 7,9. Wenn aber dieses geschieht, so soll man danken. Das göttliche Licht, welches nun aufgeht, entdeckt dem Menschen, daß der Zorn Gottes wie eine bittere Arznei heilsam sei, und die Gnade, an welcher man nun seine Lust sieht, läßt keine mürrische Klage, über das was man davon erfahren hat, aufkommen. Man dankt nur für Seine gute Führung, die vom Zorn zur Gnade und von der Finsterniß in’s Licht leitet. HErr, laß noch über mich kommen, was mir nöthig und heilsam ist: verlaß mich nur nicht, verwirf mich nicht von Deinem Angesicht, und führe ein jedes Gericht bei mir zum Sieg aus. Billig sollen Deine Wege immer meinen Augen wohlgefallen; wenn sich aber in mir Schwachen Ungeduld und Mißtrauen reget, so habe Geduld mit mir, vergib mir, und fahre fort, Deinen ganzen Willen an mir zu erfüllen, bis ich nach demselben als gerechtfertigt und bewährt in Deine Ruhe eingehen kann.

Mel.: Meine Armuth macht mich etc.

1.
Gott, auch nach erlitt’ner Strafe,
die scharf trafe,
Dankt Dir ein bekehrter Sinn,
Und da sieht der erste Glaube
Aus dem Staube
Nur auf die Versöhnung hin.

2.
Da erkennt man im Erdulden
Seine Schulden,
Und der Sünder gibt Gott Recht;
Gott erbarmt Sich, schenkt die Sünde,
Macht zum Kinde
Den im Zorn gepeitschten Knecht.

3.
HErr, heißt’s, HErr, ich muß mich beugen
Und bezeugen:
Deinen Zorn verdiente ich;
Doch Dein Zorn hat sich gewendet
Und geendet,
Diese Gnade tröstet mich.

4.
Also dient, HErr, das Bekehren
Dir zu Ehren,
Weil das Lob Dir wohlgefällt,
Wenn die Sünder sich ergeben,
Daß sie leben,
Und Dein Wort sein Recht behält.

5.
HErr, thu’ Du auf diese Weise,
Dir zum Preise,
Noch viel Tausende hinzu,
Daß sie Dir die Ehre bringen
Und Dir singen:
Nach dem Zürnen tröstest Du!

8. September. Abend-Andacht.

Die mit Thränen säen, werden mit Freuden ernten. Ps. 126,5.

Thränen sind von verschiedener Art, und es sind nicht alle zu loben; man kann aber mit Thränen so säen, daß eine fröhliche Ernte darauf folgt. David säete so, da er in der Buße sein Lager mit seinen Thränen netzte, und auch zu einer andern Zeit, da Thränen seine Speise Tag und Nacht waren, weil man täglich zu ihm sagte: wo ist nun dein Gott? Ps. 42,4. Viele Juden säeten in der babylonischen Gefangenschaft mit Thränen, da sie ihre Sünden und ihr Elend beweinten, und zugleich Gott um Vergebung und Hülfe baten. Petrus säete mit Thränen, da er nach seinem Fall hinausging und bitterlich weinte; auch alle Apostel säeten so, da sie zur Zeit des Leidens Jesu weinten und heulten, alldieweil die Welt sich freute. Paulus säete auch nach einer andern Weise mit Thränen, da er die Leute in Asien Tag und Nacht mit Thränen ermahnte, Ap. Gesch. 20,31. Johannes weinte sogar im Stand der Entzückung, Offenb. 5,4. Auf eine jede solche Thränensaat folgte eine fröhliche Ernte in dem gegenwärtigen und in dem zukünftigen Leben. In dem gegenwärtigen Leben wird man nach den Thränen getröstet, in dem zukünftigen aber wird eine völlige Freudenernte folgen. Die Thränen selber, insofern sie aus Wasser bestehen, das aus den Augen fließt, sind etwas Geringes und Unkräftiges: allein der Drang der Seele zu Gott, das Verlangen nach Ihm, die unaussprechlichen Seufzer, welche der Heilige Geist dabei in dem Herzen bildet, und alles Gute, das hernach noch weiter daraus folgt, sind eigentlich der edle Samen, welche ein Weinender auf den Acker trägt, und mit Thränen gleichsam ausstreut; worauf er hernach zur Erntezeit mit Freuden kommt, und seine Garben oder die Frucht des Samens bringt.

So will ich mich denn der Bedrängnisse und der Thränen, die nach Gottes heiligem Rath in meinem Lebenslauf vorkommen, nicht weigern und nicht schämen, und mich nur befleißigen, bei den Thränen einen guten Samen zu säen. Niemals müssen Thränen bei mir fließen, deren Ursachen nichts als Zorn und Ungeduld wären. Nie müssen meine Augen Thränenquellen sein, ohne daß ich dabei vor Gott weinte, in Seinen Schoß gleichsam hinein weinte, und zu Ihm sagte: wann tröstest Du mich? Wenn ich aber Bußthränen, Thränen des Mitleids, der Liebe, oder der Wehmuth über die Bosheit der Welt vergießen, und bei der Empfindung meiner Drangsal betend und seufzend weinen werde, so weiß ich, daß Du, Gott, meiner um Deines Sohnes willen, der auch geweint hat, gnädig gedenken, und mir Armen Trost und Hülfe erzeigen werdest. Ja ich weiß, daß Du mein Elend ansiehest, und erkennst meine Seele in der Noth. In jener Welt aber wirst Du alle Thränen von meinen Augen abwischen, wie Du zweimal, Offenb. 7,17. und Kap. 21,4., versprochen hast. Die Thränensaat ist kurz: die Freudenernte wird ewig sein.

Mel.: Ach bleib’ mit Deiner Gnade.

1.
Es schäm’ sich keiner Thränen,
Wen Gott zum Kind erwählt,
Will sie die Welt verhöhnen,
Genug, daß Gott sie zählt.

2.
Herz, laß dein Wasser steigen,
Das dir vom Grunde quillt;
Laß diese Tropfen zeugen,
Von was du seist erfüllt.

3.
Wenn dich gereuet hätte,
Daß du viel Bös’s gethan,
So netze bald dein Bette
Mit Bußethränen an.

4.
Komm’ nur mit Magdalenen
Zu deines Heilands Fuß,
Und bring’ von Liebesthränen
Ihm einen ganzen Guß.

5.
Drückt dich so mancher Jammer,
So suche bei Ihm Ruh’
Und wein’ in deiner Kammer;
Er schweiget nicht dazu.

6.
Mein Jesu! mir ist’s tröstlich,
Du weintest mir zu gut;
Mach’ meine Thränen köstlich
Durch Dein Versöhnungsblut.

7.
Laß mich um nichts sonst weinen,
Als nur um dieß allein:
Bei Dir und bei den Deinen
In Ewigkeit zu sein.

8.
Gib, daß, so lang ich walle,
Dein Zuspruch mich erfrischt,
Daß Gott die Thränen alle
Einst von den Augen wischt.

9.
Muß ich die Wangen feuchten,
Laß nach dem Abendklang
Dein Licht am Morgen leuchten
Und sei mein Lobgesang.

10.
Wie wohl wird’s uns ergehen,
Wenn Gott uns dort erlaubt,
Mit heit’rem Aug’ zu sehen,
Dem man hier thränend glaubt!

9. September. Morgen-Andacht.

Als die Sterbenden, und siehe, wir leben. 2 Kor. 6,9.

Glaubige Christen können diese Worte in verschiedenem Verstand dem Apostel Paulus nachsprechen. Als Sünder sind wir von Natur als die Sterbenden. Wir sind des Todes schuldig, weil der Tod der Sünden Sold ist; aber in Christo leben wir durch die Gnade. Siehe, wir todeswürdige Sünder leben; das Leben ist uns in der Rechtfertigung zugesprochen, und wir sollen durch Christum ewiglich leben. Welch’ ein Wunder ist dieses!

Wenn wir wiedergeboren werden, so sterben wir durch den glauben an den gekreuzigten Christum der Sünde und dem Gesetz, und dieses Sterben wird immer völliger, je völliger der Glaube wird; aber siehe, wir leben auch mit Christo. Wir sind gestorben, und unser Leben ist verborgen mit Christo in Gott, Kol. 3,3. Gerechtfertigte dürfen dafür halten, daß sie der Sünde gestorben seien, und leben Gott in Christo Jesu, Röm. 6,11. Sie sind getödtet dem Gesetz durch den Leib Christi, daß sie eines Andern seien, nämlich deß, der von den Todten auferweckt ist, auf daß sie Gott Frucht bringen, Röm. 7,4.

Wahre Christen können noch in einem andern Sinn sagen: als die Sterbenden, und siehe, wir leben. Sie sind nämlich als Diener Gottes nach der Schwachheit ihres Leibes oft als die Sterbenden, und siehe, sie leben doch von einem Jahr zum andern, sie leben bis zum Ziel, das ihr HErr, dessen sie sind, und dem sie leben und dienen, ihnen vorgesteckt hat. In diesem Sinn hat Paulus diese Worte von sich und seinen Mitarbeitern gebraucht, ja er hat auch die Korinther aufgemuntert, sich in diesem Stück an sie anzuschließen. Lasset uns, sagt er, in allen Dingen uns beweisen als die Diener Gottes: in großer Geduld, in Trübsal, in Nöthen, in Aengsten, in Schlägen, in Gefängnissen, in Aufruhren, in Arbeit, in Wachen, in Fasten – durch Ehre und Schande, durch böse Gerüchte und gute Gerüchte, als die Verführer und doch wahrhaftig, als die Unbekannten und doch bekannt, als die Sterbenden, und siehe, wir leben, als die Gezüchtigten und doch nicht ertödtet, als die Traurigen, aber allezeit fröhlich, als die Armen, aber die doch Viele reich machen, als die Nichts inne haben, und doch Alles haben. Es ist klar, daß Paulus hier viele äußerliche Schwierigkeiten namhaft macht, durch welche ein Diener Gottes unverdrossen durchgehen, und unter welchen er den Dienst Gottes unermüdet fortsetzen solle. Unter diesen Schwierigkeiten sind einige der Ehre bei Menschen, andere der Gemächlichkeit und Gesundheit des Leibes, und wieder andere dem Reichwerden entgegengesetzt. Was den Leib anbelangt, so setzt ihm wenigstens die Arbeit zu, wenn er auch keine Schläge oder Bande leiden muß. Wehe aber demjenigen, der seines Leibes schont, wenn er seinem HErrn arbeiten soll. Oft ist man bei dem Dienst Gottes, der den Leib und die Seele angreift, als ein Sterbender. Es ist nahe dabei, daß das natürliche Leben aufgerieben werde; aber siehe, welch’ ein Wunder! wir leben, nachdem wir viel gearbeitet haben; da Andere, die ihrer selbst geschont haben, vielleicht gestorben sind. Wir sind leibeigene Knechte des HErrn. Ihm leben wir, Ihm sterben wir. Sein sind wir todt und lebendig. Wir sollen unser Leben nicht für so theuer oder kostbar halten, daß wir es nicht gern in den Tod geben um Jesu willen. Er wird’s aber, weil wir Ihm leben, so lange durch Seine allmächtige Kraft erhalten, als Er uns auf Erden zu Seinem Dienst wird brauchen wollen.

Mel.: Allein Gott in der Höh’ sei Ehr’.

1.
Wir waren in der Sünde todt,
So daß wir’s ewig bleiben.
Da jammerte Gott uns’re Noth,
Er hieß den Sohn uns lieben;
Der starb und lebt nun ewiglich,
Ein Sünder glaubt’s und rühmet sich:
Und siehe nun, wir leben.

2.
Jetzt muß das Fleisch gekreuzigt sein,
Der alte Mensch muß sterben;
Der Glaube gibt sich willig d’rein
Und läßt ihn gern verderben;
Der inn’re Mensch wird doch erneut,
Daß er sich auch der Leiden freut:
Und siehe nun, wir leben.

3.
Dem Leib der Sünden steht bevor:
Er muß Verwesung sehen;
Der Glaube hebt sein Aug’ empor
Und weiß vom Auferstehen,
Da fängt er schon ein Jauchzen an,
Bis man im Himmel singen kann:
Und siehe nun, wir leben!

9. September. Abend-Andacht.

Ueber die Bürger zu Jerusalem will Ich ausgießen den Geist der Gnaden und des Gebets. Zach. 12,10.

Diejenigen, an denen diese Verheißung erfüllt wird, sind Solche, die den HErrn Jesum ansehen, der am Kreuz mit Nägeln und mit einem Speer zerstochen werden, und Ihn klagen, wie man ein einziges Kind klagt, und sich um Ihn betrüben, wie man sich um ein einziges Kind betrübet, weil ihnen der Heilige Geist zugleich vorhält, daß ihre schweren Sünden die Ursache Seiner Leiden und Seines Todes gewesen seien, und daß sie sich vorher durch ihren Unglauben, durch die Entfremdung von Ihm, oder wohl gar durch Lästerung geradezu an Ihm versündigt haben. Ueber Solche gießt dann Gott den Geist der Gnaden und des Gebets aus, und die Folge davon ist diese, daß sie von da an an dem vergossenen Blut Jesu einen freien, offenen Born haben wider die Sünde und Unreinigkeit, daß sie keinem Götzen mehr anhangen, und keinem falschen Propheten mehr Gehör geben, und daß sie den HErrn anrufen, und Er sie erhört, und sagt: es ist Mein Volk, und sie hinwiederum sagen: HErr, mein Gott, Zach. 13.9. Das Wort ausgießen deutet eine reichliche Mittheilung des Heiligen Geistes an.

Aus den drei letzten Kapiteln Zachariä ist deutlich genug wahrzunehmen, daß diese Weissagung an den Israeliten, wenn sie sich nach der antichristlichen Bedrängniß und Verführung zu dem HErrn Jesu bekehren, werde erfüllt werden; uns aber liegt daran, daß sie auch an uns erfüllt werden. Auch wir sollen uns Gott hingeben, daß Er unter dem Kreuz Seines Sohnes und bei dem Aufschauen auf Ihn eine tiefe Reue und Zermalmung in uns wirke. Auch von ins kann ein Jeder sagen: ich, ich und meine Sünden, die sich wie Körnlein finden des Sandes am Meer, die haben Dir erreget das Elend, das Dich schläget, und das betrübte Marterheer. Auch wir müssen bekennen, daß wir Ihn lange in einem hartherzigen Unglauben für Nichts geachtet, Seine Liebe verschmäht, Sein sanftes Joch von uns gestoßen, die Sünde, die Er getragen und gebüßt hat, doch noch geliebt, und Seinen Namen durch Uebelthaten verunehrt haben. Obwohl uns nun der himmlische Vater wegen dieser Sünden wider Seinen Sohn verstoßen und verdammen könnte, so will Er uns doch um der Fürbitte Seines Sohnes willen Gnade erzeigen, und den Geist der Gnaden und des Gebets über uns ausgießen. Dieser Geist der Gnade oll uns versichern, daß uns alle unsere Sünden um Christi willen vergeben werden: als ein Geist des Gebets aber will Er uns zu einem kindlichen und anhaltenden Gebet tüchtig machen, und selber Abba, Vater, in uns rufen. Er will uns aber auch lehren und tüchtig machen, die Gnade bei einem vorsichtigen Wandel nach den Geboten Gottes zu bewahren, und im Beten bis an’s Ende des Lebens so anzuhalten, daß wir endlich aus allem Uebel erlöst und in das himmlische Reich versetzt werden, wo der völlige Genuß der Gnade uns höchst glückselig machen, und unser Beten ein beständiges Lob Gottes sein wird. Der HErr erfülle diese Verheißung reichlich an uns, und verschaffe, daß auch in unsern Tagen der begnadigten Sünder und der glaubigen Beter auf dem Erdboden Viele werden.

Mel.: Mein’s Herzens Jesu.

1.
Den Geist der Gnaden und Gebets
Will der Erlöser schenken;
Er ruft in uns, und Gott versteht’s,
Was wir kaum selbst gedenken.
Gib, Jesu, mir, was du verheiß’st;
Laß, Vater, Deines Sohnes Geist
In mir auch Abba rufen!

2.
In Buße lehr’ Er mich die Knie’
Um die Vergebung beugen;
Im Glauben woll’ Er je und je
Mir meine Kindschaft zeugen.
Bet’ ich nicht, was und wie ich soll,
Mach’ Er mein Herz von Seufzern voll,
Die unaussprechlich heißen.

3.
Straft mich mein Herz, bleib’ Er in mir
Mit mächtigem Vertreten.
Lockt mich die Welt, lehr’ Er dafür
Mich um Verwahrung beten.
Im Leiden helf’ Er mir, sein still
Zu beten: Vater! nicht mein Will’,
Dein Wille soll geschehen.

4.
Bin ich nun meinem Ende nah’,
Woll’ Er mich nicht verlassen;
Er helf’ mir in dem Ringen da
Den Heiland glaubig fassen.
Da sei die Gnade mächtiger;
Mein letztes Seufzen wirke Er,
So ist’s in Christo Amen!

10. September. Morgen-Andacht.

Christus ist verordnet ein Richter der Lebendigen und der Todten. Ap. Gesch. 10,42.

Petrus sagte dieses dem Hauptmann Cornelius und seinen Freunden, da sie als die Erstlinge unter den Heiden durch die Taufe der christlichen Kirche einverleibt werden sollten; weßwegen wir diese Wahrheit für einen sehr nöthigen Artikel des christlichen Glaubens halten sollen. Christus ist der Heiland der Welt, aber auch der Richter der Welt. Als Heiland erzeigt Er bußfertigen und glaubigen Sündern Gnade; als Richter spricht Er über alle Menschen ein ewig geltendes Urtheil, daß sie Sein Reich erben, oder in das höllische Feuer gehen sollen. Alle Propheten und alle Apostel zeugen von Ihm, daß durch Seinen Namen Alle, die an Ihn glauben, Vergebung der Sünden, wenn der Sünder sie bis an sein Lebensende bewahrt hat, nicht widerrufen oder zurücknehmen, sondern öffentlich bestätigen, und ob Er schon zum Lob Seiner herrlichen Gnade alle Werke, folglich auch alle Sündenschulden der Heiligen offenbaren wird, so wird Er sie doch nur als geschenkte Schulden an’s Licht bringen, übrigens aber ihnen keine derselben zurechnen, und die gehörige Strafe nach der höchsten Gerechtigkeit dafür ankündigen. Ueberhaupt wird ein Jeglicher alsdann empfahen, nachdem er gehandelt hat bei Leibesleben, es sei gut oder böse. Er wird kommen, und Sein Lohn mit Ihm, zu geben einem Jeglichen, wie sein Werk oder sein Thun bei der Offenbarung desselben beschaffen sein wird. Er wird nicht nur Viele selig sprechen und Viele verdammen, sondern auch einem Jeden sein Maß des Gnadenlohns oder der Strafe zuerkennen, und dabei so verfahren, daß alle Geschöpfe Seine Gerechtigkeit preisen werden. Lebendige, die den jüngsten Tag erleben, und bei dem Anbruch desselben werden verwandelt werden, und Todte, welche alsdann auferstehen werden, wird Er richten. So lasset euch denn weisen, ihr Könige, weil ihr alsdann vor dem Richterstuhl des höchsten Königs erscheinen müsset, und lasset euch züchtigen, ihr Richter auf Erden, weil der höchste Richter euch alsdann richten wird; ja wir Alle, die wir vor Seinem Richterstuhl offenbar werden sollen, und Ihm schon vorher in jedem Augenblick offenbar sind, sollen heimliche Schande meiden, und uns hüten, mit bösen Tücken umzugehen, dagegen aber lauter und unanstößig sein bis an Seinen Tag. Lasset uns wachen und beten, lasset uns im Glauben, in der Liebe und in der Hoffnung wandeln, und dem Willen Gottes dienen zu unserer Zeit: denn der Richter ist vor der Thüre. Wie erfreulich wird das Lob sein, das man von Ihm bekommt! Wie herrlich der Lohn, den Er geben wird! Wie schmählich aber auch Sein Schelten! Und wie schrecklich Sein Zorn und Seine Strafe! Der Vater hat dem Sohn Macht gegeben, das Gericht zu halten, darum, daß er des Menschen Sohn ist, Joh. 5,27. Er hat Ihn verordnet zum Richter der Lebendigen und der Todten, und beschlossen, durch Ihn den Kreis des Erdboden zu richten, Ap. Gesch. 17,31. Dieser Macht des HErrn Jesu, dieser Verordnung und diesem Rathschluß Gottes widerstreben diejenigen, die selber und noch dazu vor der Zeit richten, 1 Kor. 4,3.5., oder den ganzen Werth ihres Nächsten bestimmen wollen. Gott vergebe mir, was ich in diesem Stück gesündigt habe, und bewahre mich auf’s Künftige vor dieser Sünde.

Mel.: O Jesu, wann soll ich erlöset etc.

1.
Wir glauben, daß Jesus der Richter soll werden;
Als Menschensohn kam Er in Gnaden auf Erden,
Als Menschensohn kommt Er im Zorn zum Gericht;
Wer Jesum jetzt glaubet, den richtet Er nicht.
Was lebet und todt ist, muß vor Ihm erscheinen;
Da zittern die Feinde, da freu’n sich die Seinen.

2.
O große Versammlung von Schafen und Böcken!
Da kann sich kein Sclave, kein König verstecken,
Zum Lichte wird Alles vom Richter gebracht,
Was Alle gehandelt, geredet, gedacht.
Ich beuge mich hier schon, o Richter von Allen,
Ach laß Dir mein Herz doch im Glauben gefallen.

3.
Dir danke, wer freudig der Zukunft gedenket,
Daß du uns die Gnade zum Glauben geschenket.
Wir beten Dich jetzt an, wir ehren den Sohn.
Komm’ uns als Erlöser, Du kommest ja schon.
Der Vater hat Dir uns zu eigen gegeben,
So füh’r uns, Ihn ewig zu loben, zum Leben!

10. September. Abend-Andacht.

In allen Dingen lasset uns beweisen als die Diener Gottes. 2. Kor. 6,4

Ein Mensch ist leicht zu bewegen, daß er sich zuweilen und in einigen Stücken als ein Diener Gottes beweisen will; denn wer sollte nicht auch zuweilen eine löbliche That thun wollen? Wer sollte nicht auch zuweilen Barmherzigkeit oder Gerechtigkeit ausüben wollen, da doch das Gewissen dazu treibt, und der Mensch seine Zufriedenheit, seine Ehre und seine Belohnung dabei findet? Aber in allen Dingen sich als einen Diener Gottes beweisen, ist etwas Großes, und erfordert mehr als nur den Trieb des Gewissens, den alle Menschen haben, und die Vernunft und Kraft, die der Mensch nach seinem natürlichen Zustand hat. Es begegnen einem Diener Gottes allerhand Leiden, vor denen die Natur ein Grauen hat, und sich deßwegen zurückzieht. Man muß Arbeiten thun, für die man weder Dank noch Lohn von den Menschen empfängt. Man muß sich in Erkenntniß (oder praktischer Klugheit), in Langmuth, in Freundlichkeit, in dem Heiligen Geist, insofern er heilige Affekten erregt, in unbefärbter Liebe, in dem Wort der Wahrheit, (das man glaubt und bekennt, in der Kraft Gottes, durch Waffen der Gerechtigkeit zur Rechten (womit man angreift) und zur Linken (womit man sich selbst schützt) als ein Diener Gottes beweisen, wie Paulus 2 Kor. 6. ausführlich sagt. Hier darf man wohl sagen: wer ist hiezu tüchtig? Niemand, als wen der Geist Gottes treibt, und die Liebe Christi drängt. Aber lasset uns doch unter dem Trieb dieses Geistes und unter dem Drang dieser Liebe uns als Diener Gottes in allen Dingen beweisen; denn gute Arbeit gibt herrlichen Lohn. Muß man dabei viele Arbeiten übernehmen, so ist die Ewigkeit lang genug zum Ruhen. Muß man sich dabei vielen Leiden unterwerfen, so wird der herrliche Gnadenlohn Alles ersetzen. Muß man, wenn die Welt ihre Diener belohnt, zurückstehen, so wird das himmlische Erbe allen erlittenen Schaden erstatten. Man muß freilich vor allen dingen Gnade entpfahen, hernach aber diese zum Dienst Gottes anwenden; damit man sie nicht vergeblich empfangen habe, und viel beten, damit man in der angenehmen Zeit des Neuen Testaments erhört werde, und dadurch Licht und Kraft, Segen und Trost vom HErrn bekomme. Ob man aber gleich bei dem Dienst Gottes vornämlich auf Gott sehen und Ihm gefällig sein soll, so soll man sich doch auch hüten, den Menschen ein Aergerniß zu geben, V. 1.2.3., dabei aber nicht so gefällig gegen sie sein, daß man sich in die Gemeinschaft ihrer bösen Werke, oder in eine sündliche Verbindung mit ihnen einflechten lasse, V. 14-17. Ein Diener Gottes ist auch ein Kind Gottes, V. 18., folglich ist sein Dienst kein unlustiger und gesetzlicher Dienst, gleichwie auch der HErr Seiner Diener schonet, wie ein Vater seines Sohnes schonet, der ihm dienet. Wir wollen dafür halten, Paulus rufe auch uns zu: in allen Dingen, folglich nicht nur in denjenigen, die man zum eigentlichen Gottesdienst rechnet, sondern in allen Dingen, die täglich vorkommen, lasset uns beweisen als die Diener Gottes. Es geschehe also durch des HErrn Gnade!

Mel.: Nun ruhen alle Wälder.

1.
Ihr, die ihr Gott nun dienet,
Der euch mit Ihm versöhnet,
Beweist euch, weß ihr seid:
Im Leiden tragt geduldig,
Im Wandel lebt unschuldig,
Daß ihr Gott mehr als Menschen scheut.

2.
Im Kampf seid heldenmüthig,
Seid keusch, gerecht und gütig,
Dient Gott im heil’gen Geist;
Zeigt unbefärbte Liebe
In Gottes Kraft und Triebe
Und in dem Wort, das Wahrheit heißt.

3.
Nehmt, als des Heilands Knechte,
Die Waffen in die rechte
Und in die linke Hand;
Durch Ehre und durch Schande,
Der Welt als Unbekannte,
Doch Gott und Christen wohl bekannt.

4.
Scheint in den Tod gegeben,
Und siehe nun, wir leben,
Gezüchtiget, doch nicht todt,
Als traurig ob dem Leibe,
Doch allezeit in Freude,
Die Freude bleibt auch in der Noth.

5.
Zählt man euch zu den Armen,
Ihr seid nicht zu erbarmen,
Ihr seid und machet reich;
Ihr scheint als die nichts haben,
Und habt die größten Gaben,
Denn was ihr habt, das bleibet euch.

6.
HErr! der Du mich versöhntest
Und mir mit Blute dientest,
Pflanz’ solchen Sinn mir ein,
So wart’ ich Dein in Treue;
Dir dient man ohne Reue:
Wo Du bist, wird Dein Diener sein.

11. September. Morgen-Andacht.

Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein? Röm. 8,31.

Ein Mensch ist in der großen Welt, die Gott geschaffen hat, ein sehr kleines und fast unmerkliches Stäublein, aber diese große Welt – wie klein, ja wie gar nichts ist sie in der Vergleichung mit dem großen und allerhöchsten Gott! Er träget sie immer ohne Mühe mit Seinem kräftigen Wort, damit sie nicht in ihr Nichts zurückfalle. Was insonderheit den Erdboden und dasjenige, das darauf ist, anbelangt, so sagt Jesajas Kap. 40,15.17.: siehe die Heiden sind geachtet wie ein Tropfen, so im Eimer bleibet, wenn er ausgeschüttet wird, und dessen man nicht mehr achtet, und wie ein Scherflein, so in der Wage bleibet, und keinen Ausschlag mehr gibt. Siehe, die Inseln sind wie ein Stäublein. Alle Heiden sind vor Ihm Nichts, und wie ein Nichtiges und Eiteles geachtet. Bei einem solchen Blick auf die unvergleichliche Größe Gottes und auf die Kleinheit und Schwachheit der ganzen Welt und insonderheit der Menschen hat Paulus geschrieben: ist Gott für uns, wer mag wider uns sein? Durch die Frage: wer mag wider uns sein? fordert er alle Geschöpfe in der ganzen Welt heraus, und bezeuget, sie können mit Nachdruck und Erreichung ihres Zweckes nicht wider uns sein, wenn Gott für uns sei. Es ist zwar Vieles in der Welt wider uns, wenn aber Gott für uns ist, so kann uns nichts schaden oder überwältigen. Man stelle sich auf der einen Seite oder vielmehr in der Höhe den großen Gott, und auf der andern Seite oder vielmehr in der Tiefe die ganze Welt mit allen feindseligen Geschöpfen vor, die Auserwählten aber in der Mitte. Wer wird diese verderben können, wenn Gott sie schützet? Welcher Haß wird ihnen schaden, wenn Gott sie liebet? Welche Schmach wird sie verunehren, wenn Gott sie ehret? Welcher Tod wird sie verschlingen, wenn Gott ihnen ewiges Leben schenkt? Der Heiland sagte Joh. 10,29.30. von den Auserwählten: der Vater, der sie Mir gegeben hat, ist größer denn Alles, und Niemand kann sie aus Meines Vaters Hand reißen. Ich und der Vater sind Eins, darum kann sie auch Niemand aus Meiner Hand reißen. Es ist aber das Wort, daß Gott für uns sei, ein Wort für den Glauben, und wer Glauben hat, kann es auf sich deuten, und den Beweis davon darin finden, daß Gott Seines eigenen Sohnes nicht verschonet, sondern Ihn für uns Alle dahin gegeben hat. Mehr bedarf es nicht zum Beweis dieser großen Wahrheit: weniger aber ist auch nicht genug; denn was man auch ohne Absicht auf Christum von der wesentlichen Güte und Barmherzigkeit Gottes denken und sagen möchte, reicht nicht hin, um Geschöpfe, welche Sünder sind, zu überzeugen, daß Gott für sie sei; weil man zu gleicher Zeit aus der wesentlichen Gerechtigkeit Gottes und aus den Drohungen des in’s Herz geschriebenen und in der Bibel enthaltenen Gesetzes beweisen könnte, daß Er wider sie sei. Christus aber ist derjenige, um deßwillen Gott ohne Verleugnung einer einigen Seiner Eigenschaften mit uns sein will und kann. Auf Ihn sehe also ein Jeder, der glauben will, daß Gott mit uns sei, trachte Ihn zu gewinnen und in Ihm erfunden zu werden, und leite alsdann aus der göttlichen Größe und Hoheit den Schluß her: wer mag wider uns sein?

Mel.: HErr Jesu Christ, mein’s etc.

1.
Ist Gott für uns? Er ist es, ja;
Sein Rathschluß war’s, Sein Wort ist da;
Der Geist spricht das dem Herzen ein.
Ich glaube Gott und Gott als mein.

2.
Für uns ist Er, und auch für mich.
Ist Er für uns, was fürchte ich?
wer kann denn einem widersteh’n,
Der seinen Gott kann für sich seh’n?

3.
Er ist für uns mit Seiner Huld,
Und wider uns gilt keine Schuld;
Er ist für uns als wie ein Freund,
Und wider uns vermag kein Feind.

4.
Er ist für uns mit Vaterstreu,
So ist das Kind vom Fluche frei.
Er ist für uns als unser Gott,
So wird, was widrig heißt, zu Spott.

5.
O Gott, so nimm denn Dank und Ruhm
Von uns als Deinem Eigenthum,
Daß es sich Deiner trösten kann,
Du nimmst Dich unser göttlich an.

6.
Bist Du für uns, bring’ uns vor Dich,
So preisen wir Dich ewiglich,
Wo nichts mehr uns zuwider ist,
Und Du in Allen Alles bist.

11. September. Abend-Andacht.

Die Gnade unsers HErrn Jesu Christ, und die Liebe Gottes, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch Allen. Amen. 2 Kor. 13,13.

Das wesentliche Wort, der Sohn Gottes Jesus Christus ist von dem Vater ausgegangen und gesandt, der Heilige Geist geht auch von dem Vater und Sohn aus, und wird in die Herzen der Glaubigen gesandt, von dem Vater unsers HErrn Jesu Christi aber wird nie gesagt, daß Er ausgehe und gesandt werde. Der Sohn Gottes wird, insofern Er von dem Vater ausgegangen und gesandt worden ist, der Mittler zwischen Gott und Menschen, der Heiland, das Haupt der Gemeinde u.s.w. genannt; der Heilige Geist aber wird, insofern er ausgehet und gesandt wird, eine Gabe, ein Pfand, Angeld, Siegel, und Tröster oder Beistand der Glaubigen genannt. Wenn nun der Sohn Gottes und der Heilige Geist so, wie jetzt gesagt worden, beschrieben und genannt werden, so wird der Vater unsers HErrn Jesu Christi Gott genannt, weil Er durch keine Sendung und durch keinen Ausgang in ein neues Verhältniß gegen die Menschen eingetreten ist, s. Röm. 3,25. Joh. 17,3. Eph. 4,4.5.6. 1 Tim. 2,5. Offenb. 1,4.5.6. Auch der Sohn Gottes ist Gott über Alles, gelobet in Ewigkeit, wenn Er aber in Seinem Mittleramt vorgestellt wird (welches in den meisten Sprüchen des Neuen Testamentes geschieht), so wird Er Jesus Christus genannt. Auch der Heilige Geist ist wahrhaftiger Gott, denn wie könnte der Geist Gottes ein anderes Wesen haben, als ein göttliches? Wenn Er aber vorgestellt wird, so bekommt Er viele Namen, die Seine Wirkungen und Sein Verhältniß zu den Menschen anzeigen. Diese Weise brauchte Paulus in dem vortrefflichen Wunsch: die Gnade unsers HErrn Jesu Christi, und die Liebe Gottes, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch Allen. Amen. Der Sohn Gottes ist als derjenige, der vom Vater ausgegangen und gesandt worden ist, der HErr der Menschen, die Er erlöst und erkauft hat. Er heißt Jesus oder Heiland, und Christus oder der Gesalbte. Zu Ihm muß sich der Sünder wenden, dem geholfen werden soll. Seiner Erlösungsgnade oder Seiner Mittlersgnade muß er zuvörderst theilhaftig werden. Wer außer Christo zu dem göttlichen Wesen nahen will, dem ist dasselbe ein verzehrendes Feuer. Die Gnade, die der HErr Jesus Christus erworben hat, und die man durch den Glauben an Ihn erlangt, ist der Anfang und Grund des Heils der Sünder. Aber durch diese Gnade ist der Vater, wenn man Ihn als Gott betrachtet, den Menschen hold. Ein Mensch, der in Jesu Christo Gnade erlangt, denkt mit Wonne daran, daß der Vater unsers HErrn Jesu Christi Gott sei. Der Name Gottes ist ihm nun lieblich. Er denkt diesen Namen gerne, und glaubt zugleich, was Johannes schrieb: Gott ist ein Licht, Gott ist Liebe. Er empfindet auch und genießt, um Christi willen, die Liebe Gottes, welche der Vater unsers HErrn Jesu Christi und unser Vater ist. Zugleich tritt er in eine unschätzbare Gemeinschaft mit Gott dem Vater und Seinem Sohn Jesu Christo ein, und diese Gemeinschaft wird die Gemeinschaft des Heiligen Geistes genannt, weil der Mensch eben denjenigen Geist empfängt, welcher der Geist des Vaters und des Sohnes ist. So lange also diese Gemeinschaft mit uns ist, so lange sind wir mit Gott dem Sohn und mit Gott dem Vater verbunden; und also selige Leute. Was können wir also mehr wünschen, als daß dieser Wunsch auch bei uns Ja und Amen werde?

Mel.: O Jerusalem, du schöne.

1.
All’ mein Wünschen geht auf Gnade;
Denn von Gnade lebet man,
Und mein Glaube nimmt gerade
Sie als angeboten an.
Gott! mein Geist verlangt nach Dir;
Deine Gnade sei mit mir.

2.
Unaussprechlich ist die Gnade,
Die uns Sünder selig macht;
So hat mich im Wasserbade
Vater, Sohn und Geist bedacht,
Und ich seufze nur nach ihr.
Gottes Gnade sei mit mir!

3.
Unaussprechlich ist die Gnade,
Daß der Vater mich geliebt,
Und mir sündenvoller Made
Alle meine Schuld vergibt.
Vater! Dein Kind ruft zu Dir:
Deine Gnade sei mit mir.

4.
Unaussprechlich ist die Gnade,
Daß der Sohn auch für mich starb
Und im allerhöchsten Grade
Mir mein Heil mit Blut erwarb.
Jesu! mein Herz ruft zu Dir:
Deine Gnade sei mit mir.

5.
Unaussprechlich ist die Gnade,
Daß der Geist mich kräftig rührt,
Und mich auf dem Lebenspfade
Richtig zu dem Himmel führt.
Darauf leb’ und sterb’ ich hier;
Amen, Gnade sei mit mir!

12. September. Morgen-Andacht.

Gott hat Seines eigenen Sohnes nicht verschonet, sondern hat Ihn für uns Alle dahin gegeben: wie sollte Er uns mit Ihm nicht Alles schenken? Röm. 8,32.

Wenn gesagt wird, daß Gott für uns sei, so ist von Seiner Huld, Barmherzigkeit, und Menschenliebe die Rede, nach welcher Er um Seines Sohnes willen, der ein Mensch worden ist, an der Menschen Tod kein Wohlgefallen hat, sondern an ihrer Bekehrung und an ihrem Leben. Nun redet Paulus auch vom Schenken. Wir arme Menschen bedürfen sehr, daß uns Gott Vieles, ja Alles schenke, weil wir nichts haben, weil mit unserer Macht nichts gethan ist, weil wir leere und noch dazu unreine Gefässe sind. Weil wir Ihm aber nichts vorher geben, und auch hintennach nichts vergelten können, so bedürfen wir, daß er uns Alles umsonst und aus Gnaden schenke; und von einem solchen Schenken redet auch hier Paulus. Wie beweiset er aber, daß Gott geneigt sei, uns alles zu schenken? Er beweist es so, daß er sagt: Gott hat Seines eigenen Sohnes nicht verschonet, sondern Ihn für uns Alle dahin gegeben, wie sollte Er uns mit Ihm nicht Alles schenken? Indem Christus der eigene Sohn Gottes genannt wird, wird Er von allen Kindern Gottes unterschieden. Ein Christ ist ein Eigenthum Gottes, aber nicht Sein eigener Sohn. Christus ist Gottes eigener Sohn, weil Er in des Vaters Schooß ist, weil Er und der Vater Eins sind, weil Er Ihm gegeben hat, das Leben in Sich selber zu haben, gleichwie Er selber das Leben in Sich selber hat, und weil Er Ihn liebt, wie Er Sich selbst liebt. Dieses eigenen Sohnes hat Gott nicht verschont, sondern Ihn für uns Alle in die Armuth, Schmach, Schmerzen, Angst, und in den Tod selber gegeben. Was sollte nun so kostbar sein, das Gott uns nicht auch schenken wollte? Für uns kann Er nichts mehr geben, aber uns will Er nun schenken, was uns nöthig ist. Und was ist’s denn? Regen und Sonnenschein, Brod und Kleidung ist zur Erfüllung unserer Nothdurft nicht genug. Etwas Kostbares, Vortreffliches, Erhabenes, etwas, das so viel werth ist als der eigene Sohn, etwas, das auch ein göttliches Wesen hat, will uns Gott schenken. Und was ist dieses? Sein Geist. Durch die Schenkung dieses Geistes macht Er uns Seines göttlichen Lichtes und Lebens theilhaftig; durch dieselbe werden wir heilige und selige Menschen. Wer Seinen Geist empfängt, empfängt Alles; denn was man in der Bibel von dem Reich Gottes als einem Erbe, oder von dem neuen Himmel, von der neuen Erde, und von dem neuen Jerusalem liest, ist denen auch als eine Zugabe verheißen, die den Geist des Vaters und des Sohnes empfangen. Aber insofern alle diese dinge von Gott erschaffen sind, stehen sie in keiner Vergleichung mit dem göttlichen Geist, und sind unter dem Ausspruch begriffen: HErr, wenn ich nur Dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde.

Lasset uns also bei dem Gefühl unseres Mangels die evangelische Wahrheit fest halten: Gott will uns Alles schenken. Weil Er Seinen eigenen göttlichen Sohn für uns Alle dahin gegeben hat, so will Er uns keine Gabe, sollte sie auch eines göttlichen Wesens sein, versagen. Er will uns mit Seinem Sohn Alles schenken. Empfangen wir Seinen Sohn durch den Glauben, so empfangen wir mit Ihm Alles. Wer ist, der nicht bei der Erkenntnis dieser Wahrheit getrost sein könnte?

Mel.: HErr Jesu Christ, mein’s etc.

1.
Kommt, betet doch die Liebe an,
Die kein Verstand begreifen kann,
Die nicht des eig’nen Sohns verschont,
Der bei ihr in dem Lichte thront.

2.
Gott hat sonst keinen Sohn, als den;
Er zeugte diesen Einigen
Als Seines Wesens Ebenbild,
Mit ew’ger Herrlichkeit erfüllt.

3.
Der Sohn lebt, Gott im Leben gleich,
Sein ist des Vaters ganzes Reich;
Und dennoch gab Gott uns den Sohn
Aus seinem Schooß und von dem Thron.

4.
So hoch, so hoch hat Gott geliebt,
Was ist noch, das Er uns nicht gibt?
Was ist noch, so ein Sinn erdenkt,
Das Gott mit Ihm nicht Alles schenkt?

5.
Die Schulden schenkt Er, die so groß,
Und überdieß ein himmlisch Loos;
In Seinem Herzen ist nichts mehr,
Er gibt es mit dem Sohne her.

6.
Du Liebe ohne Maß und Grund,
Ach öffne uns zum Lob den Mund,
Und laß es, weil es hier zu klein,
Einst himmlisch und unsterblich sein!

12. September. Abend-Andacht.

Wer überwindet, der soll mit weißen Kleidern angethan werden, und Ich werde seinen Namen nicht austilgen aus dem Buch des Lebens, und will seinen Namen bekennen vor Meinem Vater. Offenb. 3,5.

Die Gemeinde zu Sarden war von einem vermischten Zustand, der Bischof oder Pfarrer hatte den Namen, daß er lebe, und war todt, und unter den Zuhörern gab es Leute, die geistlich sterben wollten. Doch waren auch wenige Christen daselbst, die ihre Kleider nicht besudelt hatten; und diesen verspricht der HErr Jesus, daß sie mit Ihm in weißen Kleidern wandeln werden, weil sie es werth seien. Diesen redlichen und treuen Seelen gebietet der HErr Jesus nicht, daß sie sich von ihrem todten Pfarrer und von den übrigen halbtodten Sardischen Christen äußerlich absondern oder Separatisten werden sollen. Der Pfarrer hatte diese treuen Seelen in Seiner Gemeinde, und sollte sie ferner haben, aber auch die übrigen stärken, die sterben wollten. Die Gefahr des geistlichen Todes oder des völligen Rückfalls kam bei diesen daher, daß sie es mit der Sünde nicht mehr genau nahmen, und sich durch dieselbe mannigfaltig befleckten. Die wackeren und treuen Seelen kostete es alsdann desto mehr Wachsamkeit und Ernst, wenn sie weder wider die Liebe durch’s Richten sündigen, noch ihre Kleider im Umgang mit jenen beflecken wollten. Sie mußten aber eben in diesen Umständen überwinden, und so muß ein Jeder überwinden, der in der wüsten Welt unbefleckt bleiben, oder sich von aller schon geschehenen Befleckung des Fleisches und des Geistes reinigen, und in der Heiligung fortfahren will. Wer aber überwindet, soll in der unsichtbaren Welt nach der Verheißung Jesu mit weißen Kleidern angethan werden. Daß diese Verheißung erfüllt werde, konnte Johannes bezeugen, weil er viele solche Weißgekleidete im Himmel sahe, s. Off. 4,4. 6,11. 7,9. Dieses weiße Kleid ist ein herrlicher, glänzender Schmuck der Auserwählten, dergleichen einer an Christo bei Seiner Verklärung zu sehen war, Matth. 17,2. Im Tempel zu Jerusalem hatten die Priester weiße Kleider an; und so dienen auch die Vielen, die Johannes K. 7. sahe, in ihren weißen Kleidern dem HErrn Tag und Nacht in Seinem Tempel. Auch den 24 Aeltesten, die mit weißen Kleidern angethan sind, wird Kap. 5,8. die priesterliche Verrichtung des Räucherns zugeschrieben. Wer aber ein solches weißes Kleid im Himmel bekommen soll, muß vorher sein eigenes Kleid, das ist seine Natur, gewaschen und helle gemacht haben im Blut des Lammes, Offenb. 7,14., und dieses kostet freilich ein Ueberwinden, weil die Unreinigkeit dem Fleisch angenehm ist. Der HErr Jesus will aber eines solchen Ueberwinders Namen nicht austilgen aus dem Buch des Lebens, sondern will seinen Namen bekennen vor Seinem Vater. Hieran ist unaussprechlich mehr gelegen, als an dem guten und berühmten Namen, den ein Mensch unter den kurzsichtigen Menschen haben mag. Wessen Name im Buch des Lebens steht, der kommt nicht in’s Gericht, und darf in das ewige Leben eingehen, und wer von dem Heiland so theuer geachtet wird, daß Er seinen Namen als eines Gerechten, Treuen, Auserwählten vor Seinem Vater bekennt, erlangt Ehre genug, ob er gleich auf Erden geschmähet, oder seiner bald vergessen worden wäre.

Mel.: Wer weiß, wie nahe mir mein Ende.

1.
Den Namen haben, daß man lebe,
Und todt sein, ist ein falscher Ruhm.
O daß mir dieß Erweckung gebe
Zu einem wahren Christenthum!
Vor Christo gilt kein leerer Schein,
So wie ich heiße, soll ich sein!

2.
HErr! Du weißst aller Menschen Werke;
ach gib mir auch von Deinem Geist,
Daß ich auf Deine Worte merke,
Und suche das, was Du verheißst!
Was sterben will, das stärke Du,
So nimmt mein Leben immer zu.

3.
Wach’ auf, mein Herz; wer überwindet,
Dem zieht Er weiße Kleider an;
Wen Er hier unbesudelt findet,
Der wird dort herrlich angethan.
Mein Herz, hiedurch sei aufgeweckt,
Daß Fleisch und Welt dich nicht befleckt.

4.
Man reinigt ja sich nicht vergebens,
Der Nutzen zeigt sich im Gericht;
Der HErr löscht aus dem Buch des Lebens
Der Ueberwinder Namen nicht;
Und wer ein Ohr hat, höret dieß,
Des Geistes Reden sind gewiß.

5.
Der HErr wird sie die Seinen nennen,
Die Namen Seiner Jüngerschaft
Vor Seinem Vater selbst bekennen
Und vor den Engeln Seiner Kraft;
Da werden einst die Kleider rein,
Das wird ein guter Name sein!

13. September. Morgen-Andacht.

Gott hat Seinen Sohn für uns alle dahin gegeben: wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Röm. 8,32.33.

Nachdem Paulus in den vorhergehenden Worten die große Huld Gottes gegen die Auserwählten, und Seine Bereitwilligkeit, ihnen Alles zu schenken, gepriesen hatte, so erinnerte er sich, daß sie Sünder seien, und deßhalb eine große Anklage bei dem allerhöchsten göttlichen Gericht wider sie eingebracht werden könnte, eine Anklage, welche die Huld Gottes von ihnen abwenden, und Seine heilsamen Schenkungen von ihnen ableiten könnte. Allein er war auch hierüber gutes Muths, und sagte: Gott hat Seinen eigenen Sohn für uns Alle dahin gegeben: wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Gleichwie Paulus durch die Frage: Paulus durch die Frage: wer mag wider uns sein? nicht hat andeuten wollen, daß Niemand wider uns sei, sondern, daß Niemand mit Recht und mit Erreichung seiner Absicht wider uns sein könne, also hat er auch durch die Frage: wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? angezeigt, daß Niemand diese so bei dem höchsten göttlichen Gericht oder auch in ihrem Gewissen belangen könne, daß er mit seiner Anklage durchdringe. Paulus wußte wohl, daß der große Drache, die alte Schlange, welche der Teufel und Satanas (Verleumder und Widersacher) heißt, sein und seiner Brüder Verkläger sei, der sie Tag und Nacht bei Gott verklage. Auch wurden er und seine Brüder von Vielen auf Erden der Heuchelei, Ketzerei und vieler bösen Tücke so beschuldiget, daß ihre Widersacher immer meinten, Gott selber werde jene für schuldig erkennen; wie es auch noch heutiges Tags geht. Allein, obschon Paulus dieses Alles wußte, so sagte er doch: wer will die Auserwählten Gottes (mit Recht und so, daß er bei Gott Gehör finde) beschuldigen? Niemand weder in der sichtbaren noch in der unsichtbaren Welt kann solches thun? Warum? Weil Gott Seinen Sohn für uns Alle dahin gegeben hat. Die erstaunliche Probe der Liebe, die Gott durch diese Hingabe Seines Sohnes abgelegt hat, sollte freilich alle Ankläger schüchtern machen, wie jene, deren 1 Makk. 10,64. Meldung geschieht. Der Teufel aber ist unverschämt, und seine Anhänger auch. Sie wagen es doch, die Auserwählten zu verklagen, weil sie wissen, daß sie Sünder seien. Allein die Hingabe des Sohnes Gottes in den Tod, Offenb. 12,11. Die Engel des Lichts, und die Menschen, die Licht genug haben, die Hingabe des Sohnes Gottes für die Auserwählten zu verstehen, verklagen diese niemals deßwegen, weil sie Sünder sind. Nur müssen die Auserwählten auch aus den Werken, wie Jakobus sagt, gerechtfertigt, das ist, als Leute, die wahrhaftig an Jesum glauben, erkannt werden. Zu diesem Ende aber wird ihnen mit Jesu auch Sein Geist geschenkt.

Mel.: HErr Jesu Christ, mein’s Lebens etc.

1.
Ihr, deren Herz vom Geiste glüht,
Kommt, singt der Liebe Wunderlied,
Von Jesu singt, denn Gott gab Ihn,
Den Sohn der Liebe, selbst dahin.

2.
Für Alle, die wir Sünder sind,
Wo Gott nichts Liebenswürdig’s find’t;
Für uns, da Ihm es nichts benähm’,
Wenn auch kein Mensch zum Himmel käm’.

3.
Er gab Ihn in den Kreuzestod
Für uns, weil uns Sein Zorn gedroht;
Da Er doch Sohn und selig blieb’,
Wenn schon Gott uns zur Hölle trieb’.

4.
Hier schließt die Liebe Keinen aus
Von Adams ganzem Sünderhaus;
Für Alle, wer nur Glauben hat,
Gab Gott den Sohn an uns’rer Statt.

5.
Wir sind erwählt, wir haben Huld,
Wer legt auf uns noch eine Schuld?
Will Gott mit uns zufrieden sein,
Wer wendet was dagegen ein?

6.
Du unerforschte Liebe Du,
Richt’ zu dem Lied das Herz uns zu,
Wo man der Liebe Lob besingt,
Daß es durch alle Himmel klingt!

13. September. Abend-Andacht.

Diese Worte sind gewiß und wahrhaftig. Offenb. 22,6.

So sagte der Engel zu Johannes, den der HErr, der Gott der Geister der Propheten, gesandt hatte, zu zeigen Seinen Knechten, was in einer Schnelle geschehen sollte. Es geschieht dieses Engels auch Kap. 1,1. und 22,16. Meldung. Kap. 17,1. wird gesagt, es sei einer von den sieben Engeln, welche die sieben Schalen hatten, gekommen, und habe zu Johannes gesagt: komm, ich will dir zeigen das Gericht der großen Hure. Eben derselbe, oder auch ein anderer von diesen sieben kam K. 21,9. und sagte zu Johannes: komm, ich will dir zeigen die Braut, das Weib des Lämmleins, und trug ihn hin im Geist auf einen großen und hohen Berg, und zeigte ihm die heilige Stadt Jerusalem, herniederfahrend aus dem Himmel von Gott. Johannes hatte also bei der ganzen Entzückung, in welcher er die Offenbarung sahe, einen Engel zum Beistand bei sich, der nie von ihm wich und ihm Alles zeigte. Zu diesem kam aber Kap. 17,1. und 21,9. noch ein anderer, der, wie es scheint, von einer andern Ordnung war, um ihm die große Hure, und die Braut des Lämmleins, die einander entgegen gesetzt sind, zu zeigen, da dann das Zeigen des ersten Engels nicht unterbrochen wurde, sondern nur einen neuen Beistand bekam. Was dem Johannes gezeigt wurde, wurde, indem er es dachte und schrieb, zu Worten. Er hörte aber auch den HErrn selber, die vier Thiere, einen von den Aeltesten im Himmel, viele selige und unselige Geister, und mehrere Engel wirklich reden. Alle diese Worte oder Reden aber waren gewiß und wahrhaftig, wie Johannes und mit ihm auch wir am Ende des Gesichts versichert werden. Freilich ist Alles, was Gott durch Engel oder Menschen oder auch unmittelbar redet, gewiß, denn es kommt mit Seinem Sinn überein, und ist wahrhaftig, denn es kommt mit den Sachen selbst, welche sind, oder gewesen sind, oder sein werden, überein. Bei der Offenbarung, wodurch Gott dem Johannes und durch ihn auch uns neue und erstaunliche Dinge entdeckt hat, war diese Versicherung um des menschlichen Unglaubens willen besonders nöthig; denn wer hätte vorher denken sollen, daß unter der Regierung des Messias Jesu, da die Menschen alsbald den Anbruch goldener Zeiten erwarteten, noch so viele Trübsale und schwere Gerichte eine lange Zeit über die Menschen ergehen würden, als durch die sieben Siegel, durch die sieben Trompeten, und durch die sieben Zornschalen in dieser Offenbarung angezeigt worden? Wer hätte aber auch glauben sollen, daß es in dem himmlischen Tempel und hernach in dem heiligen neuen Jerusalem so herrlich aussehen und hergehen werde, als in dem Buch dieser Offenbarung beschrieben ist? Selig ist also, der da lieset, und die da hören die Worte dieser Weissagung, und behalten, was darinnen geschrieben ist, Offenb. 1,3. Niemand lasse sich diese Weissagung, die vor andern das Kennzeichen der Göttlichkeit an sich hat, entleiden; denn wer auch Vieles darin nicht versteht, wird doch die Erleuchtung des Heiligen Geistes etwas verstehen, oder die Gabe weiser und bewährter Ausleger benutzen können. Insonderheit aber wird ein jeder Christ in dieser Weissagung von dem himmlischen Vaterland und Erbe, das er hofft, die ausführlichste Nachricht finden. Wen sollte aber diese Nachricht nicht freuen?

Mel.: Wir singen Dir, Immanuel.

1.
HErr! Dein Wort ist gewiß und wahr,
Und wenn sich gleich die finst’re Schaar
Der Hölle scharf dawider setzt,
So bleibt Dein Wort und siegt zuletzt.

2.
Das Wort von Dir, als Gottes Sohn,
Steht fest, und Du sitzst auf dem Thron,
Und stürzest in den Schwefelpfuhl
Den Drachen und das Thier vom Stuhl.

3.
Das, was Du in dem Wort verheiß’st,
Versiegelst Du durch Deinen Geist,
Man glaubt und hofft und sieht noch nichts,
Und erbt doch als ein Kind des Lichts.

4.
HErr! wenn auch künftig der Prophet
Zu seinen Lügen Zeichen thät’,
Daß von dem Himmel Feuer fiel’,
Vereitelt doch Dein Wort sein Spiel.

5.
HErr Jesu! wenn des Irrthums Kraft
Bald den, bald jenen an sich rafft,
Laßt meinen Glauben ganz allein
Auf Dein Wort fest gegründet sein.

6.
Dein Wort sagt mir, Du seist getreu
Und steh’st uns in Versuchung bei,
Daß keine über uns entsteh’n,
Die über das Vermögen geh’n.

7.
Dein Wort sei mir im Streit mein Schild,
In allem Thun mein Musterbild,
In Finsterniß mein sich’res Licht,
Im Leiden meine Zuversicht;

8.
Zum Sterbetrost, zur Lebenskraft
Am Ende meiner Pilgerschrift,
Daß ich im Himmel froh erfahr’,
Dein Wort, HErr, sei gewiß und wahr!

14. September. Morgen-Andacht.

Gott ist hie, der gerecht macht: wer will verdammen? Röm. 8,33.34.

Nachdem Paulus gesagt hatte, daß kein Ankläger wider die Auserwählten Gottes mit Recht auftreten und Gehör finden könne, so sagte er ferner: Gott ist hie, der gerecht macht, wer will verdammen? Der Teufel nämlich und die bösen Menschen wollen nicht nur Ankläger, sondern auch Richter der Auserwählten sein, und als Richter sie verdammen. Da die Apostel in den jüdischen Schulen in den Bann gethan wurden, da Stephanus und viele Andere als Ketzer oder Aufrührer zum Tod verdammt wurden, da man die Knechte Gottes für ein Fegopfer hielt, das ist für Leute, die man tödten müsse, um den Zorn der Gottheit, der ihretwegen entbrannt sei, von einem Land abzuwenden, da man das Anathema oder den Fluch über viele Rechtglaubige und Heilige aussprach, maßte sich der Teufel an, ihr Richter zu sein, und ein Verdammungsurtheil durch böse Menschen über sie auszusprechen. Eben dieses geschieht noch täglich, wenn dergleichen öffentliche unbefugte Gerichte über die Jünger Jesu gehalten werden, oder wenn sie auch im gemeinen Leben gerichtet, gescholten, geschmähet, und als boshaftige Leute verworfen werden. Was thut nun der Glaube hiebei? Er erinnert ich zuvörderst des HErrn Jesu. Gleichwie damals, da Er in Seinem Leiden stand, unsichtbare und sichtbare Feinde wider Ihn waren, und er vor dem jüdischen und römischen Gericht angeklagt wurde, also ist Er auch zuerst von dem jüdischen Rath, und hernach von dem Landpfleger Pilatus zum Tod verdammt worden. Was dachte Er aber dabei? Er dachte: es ist nahe, der Mir Recht spricht, wer will mit Mir hadern? Lasset uns zusammen treten: wer ist, der Recht zu Mir hat? der komme her zu Mir. Siehe der HErr, HErr hilft Mir: wie ein Kleid veralten, Motten werden sie fressen, Jes. 50,8.9. Paulus war in seinem Glauben freimüthig genug, im Namen aller Auserwählten ebenfalls aufzutreten und zu sagen: Gott ist hie, der gerecht macht, wer will verdammen? Weil Gott Gott ist, so zernichtet freilich die göttliche Rechtfertigung alle Verdammung der unmächtigen Geschöpfe, deren keines Er bevollmächtiget hat, ein Urtheil über Seine Auserwählten zu fällen. Er rechtfertiget sie durch Seinen Sohn, an den sie glauben, und dessen Gerechtigkeit sie anziehen. Er rechtfertiget sie so, daß er sie von aller Schuld und Strafe losspricht, sie für Seine Kinder erklärt, und ihnen das himmlische Erbe zuspricht. Wie will nun eine Verdammung dagegen aufkommen? Er hat, indem Er sie rechtfertiget, ein Wohlgefallen an ihrem Glauben, den die Welt eine Ketzerei nennt. Er nennt sie Seine Kinder, Schafe, Erben u.s.w., alldieweil die Welt sie Bösewichter nennt. Wer wird’s gewinnen? Ohne Zweifel Gott. Aber wenn man’s nur immer wüßte, daß man von Gott so gerechtfertigt werde! Wohlan, Stephanus hat’s gewußt, Paulus hat’s gewußt, und viele Märtyrer in alten und neuen Zeiten haben’s gewußt, weil ihnen ihr Gewissen ein gutes Zeugniß gab durch den Heiligen Geist. Und fürwahr, wer um der Wahrheit und des Namens Jesu willen verdammt wird, wird alsdann, weil er es eben nöthig hat, gewißlich inne werden, wie der Geist Gottes mit seinem Geist zeuge, daß er ein Kind Gottes, folglich von Gott gerechtfertigt sei. Wer Licht genug hat, kann bei diesem Zeugniß unter dem verdammenden Gericht der Welt sich freuen und hüpfen, weil für denjenigen, der es leidet, der Lohn im Himmel groß ist, Luk. 6,23.

Mel.: HErr Jesu Christ, mein’s Lebens Licht.

1.
Gott macht gerecht, ihr Sünder glaubt’s;
Dünkt’ euch zu viel, Sein Wort erlaubt’s;
Und spräch’ ein ängstig Herz noch: nein,
So läßt es Gott doch Wahrheit sein.

2.
Er kann’s allein, und das thut Er,
Was aller Welt nicht möglich wär’.
Er hat die Sünde insgesammt
Durch Christi Fleisch am Kreuz verdammt.

3.
Nun macht Er ein versöhnt Geschlecht
In Seinem Sohne so gerecht,
Daß Christi, des Gerechten, Bild
Vor Gottes reinen Augen gilt.

4.
Gott, Dir gebührt der Ruhm allein,
Gerecht zu machen und zu sein;
So rühmt der Glaube sich von Dir,
Nimmt’s als geschenkt und dankt dafür.

5.
Wer will verdammen? Gott will’s nicht;
Und sonst hat Niemand das Gericht;
Gott bleibt versöhnt, und Moses still,
Weil Jesus Sich uns schenken will.

6.
O Gnade über den Verstand!
Dem Gott, der uns gerecht erkannt,
Sei ewig in dem weißen Kleid
Sein Lob für die Gerechtigkeit!

14. September. Abend-Andacht.

Christus hat uns ein Vorbild gelassen, daß wir nachfolgen sollen Seinen Fußstapfen. 1 Petr. 2,21.

Gebote und Lehren sind allein nicht genug, die Menschen zu bilden, denn sie sind gewohnt, sich auch nach Vorbildern und Beispielen umzusehen, und sich nach denselben zu richten. Der König wie der Bettler nimmt unvermerkt die Sitten und Weisen derjenigen Menschen an, die vor ihm gelebt haben oder zu seiner Zeit leben, und insonderheit derjenigen, die mit ihm gleiches Standes sind. Glückselig ist derjenige, dem viele Beispiele rechtschaffener Christen bekannt werden, durch die er von der Beschaffenheit, Möglichkeit und Würde des wahren Christenthums überzeugt werden kann. Paulus konnte an die Philipper schreiben: folget mir, lieben Brüder, und sehet auf die, die also wandeln, wie ihr uns habt zum Vorbilde, Phil. 3,17. Doch ist Christus das größte und vollkommenste Vorbild in Seinem Wandel auf Erden geworden. Er hat Fußstapfen gelassen, denen wir nachfolgen sollen, das ist, Er hat Sich bei allen Gelegenheiten so bezeugt, Er hat so geredet und gehandelt, daß nun unsere größte Pflicht ist, gesinnt zu sein, wie Er war, zu wandeln, wie Er gewandelt hat, und in der Welt zu sein, wie Er war. Der himmlische Vater hatte Sein Wohlgefallen an Ihm, und Er war in Seiner Heiligkeit der Schönste unter den Menschenkindern, und noch jetzt gefällt dem himmlischen Vater nichts als das in uns eingedrückte Bild Seines Sohnes, und ein jeder Geist ist in demjenigen Grad ein schöner Geist, in welchem Christus in ihm eine Gestalt gewonnen hat. Wenn wir fragen, wo wir Sein Vorbild und Seine Fußstapfen erblicken können, so weiset uns Petrus auf den Lebenslauf Jesu, den die vier Evangelisten beschrieben haben, denn derselbe beweist, daß Christus nicht wieder gescholten habe, da Er gescholten ward, und nicht gedroht, da Er litt, sondern Alles Dem heimgestellt, der da recht richtet: und so kann man noch viele Lineamente des Bildes Jesu, und viele Fußstapfen Seines Wandels in demselben bemerken. Ueberdieß kennt der Heilige Geist den HErrn Jesum vollkommen: wenn man sich also Ihm überläßt, und Seiner Wirkung in sich Raum läßt, so bildet er die Seele durch’s Evangelium, daß sie Jesu ähnlich wird, und verklärt sie in Sein Bild von einer Klarheit zur andern. Freilich geschieht dieses nicht ohne die Ertödtung unsers alten Menschen, der sich durch Lüste in Irrthum selber verderbet. Wer Jesu ähnlich werden will, muß der Welt, ja sich selbst, insofern er vorher ein zorniger, geiziger, stolzer und unreiner Mensch war, unähnlich werden. Wer den Fußstapfen Jesu nachfolgen will, muß von dem Weg, worauf die feine und grobe Welt wandelt, abtreten. Der Weg der Welt geht durch die Lüsternheit zur Verdammniß; denn was die Albernen gelüstet, tödtet sie, Spr. Sal. 1,32. Aber der Weg der Fußstapfen Jesu geht unter dem Kreuz bei einem beständigen Gehorsam und unter dem Genuß der Gnade und des Friedens Gottes zur Herrlichkeit. Alles, was die heilige Schrift von dem richtigen, ebenen, schmalen und ewigen Weg sagt, ist von dem Weg der Fußstapfen Christi zu verstehen.

Mel.: Gott sei Dank in aller Welt.

1.
Jesus Christus gab Sich uns
Selbst zum Vorbild alles Thuns,
Sein Wort stellet Ihn uns dar,
Ich soll sein, wie Jesus war.

2.
Sein Verleugnen lehrt mich klein,
Seine Demuth niedrig sein,
Seine Sanftmuth stete Huld,
Sein Gehorsam die Geduld.

3.
Wie Er ohne Haß geliebt,
Stets getröstet, nie betrübt,
Und auch Feinden Gut’s gethan,
Weist Er mich zu Gleichem an.

4.
Wenn Er Gottes Willen that,
Wenn Er stets zum Vater bat,
Wenn Er nichts als Wahrheit sprach,
Heißt das: folge du Mir nach.

5.
Wenn Er allzeit standhaft blieb,
Nur das Wort vom Reiche trieb,
So bezeugt Er mir dabei,
Daß mir das ein Beispiel sei.

6.
Wenn Er mäßig aß und trank
Und es heiligte mit Dank,
Spricht mir Sein Exempel zu:
Wie Er lebte, lebe du.

7.
Lieber Meister! lehr’ mich’s nun,
Ohne Dich kann ich nichts thun;
Unter Deines Geistes Zucht
Bringt mein Glaube solche Frucht.

8.
Viele folgen ihrem Sinn;
Aber, HErr, wo soll ich hin?
Du bist Christus, Gottes Sohn,
Wer Dir folgt, hat großen Lohn!

9.
Gabst Du nach vollbrachtem Lauf
Deinen Geist mit Beten auf,
Gib auch, daß durch Deine Treu
Mein End’ wie Dein Ende sei!

15. September. Morgen-Andacht.

Christus ist hie, der gestorben ist, ja vielmehr, der auch auferwecket ist, welcher ist zur Rechten Gottes, und vertritt uns: wer will uns scheiden von der Liebe Gottes? Röm. 8,34.35.

Nachdem Paulus bezeugt hatte, wie die Auserwählten Gottes wegen der göttlichen Huld nicht angeklagt, und wegen der göttlichen Rechtfertigung nicht verdammt werden können, folglich gegen diese beiden rechtlichen Angriffe gesichert seien, so erinnerte ihn der Heilige Geist, daß zuweilen nach dem gemeinen Sprüchwort Gewalt für Recht gehe, oder daß oft gewaltthätige Angriffe mit den rechtlichen verbunden werden. Und fürwahr diese gewaltthätigen Angriffe sind die gewöhnlichsten und währen bis an’s Ende des Lebens. Sie kommen zuweilen unmittelbar von Feinden her, zuweilen aber sind sie auch Folgen der Zerrüttung, welche durch die Sünde in der Welt angerichtet, und in den Lauf der Welt, ja in die Beschaffenheit unserer sterblichen Natur so eingeflochten worden, daß sie eine unhintertreibliche Zugabe zum Christenlauf sind, da dann die Sache selbst, insofern sie den Leib oder die Seele angreift, für einen Feind, der überwunden werden muß, zu halten ist. Paulus nennt in dieser Absicht Trübsal, Angst, Verfolgung, Hunger, Blöße, Gefährlichkeit, Schwert, Leben, Tod u.s.w. Es ist klar, daß er hiebei zunächst auf seine Zeit, da die Christen schweren Verfolgungen ausgesetzt waren, gesehen, aber auch solche Dinge namhaft gemacht habe, welche zu allen Zeiten nach dem Lauf der Welt vorkommen. Er sagt aber: nichts von diesem Allem soll uns scheiden von der Liebe Gottes. Und hernach: in dem Allem überwinden wir weit. Was ist aber der Grund dieser Zuversicht? Christus ist dieser Grund, der gestorben ist, und durch den Tod die Macht genommen hat dem, der des Todes Gewalt hat, das ist dem Teufel, und der durch Sein Sterben verursacht hat, daß das gewaltsame oder natürliche Sterben, und was demselben anhängt, zu Seiner Nachfolge zu rechnen, folglich eine unschädliche, ja gesegnete Sache ist. Allein gegen eine anfechtende Gewalt fällt ein lebendiger, erhabener und treuer Schutzherr vornämlich in’s Gesicht; darum sagt Paulus von Christo: ja vielmehr, der auch auferwecket ist, und nun ewiglich lebet. Die Dinge, die uns anfechten, mögen also immerhin auch lebendig oder wenigstens wirksam sein. Christus, unser Haupt, lebet auch. Ist Er aber auch mächtiger und höher als Alles? Ja, denn Er ist zur Rechten Gottes. Er ist als Mensch bis zur göttlichen Würde und Hoheit erhoben. Er ist der Höchste und der allmächtige Beherrscher des Himmels und der Erde. Alles stehet unter Ihm. Der Vater hat Ihm Alles unter Seine Füße gethan. Wen Er in Seiner Hand hält, den kann Niemand von der Liebe Gottes scheiden; wen Er schützt und stärkt, den kann Niemand verderben, sondern der überwindet in allem weit. Ist Er aber auch den Auserwählten hold? nimmt Er ihre Angelegenheiten zu Herzen? und darf man ich bei seiner Huld auch auf die Huld des Vaters verlassen? Ja, denn Er vertritt uns bei dem Vater. Dieses Vertreten oder diese Fürsprache, die Er auf eine Gott geziemende Weise bei dem Vater für uns einlegt, beweist nicht nur, daß Er ein treuer und barmherziger Hoherpriester sei, sondern auch, daß um Seinetwillen auch der Vater den Auserwählten günstig sei, und sie vor dem Verderben bewahre. Ihr Verderben bestünde darin, wenn sie von der Liebe Gottes geschieden würden. Aber nichts soll sie davon scheiden. Sie sollen Geliebte Gottes bleiben. Wer ist, der daran nicht sollte eine Genüge haben können?

Mel.: HErr Jesu Christ, mein’s Lebens Licht.

1.
O Freude, hier ist Jesus Christ,
Der für die Welt gestorben ist,
Ja vielmehr, der auch auferweckt,
Daß Ihn und uns jetzt nichts mehr schreckt;

2.
Der auch zur Rechten Gottes sitzt,
Der dort uns auch vertritt und schützt!
Wer ist, der uns wie einen Bann
Von Christi Liebe scheiden kann?

3.
Ist’s Drangsal? die ist Ihm zu schwach;
Ist’s Angst? der Heiland führt die Sach’!
Verfolgung ist’s? Er nimmt uns heim;
Ist’s Hunger? Er zeigt Honigseim. (1 Sam. 14,27.)

4.
Ist’s Blöße? Er deckt Sünden zu!
Gefahr ist’s? Er führt ein zur Ruh’;
Ist’s auch das Schwert? so gibt Er Muth,
Und fragt einst nach der Seinen Blut.

5.
Gesetzt, daß man auf jeden Tag
Uns gleich den Schafen schlachten mag,
So siegen wir durch Diesen doch,
Der uns geliebt und liebt uns noch.

6.
Herz, lobe Jesum freudenvoll,
Daß nichts von Ihm uns scheiden soll.
HErr, uns genügt an Dir allein,
Laß uns nur ewig bei Dir sein!

15. September. Abend-Andacht.

Sie haben ihn überwunden durch des Lammes Blut und durch das Wort ihres Zeugnisses, und haben ihr Leben nicht geliebet bis in den Tod. Offenb. 12,11.

Diese Worte sagte eine große Stimme im Himmel, nämlich eine Stimme auserwählter Menschen, die in den Himmel aufgenommen worden waren, und sich freueten, daß der Verkläger ihrer Brüder, der Heiligen auf Erden, verworfen sei, der sie Tag und Nacht vor Gott verklagt hatte. Es wurde aber dieser Verkläger und das Heer seiner bösen Engel durch den Erzengel Michael und seine Engel mit Gewalt überwunden und aus dem Himmel verstoßen, wo er zwar seit seinem Abfall von Gott keine Behausung mehr hatte, aber doch zuweilen als ein Verkläger erschien, wie ein Fremder, der Jemand verklagen will, in einem Gerichtshof erscheinen kann. Obschon aber dieser Verkläger der große Drache, die uralte Schlange, der Teufel und der Satan ist, so wies doch der gerechte Gott seine Anklage nicht schlechthin ab, sondern trieb die Heiligen auf Erden durch Seinen Geist dazu an, daß sie ihn auch rechtlich überwinden sollten. Und fürwahr der Teufel kann, ob er schon nach seinem Namen ein Verleumder ist, doch mit Wahrheit von den Heiligen auf Erden sagen, daß sie aus einem sündlichen Samen gezeugt seien, und keiner von ihnen sagen könne. ich habe keine Sünde. Auch kann er ihre Wiedergeburt und Rechtfertigung in Zweifel ziehen, bis sie dieselbe durch Proben bewiesen haben. Die Heiligen haben also eine doppelte Rechtfertigung nöthig, nämlich erstlich die Rechtfertigung durch das Blut Jesu, von welcher Paulus geschrieben hat, daß sie durch den Glauben an Jesum Christum erlangt werde, der Sein Blut zur Vergebung der Sünden vergossen hat, hernach aber auch die Rechtfertigung aus den Werken, welche aus dem Glauben fließen, von welchen Jakobus gelehrt hat, daß man dadurch, wie Abraham, da er seinen Sohn Isaak schlachten wollte, als ein gottesfürchtiger Mensch, oder gar als ein Freund Gottes erkannt werde. Die Heiligen im Himmel bezeugen mit Frohlocken, ihre Brüder auf Erden haben ihre Sache gegen den Teufel ihren Verkläger durch diese doppelte Rechtfertigung gewonnen. Sie haben ihn nämlich überwunden durch des Lammes Blut, auf das sie sich wegen ihrer Sünden glaubig berufen haben. Ihre Sünden seien ihnen also um des vergossenen Blutes Jesu willen rechtmäßig vergeben worden. Auch haben sie durch das Wort ihres Zeugnisses ihren Glauben freimüthig bekannt, und ihr Leben nicht geliebt bis in den Tod, sondern seien willig gewesen, ihr Leben, folglich auch alle zeitlichen Vortheile, die geringer als das Leben sind, um des Namens Jesu willen zu verleugnen und herzugeben. Auf diese Weise seien sie also aus den Werken gerechtfertigt worden, und haben bewiesen, daß ihre Gottesfurcht nicht Heuchelei sei.

Obschon der Teufel zu dieser Zeit die Kinder Gottes nicht mehr im Himmel, als wo er seit dem Sieg Michaels keine Stätte mehr findet, verklagen kann, so kann er sie doch in ihrem Gewissen, welches auch ein Richterstuhl Gottes ist, verklagen und der Welt viele Verleumdungen wider sie beibringen. Sie haben also immer noch jene gedoppelte Rechtfertigung nöthig. Ja wenn auch der Teufel in den Abgrund verschlossen sein wird, so wird doch die Nothwendigkeit nicht aufhören, durch den Glauben und aus den Werken gerechtfertigt zu werden. Wie stehet es in Ansehung dieser doppelten Rechtfertigung bei uns?

Mel.: O Durchbrecher aller Bande.

1.
In dem Himmel sang man Lieder,
Und die sang der Sieger Schaar,
Weil der Widerpart der Brüder
Nun hinausgeworfen war.
Denn sie hatten Recht gefunden,
Weil sie Glauben ausgeübt,
Durch des Lamms Blut überwunden,
Und ihr Leben nicht geliebt.

2.
Jetzo plagt der Drach’ die Erde,
Richtet Weh und Jammer an,
Schärft den Grimm auf Christi Heerde,
Weil er’s nicht lang treiben kann.
Gibt er da den Stuhl dem Thiere,
Sauft die Hure sich voll Blut,
Ist doch, daß Er nichts verliere,
Christus uns für Palmen gut.

3.
Kämpfet denn, wir werden siegen:
Christus gibt uns Recht und Macht,
Sein Wort dämpft des Mörders Lügen,
In dem Lammblut wird’s vollbracht.
Laßt uns nicht das Leben lieben,
Liebt Den, der das Leben heißt,
Unser Nam’ ist eingeschrieben,
Und das Pfand ist Christi Geist.

4.
Stärk’ uns, HErr, mit Deinem Blute
Und durch’s Wort, das Wahrheit ist;
Uns fehlts nicht am Glaubensmuthe,
Wenn Du, Held, nur mit uns bist.
Dem, der unter Jesu krieget,
Mag kein Sterben schrecklich sein,
Christi Blut und Zeugniß sieget,
Und Er führt zum Himmel ein.

16. September. Morgen-Andacht.

Ich bin gewiß, daß weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstenthum, noch Gewalt, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes, noch keine andere Kreatur mag uns scheiden von der Liebe Gottes, die da ist in Christo Jesu, unserm HErrn. Röm. 8,38.39.

Paulus hatte schon vorher, V. 35.36., eine Reihe beschwerlicher Dinge, welche die Auserwählten gefährden können, namhaft gemacht, und V. 37. hinzugesetzt: aber in dem Allem überwinden wir weit, so daß unser Sieg sehr völlig und herrlich ist, und wir es allenfalls noch mit mehr Feinden aufnehmen können, um deßwillen, der uns lieb gewonnen hat, nämlich um Christi willen, von dessen Tod, Leben und Herrlichkeit er V. 34. ein Zeugniß abgelegt hatte. Da Paulus dieses geschrieben hatte, stieg sein Geist noch mehr empor. Es war ihm nicht genug, den sieg der Auserwählten über die irdischen Bedrängnisse, die V. 35.36. erzählt sind, zu beschreiben: er übersieht nun die ganze Welt mit einem hellen Glaubensblick. Hier konnte er, wie David Ps. 18,34., zu dem HErrn sagen: Du stellest mich auf meine Höhe. Er sagte also: ich bin durch die Erkenntniß Jesu Christi, der todt war, und nun lebet und zur Rechten Gottes mein Fürsprecher ist, gewiß, daß er Tod uns nicht von der Liebe Gottes scheiden wird, es sei nun, daß wir an einer Krankheit, oder durch’s Schwert sterben. Als Todte sind wir dennoch des HErrn, und genießen Seine Liebe noch völliger als vorher. Auch das Leben, das lange Leben, das voll von ermüdender Mühseligkeit, voll von drückenden Beschwerden ist, soll uns nicht von der Liebe Gottes scheiden; denn Christus gibt uns täglich eine frische Lebenskraft, erhält Seine Reden grün, und hilft durch Alles hindurch. Aber Engel, böse Engel sind starke Feinde, und was oll man von den sichtbaren und unsichtbaren Fürstenthümern sagen, nämlich von den regierenden Personen, welche ganze Reihen von Geschöpfen unter sich haben, und mit denselben zu Feld ziehen können; ingleichen von den Personen oder Dingen, die in sich selbst sehr stark sind, und große Kräfte haben? Auch diese sollen uns nicht scheiden: weil Christus Jesus, unser HErr, zur Rechten Gottes sitzt, folglich größer als Alles ist. Und was will man weiter sagen? Man richte seinen Blick auf gegenwärtige und zukünftige Dinge, auf Alles, was eine Höhe heißt, und uns arme Erdenwürmer überfallen wollte, und auf Alles, was eine Tiefe heißt, und uns in ein tiefes Verderben hinabziehen könnte; ja man richte seinen Blick auf alle Kreaturen: was darf man mit fester Ueberzeugung glauben? Dieses darf man glauben, daß unter diesem Allem nichts sei, das uns von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu, unserm HErrn, ist, und durch Ihn auch von dem Vater auf uns fließt, und durch den Heiligen Geist in unsern Herzen ausgegossen wird, scheiden könne. Diese Liebe bleibt beständig auf uns gerichtet, und wir werden dieselbe ewiglich genießen.

Paulus sagt dieses Alles von sich selbst und von allen Auserwählten Gotte. Doch dürfen wir nicht meinen, daß er dadurch, daß er von Auserwählten redet, den überschwänglichen Trost, der in seinen Worten liegt, hat in eine Dunkelheit einhüllen, und ungewiß, folglich unbrauchbar machen wollen. Auserwählte Gottes sind diejenigen, die nach dem göttlichen Vorsatz berufen sind, und die Gott auch gerecht gemacht hat, und endlich herrlich machen will, V. 28.30. Wer sich also seiner Rechtfertigung bewußt ist, ist ein Auserwählter Gottes, und darf mit Andern beten: HErr, mehre uns den Glauben; damit wir Paulo seinen Glaubensruhm nachsprechen können.

Mel.: HErr Jesu Christ, mein’s Lebens etc.

1.
Das ist des Glaubens höchster Schwung,
Die freudiger Versicherung,
Daß weder Tod noch Leben schreckt;
Denn Jesus starb und ward erweckt.

2.
Kein Engel, Fürstenthum und Macht
Wird von dem Glauben hochgeacht’t,
Der Jesum dort zur Rechten find’t,
Wo Ihm auch Engel dienstbar sind.

3.
Nichts, was man gegenwärtig kennt,
Nichts, was man jetzt noch künftig nennt,
Nichts, was erhöht, was Tiefe heißt,
Bewegt des Glaubens wackern Geist;

4.
Auch keine and’re Kreatur;
Man hat den HErrn, man glaubet nur;
Bei Gott kommt Jesus für uns ein,
Wie könnten wir geschieden sein?

5.
Die Liebe Gottes bleibt getreu;
Das Fürwort Christi ist stets neu.
Wir rühmen uns nicht eig’ner Kraft,
Doch wissen wir, daß Gott sie schafft.

6.
O Vater, Deine Macht ist groß,
Ach führ’ mich durch zu jenem Loos,
Daß ich die Liebe loben lern’,
In Christo Jesu, uns’rem HErrn!

16. September. Abend-Andacht.

Zu der letzten Zeit werden Spötter sein, die nach ihren eigenen Lüsten des gottlosen Wesens wandeln. Diese sind’s, die da Rotten machen; Fleischliche, die keinen Geist haben. Jud. 18. 19.

Man gibt ich oft viele Mühe, die Wahrheit gründlich zu beweisen, und thut damit aufrichtigen und ernsthaften Gemüthern einen wichtigen Dienst, bei Andern aber richtet man nichts aus, weil diese die Liebe der Wahrheit nicht angenommen, sondern dagegen das Eitle lieb und die Lügen gern haben. Obgleich man ihnen also die Wahrheit beweist, so verwerfen sie dieselbe doch, weil sie dieselbe nicht lieb haben, da es ihnen dann an leeren Einwendungen wider den Beweis derselben nicht fehlt, und obgleich die Lügen thöricht sind, und keinen scheinbaren Beweis für sich haben, so glauben sie dieselben doch, weil sie dieselben lieb haben. Solche Leute heißen in der Bibel Spötter, und diese Spötter sind viel ärger als unwissende oder auch verführte Leute, welche bereit sind, von der Wahrheit sich belehren und überzeugen zu lassen. Solcherlei Spötter gab es zur Zeit der Apostel, und hernach in allen Jahrhunderten: jetzt aber ist ihre Zahl sehr groß; weßwegen auch die letzte antichristische Verführung und Noth bald einbrechen wird. Diese Leute schmücken sich mit der Sittenlehre, und reden und schreiben viel von der Tugend, wenn man sie aber in der Nähe besieht, so findet man, daß sie nach ihren eigenen Lüsten des gottlosen Wesens wandeln. Sie machen Rotten oder Spaltungen, weil sie der Wahrheit mit dem Mund und mit der Feder witzig widersprechen, und dadurch unbefestigte Leute an sich ziehen; da es dann ihrer Eigenliebe wohlthut, wenn sie auf den Ruin der alten Wahrheit sich selbst das Ehrenzeichen der Verbesserer, der lichtvollen köpfe, der starken und witzigen Geister aufrichten können, und einen großen Haufen betrogener Schüler um sich sehen. Sie sind aber Fleischliche, oder haben nur eine natürliche Seele, und keinen Geist. Freilich haben sie nur eine natürliche Seele, und begehren auch keine andere zu haben, weil sie die tiefe Verderbniß derselben leugnen, und zu ihrem natürlichen Verstand und Willen das beste Zutrauen haben. Sie haben keinen Geist, weil sie die Wiedergeburt, durch welche er in den Menschen entsteht, nur für eine neue Richtung halten, in welche die natürlichen Neigungen gebracht werden sollen, und das Geheimnißreiche bei diesem Werk Gottes nicht erkennen; ja weil sie weder eingestehen noch erfahren wollen, daß Gott übernatürlich in der Seele wirke, sie erleuchte, reinige, in Sein Bild verkläre, und zu einer neuen Kreatur mache. Was wird nun diese Leute für ein Gericht treffen? Enoch hat es schon geweissagt, da er sagte: siehe, der HErr kommt mit viel tausend Heiligen, Gericht zu halten über Alle, und zu strafen alle ihre gottlosen, um alle Werke ihres gottlosen Wandels, damit sie gottlos gewesen sind, und um alles das Harte, das die gottlosen Sünder wider Ihn geredet haben, V. 14. 15. Diejenigen aber, welche die Wahrheit lieben, und die Lügen hassen, sollen die Ermahnung des Apostels Judas zu Herzen nehmen, der V. 20. 21. sagt: ihr, meine Lieben, erbauet euch auf euren allerheiligsten Glauben, durch den Heiligen Geist, und betet: und behaltet euch in der Liebe Gottes, und wartet auf die Barmherzigkeit unsers HErrn Jesu Christi zum ewigen Leben. Laß, HErr, meinen Gang gewiß sein in Deinem Wort, und laß kein Unrecht über mich herrschen, Ps. 119,133.

Mel.: Alles ist an Gottes Segen.

1.
In dem Lauf der letzten Zeiten
Kommt ein Schwall von argen Leuten;
Denn es werden Spötter sein,
Menschen, die nach ihren Lüsten
In Gottlosigkeit sich brüsten,
Und den Richter nicht mehr scheu’n.

2.
Christen! laßt die Spötter fahren,
Wie die, die vor ihnen waren,
Welche Fluth und Gluth verschlang.
lange werden sie’s nicht treiben;
Nur der Glaubige wird bleiben
Bei der Spötter Untergang.

3.
Laßt sie sich des Fleisches freuen,
Frech sein bei des Wortes Dräuen;
Denn sie haben keinen Geist.
Wir sind durch die Gnade Christen,
Deren Fleisch sammt seinen Lüsten
Mit dem HErrn gekreuzigt heißt.

4.
Wenn wir denn im Geiste leben,
Laßt uns nach dem Wandel streben,
Der der Salbung würdig ist;
Denn der Richter jener Spötter
Ist der Glaubigen Erretter,
Und mit Christo lebt der Christ.

5.
Jesu! mach’ uns fest im Glauben
Laß uns sein als wie die Tauben
Bei der Blinden Spötterei.
Dein Geist stärk’ uns bis zum Sterben,
Mach’ uns Isaak nach, als Erben,
Recht bald von den Spöttern frei!

17. September. Morgen-Andacht.

Fürwahr Du bist ein verborgener Gott, Du Gott Israels, der Heiland. Jes. 45,15.

Jesaias sah im Geist und weissagte, daß das Volk Israel von den Chaldäern überwältigt und in die Gefangenschaft weggeführt werden, und hernach als zerstreut, verachtet, gehaßt und gedrückt, unter den Heiden kümmerlich leben werde. Der Fall des jüdischen Reiches und die Gefangenschaft Israels konnte Vielen ein Anstoß werden; denn wer die Wege und Gerichte Gottes nicht erkannte, konnte es damals für erwiesen halten, daß die Götzen der Heiden mächtiger seien, als der Gott Israels, und vermuthen, daß die jüdische Religion, welche mehr äußerliche Anstalten als die christliche erforderte, bald gar verlöschen werde, und zugleich dafür halten, der Ruhm der Juden von göttlichen Verheißungen, die ihnen gegeben worden seien, und von dem Messias, der unter ihnen zu Bethlehem geboren werden sollte, sei nichtig und eitel. Es ist auch kein Zweifel, daß viele Israeliten wider den Unglauben werden zu kämpfen gehabt haben. Wo sollte nun eine Hülfe herkommen? Das chaldäische Reich war sehr mächtig, und seine Hauptstadt Babel eine sehr feste Stadt. So lange aber Babel herrschte, konnte Zion nicht aufkommen. Was that aber der HErr? Er erweckte, nachdem das chaldäische Reich nur 70 Jahre gewährt hatte, den Geist des Königs eines armen und geringen Volkes, nämlich den Geist des Kores, des Königs der Perser, und gab ihm Sieg über Sieg, daß er das chaldäische Reich überwältigen und Babel einnehmen konnte. Auch lenkte Er ihm das Herz, daß er schon im ersten Jahre seiner Regierung den Juden die Erlaubniß gab, in ihr Land umzukehren, und den Tempel des HErrn wieder zu bauen. Nun war Alles wieder in’s rechte Geleis gebracht; nun sah man, daß alle Verheißungen an den Juden bis auf die letzte Weltzeit hinaus erfüllt werden würden. Jesaias rief, nachdem er dieses Alles geweissagt und überdacht hatte, aus: fürwahr Du bist ein verborgener Gott, Du Gott Israels, der Heiland. Das hätte Niemand gedacht, Niemand vermuthen, Niemand voraussagen können, daß es so gehen werde. Die chaldäischen Wahrsager haben dem Reich Babels eine ewige Dauer verkündigt; sie wurden aber durch den Erfolg zu Schanden gemacht. Der verborgene Rath Gottes aber, der nie fehlt, ist erstlich den heiligen Propheten geoffenbart, und hernach durch die Erfüllung Jedermann kund worden. Er ist Israels Heiland: wie Er’s aber sein wolle, war, ehe Er’s offenbarte, der ganzen Welt verborgen.

Zu allen Zeiten ist Gott ein verborgener Gott, und zugleich der Heiland derer, die Ihm vertrauen. Er will helfen; wie aber und wann Er helfen werde, und durch was für Werkzeuge Er helfen werde, kann vorher Niemand errathen. Unerwartete Wege und Gerichte Gottes kommen immer zum Vorschein. Ja wenn Gott auch etwas von den Propheten hat vorher verkündigen lassen, so ist doch die Erfüllung einer jeden Weissagung in solche Umstände eingewickelt, die sich vorher Niemand hat vorstellen können. Wenn ich also denke: ich sehe nicht hinaus, ich sehe keinen Weg vor mir; wenn es mich dünkt, es sei Alles abgeschnitten, Alles verloren, so soll ich mich erinnern, daß Gott ein verborgener Gott sei, und mich nicht vorher errathen lasen wolle, was Er thun werde. Aus Seiner verborgenen Tiefe wird aber Eines nach dem Andern hervorkommen, zur Erfüllung Seiner Verheißungen; und ich werde hintennach sagen können: Sein Rath ist wunderlich, und Er führet es herrlich hinaus. Selig sind also, die nicht voraus sehen, und doch glauben.

Mel.: Allein Gott in der Höh’ sei Ehr’.

1.
Gott, ein Verborg’ner heißest Du,
Und lässest doch dich sehen;
Da schaut man Deinen Werken zu,
Und kann sie nicht verstehen.
Wenn auch Dein Arm durch Wasser führt,
So wird Dein Fuß doch nicht gespürt,
Es bleiben doch die Tiefen.

2.
Kein Mensch denkt so, wie Du gedenkst,
Du gehst nicht uns’re Gänge;
Wenn Du bald Fürsten Herzen lenkst,
Bald einer großen Menge.
Jetzt sieht man einem Gras nicht an,
Wie das zur Blume werden kann,
Das Du doch herrlich kleidest.

3.
Wie Dein Geist an den Herzen schafft,
Ist uns’rem Geist verdecket;
doch fühlt ein Saul die Gotteskraft,
Die aus dem Tode wecket.
Fürwahr, verborgen ist Dein Rath;
HErr, Gott, geheim führst Du die That;
Dein ist die Macht und Ehre!

17. September. Abend-Andacht.

Mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen lieblichen Liedern singet dem HErrn in euren Herzen. Kol. 3,16.

Als die Israeliten an den Wassern Babels saßen und weineten, wenn sie an Zion gedachten, so hingen sie ihre Harfen ungebraucht an die Weiden, die darinnen waren, und wenn die Heiden sie hießen fröhlich sein, und ein Lied von Zion singen, so antworteten sie: wie sollen wir des HErrn Lied singen im fremden Lande? Hingegen ermahnte Paulus durch den Heiligen Geist die Epheser 5,19., und die Kolosser Kol. 3,16., ungeachtet sie außer dem Land Kanaan unter den Heiden wohnten, und von denselben oft gedrängt wurden, dem HErrn mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen lieblichen Liedern in ihren Versammlungen und in ihren Herzen zu singen. Der kindliche Geist des Neuen Testaments kann also unter allen Umständen und an allen Orten zum Singen und zur Freude erwecken; da hingegen die Glaubigen des Alten Testaments mit ihren Herzen mehr an dem Berg Zion hingen, und ihre Zerstreuung schmerzlicher empfanden. Zwar sind in den Büchern des Alten Testaments viele Lieder enthalten, und der Heilige Geist hat nicht wenige israelitische Propheten zu Poeten gemacht; da hingegen weder der Sohn Gottes Jesus Christus noch ein Apostel ein Lied hinterlassen hat. Doch schicken sich Psalmen, welche bei dem Ton der Instrumente gesungen werden, und Lobgesänge, mit welchen man das Lob Gottes besingt, und geistliche Lieder, welche von andern geistlichen Materien handeln, gar wohl zu dem neutestamentlichen Gottesdienst. Diese Psalmen, diese Lobgesänge und diese Lieder sollen und dürfen lieblich oder anmuthig gesungen werden, sie sollen aber dem HErrn gesungen werden, und also eine Art der Anbetung sein, die man Ihm leistet. Sie sollen im Herzen gesungen werden, aber freilich nicht ohne den Mund, doch soll das Herz, das Innerste der Seele, vornämlich singen. Da sollen geistliche Bewegungen entstehen. Da sollen die Psalmen, Lobgesänge und Lieder geglaubt, empfunden und dem HErrn aufgefordert werden. Eph. 5,18.19.werden die geistlichen Gesänge, welche ein Herz, das voll Geistes ist, erfordern, dem unordentlichen Wesen derer, die sich voll Weins saufen, entgegengesetzt; es ist aber bekannt, daß trunkene Leute ihren Muthwillen oft auch durch unzüchtige oder andere eitle Lieder ausüben, ja daß auch geistliche Lieder in ihrem Munde zu einem Gräuel werden. Die eitle Christenwelt macht und singt auch ohne Wein solche Lieder, welche schandbare Worte, Scherz und Narrentheidungen, die den Christen nicht geziemen, enthalten, oder Freude und Leid, Lob und Tadel auf eine lügenhafte Weise beschreiben, oder wenigstens unter die unnützen Worte zu rechnen sind, für die ein jeder Mensch Rechenschaft geben muß. Wenn auch geistliche Lieder von ungeistlichen Menschen ohne Andacht gesungen werden, wie es häufig bei dem öffentlichen Gottesdienst geschieht, so ist es ein Geplärr der Lippen, und ein Psalterspiel, das Gott nicht hören mag, Am. 5,23.

Im Himmel singen die 24 Aeltesten, und haben Harfen dabei, Offenb. 5,8. Ein besonderes Lied singen die 144,000, deren Off. 14. Meldung geschieht; am gläsernen Meer aber stehen die Ueberwinder des antichristlichen Uebels, und haben Gottes Harfen, und singen das Lied Mosis, des Knechtes Gottes und das Lied des Lammes, Offenb. 15.

Mel.: Aus meines Herzens Grunde.

1.
Wenn man die Kunst der Töne
Nun auf das Höchste treibt,
Heißt doch dem Geist nichts schöne,
Was nur bei’m Eiteln bleibt;
Der Menschen Kunst kann nicht
Gewissen übertäuben;
Spielt nur bis zum Zerstäuben,
Es folgt doch das Gericht!

2.
Nichts soll mir lieblich klingen,
Als das, was geistlich heißt;
und von dem Sohn zu singen
Lehrt uns des Vaters Geist.
Da wird das Herz erfreut;
Man singt von Gottes Lobe,
Als Schüler, hier die Probe
Schon auf die Ewigkeit.

3.
Sing’ ich von Christi Liebe,
Gefället Gott mein Lied;
Je mehr ich solches übe,
Macht mich der Tod nicht müd’,
Noch jener Tag betrübt;
Man wird’s in vollen Chören
Im neuen Himmel hören:
Das Lamm hat uns geliebt.

4.
Der Schwermuth stille Schmerzen
Treib’ ich mit Psalmen fern,
Und spiele in dem Herzen
Doch Jesu, meinem HErrn.
Wenn Gottes Geist es stimmt,
So muß es dennoch tönen,
Daß, wenn es voll von Thränen,
Das Lob doch oben schwimmt.

5.
HErr! wird einst meine Kehle
Im Sterben dürre sein,
So führe meine Seele
Zu jenen Schaaren ein;
Da wird’s ein and’rer Ton,
Da wird es reiner klingen,
Da wird man ewig singen,
O Gott, vor Deinem Thron!

18. September. Morgen-Andacht.

Es gefiel Gott wohl, durch thörichte Predigt selig zu machen, die daran glauben. 1 Kor. 1,21.

Paulus spottet hier der Welt auf eine heilige Weise, und sagt, sie sei eine weise Welt, habe aber in ihrer Weisheit Gott in Seiner Weisheit nicht erkannt, da doch die Erkenntniß Gottes die einzige wahre Wahrheit sei. Deßwegen habe es aber Gott gefallen, durch eine thörichte Predigt selig zu machen, die daran glauben. Die thörichte Predigt ist das Evangelium von Christo, dem Gekreuzigten, welches der Welt, die sich weise zu sein dünkt, und darüber verdammt wird, thöricht zu sein scheint, wie es Paulus V. 18. selber erklärt, da er sagt: das Wort vom Kreuz ist eine Thorheit denen, die verloren werden. Daß aber die Weisheit der Welt, in so fern sie am Glauben hindert, nicht nur dem Scheine nach, sondern wahrhaftig eine Thorheit sei, bezeugt Paulus dadurch, daß er V. 19.20. sagt: es steht geschrieben: Ich will zu nichte machen die Weisheit der Weisen, und den Verstand der Verständigen. Wo sind die Klugen? Wo sind die Schriftgelehrten? Wo sind die Weltweisen? Hat nicht Gott die Weisheit der Welt zur Thorheit gemacht? Ein Jeder prüfe sich also, was seine Weisheit oder seine Art zu denken, die ihm richtig zu sein dünkt, sei. In Künsten und Wissenschaften, die zum irdischen Leben gehören, können es die Menschen auch ohne den Glauben an Christum und ohne Seinen Geist weit bringen; auch macht sie das in’s Herz geschriebene Gesetzeswerk tüchtig, von demjenigen, was recht oder unrecht ist, in gewissem Maße richtig zu urtheilen. Bis hieher haben es auch die Heiden gebracht; es ist aber eine Schande für die Christen, wenn sie es nicht weiter bringen. Diese sollen die Frage entscheiden können, worüber die Heiden vergeblich nachgedacht haben: wie soll ein Sünder Gnade bei Gott finden? wie soll er selig werden? Wenn nun hier der Christ sich selber einen weisen Plan macht, so ist er ein weiser Thor, und geht, wenn er sich nicht davon abbringen läßt, verloren. Hier soll Niemand ein Erfinder oder Richter sein wollen. Hier ist nichts nöthig, als Hören, Lernen, Glauben. Gott selbst hat diese Frage entschieden. Er hat ein Evangelium geoffenbart, nach welchem der gekreuzigte Christus unsere Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung sein soll. Dünkt dich diese Predigt thöricht zu sein, so bist du zu bejammern. Gott wird um deinetwillen Sein Evangelium nicht anders einrichten, und keinen andern Weg zum ewigen Leben öffnen. Glauben, was Gott durch Seinen Geist geoffenbart hat, 1 Kor. 2,10., ist die größte Weisheit, und der Preis, der darauf gesetzt ist, ist kein geringerer als die ewige Seligkeit. Aber die Menschen wollen lieber Erfinder und Meister als Schüler Gottes sein. Sie bauen gern Festungen mit ihrem Verstand, worin sie meinen sicher zu sein, und machen Vernunftschlüsse, und fahren hoch her, und wollen mit ihrer Vernunft frei sein; ein Prediger des Evangeliums aber, dem Gott eine Thüre aufthut, zerstört diese Festungen und diese Vernunftschlüsse und alle Höhen, und nimmt alle Vernunft unter den Gehorsam Christi gefangen, 2 Kor. 10,5. Selig ist, dem es so geht; unselig aber, der seine Festung, seine Vernunftschlüsse und seine Höhe bis an’s Ende behauptet, und lieber das Evangelium verkehrt, und mit einer falsch berühmten Kunst zu einer Weltweisheit macht, als daß er von seiner eigenen thörichten Weisheit etwas abgäbe. HErr, erleuchte mich, daß ich weise werde zur Seligkeit.

Mel.: O Durchbrecher aller Bande.

1.
Gottes Thörichtes ist weiser,
Als der Menschen Weisheit ist;
Er nimmt nicht die edlen Reiser,
Wenn Er was zum Pfropfen liest;
Er erwählet nur das Schwache,
Und das Starke wird veracht’t;
Denn das ist des Höchsten Sache,
Daß Er Nichts zu Etwas macht.

2.
Also geht Er mit Verkehrten
Auf verkehrte Weise um;
Was wir nach dem Fleische ehrten,
Dem benimmt Gott allen Ruhm;
Was Gewalt der Menschen nöthigt,
Macht Er sich durch Huld bereit,
Und durch eine Kreuzespredigt
Wirkt Er unsre Seligkeit.

3.
Gott! so beten wir im Glauben
Deine Kraft und Weisheit an,
Daß Dein Gnadenruf uns Tauben
Auch die Ohren aufgethan.
Schilt die Welt uns schon für Narren,
Läßt Dein Evangelium
Uns doch auf den Himmel harren,
Und dort bringen wir Dir Ruhm.

18. September. Abend-Andacht.

Jesus sprach zu Thomas: sei nicht unglaubig, sondern glaubig. Thomas antwortete und sprach zu Ihm: mein HErr und mein Gott! Joh. 20,27.28.

Die Lehre von der Auferstehung Jesu ist ein sehr wichtiger und nothwendiger Artikel unseres christlichen Glaubens; denn wenn Christus nicht auferstanden wäre, so wäre unser Glaube eitel, und wir wären noch in unsern Sünden, wie Paulus 1 Kor. 15,17. bezeugt. Der auferstandene Jesus war den heiligen Weibern, und hernach den Aposteln erschienen. Weil aber damals von vielen Erscheinungen geredet wurde, sintemal viele Leiber der Heiligen aus den Gräbern gegangen, und in der Stadt Jerusalem Vielen erschienen waren, so besorgte Thomas, die Weiber und die Apostel haben sich in Ansehung der Person, die ihnen erschienen war, geirrt, und sagte deßwegen: es sei denn, daß ich den Händen Jesu sehe die Nägelmale, und lege meine Finger in die Nägelmale, und lege meine Hand in Seine Seite, will ich’s nicht glauben, daß Er’s sei. Er glaubte also, die Wunden, die der auferstandene Jesus noch an Seinem Leib haben müsse, seien allein die sicheren Kennzeichen, welche Ihn von andern auferstandenen Heiligen unterscheiden, und nahm es hierin so genau, daß er nicht einmal seinen Augen trauen, sondern diese Wunden auch betasten wollte. Besser wäre es freilich gewesen, er hätte dem Wort der Propheten, welche die Auferstehung Jesu vorher geweissagt hatten, und den Worten Jesu selbst, wodurch Er verkündigt hatte, daß Er am dritten Tage nach Seinem Tod wieder auferstehen werde, geglaubt, als daß er’s auf das Sehen ankommen lassen, und bei demselben sogar eine mißtrauische Untersuchung anstellen wollte, weßwegen auch der HErr Jesus zu ihm sagte: selig sind, die nicht sehen, und doch (um des Wortes willen) glauben. Indessen kostete den Thomas sein Unglaube, den er für eine kluge Vorsichtigkeit hielt, noch eine achttägige Trockenheit und Finsterniß seiner Seele. Weil er aber doch ein redliches Herz hatte, und einer von denen war, denen der Heiland versprochen hatte: über ein Kleines werdet ihr Mich sehen, so erschien Er ihm und den andern Aposteln abermal, reichte ihm, um zu zeigen, daß Er seine Worte gehört habe, Seine durchstochenen Hände hin, und zeigte ihm Seine geöffnete Seite, und sagte zu ihm: sei nicht unglaubig, sondern glaubig; Thomas aber antwortete und sprach zu Ihm: mein HErr und mein Gott! Zu Ihm sagte Thomas diese Worte, folglich hielt er Ihn für seinen HErrn und für seinen Gott. Es ist also ungeschickt, wenn man diese Worte nur für einen Ausruf hält, womit Thomas seine Verwunderung habe anzeigen wollen; denn zu geschweigen, daß man von einem solchem Ausruf, der heut zu Tage nur allzugewöhnlich ist, keine Spur bei den Juden findet, so wird nie gesagt, daß die Worte eines solchen Ausrufs zu demjenigen, der nicht selber Gott war, gesprochen worden seien.

Wenn ein Mensch das erstemal vom Unglauben zum Glauben übergeht, so geht die allerseligste Veränderung mit ihm vor, denn er wird alsdann wiedergeboren, gerechtfertigt und mit dem Heiligen Geist begabt. Hernach aber muß der Mensch noch oft in Ansehung gewisser Lehrpunkte und Theile des Evangeliums vom Unglauben zum Glauben übergehen, und auch dieses ist immer ein seliger Uebergang.

Mel.: Was Gott thut, das ist wohlgethan.

1.
Du, Jesu, bist mein HErr, mein Gott,
Dich hat mein Herz gefunden,
Und auf dein seliges Gebot
Freu’ ich mich Deiner Wunden;
Du hast’s erlaubt,
Ich hab’s geglaubt;
Der sich an’s Kreuz gegeben,
Der lebt und ist mein Leben.

2.
Ich schäme mich, daß ich mein Herz
So träg zum Glauben finde;
Bald irrt von außen mich mein Schmerz,
Bald hindert mich die Sünde;
Du bist voll Huld,
Du trägst Geduld,
So glaub’ ich auf das Neue,
Mein HErr, durch Deine Treue.

3.
Es steht doch nicht in meiner Kraft,
Dich glauben und nicht sehen;
Du bist es selbst, der Glauben schafft,
Sprichst du, so ist’s geschehen.
Ach sprich mir Du:
Sei glaubig! zu,
So wird das Herz mir brechen,
Daß ich kann: mein Gott, sprechen.

4.
Mein HErr! durch dein vergoss’nes Blut
Hast Du mich Dir gereinigt;
Mein Gott! Du lebst auch mir zu gut,
Hast mich mit Gott vereinigt;
Ach ziehe mich Recht fest an Dich,
Mich Dir hier zu ergeben,
Und dort bei Dir zu leben!

5.
Dort, wo vor Dir, verherrlicht Haupt,
Einst die Erlösten stehen,
Dort laß mich, wenn es ausgeglaubt,
Auch Deine Wunden sehen.
Da bet’ ich dann
Dich ewig an,
Will Dank und Ehre bringen
Und: mein HErr, mein Gott! singen.

19. September. Morgen-Andacht.

Durch Seine Weisheit sind die Wolken mit Thau triefend gemacht. Spr. 3,20.

Salomo preist im dritten Kapitel der Sprüchworter die Weisheit, und muntert uns auch auf, dieselbe zu suchen. Er reizt uns nicht nur durch den Nutzen, den die Weisheit dem Menschen verschafft, zu diesem Suchen, sondern beschreibt auch die Weisheit, wie sie in Gott als das Urbild und die Quelle aller Weisheit ist, deren die Menschen theilhaftig werden können. Wer also weise wird, wird hierin Gott, der allein weise ist, ähnlich, und erlangt wieder Sein Ebenbild nach dem Maß der erlangten Weisheit. Von der göttlichen Weisheit sagt Salomo V. 19.20.: der HErr hat die Erde durch Weisheit gegründet, und durch Seinen Rath den Himmel bereitet; durch Seinen Rath sind die Tiefen zertheilt, und die Wolken mit Thau triefend gemacht. Die Tiefen oder Abgründe gehören zur Erde, und die Wolken zum Himmel. Die Tiefen sind zertheilt, daß sie das Wasser durch verschiedene unterirdische Gänge bis auf die Oberfläche der Erde herauftreiben, und also Quellen an sehr vielen und verschiedenen Orten anrichten, wo die Menschen und Thiere ihre Nahrung finden sollen. Die Wolken des Himmels aber hat der HErr mit Thau triefend gemacht, damit das Erdreich auch da, wo die fließenden Wasser nicht hinkommen, von oben her befeuchtet werde. Hieraus erhellt schon zur Genüge, daß die Weisheit Gottes eine wohlthuende Weisheit sei, und die Weisheit der Menschen auch eine solche sein solle. Gleichwie die göttliche Weisheit den Himmel und die Erde in eine liebliche Harmonie mit einander gesetzt hat, also wird auch der Mensch durch die wahre Weisheit, die von oben kommt, dasjenige, das sein soll, nie zerstören, und was zusammengehört, nie zertrennen, sondern erhalten, vereinigen und zusammenhalten. Was insonderheit den Thau anbelangt, so ist er ein reines Wasser, das sich ohne Geräusch aus den Wolken auf die Erde herabsenkt, und zur Fruchtbarkeit der Erde sehr Vieles austrägt. Gleichwie nun Gott die Wolken nicht so gemacht hat, daß sie täglich mit Ungestüm herabstürzen, sondern daß sie mit Thau triefen, also soll sich ein weiser Mensch vor allem ungestümen Geräusch, vor aller brausenden Heftigkeit hüten. Er soll seine guten Werke nicht ausposaunen, oder ausposaunen lassen, wie die Pharisäer gethan haben, auch soll er, wenn er wohlthun will, die Annehmlichkeit seiner Wohlthat nicht durch ungestüme und rauhe Vorwürfe verderben, sondern wie der Thau soll er sich still mit seiner Güte niederlassen, wo es nöthig ist, und zufrieden sein, daß Gott, der in’s Verborgene sieht, sein Thun weiß, und öffentlich vergelten wird. Jakobus drückt dieses Alles Kap. 3,17. so aus: die Weisheit von oben her ist friedsam, gelinde, lässet ihr sagen, voll Barmherzigkeit und guter Früchte, unparteiisch und ohne Heuchelei; die Frucht aber der Gerechtigkeit wird durch Wohlthun gesäet im Frieden, und kommt denen zu gut, die den Frieden halten. Auf diese Weise können uns viele Werke Gottes lehrreiche Beispiele sein, wie denn der HErr Christus einige derselben in Seinen Gleichnissen auf dieser Seite vorgestellt hat. Sie sind aber auch an sich selbst Proben der unerforschlichen Weisheit Gottes. wer ihrer achtet, hat eitel Lust daran, und soll Gott wegen derselben preisen.

Mel.: Morgenglanz der Ewigkeit.

1.
Seele, thu’ nach deinen Pflichten;
Feuer, Hagel, Dampf und Schnee,
Sturmwind, die Sein Wort ausrichten,
Loben Gott in Seiner Höh’;
Lobe du auch, wie der Thau
Auf der Au.

2.
Laß von dir in stiller Nacht
Reine Thränentropfen steigen,
Die die Gnade fruchtbar macht,
Und der Glaube soll sie zeugen;
Denn die Seele lobet Ihn
Auch hierin.

3.
Sieh, wie lieblich kann sich nicht
In dem Thau die Sonne malen;
So laß Jesum, als das Licht,
Auch in deinem Innern strahlen;
Glänzt Sein Blut und Licht hierin,
Lobst du Ihn.

4.
Lassen Pflanzen Thau von sich
Von des Himmels Segen schliefen,
Lasse du das Wort in dich
Auch zu deinem Wachsthum triefen.
Kriegst du also Christi Sinn,
Lobst du ihn.

5.
Spiegelt sich die Sonne hier
Schon so schön im Thau der Erden,
O wie herrlich werden wir
Dort zu Gottes Lobe werden!
Gott, mein Vater, schaffe Du
Mich dazu!

19. September. Abend-Andacht.

Der andere von den Uebelthätern, die mit Jesu gekreuzigt waren, sprach zu Ihm: HErr gedenke an mich, wenn Du in Dein Reich kommest. Luk. 23,42.

Es gereichte dem HErrn Jesu ohne Zweifel zur Erquickung in Seinem tiefen Leiden, daß sich einer von den Uebelthätern, die mit Ihm gekreuzigt worden waren, in seinen letzten Stunden bekehrte, und Er also ihn als eine Beute bekam. Es war auch solches desto wunderbarer, weil es schien, daß die Schmach und das ganze Leiden des lieben Heilandes damals den Glauben an Ihn hindern, nicht aber erwecken und fördern könne. Allein der Heilige Geist wirkte so kräftig in des Uebelthäters Seele, daß er alle Aergernisse überwand, und durch die Geberden und Reden Jesu überzeugt wurde, daß Er der HErr sei, in dessen Angedenken ein Sterbender sich empfehlen könne. Nachdem er also seinen Kameraden, der Jesum in der Ungeduld lästerte, bestraft hatte, so sprach er zu Jesu: HErr, gedenke an mich, wenn Du in Dein Reich kommest. Ohne Zweifel sah er Jesum für den Messias an, und wußte als ein Jude, daß der Messias ein König sei, und ein Reich habe; denn diese Wahrheit wurde unter dem Judenvolk damals sehr stark getrieben, da hingegen die Wenigsten wußten, daß Er auch ein Priester und ein Opfer für die Sünde sei. Der Uebelthäter aber sah wohl, daß es mit Jesum dem Tod zugehe, hoffte aber, er werde wieder lebendig werden, und dereinst in Sein Reich kommen. Wie deutlich und wie richtig er sich diese Zukunft Jesu vorgestellt habe, können wir nicht sagen, gewiß aber ist’s, daß er auch seine eigene Auferstehung geglaubt habe, weil er bat, daß der HErr Jesus seiner bei der Zukunft in Seinem Reich gedenken möchte. Dieses Alles wußte er wegen des Unterrichts, den er als ein Israelite aus dem Wort Gottes bekommen hatte, und was er wußte, wurde nun in ihm lebendig und kräftig, und es kam noch der Glaube dazu, daß Jesus, der neben ihm am Kreuze hing, der Messias sei. Der HErr Jesus übersah hiebei Vieles; wie denn der Uebelthäter, wenn er nach allen Artikeln des christlichen Glaubens hätte geprüft werden sollen, von vielen keine Antwort hätte geben können. Er konnte auch der heiligen Taufe und des heiligen Abendmahls nimmer theilhaftig werden; übrigens war sein Herz redlich. Er bereute und verabscheute seine Sünde, hatte zu Jesu als dem HErrn, dem Messias ein Vertrauen, auch in Ansehung einer zukünftigen Seligkeit, und bekannte diesen Glauben öffentlich. Er starb mit seinem zerknirschten und glaubigen Herzen noch am selbigen Tag, und kam in das himmlische Paradies, von dem die Juden etwas wußten, und wurde da in ein großes Licht versetzt. Doch soll Niemand hieraus den Schluß machen, daß an den Artikeln des christlichen Glaubens, worin der Uebelthäter unwissend war, nichts gelegen sei; denn wenn er länger gelebt hätte, so hätte er sich taufen lassen, und von der christlichen Lehre so Vieles fassen müssen, daß es bei ihm den Ausschlag gegeben hätte, sich von dem Judenthum weg, und zu der christlichen Kirche zu wenden. Auch wären ihm bei den täglichen Versuchungen viele Wahrheiten unentbehrlich gewesen, deren er in den letzten Stunden nicht mehr bedurfte.

Mel.: O Welt, sieh hier dein Leben.

1.
Im allerhöchsten Grade
Fand jener Schächer Gnade,
Weil er noch Buße that,
Noch glaubte, noch bekannte
Und, den die Welt verbannte,
Als HErrn des Reichs der Himmel bat.

2.
Das ist die Wundersache,
Daß Jesus selig mache,
Wer vorher Sünder war;
Doch dient es nicht zum Grunde,
Daß man die letzte Stunde
Zum Beten, Buß’ und Glauben spar’.

3.
Zur Warnung soll mir’s dienen;
Die Gnade ist erschienen,
Mit Gnade scherzt man nicht.
Hing nicht der andre Schächer
Am Kreuz auch als Verbrecher,
Starb aber hin auf sein Gericht?

4.
Wie gut ist frühe Buße,
Und zu des Heilands Fuße
Um Sein Erbarmen fleh’n,
Im Glauben HErrn Ihn nennen,
Im Leben Ihn bekennen,
Im Leiden auf Sein Leiden seh’n.

5.
Ich preise Dein Erbarmen,
HErr Jesu, der mich Armen
In Seine Gnade nahm!
Erhalte mich hierinnen,
Und nimm mich einst von hinnen
Zu Dir, wohin der Schächer kam.

6.
So lang ich noch soll leben,
Laß mir die Gnade geben,
Was keine Welt mir gibt;
Auf Gnade laß mich sterben,
Aus Gnaden laß mich erben,
Gedenke, daß Du mich geliebt!

20. September. Morgen-Andacht.

Wenn Jemand eine Schlange biß, so sah er die eherne Schlange an, und blieb leben. 4 Mos. 21,9.

Daß die eherne oder kupferne Schlange, die Moses in der Wüste hoch aufhängen ließ, ein Vorbild Christi gewesen sei, erhellt aus den Worten, die Christus Joh. 3,14.15. zu dem Nicodemus gesagt hat: wie Moses in der Wüste eine Schlange erhöht hat, also muß des Menschen Sohn erhöht werden; auf daß Alle, die an Ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Feurige Schlangen, das ist Schlangen, die feuerroth aussahen, und den Menschen durch ihren Biß ein Gift beibrachten, das eine gewaltige Hitze und zuletzt den Tod verursachte, krochen in das Lager der Israeliten, und brachten sehr Vielen unter ihnen ihr Gift bei; also ist das tödtliche Sündengift von der alten Schlange, dem Teufel, den Menschen beigebracht worden, und hat das ganze menschliche Geschlecht durchdrungen. Moses mußte auf Befehl Gottes anstatt aller andern Hülfsmittel eine kupferne Schlange an einem Holz sehr hoch aufhängen; also ist des Menschen Sohn Jesus Christus am Kreuz erhöht worden, und obwohl dieses Kreuz nach seiner natürlichen Länge nicht sehr hoch war, so wurde es doch sehr hoch, und in der ganzen Welt gleichsam sichtbar, da der gekreuzigte Heiland durch das Evangelium den Menschen überall vor die Augen gemalt wurde. Die Israeliten mußten die aufgehängte kupferne Schlange ansehen, dieses Ansehen aber war nicht ohne Glauben, denn sie mußten glauben, daß ihnen durch dieses Ansehen nach dem Wort der göttlichen Verheißung werde geholfen werden. Es bedeutete aber auch den Glauben an den gekreuzigten Heiland. Wem dieser gepredigt wird, der darf sich vorstellen, der Täufer Johannes stehe dabei, und sage: siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt. Ihn erkennen, Ihn ansehen, auf Ihn aufschauen, ist unsere größte Pflicht, und der einzige Weg zur ewigen Seligkeit. Gleichwie nun die Israeliten, welche die kupferne Schlange ansahen, ob sie schon gebissen waren, lebendig blieben und genasen, und keine andere Arznei nöthig hatten, also werden Alle, die an den gekreuzigten Heiland glauben, wie Er selber sagt, nicht verloren werden, sondern ewiges Leben haben. So ein mächtiges und heilsames Ding ist es um den Glauben, von dem doch viele Leute aus Unverstand meinen, er bestehe nur aus etlichen selbstgemachten Gedanken, und gebe also für sich selbst keinen Ausschlag zum Seligwerden. Allein der Glaube ist ein Hunger und Durst nach Jesu, ein Kommen zu Jesu, eine Zuneigung des ganzen Herzens zu Ihm, eine innige Uebereinstimmung der Seele mit dem Vorsatz Gottes, uns nicht anders als durch Seinen Sohn selig zu machen. Es ist auch unmöglich, daß man bei dem Glauben roh, sicher, leichtsinnig, und ein Knecht der Sünde bleibe, denn die Zuneigung des ganzen Herzens zu Jesu leidet dieses Alles nicht, und der Glaube empfängt neben der Gerechtigkeit auch die Gabe des Lebens durch den Heiligen Geist. Gleichwie auch kein Israelit sich nach der erhöheten Schlange mit einer glaubigen Begierde umsahe, der nicht einen Schlangenbiß und die daraus entstandenen Schmerzen fühlte, und seine Todesgefahr erkannte, also glaubt Niemand von Herzen an den gekreuzigten Jesum, der nicht seine Sünden erkennt, die Last derselben fühlt, ihre Abscheulichkeit einsieht, und sich selbst in der Gefahr erblicket, von Gott verstoßen und verdammt zu werden. Wie sollte ein solcher Glaube nicht wirksam sein! Wie sollte er nicht eine fruchtbare Wurzel des ganzen Christenthums sein!

Mel.: Allein Gott in der Höh’ etc.

1.
Auf Jesum den Gekreuzigten,
Der Sich für uns gegeben,
Mit unverwandten Augen seh’n,
Das ist der Seele Leben.
Ganz ohne Gift, ganz lebensvoll,
Hing Er, daß man Ihn anseh’n soll
Und so durch Ihn genesen.

2.
Der Glauben ist es, der Ihn kennt,
Das Heil für alle Kranken;
Wem nun das Herz von Wunden brennt,
Kann Ihm sein Leben danken.
Auch wenn ich täglich Schwachheit fühl’,
So ist Er meiner Augen Ziel,
Ich werde doch nicht sterben.

3.
So hab’ ich, Jesu, denn von Dir,
Von Dir allein, mein Leben;
Nimm Dank und Ruhm und Lob von mir,
Sonst weiß ich nichts zu geben.
Dort laß mich nach der Wallfahrtszeit
Dich auf dem Thron der Herrlichkeit
Auch sehen und dich loben!

20. September. Abend-Andacht.

Ich bin der gute Hirte, und erkenne die Meinen, und bin bekannt den Meinen; und Ich lasse Mein Leben für die Schafe. Joh. 10,14.15.

Jesaias Kap. 40,11., Ezech. Kap. 34,23. 37,24. und Zacharias Kap. 11,4. 13,7. weissagten von dem Messias, daß Er ein guter Hirte Seiner Schafe sein werde. Hernach trat Jesus auf, und sagte: Ich bin der gute Hirte, und bewies Sich auch als einen solchen in den Tagen Seines Fleisches, da Er einen Haufen Jünger sammelte, und für ihr ewiges Heil treulich sorgte. Er sagte aber auch Joh. 10,16.: Er habe noch andere Schafe, die nicht aus dem jüdischen Stall seien, und dieselben werde Er auch als ein Hirt führen, und es werde dahin kommen, daß, gleichwie Ein Hirt sei, also auch aus den Schafen vom jüdischen Stall, und aus den übrigen, die von den Heiden abstammen, Eine Heerde werde. Der HErr Jesus hört also auch in der Herrlichkeit nicht auf, ein Hirt zu sein; denn die Auserwählten aus den Heiden führte Er nicht eher, als da Er schon erhöhet war; und damals nannte Ihn auch Petrus 1 Petr. 2,25. den Hirten und Bischof der Seelen. Zwar ist er als erhöhet nicht mehr sichtbar bei den Schafen, und hat in der Kirche Hirten und Lehrer gesetzt, Er ist aber doch alle Tage und bis an der Welt Ende bei ihnen, und braucht die Hirten und Lehrer nicht als Mittler zwischen Ihm und den Schafen, auch gibt Er ihnen die Schafe nicht als ihr Eigenthum hin, sondern heißt sie nur Seine Haushalter, Botschafter und Knechte, und ihre Treue besteht darin, daß durch sie die Stimme des guten Hirten an die Schafe gelangt. Uebrigens erkennt Er die Seinen mit einer beständigen und wirksamen Barmherzigkeit, Obhut und Fürsorge, und ist den Seinigen durch die Erleuchtung des Heiligen Geistes vermittelst Seines Worts erfahrungsmäßig bekannt. In diesem Kennen und Bekanntsein besteht das verborgene Leben der Glaubigen, ihre Gemeinschaft mit dem Sohn Gottes, ihr Wandel vor Ihm, und alle Erfahrung und Uebung, die bei einem evangelischen Christenthum vorkommt. So oft der Heiland einem Christen einen besondern Trost durch Seinen Geist zueignet, oder eine Hülfe zu rechter Zeit erzeigt, so gibt Er ihm zu verstehen, daß Er ihn kenne, und alle Bewegungen der Ehrerbietung, des Zutrauens, der Liebe, der Freude, des Dankes, des Verlangens u.s.w., welche bei einem Christen in sein Gebet einfließen, und auch ohne ein mündliches Gebet in seiner Seele vorkommen, zeigen an, daß er seinen Heiland kenne, der sein Hirte ist. Dieser Hirte hat Sein Leben für die Schafe gelassen, und dadurch die größte Probe der Liebe und Treue gegen sie abgelegt. Sonst kommen die Schafe um, wenn der Hirte todt ist, der sie allein führen und waiden kann, als aber Jesus starb: so starb Er für die Schafe, nämlich zu ihrem Heil. Er versühnte und erkaufte sie durch Seinen Tod, und legt den Grund zu der seligen Gemeinschaft, nach welcher Er sie kennt, und ihnen bekannt ist. Ueberdieß lebte Er bald wieder nach Seinem Tod, und waidet und führet nun als ein Lebendiger Seine Schafe, die im Himmel, Offenb. 7,17., und auf Erden sind. Auch ich soll ein Schaf des guten Hirten sein, und mich dessen trösten, daß Er mich kenne, und wisse, was ich leide, und wo ich wohne, und ein beständiges Aufsehen auf mich habe. Er weiß aber auch meine Werke, und deßwegen soll ich lauterlich vor ihm wandeln und handeln. Er will Sich aber auch mir offenbaren durch Sein Wort und durch die Erweisungen Seiner Gnade. Sein Tod ist mein Heil, und Sein Leben mein Leben.

Mel.: HErr Jesu, Gnadensonne.

1.
Du bist der gute Hirte,
Du, Jesu, bist’s allein,
Du suchest das Verirrte,
Hol’st das Verlor’ne ein,
Verbindest das Verwund’te,
Behütest das Gesunde;
Denn sie sind Alle Dein.

2.
Du waid’st sie auf der Erde,
Die Schafe kennen Dich;
Du kennst die ganze Heerde
Und jedes Schaf für sich.
Du gabst Dein eigen Leben,
(Was kann man Größ’res geben?)
Für sie, und auch für mich.

3.
Ich kenne Deine Liebe,
Dein Wort und Deine Treu’;
Du kennst auch meine Triebe,
Und wie mein Glaube sei.
Der Anfang Deiner Gnade
War schon im Wasserbade,
Und ist nun täglich neu.

4.
Ich trag’ von Deinem Blute
Das Zeichen auch an mir.
Mich züchtigt Deine Ruthe,
Daß ich mich nicht verlier’.
An Deines Wortes Waide
Ist meines Herzens Freude,
So weicht es nicht von mir.

5.
Kommst Du, daß Du die Schafe
Zu Deiner Rechten scheid’st,
Und Böcken ihre Strafe
Im Feuer zubereit’st,
Da kenne mich, mein Hirte,
Und setz’ mich in die Würde,
Daß Du mich ewig waid’st!

21. September. Morgen-Andacht.

Alle Dinge sind Mir übergeben von Meinem Vater. Matth. 11,27.

Gleichwie bei den tiefsten Aeußerungen der Niedrigkeit Jesu, nämlich bei Seiner Geburt und bei Seinem Kreuz und Grab, immer auch Offenbarungen Seiner Herrlichkeit durch Erscheinungen der Engel und durch Wunder zum Vorschein kamen, um das Aergerniß, das man an Seiner Niedrigkeit nehmen konnte, zu verhüten, also hat auch der HErr Jesus selbst durch Worte oft zu verstehen gegeben, daß, ob Er schon zuweilen dem Vater Alles zuschreibe, und von Sich selbst als des Menschen Sohn demüthig rede, solches doch nicht so zu deuten sei, als ob Er nicht auch der HErr über Alles sei. Joh. 5. hatte Er etlichemal gesagt, daß Ihm der Vater Alles zeige und gegeben habe; damit Er aber die Menschen vor der ihnen schädlichen Geringschätzung Seiner Person verwahren möchte, setzte Er hinzu: was der Vater thut, das thut der Sohn gleichermaßen, der Sohn macht Todte lebendig, welche Er will, es sollen Alle den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren, u.s.w. Mit eben dieser Vorsichtigkeit redet Er Joh. 10,29.30.; denn nachdem Er gesagt hatte: der Vater, der Mir Meine Schafe gegeben hat, ist größer denn Alles, so setzte Er, um allen Mißverstand zu verhüten, hinzu: Ich und der Vater sind Eins. Joh. 14. redete Er von Sich selbst sehr demüthig, und sagte sogar in der Rücksicht auf den Stand Seiner Erniedrigung: der Vater ist größer denn Ich, und: Ich thue, wie Mir der Vater geboten hat. Er mengte aber immer auch Zeugnisse von Seiner Herrlichkeit in Seine Rede ein, und sagte z.B.: glaubet an Gott, und an Mich glaubet; wer Mich siehet, der siehet den Vater; was ihr bitten werdet in Meinem Namen, das will Ich thun u.s.w. Ja Er schließt V. 23. den Vater und Sich in das Wörtlein Wir zusammen, welches keiner Person, die nur ein erschaffenes Wesen hat, gebührte, und sagt: Wir werden zu demjenigen kommen, der Mich liebet und Mein Wort hält, und Wohnung bei ihm machen. Diese Weise zu reden, die in vielen Stellen wahrzunehmen ist, trifft man auch Matth. 11,25-30. an; denn zuerst sagte der HErr Jesus mit einer innerlichen Freude: Ich preise Dich, Vater und HErr Himmels und der Erden, daß Du solches, nämlich das Evangelium, den Weisen und Klugen verborgen hast, und hast es den Unmündigen offenbaret. Ja Vater; denn es ist also wohlgefällig gewesen vor Dir. Damit man aber nicht meine, der Vater habe diese Einrichtung und Verordnung ohne den Sohn gemacht, so setzte Er hinzu: alle Dinge sind Mir übergeben von Meinem Vater. Wem also der Vater etwas verbirgt oder offenbart, dem verberge oder offenbare Ich’s auch. Gleichwie Niemand den Sohn kennt, denn nur der Vater, folglich die Erkenntniß des Sohns von der Offenbarung des Vaters durch den Heiligen Geist herkommt: also kennt Niemand den Vater, denn nur der Sohn, und wem es der Sohn will offenbaren. Er setzt hinzu: zu Ihm müsse man kommen, Er könne und wolle erquicken, Sein Joch müsse man aufnehmen, und von Ihm lernen, damit man Ruhe für seine Seele finde u.s.w. Aus diesem Allem erhellt, daß der Sohn der HErr über Alles, die Quelle alles Guten, und das höchste Ziel des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung sei, wie der Vater. Der Vater hat Ihm, insofern Er ein Menschen-Sohn ist, Alles übergeben, folglich kann Er nun als Gott und Mensch mit der höchsten Vollmacht offenbaren und verbergen, geben und nehmen, selig machen und verdammen. Ihm gebühret also eine unbegränzte Ehre und Anbetung.

Mel.: Jesu, hilf siegen etc.
1.
Jesus hat Alles vom Vater in Händen,
Segen und Mangel und Frieden und Krieg.
Bringet Ihm Ehre von Enden zu Enden;
Wie’s Ihm gefället, so gibt Er den Sieg.
Schärft Er die Schwerter, das Böse zu rächen,
Kann Er sie wieder in Gnaden zerbrechen.
2.
Völker, seid böse und rüstet die Klingen;
Setzt euch, ihr Fürsten, beschließet den Rath;
Nichts wird aus Allem, es mag nicht gelingen;
Jesus ist’s, welcher die Obermacht hat!
Schützt Er, wer ist, der die Kirche vertreibe?
Wohnung und Nahrung bleibt dennoch dem Weibe.
3.
Kommt, ihr Gesalbten, und ehret den König,
Er gibt die Scepter der Erde zu Leh’n;
Kommt, ihr Geringen, ihr seid nicht zu wenig;
Ehre muß Christo von Allen gescheh’n.
Rühmet Sein Herrschen von Enden zu Enden,
Jesus hat Alles vom Vater in Händen!

21. September. Abend-Andacht.

Das Wort ward Fleisch. Joh. 1,14.

Gleichwie Johannes 1 Joh. 1,1.2. sagte: das Leben, das bei dem Vater war, ist uns erschienen, also sagte er Joh. 1,1.4.: das Wort, das bei Gott war, ist Fleisch geworden. Er nennt dieses Wort 1 Joh. 1,1. das Wort des Lebens, und sagt, es sei von Anfang gewesen, und es sei so erschienen, daß man es sehen, in seinen mannigfaltigen Offenbarungen mit Fleiß beschauen, und mit den Händen betasten könne. Joh. 1,1.14. aber sagt er, das Wort sei im Anfang, und selber Gott gewesen, und habe, nachdem es Fleisch geworden, unter uns gewohnt voll Gnade und Wahrheit, und man habe Seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingebornen Sohns vom Vater, gesehen; V. 9. nennt er dieses Wort das wahrhaftige Licht, welches alle Menschen erleuchte, und in die Welt gekommen sei. Alle diese Vorstellungen der Wahrheit sind wichtig, lehrreich und tröstlich, und entdecken uns, was wir an Jesu Christo haben, und wie Er Sich gegen uns zu unserm Heil erweisen wolle. Was insonderheit den Namen Wort anbelangt, so bedeutet er fast eben dasjenige, was der Name Weisheit Spr. Sal. 8. und 9. bedeutet. Das Wort war im Anfang bei Gott als dem ewigen und unendlichen Geist. Insofern aber Gott ein Licht heißt, so ist das Wort der Abglanz Seiner Herrlichkeit, und insofern Er Jehova heißt, das ist derjenige, der ein ewiges und beständiges Wesen hat, so ist das Wort das Ebenbild oder der Abdruck Seines Wesens, Hebr. 1,3. Wenn ich aber bedenke, daß Gott unsichtbar sei, so habe ich auch das Wort, das Fleisch geworden ist, als auf das sichtbare Bild des unsichtbaren Gottes zu sehen, Kol. 1,15. Das Wort wurde Fleisch, nicht zwar durch eine Verwandlung Seiner göttlichen Natur, sondern durch die Vereinigung derselben mit der menschlichen Natur. Es war, ehe es Fleisch wurde, es war im Anfang, und weil es auch im Anfang nicht erst wurde, sondern schon war, so war es schon vor dem Anfang und ohne Anfang. Es wurde aber Fleisch, da die Zeit erfüllt wurde. Fleisch ist keine himmlische Menschheit und keine verklärte menschliche Natur. Fleisch ist etwas, das man sehen und betasten kann, und das Schwachheiten an sich hat, wiewohl diese Schwachheiten auch unsündlich sein können. Gott sandte Seinen Sohn mit keinem sündlichen Fleisch, doch aber in der Gestalt des sündlichen Fleisches. Er ist uns in Allem gleich geworden, außer der Sünde. Gleichwie die Kinder, die Ihm der Vater gegeben hat, Fleisch und Blut an sich haben, also ist Er’s gleichermaßen theilhaftig geworden. Er war gleich wie ein anderer Mensch, und an Geberden oder nach der äußerlichen Gestalt als ein Mensch erfunden. Gelobet sei Gott, der uns dieses große Geheimniß geoffenbaret hat durch Seinen Geist. Gelobet sei das wesentliche Wort, welches Fleisch worden ist, und ich dadurch unserer kräftig angenommen hat, und sich mit uns verbindet. Seine menschliche Natur ist nun bei dem Vater verkläret mit der Klarheit, die der Sohn bei dem Vater hatte, ehe die Welt war, wenn wir aber an Ihn glauben, Ihm anhangen, und mit Ihm vereinigt bleiben, so wird Er unsere Natur auch verklären, und wir werden ewiglich bei Ihm in der Herrlichkeit sein.

Mel.: Gottlob, ein Schritt zur Ewigkeit.
1.
Das Wort ward Fleisch, ein Menschenkind,
Wie and’re Menschenkinder,
So schwach und sterblich, wie wir sind,
Nur nicht, wie wir, ein Sünder.
O Wunder! wie kam Gottes Sohn
So tief herab von Seinem Thron,
Daß Er uns selig mache.
2.
Das Wort ward Fleisch, durch Seinen Tod,
Was Fleisch war, zu versühnen.
Wir sind versühnt, Er ist vor Gott
Mit Seinem Blut erschienen;
Er gibt uns Macht, daß wir durch Ihn,
Und ich mit, wenn ich glaubig bin,
Auch Gottes Kinder werden.
3.
HErr! gib mir, daß ich glaubig sei,
Weil ich im Fleische lebe;
Gebier durch Deinen Geist mich neu,
Der mir Dein Leben gebe.
Des alten Fleisches Lust und Wahn
Steht Neugebornen gar nicht an,
Dein Geist treibt Gottes Kinder.
4.
Dein Fleisch und Blut im Abendmahl
Sei meines Lebens Stärke;
Dein Geist versiegle mir die Wahl
Und lehr’ mich Glaubenswerke,
Daß ich Dich als des Menschen Sohn
Mit Freuden kann auf Deinem Thron
In meinem Fleische sehen.

22. September. Morgen-Andacht.

Reiche und Arme müssen unter einander sein; der HErr hat sie Alle gemacht. Spr. Sal. 22,2.

Im Paradies hatte keine Armuth Raum gehabt, und nach dem Sündenfall hatten Adam und seine ersten Nachkommen den großen Erdboden vor sich, wo sie bauen und pflanzen konnten, so viel sie wollten. Ebenso verhielt es sich nach der Sündfluth; denn Noah und seine Söhne, Enkel und Ur-Enkel hatten so viel Raum auf dem Erdboden, daß keiner arm sein konnte. Aber schon zu Abrahams Zeit gab es leibeigene Knechte und Mägde, die arm waren, auch mag es unter den freien Leuten damals schon Arme gegeben haben; und doch war die Erde damals bei Weitem nicht so bevölkert, daß nicht alle Menschen Feld und Feldfrüchte genug hätten haben können. Auch jetzt ist bisher die Menge der Menschen auf dem Erdboden nie so groß gewesen, daß wegen derselben eine Armuth nothwendig gewesen wäre, aber die Furcht vor gewaltthätigen Räubern drängt die Menschen so zusammen, daß ihrer in Ländern, wo sie Schutz haben, zu viel werden, und dagegen anderswo viele und große Plätze, die fruchtbar sein könnten, unangebauet bleiben, da dann unter der Menge viele Arme entstehen müssen, zu geschweigen, daß auch die Faulheit, die Ueppigkeit, und andere Laster, aber auch Landplagen und andere Unglücksfälle, die Gott verhängt, viele Personen und Geschlechter arm machen. Ueber diesem Allem nun waltet die Vorsehung Gottes. Reiche und Arme müssen unter einander sein; der HErr hat sie Alle gemacht; Er hat sie nämlich entweder mit Wohlgefallen oder in Seinem Zorn reich oder arm gemacht. Diese Einrichtung hat auch ihren großen Nutzen; denn ohne dieselbe würden viele Liebeswerke und Liebesdienste unterbleiben, die Menschen würden gegen einander kaltsinnig werden, wenn Keiner des Andern bedürfte, und sie würden, wenn kein gegenwärtiger oder zukünftiger Mangel sie zum Fleiß aufweckte, in eine faule Wollust versinken, wie man bei Heiden, die von keiner drückenden Armuth wissen, wahrnimmt. Arm sein ist keine Schande, weil Jesus Christus, der Sohn Gottes, auf Erden auch arm war, und schon viele Heilige und Geliebte Gottes arm gewesen sind. Ein Armer kann und soll doch das tägliche Brod haben, wenn er das Vater Unser glaubig betet, ob er schon nie einen Vorrath auf zukünftige Zeiten hat. Bei einem Armen kann sich die Vorsorge Gottes durch einzelne und oft unerwartete Proben deutlicher offenbaren als bei einem Reichen, auch ist er, wenn er sich der Sorgen durch den Glauben erwehrt, vergnügter als ein Reicher, der, weil er Vieles hat, auch Vieles verwalten muß, und Vieles verlieren kann. Ein Reicher soll dafür halten, daß er zu besonderen Liebeswerken berufen sei, die nur ein Reicher thun kann, und sich dazu willig finden lassen. Nur ein Reicher konnte Jesum mit Spezereien und leinernen Tüchern begraben und Seinen heiligen Leichnam in ein neues Grab legen lassen, und that es auch gerne, da hingegen die armen Apostel zu andern Werken berufen waren. Niemand begehre, reich zu werden. Niemand hänge sein Herz an den Reichthum, der ihm zufällt. Er ist vergänglich, und sättiget die Seele nicht. Im Himmel werden alle Seligen reich sein.

Mel.: Es kostet viel, ein Christ zu sein.
1.
Des Höchsten Thun ist wunderbar,
Von Arm und Reich macht Sein Rath ein Gemische.
Wär’ Alles arm, wer reichte etwas bar?
Wär’ Alles reich, wer diente gern zu Tische?
Auf Liebe zielt’s; so lobet All nun
Des Höchsten Thun.
2.
Des Höchsten Thun ist doch gerecht;
Ein Jeder muß in seiner Ordnung dienen,
Der Knecht dem Herrn, und auch der Herr dem Knecht;
Die Rechenschaft erfordert Gott von ihnen.
Er selbst theilt aus, so lobet Alle nun
Des Höchsten Thun.
3.
So gibt Gott auch den Armen Trost
Sie dienen Gott, auch wenn sie Höhern frohnen.
Das wehrt dem Trotz der Reichen, der erbost:
Bei Gott sei nicht das Anseh’n der Personen.
Dieß macht vergnügt; so lobet Alle nun
Des Höchsten Thun.
4.
Wir danken Dir, HErr Jesu Christ,
Der uns zu gut in Knechtsgestalt erschienen,
Und jetzt erhöht, HErr über Alles ist;
So dienen Dir, die herrschen und die dienen.
Bring’ uns zu Dir, so loben, wenn wir ruh’n,
Wir all’ Dein Thun!

22. September. Abend-Andacht.

Ihr sind viel Sünden vergeben, denn sie hat viel geliebet; wem aber wenig vergeben werden, der liebet wenig. Luk. 7,47.

Wie diese Worte zu verstehen, hat der HErr Jesus durch das Gleichniß, das Er vorher vorgetragen, deutlich genug angezeigt. Ei Wucherer, sagte Er, hatte zween Schuldner; einer war schuldig fünfhundert Groschen, der Andere fünfzig. Da sie aber nicht hatten zu bezahlen, schenkte er’s Beiden. Sage an, sprach Er zu dem Pharisäer Simon, welcher unter diesen wird ihn am meisten lieben? Simon antwortete und sprach: ich achte, dem er meisten geschenkt hat. Er aber sprach zu ihm: du hast recht gerichtet. Es ist klar, daß hier die Liebe nicht die Ursache, sondern die Frucht der Schenkung sei, oder daß sie nicht vor der Erlassung der Schuld hergehe, sondern darauf folge. Ebenso sind auch die Worte Jesu zu verstehen, die Er in der Anwendung auf die gegenwärtige Sünderin redete, da Er sprach: ihr sind viel Sünden vergeben, denn sie hat viel geliebet; diese Liebe ist nämlich die Furcht und das Zeichen der erlangten Vergebung vieler Sünden: wem aber wenig vergeben werden, der liebet wenig. Die Sünderin hatte ihre große Liebe gegen den HErrn Jesum durch Thränen, womit sie Seine Füße netzte, und durch das Küssen und Salben Seiner Füße angezeigt: da hingegen der Pharisäer Simon zwar einige Liebe zu dem HErrn Jesu dadurch geoffenbart hatte, daß er Ihn zu Gast lud, übrigens aber etliche damals gewöhnliche Liebeserweisungen unterlassen hatte, V. 44,45.46.; daraus macht dann der Heiland den Schluß: ihr sind viele Sünden vergeben, wie man daraus schließen kann, daß sie Mich, der Ich’s ihr vergeben habe, viel liebet; wem aber wenig vergeben werden, der liebet wenig. Von Rechtswegen sollte kein Mensch meinen, daß ihm wenig vergeben werde; denn die Sündenschuld eines jeden Menschen ist sehr groß; es sind aber viele Menschen gesinnt, wie der Pharisäer Simon, und meinen,, Gott habe ihnen wenig zu vergeben, da sie dann auch trockene und kaltsinnige Herzen behalten, und Gott nur wie Taglöhner, Luk. 15,17., dienen. Indem also der Heiland sagte: welchem wenig vergeben wird, so drückte er nur die Meinung der Menschen aus, welche wegen Mangel des Lichts ihre Sündenschuld als klein vorstellen. Ich bin der Schuldner, der nicht nur fünfzig, sondern fünfhundert Groschen schuldig worden ist. Mir hat der HErr Jesus viel zu vergeben gehabt, und täglich viel zu vergeben. Der Heilige Geist lasse mich dieses in Seinem Licht immer mehr erkennen, damit meine Liebe gegen den HErrn Jesum recht brünstig werde. Ich kann zwar jetzt Seine Füße nicht mehr mit Thränen netzen, küssen und salben, aber mit einem bewegten Herzen kann ich Ihm danken, Ihn loben, Seinen geringsten Brüdern wohlthun, und mich Ihm ganz als ein Dankopfer hingeben. Der Sünderin waren ihre Sünden schon vergeben, als sie in des Pharisäers Haus kam, weil sie schon ein Herz voll Liebe gegen den Heiland mitbrachte; der Heiland sagte aber doch noch zu ihrer größeren Vergewisserung zu ihr: dir sind deine Sünden vergeben, dein Glaube hat dir geholfen, gehe hin mit Frieden. Tröste mich auch also, lieber Heiland, so oft ich’s bedarf.

Mel.: Valet will ich dir geben.
1.
Wem Christus viel vergeben,
Der liebt auch Christum viel;
Denn aus dem Tod in’s Leben,
Ist ein erwünschtes Ziel;
Man folgt den Lebenstrieben,
Haßt, was zuvor betrübt,
Und will nur Jesum lieben,
Der uns zuerst geliebt.
2.
HErr! der so viele Sünden
Auch mir vergeben hat,
Und mich ließ Gnade finden
An der Verdammniß Statt,
Zieh’ mich zu Deinen Füßen,
Erforsche meinen Sinn,
Wenn mir die Thränen fließen,
Weil ich begnadigt bin.
3.
Gib, daß ich mich nicht schäme,
Daß ich ein Sünder heiß’;
Ich knie’ ja doch vor Deme,
Der sie zu schenken weiß.
Wohl mir, daß ich’s gewesen
Und nun will nimmer sein,
Vom Aussatz zu genesen,
Bringt keine Schande ein.
4.
Du schämst Dich nicht, o König,
Deß, der Dich lieben will;
Du schenkest nicht zu wenig,
Dich liebt kein Herz zu viel;
Mach’ mir von Deiner Liebe
Die ganze Seele voll,
Daß ich mich darin übe,
Wie ich Dich lieben soll.
5.
Laß niemals mich vergessen,
Daß mir vergeben sei,
So werd’ ich nie vermessen
Und Dir nicht ungetreu.
Laß mich im Glauben sterben
Und in den Frieden geh’n;
Da werden erst die Erben
In voller Liebe steh’n.

23. September. Morgen-Andacht.

Da wurden die Jünger froh, daß sie den HErrn sehen. Joh. 20,20.

Hiemit wurden die Verheißungsworte Jesu erfüllt: Ich will euch wieder sehen, und euer Herz soll sich freuen, Joh. 16,22., und so auch die Worte Joh. 14,18.19.: Ich will euch nicht Waisen lassen, Ich komme zu euch. Es ist noch um ein Kleines, wo wird Mich die Welt nicht mehr sehen: ihr aber sollt Mich sehen; denn Ich lebe, und ihr sollt auch leben. Der Heiland ist also wahrhaftig, und was Er zusagt, das hält Er gewiß. Den Jüngern Jesu wäre nach Seinem Tod nicht geholfen gewesen, wenn man sie zu Mitgliedern des hohen Raths zu Jerusalem, oder zu kaiserlichen Landvögten über große Länder gemacht hätte; denn ihr Herz hing einmal an Jesu, auf Ihn war ihr ganzes Vertrauen gestellt, von Ihm erwarteten sie ihre ganze Glückseligkeit. Nun war er am Kreuz gestorben und begraben. Ihr Glaube rang hiebei mit einer großen Furcht. Sie hatten die Verheißungsworte des HErrn Jesu und die Weissagungen der alten Propheten vergessen. Jesus aber vergaß Seine Worte nicht, und ging auf dem Wege gerade fort, auf welchem die ganze Schrift von Ihm erfüllt werden sollte. Er stand also von den Todten auf, und zwar am dritten Tag, welcher durch keine ausdrückliche Weissagung, sondern nur durch das Vorbild des Propheten Jonas bezeichnet worden war, und erschien hernach den Weibern und Seinen Jüngern, und diese wurden froh, daß sie den HErrn sahen. Ihr Glaube richtete sich damals wieder auf; ihre Traurigkeit wurde in Freude verwandelt; und obgleich der Heiland damals auch ihren Unglauben und ihres Herzens Härtigkeit schalt, so störte doch solches ihre Freude nicht, denn der Heiland schalt eben dasjenige, was ihre Freude gehindert hatte, und da die Jünger erkannten, daß sie wegen ihrer vorhergegangenen Vergehungen eine scharfe Rüge verdient haben, so waren sie ohne Zweifel herzlich froh, daß sie mit einer so freundlichen Bestrafung des Unglaubens davon kamen. Auch dieses, daß sie Jesum nach Seiner Auferstehung sehen durften, war ein Beweis, daß Er sie noch für Seine auserwählten Jünger hielt, und nicht zur Welt rechnete; denn von der Welt hatte Er Joh. 14,19. gesagt, sie werde Ihn auf Erden nicht mehr sehen. Die Jünger verwundeten sich darüber, und Judas Thaddäus fragte im Namen der übrigen: HErr, was ist’s, daß Du uns Dich willst offenbaren, und nicht der Welt? V. 22. Es ist klar, daß Judas von den vorigen Worten Jesu den Anlaß zu dieser Frage genommen, und daß er gesorgt habe, wenn die Welt Jesum nach Seine Tod nicht mehr sehen werde, so werde die Zahl der Glaubigen nicht weiter vermehrt werden können: allein der HErr Jesus gab den Jüngern damals zu erkennen, daß es nicht auf dieses Sehen ankomme, sondern daß Er Sich in den Seelen der Menschen innerlich durch Seinen Geist offenbaren, ja in ihnen wohnen wolle, daß es aber zu diesem Zweck nöthig sei, daß man Ihn lieb habe, und Sein Wort halte. Ob also gleich das Sehen Jesu nach Seiner Auferstehung der Welt nicht vergönnt worden ist, so ist ihr doch Sein Wort verkündiget worden; und obschon auch wir den auferstandenen Jesum, so lange wir wallen, nicht sehen, so haben wir doch Sein Wort. Wer dieses Wort hält, dem will Er Sich offenbaren, ja zu dem will Er mit dem Vater kommen, und Wohnung bei ihm machen. HErr Jesu, ich glaube, daß Du lebest, und daß Dein Wort wahr sei. Offenbare Dich mir noch weiter durch dieses Wort.

Mel.: Die lieblichen Blicke, die Jesus etc.
1.
Die Freude des Glaubens ist Jesus allein;
Die Herzen zerstreuen
Und sündlich sich freuen,
Ist Freude im Träumen,
Im Wachen ist’s Pein.
Nach Aengsten und Fleh’n
Den Heiland zu seh’n,
Das tröstet das Herz,
Da folget kein Schmerz.
2.
Man sieht in die Wunden, man kennet sein Heil,
Man glaubt den Versöhner,
Der Glaube wird kühner,
Und macht sich Sein Sterben und Leben zu Theil.
Nun hat man genug,
Man fühlet den Zug,
Gen Himmel zu geh’n,
Ihn ewig zu seh’n.
3.
Dieß stärket die Seele, bis daß wir Ihn seh’n,
Mit muthigem Herzen
In Leiden und Schmerzen
Nach Seinem Gefallen geduldig zu geh’n,
HErr, mache mich so
Im Glauben auch froh,
So wird es gescheh’n,
Dich ewig zu seh’n!

23. September. Abend-Andacht.

Ihr bringet das Ende eures Glaubens davon, der Seelen Seligkeit. 1 Petr. 1,9.

Ein Christ ist in mancherlei Anfechtungen traurig, wie Petrus selber V. 6. eingesteht, und wenn er schwach im Glauben ist, sagt er wie Assaph Ps. 73,13.: soll’s denn umsonst sein, daß mein Herz unsträflich lebt, und ich meine Hände in Unschuld wasche! Rohe Leute ärgern sich zuweilen an den äußerlichen Schicksalen der Frommen, und sagen: es ist umsonst, daß man Gott dienet- darum preisen wir die Verächter; denn die Gottlosen nehmen zu: sie versuchen Gott, und es gehet ihnen Alles wohl hinaus, Mal. 3,14.15. allein wer durch die Kraft des Heiligen Geistes an Jesum glaubig worden ist, ist begnadiget, von der Welt erwählt, von Gott geliebt, und nach seinem geistlichen Zustand herrlich, reich, geehrt und selig. Wenn die Glaubigen sich mit trüben Gedanken schleppen und ihre unglücklichen Umstände bejammern, so kann man ihnen zurufen, was Hohel. 1,8. steht: kennest du dich nicht, du schönste unter den Weibern! Es ist auch ein großer Theil der heiligen Schrift dazu bestimmt, daß den Glaubigen ihr geistlicher Adel, ihre herrlichen Vorzüge, ihre empfangene kostbare Gnade und Gaben, und ihr zukünftiges ewiges Erbe vor die Augen gemalt werden. Petrus sagt deßwegen 1 Petr. 1,9. unter Anderem zu den Glaubigen: ihr bringet das Ende eures Glaubens davon, der Seelen Seligkeit. Glauben ist schon eine selige Sache. Wer im Glauben steht, ist nimmer so unruhig, leer, finster und trostlos, wie vorher. Seine Seele hat ein neues Licht und eine unüberwindliche Kraft, und hanget dem HErrn an und ist Ein Geist mit Ihm. Doch ist das Ende des Glaubens das Erquicklichste. Was ist aber dieses Ende? Es ist der Seelen Seligkeit. Die Seele, ja die ganze Person des Glaubigen wird zuletzt aus allem Uebel erlöset, und in das himmlische Reich Gottes versetzt. Da hört das Glauben auf, und das Schauen geht an; da wird das Hoffen von dem vollkommenen Genuß und Besitz abgelöset; die Liebe aber bleibet. Man liebet aber nicht mehr denjenigen, den man nicht siehet, sondern man liebet, und siehet den Geliebten in Seiner Herrlichkeit, und weil die Sünde bei dem Liebenden ganz abgethan sein wird, so wird die Liebe vollkommen rein und brünstig sein. Was ist aber das Leben in der vollkommenen Liebe? Ohne Zweifel ein Leben in der vollkommensten Freude und Freiheit. Dieses Ende des Glaubens bringen die Glaubigen davon; sie sind dessen vergewissert durch den Glauben, und haben es schon nach der Hoffnung. Sie sehen also durch alle Trübsale hindurch, und über alle Nöthen hinaus. Wer sollte also nicht gern ein Glaubiger sein und bleiben, obschon die Welt, die man um sich hat, im Unglauben lebt und stirbt, und so dahin fährt. Ein Fünklein Glauben ist kostbarer als die ganze Weisheit der eitlen Welt, und ein glaubiger armer Lazarus ist glücklicher als ein unglaubiger König. Stehe ich aber im Glauben? Halte ich Glauben? Lebe ich im Glauben des Sohnes Gottes? Glaube ich, was ich aus Gottes Wort weiß? Werde ich es auch in den letzten Tagen und Stunden meines Lebens glauben? Die Probe kann ich schon vorher in Krankheiten, und andern Trübsalen, Nöthen und Aengsten machen; denn diese sind wie ein Feuer, in welchem nichts als das Gold des Glaubens bleibt, und alles Andere verschwindet.

Mel.: Schwing’ dich auf zu deinem Gott.
1.
Uns’rer Seelen Seligkeit
Ist des Glaubens Ende.
Hat der Christ schon in der Zeit
Oft auch harte Stände,
Dennoch wird sein Glaube theu’r
Unter der Bewährung;
Dient denn nicht dem Gold das Feu’r
Erst recht zur Verklärung?
2.
Sieht der Glaube gleich noch nichts,
Ist ihm doch das Leben
Von dem Vater alles Lichts
Schon im Sohn gegeben.
Ob man ungeseh’n Ihn liebt,
Ist man doch voll Freuden,
Die des Heilands Liebe gibt,
Daß uns nichts kann scheiden.
3.
Das heißt jetzt schon selig sein
In bewährtem Glauben;
Lieber leid’t der Glaube Pein,
Als er sich’s läßt rauben.
Herzog meiner Seligkeit!
Gib, daß meiner Seele
Bis zum Ende meiner Zeit
Nie am Glauben fehle.
4.
O was wird man an dem Ziel
Herrliches erfahren
Bei dem süßen Saitenspiel
Der bewährten Schaaren!
Da wird nicht mehr Glaube sein,
Noch die Feuerproben;
Liebe währet da allein,
Und ein ewig’s Loben!

24. September. Morgen-Andacht.

Also auch ihr, haltet euch dafür, daß ihr der Sünde gestorben seid, und lebet Gott in Christo Jesu, unserm HErrn. Röm. 6,11.

Es hat unter Christen und Heiden viele Leute gegeben, welche gemeinet, sie wollen die Sünde durch eine Qual, die sie ihren eigenen Leibern anthun, tödten, ihren Zweck aber nicht erreicht haben. Nun ist es zwar nöthig, daß man nüchtern und mäßig zum Gebet sei, sich der fleischlichen Lüste, welche wider die Seele streiten, enthalte, und den Leib betäube und zähme, damit man nicht verwerflich werde. Allein dieses Alles muß mit Maß geschehen, damit der Leib, der Gottes Geschöpf ist, nicht verderbt werde, und seine Glieder, welche man zum Dienst der Gerechtigkeit hingeben soll, brauchbar bleiben. Auch muß man nicht meinen, daß die Sünde getödtet werde, wenn man dem Leib etwas versagt, oder etwas Beschwerliches zumuthet, denn dieses Alles ist nur eine feine äußerliche Zucht, unter welcher der Geist desto lebhafter sein, und die Gemeinschaft mit Christo desto besser behauptet werden kann. Paulus ermahnt Röm. 6,11. die Glaubigen, sie sollen dafür halten, daß sie der Sünde gestorben seien. Wie aber? Paulus sagt: durch die Taufe in den Tod Jesu, V. 4., da seien sie Christo zur Aehnlichkeit mit Seinem Tod eingepflanzt worden, V. 5., da seien sie mit Christo gestorben, V.8., und zwar der Sünde, und wissen nun, daß ihr alter Mensch sammt Ihm gekreuzigt sei, auf daß der sündliche Leib aufhöre, und sie hinfort der Sünde nicht dienen. Was nun Paulus hier von der Taufe sagt, kann man auch auf den seligen Augenblick deuten, in welchem ein Sünder, der aus der Taufgnade gefallen ist, wieder glaubig wird, und durch den Glauben Gnade erlangt. Er stirbt da der Sünde, und darf hernach immer, so lange er im Glaubens steht, dafür halten, daß es geschehen sei. Die Sünde ist ein Tyrann, der in dem sterblichen Leib herrschen will, V. 12., und dem der Mensch vorher als ein leibeigener Knecht gedient hat. Gleichwie aber ein jeder leibeigener Knecht frei wird, wenn er stirbt, also wird ein Mensch durch einen Tod von der Sünde frei und Gottes Knecht. Dieser Tod aber ist nicht der leibliche Tod, sondern ein Tod, der eigentlich in der Seele vorgeht, die durch den Glauben in eine Gemeinschaft oder Aehnlichkeit mit dem Tod Jesu kommt. Christus starb der Sünde der Welt, die Er vorher als eine Last getragen hatte, indem Er durch Seinen Tod ein Sündopfer wurde, und ihr das Recht benahm, die Menschen bi zu ihrer wirklichen Verdammung zu beherrschen. Wer nun dieses glaubt, wer sich nach der vorhergegangenen großen Noth, welche die Macht der Sünde verursacht hat, in den Tod Jesu glaubig gleichsam einsenkt, wer das dadurch erworbene Recht, von der Sünde frei zu sein, glaubig ergreift, stirbt der Sünde, und lebet hernach Gott in Christo Jesu. Wer nämlich mit dem Tod Jesu eine Gemeinschaft durch den Glauben bekommt, bekommt auch eine Gemeinschaft mit Seiner Auferstehung, und einen Theil an dem Leben, das Er in der Auferstehung angenommen hat; denn Paulus schließt V. 8.9.10.11. so: sind wir mit Christo gestorben, so glauben wir, daß wir auch mit Ihm leben werden, und wissen, daß Christus, von den Todten erwecket, hinfort nicht stirbet; der Tod wird hinfort über Ihn nicht herrschen; denn das Er gestorben ist, ist Er der Sünde gestorben zu einemmal; das Er aber lebet, das lebet Er Gott. Also auch ihr haltet euch dafür, daß ihr der Sünde gestorben seid, und lebet Gott in Christo, unserm HErrn.

Mel.: Von Gott will ich nicht lassen.
1.
Der, der für uns gestorben,
Ging auch zum Leben ein
Und hat uns Kraft erworben,
Der Sünde todt zu sein;
Mit Jesu starben wir,
Die mit Ihm leben sollen,
Wir sollen sie nicht wollen,
Wir haben nichts mit ihr.
2.
Sie bringt uns zwar in Nöthen,
Es regt sich Fleisch und Blut;
Doch lernen wir sie tödten,
Der Glaube faßt den Muth,
Sieht für verdammt sie an
Und tödtet ihr Geschäfte,
Wozu man Lebenskräfte
Aus Christo nehmen kann.
3.
Sie wehrt sich um ihr Leben,
Denn sie ist Schlangenart;
Sie kann lang widerstreben,
Ihr Leben ist gar hart;
So geht es langsam zu,
Das Sterben ist ihr schmerzlich,
Doch, Jesu, o wie herzlich,
Wie mächtig hilfst uns Du!
4.
Letzt muß der Leib verwesen,
In welchem sie getobt.
Das ist des Geists Genesen,
Der seinen Heiland lobt.
HErr, führ’ uns zu Dir ein,
So ist der Ruhm der Stärke,
Das Lob der Lebenswerke
Im Himmel ewig Dein!

24. September. Abend-Andacht.

Der HErr hat zu mir gesagt: laß dir an Meiner Gnade genügen. 2 Kor. 12,9.

Dem Paulus wurde, nachdem er eine hohe Offenbarung bekommen hatte, damit er sich derselben nicht überhöhe, ein Pfahl in’s Fleisch getrieben, indem des Satans Engel von Gott zugelassen wurde, ihn mit Fäusten zu schlagen. Er flehete dreimal zu dem HErrn, daß derselbe von ihm weichen möchte, der HErr sagte aber zu ihm: laß dir an Meiner Gnade genügen. Hier haben wir also das Beispiel einer Bitte, die nicht nach dem Sinn des Bittenden erhört worden ist. Von dieser Art war auch die Bitte Mosis um die Erlaubniß, das Land Kanaan zu sehen, die Fürbitte des Jeremias für das jüdische Volk, die Bitte Baruchs um große Dinge, und die Bitte der Söhne Zebedäi um das Sitzen zur Rechten und Linken des HErrn Jesu. Von diesen Bitten wurde keine so erfüllet, wie der menschliche Sinn es wünschte, hingegen bekam doch ein jeder von jenen Betern eine zurechtweisende und tröstende Antwort von dem HErrn, bei welcher es ihn nicht reuen durfte, gebetet zu haben.

Zu Mose sagt der HErr 5 Mos. 3,26. u.ff.: laß genug sein, sage Mir davon nichts mehr. Steige auf die Höhe des Berges Pisga, und hebe deine Augen auf gegen Abend, und gegen Mitternacht, und gegen Mittag, und gegen den Morgen, und siehe es mit Augen (also wurde ihm doch das Sehen, um das er gebeten hatte, einigermaßen vergönnt), denn du wirst nicht über diese Jordan gehen (folglich bald zur Ruhe kommen). Weil ihm aber auch das Volk am Herzen lag, welches eines Heerführers bedurfte, so hieß ihn der HErr den Josua zu diesem Amt einsegnen, V. 27.28. Auf diese Weise konnte Moses zufrieden sein. Als der HErr Jer. 14,11. zu dem Jeremias gesagt hatte: du sollst nicht (mehr) für das Volk um Gnade bitten, so beruhigte Er ihn unter vielen andern Reden auch damit, daß Er Kap. 15,11. zu ihm sprach: wohlan, Ich will (ob ich schon für das ganze Volk keine Fürbitte annehme) eurer etliche übrig behalten, denen es soll wieder wohl gehen, und Ich will euch zu Hülfe kommen in der Noth und Angst unter den Feinden; und daß Er ferner V. 19.20.21. zu ihm sagte: wo du dich zu Mir hältst, so will Ich Mich zu dir halten, und sollst Mein Prediger bleiben. – Ich bin bei dir, daß Ich dir helfe, und dich errette, spricht der HErr, und will dich auch erretten aus der Hand der Bösen, und erlösen aus der Hand der Tyrannen. Zu dem Baruch sagte der HErr durch den Jeremias Jer. 45,5.: du begehrest dir große Dinge, begehre es nicht; denn siehe, Ich will Unglück kommen lassen über alles Fleisch, spricht der HErr, aber deine Seele will Ich dir zur Beute geben, an welchen Ort du ziehest. Die Söhne Zebedäi bekamen Matth. 20,22. u.ff. die Anweisung, sich auf’s Leiden gefaßt zu halten, ihre bitte aber, welche sie selbst nicht verstanden, wurde ihnen weder abgeschlagen noch zugesagt. Zu Paulus sagte der HErr mit großer Freundlichkeit: laß dir an Meiner Gnade genügen; denn Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.

Mel.: Ach bleib mit Deiner Gnade.
1.
Mein Gott! an Deiner Gnade
Genüge mir allein.
So wird mir nichts ein Schade
Und nie ein Mangel sei.
2.
Und hätt’ ich alle Gaben,
So würd’ ich niemals satt;
Was kann ein Sünder haben,
Wenn er nicht Gnade hat?
3.
Will mich der Weg ermüden,
Und ist die Kraft dahin,
So mache mich zufrieden,
Daß ich in Gnaden bin.
4.
Pflegt mich die Welt zu hassen,
Die sich in Lügen übt,
Laß mich die Wahrheit fassen:
Du habest mich geliebt.
5.
Will mich der Arge quälen,
Und stört er meine Ruh’,
So sprich Du meiner Seelen
Mit Deiner Gnade zu.
6.
Kommt Mangel oder Schmerzen,
Und leide ich Betrug,
So sage meinem Herzen:
An Gnade ist’s genug.
7.
Empfind’ ich meine Sünden,
Laß im Besprengungsblut
Mich Deine Gnade finden,
So wird es Alles gut.
8.
Mir soll, was ich begehre,
Mein Ruhm, mein Wohlergeh’n,
Mein Reichthum, meine Ehre
In Gnade nur besteh’n.
9.
Laß mich die Gnade trösten
In meinem letzten Zug;
Dort finden die Erlösten
Aus Gnaden ewig g’nug.

25. September. Morgen-Andacht.

Du schaffest es, was ich vor oder hernach thue, und hältst Deine Hand über mir. Ps. 139,5.

Nachdem David von der Allwissenheit und Allgegenwart Gottes Ps. 139. herrliche Zeugnisse abgelegt hatte, so redet er auch V. 5. von der Kraft Gottes, welche das Thun des Menschen schaffe, und ihn schütze. Es ist freilich hier nicht von dem Thun die Rede, insofern es sündlich ist; denn der heilige und gerechte Gott ist nie ein Urheber oder Schöpfer der Sünde. Insofern aber das Thun des Menschen rechtmäßig und in der Regierung Gottes brauchbar ist, insofern wird es von Gott geschaffen. Gott ist nicht nur der Schöpfer des Menschen, sondern Er ist auch ein Schöpfer seines Thuns. Gott hat dem Menschen nicht nur Kräfte gegeben, etwas zu thun, und siehet nicht nur gleichsam von ferne zu, wie er diese Kräfte anwende, sondern Er schafft auch dieses sein Thun. Er schafft es aber so, daß es doch das Thun des Menschen bleibt; weßwegen David sagen konnte: Du, o Gott, schaffest es, was ich vor oder hernach thue. Wie nun bei diesem göttlichen Schaffen das Thun, das Er schafft, doch des Menschen Thun sei und bleibe, ist unerklärlich, so lange die Natur der Seele so verborgen ist, wie sie ist. Nur wissen wir, daß Gott nicht nur den Menschen des Gesetzes Werk, das sie zu Vielem antreibt, in die Herzen geschrieben, und sie noch weiter durch Sein Wort unterweise, sondern daß Er auch ihnen die Herzen lenke, und ihren Geist erwecke, wenn Er etwas durch sie gethan oder nicht gethan haben will. Wir wissen ferner, daß, wenn der Mensch nach vielen wirksamen Gnadenzügen Gottes wiedergeboren wird, der Geist Gottes ihn erleuchte, führe und treibe, ja daß Christus in ihm wohne und lebe, und Gott in ihm das Wollen und Vollbringen alles Guten schaffe. Wir wissen und empfinden aber auch, daß der Mensch hiebei kein Klotz ist, der ohne sein Wissen und wollen fortgestoßen wird. Wir wissen, daß Gott den Willen der Seele durch Sein Wirken nicht vertilge, ja wir wissen, daß Gott Seine schöpferische Kraft meistens so sanft anwende, daß man ihr sogar auch widerstreben kann. Ja das Gewissen und das Wort Gottes lehrt uns, daß alle guten Thaten, ob sie schon von Gott geschaffen werden, dennoch des Menschen Thaten seien, und deßwegen ihm zum Lob und zur Belohnung zugerechnet werden. Alles dieses ist wahr, wie es aber zusammenfließe und zusammen zu reimen sei, habe ich nicht nöthig im Zustand meiner irdischen Kindheit zu wissen; denn David sagt V. 6. selber: solches Erkenntniß ist mir zu wunderlich und zu hoch, ich kann’s nicht begreifen. Mir liegt nur ob, mich Gott hinzugeben und zu überlassen, daß Er, was ich vor oder hernach thun solle, nämlich Eins nach dem Andern zu Seiner Ehre in mir schaffe, und mich dessen zu trösten, daß Er Seine Hand zu meiner Erhaltung und zu meinem Schutz über mir halte. Es ist sündlich, wenn man das Thun des Menschen nur dem Menschen zuschreibt, und bei demselben der schöpferischen Kraft Gottes vergißt, folglich auch Gott das Lob und den Dank versagt, die Ihm gebühren; es wäre aber auch thöricht, wenn man unter dem Vorwand, daß Gott alles Thun schaffe, faul und blos leidend sein wollte. Wenn Gott wirkt, so macht Er den Menschen thätig, munter und fleißig. Nur diejenige Geschäftigkeit muß zernichtet werden, welche nicht von Gottes Geist erregt und unterhalten wird. Lasset uns in der Abhängigkeit von Gott fleißig sein, und Ihm ohne Furcht dienen, weil Er Seine allmächtige Hand über uns hält!

Mel.: Sieh’, hie bin ich etc.
1.
Schweigt vom Glücke
Und Geschicke,
Die ihr Gottes Thun nicht wißt;
Mir genüget,
Was Gott füget,
Welcher Erd’ und Himmel mißt,
Der lebendig,
Der beständig,
Der der rechte Vater ist.
2.
Auf der Erden
Kann nichts werden
Ohne Gott, von ungefähr;
Was geschiehet,
Hört und siehet,
Ordnet, schicket, lenket ER;
Auch das Kleinste,
Das Gemeinste,
Kommt von Seiner Vorsicht her.
3.
Alle Schritte,
Alle Tritte
Sind dem Vater wohlbekannt.
Wenn ich falle,
Da ich walle,
Fall’ ich doch in Seine Hand.
Geh’n die Gänge
Durch’s Gedränge,
Geh’n sie doch zum Vaterland.
4.
Das ist feste:
Auf das Beste
Führt mich Gott auf Seiner Bahn,
Und ich fühle
An dem Ziele,
Was Er thut, sei wohlgethan;
Ihm gehöre
Dank und Ehre,
Weil Er selig führen kann.

25. September. Abend-Andacht.

Wer überwindet, den will Ich machen zum Pfeiler in dem Tempel Meines Gottes, und will auf ihn schreiben den Namen Meine Gottes, und den Namen des neuen Jerusalems, und Meinen Namen, den neuen. Offenb. 3,12.

Der Bischof zu Philadelphia hatte bei seiner kleinen Macht oder bei seinem sehr eingeschränkten Wirkungskreis das Wort des Heiland, das Geduld wirket, bewahret, und Seinen Namen nicht verleugnet, ob er gleich von grimmigen Juden verlästert wurde. Er war so wacker und treu, daß der Heiland ihm konnte schreiben lassen: Ich komme bald, halte, was du hast, daß Niemand deine Krone nehme. Dieses heißt dann überwinden, und wer so überwindet, den will der Heiland zum Pfeiler im Tempel Seines Gottes machen. Dieses Tempels wird Offenb. 7,15. 15,5.6., und in andern Stellen, wo er das himmlische und wahrhaftige Heiligthum genannt wird, Meldung gethan. Im neuen Jerusalem sahe Johannes keinen Tempel, sondern die Menschen sind da in Gott und in dem Lamm als in einem Tempel; vorher aber sind ihre Seelen in einem himmlischen Tempel, und vor dem Thron Gottes, Offenb. 21,22. 7,15. Dieser Tempel bedarf zwar keiner Pfeiler zu seiner Unterstützung, die Ueberwinder aber, welche im Glauben standhaft gewesen waren, will der Heiland in demselben zu Pfeilern machen. Sie sollen diesem Tempel zur Zierde dienen; wie ansehnliche Pfeiler einem Gebäude; sie sollen da fest stehen wie Pfeiler, und nicht mehr heraus gehen, folglich keinen Rückfall aus ihrem herrlichen Zustand thun können. Der HErr Jesus will aber auch auf einen solchen Ueberwinder den Namen Seines Gottes schreiben, und ihn dadurch auszeichnen, als einen Solchen, der sagen dürfe: der Gott meines HErrn Jesu Christi ist auch mein Gott. Auch will Er den Namen des neuen Jerusalems, der Stadt Seines Gottes, auf ihn schreiben, und ihn für einen Solchen erkennen und erklären, der das Bürgerrecht in dieser Stadt haben und darin wohnen soll. Er will aber auch Seinen Namen, den neuen, auf ihn schreiben. Der Heiland wurde schon im Stand Seiner Erniedrigung Jesus, Christus, Sohn Gottes, Menschen-Sohn und dergl. genannt, und diese Namen sind in das Evangelium eingeflochten worden, das allen Menschen gepredigt wird. Sein neuer Name aber bezieht sich ohne Zweifel auf die Herrlichkeit, die Er als erhöhet bei dem Vater hat, und derjenige, auf den dieser Name geschrieben wird, wird als ein Solcher ausgezeichnet, der mit Christo in der Herrlichkeit Gemeinschaft haben, oder mit Ihm zur Herrlichkeit erhoben sein soll. Wunderbar ist es, daß der Heiland in dieser Verheißung viermal von Seinem Gott redet. Er war schon zur Rechten Gottes erhöhet, und nennt doch Gott Seinen Gott, welches Er vor Seiner Kreuzigung nie gethan hatte, weil es damals nöthig war, den Menschen zu bezeugen, daß Gott Sein Vater sei. Sein Vater ist aber auch Sein Gott, Joh. 20,17., insofern Er Ihn als der Pfleger des himmlischen Heiligthums rühmet und preiset, wie Er durch ein Gelübde am Kreuz hangend versprochen hat, Ps. 22,23.26., und insofern Seine menschliche Natur in Ihm als ihrem höchsten Gut ruhet.

Mel.: Nun laßt uns Gott dem Herren.
1.
Wie herrlich sind die Gaben,
Die Ueberwinder haben,
Den Streitern zum Exempel
Stellt Gott sie in den Tempel!
2.
Da sind sie anzusehen,
Daß sie als Pfeiler stehen,
Die unbeweglich bleiben;
Der HErr wird an sie schreiben.
3.
Und was? Er schreibt zusammen
Da Seines Gottes Namen
Und Seiner Stadt, der reinen,
Die himmlisch wird erscheinen.
4.
Sein Name selbst, der neue,
Steht da zum Ruhm der Treue;
Wie herrlich sind die Gaben,
Die Ueberwinder haben!
5.
Hilf, HErr, daß mir’s gelinge;
Ist meine Kraft geringe,
So gib mir Muth und Stärke,
Daß ich Dich nahe merke.
6.
Laß mich bis zum Erkalten
An Deinem Worte halten;
Will sich Gefahr ereignen,
Bewahr’ mich vor Verleugnen.
7.
Gib, daß es noch sich zeiget,
Dein Herz sei mir geneiget,
Und lehr’ mich ohn’ Verschulden
Ob Deinem Worte dulden.
8.
Kommt eine Zeit auf Erden,
Daß die versuchet werden,
Die auf der Erde wohnen,
So wollst Du mich verschonen.
9.
Thu Du hier selbst das Beste,
Mach’ und erhalt’ mich feste,
Daß nicht ein And’rer käme,
Und meine Krone nähme.

26. September. Morgen-Andacht.

Es ist keine Obrigkeit ohne von Gott; wo aber eine Obrigkeit ist, die ist von Gott verordnet. Röm. 13,1.

Nachdem die Menschen nach der Sündfluth sich gemehrt hatten, konnten sie nicht mehr allein durch die Stammväter regiert werden. Die Nothwendigkeit, die wilden Thiere auszurotten, die sich sehr gemehrt hatten, verursachte, daß viele Menschen den Nimrod, der ein gewaltiger Jäger war, zu ihrem Anführer erwählten, und ihm zuerst bei der Jagd, hernach aber auch in ihren übrigen Angelegenheiten Gehorsam leisteten. Und so entstand das erste Reich im Morgenland in der Gegend des Euphrats. Diesem Beispiel ahmten bald andere Haufen von Menschen nach, weßwegen zu Abrahams Zeit schon mehrere Könige auf dm Erdboden waren, wiewohl es doch noch Stammväter gab, die keine Obrigkeit über sich erkannten, wie Abraham, Isaak, Jakob, Laban und andere. Es gab auch Völker, die anstatt eines Königs einen Rath von alten und weisen Männern setzten, welcher richten und schlichten mußte. Unter einem solchen Volk lebte Hiob, der von sich selbst Kap. 31,21. sagt, daß er im Thor, wo man Gericht hielt, Macht gehabt habe, zu helfen. Unter dem Volk Israel war eine lange Zeit kein König, und das ganze Regiment beruhte auf den Aeltesten jeder Stadt, in wichtigen Fällen auf einem großen Landtag, und zuweilen setzte Gott einen Richter, der im Krieg der Anführer, und in Friedenszeiten der Schiedsrichter bei schweren Händeln sein mußte. Endlich setzte Gott Könige unter Seinem Volk, wobei aber dieses sonderbar war, daß der HErr selbst den König, oder wenigstens das Geschlecht, welches die königliche Würde erblich besitzen sollte, durch einen Propheten ernannte, wie von Saul, David und Jerobeam bekannt ist. Wenn unter den zehn Stämmen, die von dem Reich Juda getrennt waren, Könige nach menschlicher Willkür aufgestellt wurden, so klagt der HErr Hos. 8,4.: sie setzen Könige ohne Mich. Die israelitischen Könige durften keine Gesetzgeber sein, sondern mußten nach dem göttlichen Gesetz regieren, und mußten in wichtigen Angelegenheiten sich von den Aussprüchen der Propheten oder auch von dem Licht und Recht leiten lassen, und sündigten, wenn sie es nicht thaten. Ein solches Reich heißt man eine Theokratie. Vom vierten Jahr Jojakins an wurde das Volk Gottes den Königen in Babel, und nach diesen den persischen, griechischen und römischen Regenten unterworfen. Auch entstanden zuletzt christliche Weltreiche, worin der größte Theil der Kirche seinen Aufenthalt hat, übrigens aber die Regenten und ihre Diener nicht mehr durch Propheten ernannt werden, und menschliche Gesetze anstatt der göttlichen, wie auch menschliche Räthe anstatt prophetischer Aussprüche gelten. Paulus, der zur Zeit der heidnischen Kaiser, die das römische Reich beherrschten, lebte, sagte in seinem Brief an die Christen zu Rom, welche die Kaiser und ihren Hofstaat und den römischen Rath in der Nähe ansehen, und an Vielem, das da vorging, sich ärgern konnten: Jedermann sei unterthan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat; denn es ist keine Obrigkeit ohne von Gott. Wo aber eine Obrigkeit ist, die ist von Gott verordnet. Obgleich Gott sie nicht unmittelbar ernennt, wie den Josua, und durch keinen Propheten erwählen und salben läßt, wie den Saul und David, so setzt Er sie doch durch Seine Vorsehung und durch Seine herzlenkende Kraft in ihr Amt; und wenn es auch auf’s Schlimmste hergeht, so ist doch Seine Zulassung zu verehren. Wer Gott treu ist, ist auch seiner Obrigkeit treu, und ein frommer Christ ist immer ein guter Bürger.

Mel.: O daß ich tausend Zungen hätte.
1.
Gott, Herrscher über alle Thronen,
Das ist ein weiser Rath von Dir:
Den Menschen, die auf Erden wohnen,
Setz’st Du die Obrigkeiten für;
So daß man nun an Deiner Statt
Auch Sterbliche zu Göttern hat.
2.
Daß ich mein Brod mag ruhig essen
Und wandeln darf auf sich’rer Bahn;
Daß mich des Mörders Schwert nicht fressen,
Der Räuber nicht entkleiden kann,
Der Läst’rer mir vergeblich dräut,
Das schaffst Du durch die Obrigkeit.
3.
Daß wir Dein Wort im Frieden hören,
Wobei man Tauf’ und Nachtmahl hat;
Daß man uns nicht die Schrift darf wehren,
Noch auch ein Grab zur Ruhestatt,
Das schaffst Du, Gott, der an uns denkt,
Und Christen zu Regenten schenkt.
4.
Gott, Dir sei Dank für solche Güte,
Du schütz’st durch Deine Dienerin.
Die ganze Welt ist Dein Gebiete,
Da setz’st Du Richterstühle hin.
Es lobe Dich, Dich bete an,
Was Herrscher heißt und Unterthan!

26. September. Abend-Andacht.

Er hat uns geboten, zu predigen dem Volk, und zu zeugen, daß Er ist verordnet von Gott ein Richter der Lebendigen und der Todten. Ap. Gesch. 10,42.

Obschon Gott auf dem Erdboden Obrigkeiten verordnet hat, welche das Recht handhaben und richten sollen, so bleibt doch sehr Vieles auf den allgemeinen Gerichtstag ausgesetzt, an welchem auch die Könige von einem ewigen König, und die Richter von dem allerherrlichsten Richterstuhl offenbar werden müssen, daß ein Jeglicher empfahe, nachdem er gehandelt hat bei Leibesleben, es sei gut oder böse. Jesus Christus, der Welt Heiland, hat selbst in den Tagen Seines Fleisches mehrmals bezeugt, daß Ihm der Vater alles Gericht übergeben habe, und Er also an jenem großen Tage der Richter der ganzen Welt sein werde. Weil auch an dieser Sache sehr Vieles gelegen ist, so hat Er Seinen Aposteln geboten zu predigen dem Volk und zu zeugen, daß Er ist verordnet von Gott ein Richter der Lebendigen und der Todten. Eben derjenige also, der sich von dem Rath zu Jerusalem und von dem Landpfleger Pilatus richten ließ, wird diese Seine Richter, und die ganze Welt an jenem Tage richten. Eben derjenige, der für die Lebendigen und die Todten am Kreuz gestorben ist, wird auch der Richter der Lebendigen und der Todten sein. Er hat eine allgenugsame Erlösung vollbracht. Er hat Seinen Geist allen Menschen verheißen, Er hat das Evangelium der Welt predigen lassen, und Geduld gehabt, und zugesehen. Endlich wird Er kommen und richten. Er wird die Lebendigen richten, die er bei Seiner Zukunft lebendig antreffen und verwandeln wird. Er wird auch die Todten richten, die Er bei Seiner Zukunft auferwecken wird. Sein Gericht wird gerecht sein. Doch werden die geschenkten Sündenschulden als geschenkt geoffenbaret, und nicht mehr zugerechnet werden. Er wird die Gnade, die Er den Bußfertigen und Glaubigen zur Zeit ihres irdischen Lebens erzeigt hat, nicht mehr widerrufen und zurücknehmen. Er wird die Gerechten mit Seiner Majestät nicht schrecken, sondern erfreuen, loben, herrlich machen, ihnen die Gewalt geben, die bösen Engel und Menschen zu richten, und den Ausspruch thun: kommet her, ihr Gesegneten Meines Vaters, ererbet das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt. Er wird ihnen aber auch Belohnungen nach dem Maß ihrer im Thun und Leiden bewiesenen Treue austheilen. Aber den bösen Menschen wird Seien Majestät, Seine Stimme, Sein Ausspruch schrecklich sein. Sie werden erscheinen müssen, sie werden Ihn sehen und hören, Er wird sei reden lassen, Er wird aber ihre bösen Werke und den bösen Rath ihrer Herzen offenbaren, Er wird sie also überweisen, daß sie Uebelthäter gewesen seien, ihre Namen werden nicht im Buch des Lebens stehen, Er wird das schreckliche Urtheil fällen: gehet hin, ihr Verfluchten, in das höllische Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln, und die Vollziehung des Urtheils wird alsbald folgen. Sie werden in die ewige Pein, die Gerechten aber in das ewige Leben gehen. Dieses Alles sollen wir fleißig bedenken, und unsern Wandel, so lange wir hier wallen, so führen, daß, wenn der Herr Jesus als Richter geoffenbart werden wird, wir Freudigkeit haben, und nicht zu Schanden werden vor Ihm in Seiner Zukunft.

Mel.: HErr Jesu Christ, mein’s etc.
1.
Es wird noch allem Volk gesagt,
Auch dem, der nichts nach Jesu fragt,
Man wird’ Ihn als der Lebenden
Und als der Todten Richter seh’n.
2.
Wie groß ist Christi Herrlichkeit,
Die Seien Glaubigen erfreut,
Und Seine Widersacher stürzt,
Die sich am Seligsein verkürzt!
3.
HErr! schreib’ mir dieß in meinen Sinn,
So lang ich noch im Leben bin;
Denn auch das Grab verbirgt uns nicht,
Und liefert endlich zum Gericht.
4.
Jetzt haben wir noch Gnadenzeit,
Und die Vergebung währt noch heut;
Wenn einst des Richters Zorn entflammt,
Wird Alles, was nicht glaubt, verdammt.
5.
Jetzt glaub’ ich Dich, o Gottes Sohn!
Jetzt fleh’ ich Dir vor Deinem Thron,
Jetzt lieb’ ich Dich und geb’ Dir Ehr’;
Dort hilft kein Knie’n und Heulen mehr.
6.
Jetzt ist Dein Wort mir süß und werth,
Das mich noch Heil und Gnade lehrt;
Dort wird es wie ein Donner geh’n,
Vor dem der Sünder nicht kann steh’n.
7.
HErr! wo ich bin, und was ich thu’,
Da rede durch Dein Wort mir zu,
Daß Du, erhöhter Jesu Christ,
Mein Heiland oder Richter bist.
8.
Ach sei mein Heiland in der Noth,
Ach bleib’ mein Heiland auch im Tod,
Damit ich, wenn ich aufersteh’,
Dein Angesicht voll Gnade seh’!

27. September. Morgen-Andacht.

Der HErr ist wahrhaftig auferstanden. Luk. 24,34.

Am Morgen des dritten Tages nach dem Tod Jesu gingen Maria Magdalena und etliche andere glaubige Weiber zu dem Grab Jesu, und sahen in einiger Entfernung, daß der Stein, welcher den Eingang verschlossen hatte, weggewälzt war. Die Sonne ging damals auf, doch war es noch einigermaßen finster, und der helle Tag noch nicht angebrochen. Bei dem Anblick des weggewälzten Steins lief Maria Magdalena zurück, um dem Petrus und Johannes, welche an einem besondern Ort bei einander waren, zu sagen, daß mit dem Grab Jesu etwas vorgegangen sei; die andern Weiber aber gingen in das Grab hinein, sahen in demselben zwei Engel, und hörten den einen derselben sagen, Jesus sei auferstanden und lebe. Mit Schrecken liefen diese Weiber zurück, um den Aposteln zu sagen, was sie gesehen und gehört hatten; und als sie vom Grab und Garten Josephs sich schon entfernt hatten, kamen Petrus und Johannes, und hinter ihnen drein Maria Magdalena zum Grab, ohne jenen Weibern zu begegnen. Die zwei Apostel gingen in das Grab hinein, fanden die Tücher, den Leib Jesu aber nicht, verwunderten sich, erblickten aber keinen Engel, und liefen wieder weg. Nach ihrem Weggehen stand Maria Magdalena noch im Garten unweit dem Grabe, sahe einen Engel, und hörte ihn reden, sahe endlich Jesum selbst, und hörte Seine Stimme. Alsbald hernach erschien Jesus auch den übrigen Weibern, die noch auf dem Rückweg zur Stadt waren. Maria Magdalena und die übrigen Weiber kamen hierauf zu den Aposteln und sagten zu ihnen, Jesus sei ihnen erschienen: allein diese glaubten ihnen nicht, und hielten diese Rede für ein Mährlein, Mark. 16,9.10. Luk. 24,10.11. Bald hernach erschien Jesus den zwei Jüngern, die nach Emmaus gingen: als aber diese zurückliefen, und den Aposteln diese Erscheinung erzählten, glaubten diese zuerst auch nicht, Mark. 16,12.13., da aber jene zwei Jünger ihr Zeugniß ausführlich ablegten, und überdieß die Nachricht einlief, daß der HErr eben jetzt auch dem Simon irgendwo erschienen sei, glaubten endlich die Apostel und Andere, die bei ihnen waren, daß Jesus auferstanden sei, und sagten selber: der HErr ist wahrhaftig auferstanden und dem Simon erschienen. Da sie aber davon redeten, trat Er selbst, Jesus, mitten unter sie, und sprach: Friede sei mit euch u.s.w., und erschien ihnen hernach noch etlichemal, bis Er endlich vor ihren Augen gen Himmel fuhr. Auf diese Weise sind also die Apostel von der Wahrheit der Auferstehung Jesu überzeugt worden; wobei es aber merkwürdig ist, daß der Engel, der im Grab Jesu mit den Weibern redete, sie an die Worte Jesu erinnerte, der HErr Jesus selbst aber Seine Jünger auf die Weissagungen der Propheten verwies, und beiderseits dadurch angedeutet wurde, daß Worte Gottes, die man immer vor sich hat, und die nicht anders als wahr sein können, für sterbliche Menschen der eigentliche und tauglichste Grund der Glaubensgewißheit seien. Der Unglaube, den die Jünger Jesu zuerst äußerten, war sündlich, doch diente er hernach zu einem Beweis, daß sie nicht leichtgläubig gewesen seien. Sie fürchteten sich vor Mährlein, Luk. 24,11., die Viele, wenn sie etwas Wunderbares oder Schmeichelhaftes enthalten, nur allzugern glauben. Das Wort von der Auferstehung Jesu ist aber kein Mährlein, sondern die lauterste Wahrheit, die auch wir glauben sollen. Unser geistliches und ewiges Leben fließt aus dieser Quelle.

Mel.: Jesus, meine Zuversicht.
1.
Hallelujah! Jesus lebt,
Jesus ist vom Grab erstanden.
Die ihr in der Angst geschwebt,
Seht, hier ist der Trost vorhanden,
Nehmt an dieser Freude Theil,
Jesus lebet, unser Heil.
2.
Nun ist die Gerechtigkeit
Uns erworben und geschenket.
Sünde, du bracht’st Herzeleid,
Nun bist du in’s Meer versenket;
Tod, uns schreckte deine Macht,
Aber du bist umgebracht.
3.
Jesus lebt, wir leben mit,
Denn Gott hat uns Ihm gegeben.
Das ist ja ein sel’ger Schritt
Aus dem Tode in das Leben!
Mein Herz glaubt’s und freuet sich,
Jesus lebet auch für mich.
4.
Hallelujah! Jesus lebt,
Und ich sing’ zu Seinen Füßen.
Wenn man morgen mich begräbt,
Will ich keinen Trost sonst wissen.
Künftig sing’ ich vor dem Thron:
Hallelujah, Gottes Sohn!

27. September. Abend-Andacht.

Ziehet an, als die Auserwählten Gottes, herzliches Erbarmen. Kol. 3,12.

Wenn man die Welt ansieht, wie sie voll Ungerechtigkeit und Bosheit ist, so kann man leichtlich in einem heftigen Eifer entbrennen, und zu einem strengen Verfahren bewegt werden; wenn man sie aber als ein Lazareth ansieht, das voll Kranker, und als ein Feld, das voll Todtengebeine ist, Ez. 37., so kann man zur Erbarmung bewegt werden. Zur Zeit des Alten Testaments handelten die Knechte Gottes oft sehr streng, und diese Strenge kam mit der Offenbarung Gottes auf dem Beg Sinai überein, und war der Beschaffenheit der Leute, mit denen sie zu thun hatten, angemessen, wiewohl sie doch auf ihre unermüdete Liebe durch Fürbitten bei Gott und andere Aeußerungen zeigten. Was aber der Geist des Neuen Testaments in seinen Kindern wirke, hat Christus bei einer namhaften Gelegenheit deutlich gezeigt. Auf einer Reise nämlich nach Jerusalem schickte Er Boten vor Sich her, die Ihm die Nachtherberge in einem samaritischen Flecken bestellen sollten; die Leute in dem Flecken aber nahmen Ihn nicht auf. Ueber diese Grobheit wurden die zwei Apostel Jakobus und Johannes vor Andern entrüstet, und sprachen: HErr willst Du, so wollen wir sagen, daß Feuer vom Himmel falle, und verzehre sie, wie Elias that? Jesus aber wandte sich, und bedräuete sie, und sprach: wisset ihr nicht, welches Geistes Kinder ihr seid? Des Menschen Sohn ist nicht kommen, der Menschen Seelen zu verderben, sondern zu erhalten, Luk. 9,52-56. Die zwei Jünger sahen die Leute in jenem Flecken nur als rohe und grobe Sünder an: der HErr Jesus aber sahe sie auch als unwissende, verwahrloste und verführte Menschen an, die, wenn man langmüthig gegen sei wäre, noch selig werden könnten. Eben so sahe Er auch einmal das rohe unwissende Volk an, das vor Seinen Augen herum lief, und an dem Er mit einem heftigen Eifer Vieles hätte ahnden können. Es jammerte Ihn desselben, denn sie waren verschmachtet und zerstreut wie die Schafe, die keinen Hirten hatten, und Er sorgte hernach dafür, daß es, weil Seine Stimme nicht allenthalben erschallen konnte, von Seinen Aposteln eine Anweisung zum Seligwerden bekam, Matth. 9,36. uff. Mit welcher Erbarmung haben die Apostel den Mördern ihres lieben HErrn Jesu nach Seiner Himmelfahrt ihre Sünden vorgehalten, und den Weg zum Leben gezeigt! Wie sanftmüthig hat Paulus Ap. Gesch. 22. den Leuten gepredigt, die ihn unmittelbar vorher fast zu todt geschlagen hatten! Er konnte aber nicht nur von sich, sondern auch von den übrigen Aposteln bezeugen, daß sie sanftmüthig und barmherzig seien. Man schilt uns, sagt er 1 Kor. 4,12., so segnen wir; man verfolgt uns, so dulden wir’s; man lästert uns, so flehen wir. Er konnte also den Kolossern, ohne einen Vorwurf zu bekommen, schreiben: ziehet an als die Auserwählten Gottes, Heiligen und Geliebten, herzliches Erbarmen. Wer also unter die Auserwählten, Heiligen und Geliebten Gottes gerechnet werden soll, dem steht ein herzliches Erbarmen, welches ihn dem barmherzigen Gott ähnlich macht, wohl an. Ein strenger Feuereifer hat oft den Schein des Rechts; wenn aber ein tödtender Grimm darunter steckt, so ist er ungerecht. Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit empfangen.

Mel.: Meine Armuth macht mich schreien.
1.
Gott! Dein herzliches Erbarmen
Ob mir Armen
Mache mich Dir gleich gesinnt;
Denn des Vaters guten Namen
Nachzuahmen,
Ist die Pflicht von Seinem Kind.
2.
Du läß’st Deine Sonne scheinen
Denen Deinen,
Und dem sündigen Geschlecht,
Du läß’st auf Gerechte regnen,
Sie zu segnen,
Und auf die, die ungerecht.
3.
Ueber Hasser ihrer Brüder
Führst Du wieder
Ein untrügliches Gericht;
Aber die Erbarmung üben,
Wirst Du lieben,
Als die Erben in dem Licht.
4.
Lehr’ mich, nicht allein den Freunden,
Sondern Feinden Gutes gönnen, Gutes thun;
Und, ob mich die Bösen hasse,
Doch mich fassen,
Und in Deiner Liebe ruh’n;
5.
Ist der Bösen Stand doch kläglich,
Wenn sie täglich
Deiner Gnade widersteh’n,
Und in Häufung ihrer Strafe,
Wie im Schlafe,
Deinem Zorn entgegen geh’n!
6.
Lehr’ uns auch die Bösen tragen,
Wenn sie plagen;
Denn Dein Tag steht doch bevor;
Und wir heben zum Erlösen
Von dem Bösen
Uns’re Häupter schon empor!

28. September. Morgen-Andacht.

Ich habe Macht, Mein Leben zu lassen, und habe Macht, es wieder zu nehmen. Joh. 10,18.

Der HErr Jesus setzte diesen Worten hinzu: solches Gebot habe Ich empfangen von Meinem Vater. Was für wunderbare Verhältnisse müssen wir bei der Erkenntniß Jesu zusammenfassen! Er sagte: Ich habe ein Gebot von Meinem Vater empfangen, Mein Leben zu lasen, und wieder zu nehmen, und sagte doch zugleich: Ich habe Macht, Mein Leben zu lasen, und habe Macht, es wieder zu nehmen. Bei dem Sterben und Auferstehen Jesu kam also Seine eigene Macht über Sein Leben und das Gebot Seines Vaters zusammen. Es ist also weit gefehlt, wenn wir die Zeugnisse von der Erniedrigung Jesu zur Verleugnung Seiner göttlichen Würde und Macht mißbrauchen. Als derjenige, der sagen konnte: Ich und der Vater sind Eins; alle Dinge sind Mir übergeben von Meinem Vater; Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden, ja als das wesentliche Wort, als der wahrhaftige Gott und das ewige Leben, hatte Er Macht, das Leben Seiner menschlichen Natur für Seine Schafe zu lassen und es wieder zu nehmen: aber als ein Menschen-Sohn, der Sich selbst ausgeleeret und bis zum tiefsten Gehorsam erniedrigt hatte, und wegen dieser Erniedrigung sagen konnte: der Vater ist größer denn Ich, hatte Er ein Gebot von dem Vater wegen Seines Lebens empfangen. Er trug auch keinen Augenblick Bedenken, dieses Gebot zu erfüllen, und in der ganzen Zeit Seines Lebens auf Erden war Er an Einem fort so gesinnt, wie von Ihm Ps. 40,9. geweissagt war: Deinen Willen, Mein Gott, thue Ich gern, und Dein Gesetz habe Ich in Meinem Herzen. Er empfing auch wegen dieser Seiner Bereitwilligkeit, Seine Macht über Sein Leben nach dem Gebot Seines Vaters anzuwenden, die erquicklichsten Empfindungen der Liebe Seines Vaters, weßwegen Er Joh. 10,17. sagte: darum liebet Mich Mein Vater, weil Ich Mein Leben lasse, auf daß Ich’s wieder nehme. Das Gebot des Vaters war bei dem Tod und bei der Auferstehung Jesu nöthig, damit offenbar würde, daß auch der Wille des Vaters in das ganze Werk der Erlösung einfließe, daß der Kreuzestod Jesu, woran sich die fleischliche Vernunft ärgert, dem Vater wohlgefallen habe, und daß die Auferstehung Jesu ein Zeugniß sei, wodurch der Vater zeuge, daß Er Sein Sohn und Seine Erlösung giltig sei. Der Wille des Vaters aber mußte die Form eines Gebots annehmen; damit bei Jesu ein Gehorsam statt hätte, so daß Paulus hernach schreiben konnte: wie durch Eines Menschen Ungehorsam Viele Sünder worden sind: also auch durch Eines Gehorsam werden Viele gerecht, Röm. 5,19. Damit aber dieser Gehorsam ganz rein und vollkommen wäre, mußte Jesus selber Macht haben, Sein Leben zu lassen und wieder zu nehmen; denn wer etwas läßt oder nimmt, worüber er nicht die höchste Gewalt hat, beweiset keinen so kostbaren und edlen Gehorsam als der Gehorsam Jesu sein sollte. Habe Dank, guter Hirte der Schafe, daß Du Deine Macht über Dein Leben nach dem Gebot Deines Vaters gebraucht, und Dein Leben zu unserm Heil gelassen, aber auch wieder genommen hast. Dein Gehorsam sei meine Gerechtigkeit.

Mel.: Entfernet euch, ihr etc.
1.
Nun Jesus ist der große Hirte,
Ihr Schafe, faßt es und erkennt’s,
Daß Gott Ihn aus den Todten führte
Durch’s Blut des ew’gen Testaments.
Der Vater gab
Ihm Macht im Grab,
Und machte als der Friedensgott
Durch Jesum unsern Tod zu Spott.
2.
So nahm Er denn Sein Leben wieder,
Das Er für Seine Schafe ließ.
Schaut, Schafe, wie das Haupt die Glieder
Mit sich aus ihrem Tode riß.
Sein Tod versühnt,
Sein Leben dient,
Daß Er auch uns das Leben schafft,
Indem Er lebt aus eig’ner Kraft.
3.
O sagt nur Ihm: ich will nicht sterben,
So reißt euch nichts aus Seiner Hand!
O lobt Ihn für Sein theu’r Erwerben,
Sein Geist ist selbst des Lebens Pfand;
Dem Hirten sei
Für Seine Treu’
Hier Dank und Ehre in der Zeit,
Bis ihr an Lebenswassern seid.

28. September. Abend-Andacht.

Einen andern Grund kann Niemand legen, außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus. 1 Kor. 3,11.

Die Gelehrten haben sich schon lange beflissen, die Pflichten des Menschen und des Bürgers aus der Beschaffenheit der menschlichen Natur und des gesellschaftlichen Lebens herzuleiten. Ob nun gleich solches einigen Nutzen hat, so wird doch dadurch noch kein Christ gebildet. Soll etwas eine christliche Lehre oder ein Evangelium heißen, so muß Alles aus Jesu Christo hergeleitet oder auf Ihn gebaut werden. Mit einem bußfertigen Herzen an Ihn glauben, ist die erste Pflicht eines Menschen. Aus diesem Glauben fließt die Rechtfertigung des Sünders vor Gott, die Heiligung, die nach und nach seine ganze Natur durchdringt, und die ewige Seligkeit. Wer aber nur aus vernünftigen Gründen oder aus einer Aufwallung seiner Phantasie, oder Menschen zu gefallen, oder nur aus Furcht vor der Hölle fromm werden will, zu Christo aber nicht kommt, und Seiner nicht durch den Glauben theilhaftig wird, bauet ein Haus ohne Grund auf den Sand, welches bei dem nächsten Sturm wieder fällt. Die Menschen versuchen, oft einen andern Grund des Christenthum zu legen als Jesum Christum, weil sie Alles gern mit ihrer Vernunft durchschauen und begreifen, und überdieß gern selber etwas in geistlichen Dingen vermögen, und aus ihren Werken gerecht sein wollen, an Jesu Christo aber Vieles unbegreiflich ist, und der Glaube an Ihn nicht anders entstehen kann, als wenn man zu seiner tiefen Beschämung überzeugt ist, daß man sich selber nicht mehr helfen könne, und mit seinen natürlichen Tugenden und Werken unter dem Fluch des Gesetzes liege. Die Menschen aber mögen denken und versuchen, was sie wollen, so bleibt es dabei, daß Niemand einen andern Grund legen könne, als den, der bereits da liegt, welcher ist Jesus Christus. Er ist als der einige Grund des Heils im Evangelium den Menschen geoffenbart. Er ist vom Vater dazu gesandt, verordnet und gesetzt worden, daß Alle, die an Ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben möchten. Er ist uns gemacht von Gott zur Weisheit, zur Gerechtigkeit, zur Heiligung und zur Erlösung. Er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben, Niemand kommt zum Vater, denn durch Ihn. Durch Ihn können wir allein Glauben und Hoffnung zu Gott haben. Außer Ihm hat der Sünder keine Zuversicht, keine Hoffnung, keine Gnade und Heil, kein Licht und kein Leben. Alles dieses beruhet auf einem unwiderruflichen Rathschluß Gottes, und ist durch ein wahrhaftiges und gewisses Evangelium den Menschen kund gethan. Wer also Andere lehren will, muß sich darnach richten, und wer selig werden will, muß auf diesen Grund erbauet werden; ein Jeder aber darf gewiß sein, daß Jesus Christus ein guter, fester und sicherer Grund sei, und wer an Ihn glaubt, nicht zu Schanden werde. Auch mir liegt Alles daran, daß Christus der Grund meiner Zuversicht und Hoffnung sei und bleibe; was aber bei dem geistlichen Wachsthum auf diesen Grund bei mir gebauet wird, soll Gold, Silber, Edelgestein der wahren Erkenntniß und der echten Frucht des Geistes, und nicht Holz, Heu und Stoppeln falscher Meinungen und unechter Tugenden sein.

Mel.: Wer nur den lieben Gott etc.
1.
Der Grund, auf dem ich fest will stehen,
Ist Jesus Christus, Gottes Sohn.
Man zeige Tiefen oder Höhen,
Mein Glaube weichet nicht hievon.
Wenn dieß der Weltwitz Einfalt heißt,
Ist’s doch gelehrt von Gottes Geist.
2.
In dieses Gottes-Sohnes Blute
Werd’ ich von allen Sünden rein;
Da ist dem Glauben wohl zu Muthe,
Ich lasse mich sonst nirgends ein.
Wenn auch ein Kind dieß sagen kann,
So hab’ ich doch genug daran.
3.
Ich liebe Jesum als mein Leben,
Und bet’ Ihn an als meinen HErrn;
Er wolle Seinen Geist mir geben,
Daß ich Gebet und Liebe lern’.
Scheint stolzen Sinnen dieß gering,
Ist mir es doch ein köstlich Ding.
4.
Ich laß mich nicht in and’re Tiefen,
Und schwing mich keinen Höhen zu.
Laß Spott und Hohn nur auf mich triefen:
In dieser Einfalt find’ ich Ruh’.
Ich sag’ e frei, man lache mein:
Mir kann nichts über Jesum sein.
5.
Nur Jesum Christum will ich wissen,
Den auch für mich Gekreuzigten;
Wird auch mein Geist vom Leib gerissen,
Soll er mit Dem gen Himmel geh’n;
Zuletzt kommt auch mein Leib dahin,
Daß ich bei Jesu ewig bin.

29. September. Morgen-Andacht.

Es war unmöglich, daß Christus sollte von dem Tod gehalten werden. Ap. Gesch. 2,24.

Petrus, der eine Zeit lang die Auferstehung Jesu nicht glauben wollte, nachdem sie schon geschehen war, trat hernach am Pfingsttag auf, und predigte: es sei sogar unmöglich gewesen, daß Christus von dem Tod gehalten würde. Die Auferstehung Jesu war also so gewiß vor seinen Augen, daß er da Gegentheil für eine Unmöglichkeit hielt. Es war freilich unmöglich, daß Christus von dem Tod gehalten würde, weil sonst die Schrift gebrochen worden, oder die Weissagungen unerfüllt geblieben wären, worin die Auferstehung Christi vorher verkündiget worden war. Petrus führt etliche dieser Sprüche in seiner Pfingst-Predigt an, und Christus hat ohne Zweifel noch mehrere in Seinem Gespräch mit den Jüngern, die nach Emmaus gingen, angeführt. Christus mußte also auferstehen, damit Gott als wahrhaftig erkannt würde. Die Schrift kann nicht gebrochen werden, wie Christus Joh. 1035. sagt: darum konnte auch Christus von dem Tod nicht gehalten werden. Weil ferner Christus als der Gerechte für die Ungerechten starb, der Tod aber nur die Ungerechten oder die Sünder halten kann, so war es unmöglich, daß Er vom Tod gehalten würde. Auch hatte der Teufel, der des Todes Gewalt hat, nichts an Ihm, Joh. 14,30., und konnte ihn also nicht im Tod zurückbehalten. Ueberdieß hatte der Vater dem Sohn das Gebot gegeben, das Leben, wenn Er’s gelassen hätte, wieder zu nehmen, und der Sohn hatte mehrmals gesagt, daß Er’s nach dem Willen Seines Vaters thun wolle. Er heißt der Fürst des Lebens, ja Er heißt das Leben, gibt Seinen Schafen ewiges Leben, und war von dem Vater verordnet, ein ewiger König auf Seinem Thron zu sein, als ein König die Lebendigen und die Todten zu richten, und ein ewiges Priesterthum bei dem Vater für die Menschen zu verwalten. Bei diesem Vorsatz oder Rath Gottes war es dann freilich unmöglich, daß Christus von dem Tod gehalten würde. Er litt und schmeckte zwar den Tod wahrhaftig: aber im Augenblick Seines Todes brach das ewige Leben in Seiner Seele mit Macht an, und am dritten Tag auch bei Seinem Leib; und nun kann Er sagen: Ich war todt, und bin lebendig in die ewigen Ewigkeiten.

Weil nun Christus auferstanden ist, und ewiglich lebt, so ist es auch unmöglich, daß diejenigen, die an Ihn glauben, und Seine Glieder und Miterben sind, von dem Tode gehalten werden, weil auch ihnen die Auferstehung zum ewigen Leben in der heiligen Schrift verheißen ist, weil sie in Jesu gerecht sind, weil der Geist deß, der Jesum von den Todten auferwecket hat, in ihnen wohnet, weil sie schon bei Leibesleben ein ewiges Leben empfangen, und weil man sagen müßte, Christus sei nicht auferstanden, wenn sie nicht auferstünden, wie Paulus 1 Kor. 15,16. au dem Zusammenhang der Werke Gottes schließt. Die Seele eines Menschen, der in dem HErrn stirbt, ist schon bei ihrer Bekehrung auferweckt worden, und siehet hernach den Tod nimmer, gesetzt, daß auch zuweilen ein Grauen davor sie anwandelte, oder ein Schatten des Todes sie überfiele. Sie lebt aber, und geht bei der Trennung von dem Leibe in ein völligeres Leben ein. Der Leib wird freilich in die Erde gelegt, und da eine Zeit lang vom Tode gehalten. Der heilige Jesus hat die Verwesung nicht gesehen, wir aber werden sie sehen. Allein wir werden doch endlich Seine Stimme hören, und alsdann aus den Gräbern hervorgehen, und als ganze Menschen ewiglich bei Ihm leben. Hallelujah!

Mel.: O Jerusalem, du schöne.
1.
Tod, du kannst mich auch nicht halten,
Dieses sing’ ich glaubensvoll,
Wenn ich schon durch dich erkalten
Und im Grab verwesen soll.
Jesus lebt, und ich bin Sein,
So ist auch Sein Leben mein.
2.
Sollt’st du mich zu halten wissen,
Da ich doch in Jesu bin?
Deine Bande sind zerrissen,
Und ich lebe einst durch Ihn.
Nichts ist Christo einverleibt,
Welches doch im Tode bleibt.
3.
Auferstehen, (süßes Hoffen!)
Auferstehen werd’ ich einst,
Jesu, wenn die Zeit verloffen,
Und Du uns zum Heil erscheinst.
Dein Geist lehrt mich, daß ich glaub’,
Du verklärst einst meinen Staub.
4.
HErr, wie bin ich Dir verpflichtet!
O daß ich zu danken wüßt’,
Daß Du unsern Tod zernichtet,
Da Du auferstanden bist!
Weck’ mich einst in meinem Theil,
Da verkünde ich Dein Heil.

29. September. Abend-Andacht.

So wir Gott versöhnet sind durch den Tod Seines Sohnes, da wir noch Feinde waren: vielmehr werden wir selig werden durch Sein Leben, so wir nun versöhnet sind. Röm. 5,10.

Paulus hatte Röm. 5. in seinem und aller Glaubigen Namen gesagt: wir, die wir durch den Glauben gerechtfertigt worden sind, und Gnade erlangt haben, rühme uns der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben soll, nicht allein aber das, sondern wir rühmen uns auch der Trübsale, die vor der Verherrlichung hergehen, weil wir durch dieselben bei der Geduld geläutert, und in jener Hoffnung noch mehr befestigt werden. Hierauf zeigt er den Grund dieser Hoffnung an, welcher dieser ist, daß durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist, die Liebe Gottes in unsern Herzen zur deutlichen Empfindung ausgegossen worden. Was ist aber dieses für eine Liebe? Es ist diejenige, welche Christum bewogen hat, für uns Gottlose zu sterben; es ist diejenige Liebe Gottes, nach welcher Christus für uns gestorben ist, da wir noch Sünder waren. Wir erkennen uns also als gewesene Gottlose, wir fühlen uns als Sünder: wir empfinden aber auch und glauben diejenige Liebe Gottes, nach welcher Christus für uns Gottlose und Sünder gestorben ist. Nun sind wir aber gerecht worden, nun sind wir durch den Tod Jesu als gewesene Feinde Gott versöhnet. wie vielmehr dürfen wir’s also der Liebe Gottes zutrauen, daß sie uns als Gerechte und Versöhnte selig machen und zur Herrlichkeit erhöhen werde. Die Hoffnung der Herrlichkeit also, welche die Gerechten auch unter den Trübsalen haben, hat ihren guten und sichern Grund.

Es ist klar, daß Paulus in dieser Abhandlung die Menschen zuerst als Gottlose, als Sünder, als Feinde, und hernach als Gerechte und Versöhnte betrachtet. Es war etwas ganz Unerwartetes, daß Christus aus Liebe für Gottlose und Sünder starb, und Feinde durch Seinen Tod Gott versöhnte: nun ist’s aber desto eher zu erwarten und zu hoffen, daß diejenigen, welche gerecht und versöhnt sind, vor dem Zorn bewahrt und selig gemacht werden. Hier ist kein Tod des Sohnes Gottes mehr nöthig, sondern nachdem durch diesen Tod einmal die Versöhnung vollbracht worden ist, so darf Er nur Seine Lebenskraft anwenden, und Sein Leben uns mittheilen, damit wir selig werden. Gerechte sind keine Gottlosen mehr, und werden nicht mehr als Sünder, die unter dem Fluch liegen, erfunden, Gal. 2,17. Abtrünnige Unterthanen werden, so lange sie ihrem König nicht versöhnt sind, für Feinde geachtet, und als solche durch den Zorn des Königs verfolgt und gedrückt, wenn sie aber versöhnt sind, so werden sie nicht mehr für Feinde gehalten, oder als Feinde behandelt. Gerechte werden vor dem Zorn bewahrt, Versöhnten wird die Seligkeit angeboten und mitgetheilt. Wen sollte dieses Evangelium nicht freuen? Wer sollte nicht daraus Zuversicht und Hoffnung schöpfen? Die Menschen dürfen sich nach demselben für dasjenige halten, was sie von Natur sind, nämlich für Sünder, für Gottlose, für Feinde; sollen aber dabei die Liebe Gottes erkennen, dem Tod Jesu eine versöhnende Kraft zuschreiben, und Sein Leben für die wirkende Ursache ihrer Seligkeit halten. Heiliger Vater, heilige mich in dieser Wahrheit, und laß mich in diesem Evangelium den Frieden mit Dir an diesem Abend finden, und auch an dem Abend meines Lebens genießen.

Mel.: Alles ist an Gottes Segen.
1.
Jauchzet, Jesus ist erschienen,
Durch Sein Blut uns zu versöhnen,
Und Er hat’s vor Gott gebracht;
Da wir Gottes Feinde waren,
ist uns Gnade widerfahren,
Die aus Sündern Kinder macht.
2.
Gott hat uns den Sohn gegeben,
Und den Sohn auch uns zum Leben;
Unser Glaube lebt hievon.
Seine Liebe anzupreisen,
Konnt uns Gott nichts Größ’res weisen,
Als den Tod von Seinem Sohn.
3.
So ist nie kein Tod geschehen,
Der der Welt zum Auferstehen,
Gott zum Wohlgefallen dient.
Fließ, mein Herz, mit Freudenthränen,
Unter den verlor’nen Söhnen
Bin auch ich mit Blut versöhnt.
4.
Ist Gerechtigkeit erworben,
Weil der Sohn für uns gestorben:
Vielmehr ist es nun gewiß,
Daß Gott durch des Sohnes Leben
Uns Gerechtigkeit will geben,
Weil sich Gott versöhnen ließ.
5.
Brich, mein Herz, auf dieß Versöhnen;
Mein Gebein wird künftig grünen,
Wenn ich gleich vermodert bin;
Fleug, mein Geist, aus deiner Hütten;
Jesus, der den Tod erlitten,
Lebet, und du lebst durch Ihn!

30. September. Morgen-Andacht.

Wir sehen nicht auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. 2 Kor. 4,18.

Alle Menschen sind Trübsalen ausgesetzt, wenn aber die Trübsal eine ewige und über alle Maßen wichtige Herrlichkeit schaffen soll, so müssen sie nicht auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare sehen, und bei diesem Blick auf das Unsichtbare wird sie die Trübsal kurz und leicht zu sein dünken; da sie hingegen, wenn sie nur auf das Sichtbare sehen, nicht nur keinen Nutzen von der Trübsal haben, sondern auch über ihre Langwierigkeit und Schwere solche Klagen führen, die Gottes Ehre selber antasten. Wie wird man aber tüchtig, so auf das Unsichtbare zu sehen? Paulus lehrt es uns, indem er Eph. 1,16.17.18. sagt: ich gedenke eurer in meinem Gebet, daß der Gott unsers HErrn Jesu Christ, der Vater der Herrlichkeit, gebe euch den Geist der Weisheit und der Offenbarung zu Seiner selbst Erkenntniß, und erleuchtete Augen eures Verständnisses, daß ihr erkennen möget, welche da sei die Hoffnung eures Berufs, und welcher da sei der Reichthum Seines herrlichen Erbes an Seinen Heiligen. Wer also die Hoffnung des Berufs der Heiligen, das ist die unsichtbare und zukünftige Ruhe, Freude und Herrlichkeit, welche sie vermöge des göttlichen Gnadenberufs hoffen dürfen, und den unsichtbaren Reichthum des herrlichen Erbes, das sie empfangen sollen, erkennen will, hat erleuchtete Augen des Verständnisses nöthig, und diese gibt Gott, indem Er den Geist der Weisheit und der Offenbarung zu Seiner selbst Erkenntniß gibt. Es kommt also hier nicht auf die leere und todte Wissenschaft von eurem ewigen Leben und von einer zukünftigen Herrlichkeit an; denn es gibt Viele, welche wissen und sagen, daß es ein ewiges Leben gebe, und doch demselben zu lieb nichts thun und nichts lassen, sondern wider den Himmel sündigen, wie der verlorne Sohn von sich Luk. 15,18. bekannte, weil sie ihn nicht so hoch schätzen, daß sie um seinetwillen etwas verleugneten. Wer so auf das Unsichtbare sehen will, wie Paulus und alle wackeren Christen zu seiner Zeit darauf gesehen haben, muß dieses Unsichtbare für sein Ziel halten, wornach er läuft, und für sein Kleinod, um das er kämpft. Auf das Sichtbare sehen aber heißt irdisch gesinnt sein, den Bauch zum Gott machen, es preisen, wenn Jemand nach guten tagen trachtet, und selber mit Hintansetzung des Reiches Gottes darnach trachten, Reichthum und Ehre bei den Menschen zum Ziel seiner Wünsche und zum Zweck seines Bestrebens machen, sündigen, wo man meint, daß man dadurch einen irdischen Gewinn erhaschen könne, der Welt Freundschaft suchen, und der Welt sich gleich stellen, um dadurch sein Glück ohne Gottes Gnade und Wohlgefallen zu machen, die sichtbare Welt fürchten, und aus Furcht sich nicht bekehren, damit man ihr nicht mißfällig werde, Fleisch für seinen Arm und den Goldklumpen für seinen Trost halten. Wer so gesinnt ist, wird lustig, übermüthig und gewaltthätig, so lange es ihm gelingt. Wenn aber Trübsale einbrechen (sie brechen aber gewiß ein; denn der Gottlose hat viel Plage), so kann er nicht sagen, seine Trübsal sei zeitlich und leicht, sondern er zürnt und flucht seinem König und seinem Gott, und wird müde in Angst, und geht irre im Finstern, Jes. 8,21.22. Ach Gott! bewahre mich vor diesem unseligen Sinn und Weg, und mache mich tüchtig, auf das Unsichtbare, das ewige, und in Deinem wahren Wort verheißen ist, zu sehen.

Mel.: Werde munter, mein Gemüthe.
1.
Schick, mein Herz, die Glaubensblicke
Ueber Welt und Zeiten hin;
Sieh’ nicht auf den Stand zurücke,
Wo ich noch auf Erden bin;
Blicke nur nach jener Stadt,
Welche Gott zum Bauherrn hat;
Schau’ nur auf auf jenes Leben,
Das dir Gott will ewig geben.
2.
Hier ist Ehre, aber nichtig;
Hier sind Schätze, aber klein;
Hier ist Freude, aber flüchtig:
Dort muß Alles besser sein.
Hier sind Thränen, hier ist Noth,
Die verkürzt der nahe Tod;
Dort wird Freude ewig währen,
Dahin soll mein Aug’ sich kehren.
3.
Gott, ich lobe Dein Erbarmen,
Daß ich dorthin sehen kann!
Deine Gnade hat mir Armen
Auch die Augen aufgethan;
Halt’ sie fest auf jenes Ziel,
Was man hier sieht, ist ein Spiel.
Zeig’ mir, was ich ferne sehe,
Bald im Himmel in der Nähe!

30. September. Abend-Andacht.

Und ich sahe eine neue Erde; denn die erste Erde verging. Off. 21,1.

Die erste Erde, auf welcher wir noch jetzt wallen, und welche bis an den jüngsten Tag bleiben wird, ist ohne Zweifel von Gott, der nur schöne und vollkommene Werke macht, in den sechs Tagen der Schöpfung so gemacht und gebildet worden, daß nichts als Schönheit, Ordnung und Fruchtbarkeit in und auf derselben zu sehen war. Gott sahe damals Alles an, was Er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut; wiewohl freilich ein Geschöpf vortrefflicher war als das andere, und der Himmel die Erde an Vortrefflichkeit übertrag; doch ist auch die Erde nach dem Zweck, wozu sie erschaffen war, sehr gut gewesen. Nach dem Sündenfall aber sagte Gott zu Adam: verflucht sei die Erde um deinetwillen u.s.w., 1 Mos. 3,17., und daher entstand bei allen Menschen Mühe und Arbeit, 1 Mos. 5,29. Durch die Sündfluth verderbte Gott die Erde noch weiter, weil sie voll Frevels von den Menschen worden war, 1 Mos. 6,13. Blutschulden, sodomitische Sünden und andere Greuel wurden hernach mehrmals die Ursache, daß Gott große und kleine Theile der Erde noch weiter verderbte. Ueberdieß gibt es Menschen, welche die Erde verderben, Offenb. 11,18. Ob nun gleich zu derjenigen Zeit, da es mit der Kirche Gottes viel besser als jetzt stehen wird, die Erde einen neuen Segen von Gott genießen wird, so wird sie doch die erste Erde bleiben, wiewohl sie um des neuen Segens willen Jes. 65,17. 66,22. auch eine neue Erde genannt wird. Es wird aber alsdann das Warten auf einen neuen Himmel, und eine neue Erde, in welchen Gerechtigkeit wohnet, 2 Petr. 3,13., nicht aufhören, und die Verheißung derselben alsdann erfüllt werden, wenn das jüngste Gericht gehalten sein wird; denn nachdem Johannes dieses gesehen hatte: so sahe er einen neuen Himmel und eine neue Erde, und da er derselben Offenb. 21.1. Meldung gethan hatte, so setzte er hinzu: denn der erste Himmel und die erste Erde ist vergangen, und das Meer ist nicht mehr, und ich, Johannes, sahe die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herab fahren, zubereitet als eine geschmückte Braut ihrem Manne. Daß dieses neue Jerusalem alsdann als die göttliche Residenz, oder als die Hütte Gottes bei den Menschen auf der neuen Erde sein werde, ist daraus zu schließen, daß der Engel, der es dem Johannes zeigen wollte, ihn im Geist auf einen großen und hohen Berg geführt hat, V. 10. An den zwölf Thoren dieser Stadt werden die Namen der zwölf Geschlechter der Kinder Israels geschrieben sein: wer also in dieser Stadt wohnen soll, muß durch den Glauben der Verheißungen, die Gott Israel gegeben hat, theilhaftig, und wenn er von Natur ein Heide war, durch den Glauben dem Stammbaum Israels eingepfropft worden sein. Auf den Gründen dieser Stadt stehen die Namen der zwölf Apostel des Lammes: wer also ein Bürger in dieser Stadt sein soll, muß das Evangelium der Apostel mit seinem Glauben gefaßt haben, oder auf den Grund der Apostel erbauet worden sein.

Mel.: Nun ruhen alle Wälder.
1.
Ich trachte reich zu werden,
Doch nicht auf dieser Erden,
Sie ist zu arm und alt;
die neue, die hat Gaben,
Die wir zu hoffen haben
In einer herrlichen Gestalt.
2.
Es wird auf dieser neuen
Kein Abelsblut mehr schreien:
Da wohnt Gerechtigkeit;
Da macht kein Schweiß mehr müde,
Da küßt sich Treu und Friede,
Da weiß man nichts von Angst und Leid;
3.
Da gibt’s nicht Räuberhorden,
Da ist kein krieg’risch Morden,
Da herrschet kein Betrug,
Da darf man nicht nach Waaren
Auf ferne Meere fahren:
Die neue Erde trägt genug;
4.
Da ist kein unrein Wesen,
Man wird nicht Lügen lesen,
Es wird kein Neid mehr sein,
Man lebt da nicht in Lüsten,
Kein Stolz wird da sich brüsten,
Kein Geiz sperrt seinen Abgott ein.
5.
Das ist es, was ich suche.
Ach Heiland! schreib’ im Buche
Des Lebens mich auch an,
Daß ich auf dieser Erde
Dein Glaubenspilger werde,
Dort als Dein Bürger wohnen kann.
6.
Laß mich auf dieser alten
An Deinem Worte halten,
Und mach’ mich Dir getreu;
Leg’ ich hier meine Glieder
Zum Erdewerden nieder,
So schaff’ sie dort auf ewig neu!

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/r/roos/september.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain