Magnus Friedrich Roos - Kreuzschule - Erstes Kapitel.

Magnus Friedrich Roos - Kreuzschule - Erstes Kapitel.

Von den Trübsalen überhaupt.

1. Daß das menschliche Leben nicht allein kurz, sondern auch mit vielen Leiden und Widerwärtigkeiten beschwert sei, lehrt die heilige Schrift und die tägliche Erfahrung. Es ist auch kein Mensch, der auf dem Erdboden lebt, von dem Leiden befreit. Zwar meinen oft arme und geringe Leute, die Reichen und Vornehmen haben nichts zu leiden: wenn man aber dieser ihren Zustand recht erkennen lernt, so findet man, daß bei ihnen auch ein jeglicher Tag seine Plage habe: ja daß zwischen ihnen und andern in diesem Stück kein sonderlicher Unterschied sei; weil GOtt gemeiniglich den armen und geringen Leuten dasjenige, was ihnen am Vermögen und an der Ehre abgeht, durch Gesundheit und andere Umstände ersetzt: weßwegen kein Mensch den andern beneiden, oder mit seinem eigenen Stand unzufrieden sehn soll.

2. Fürnemlich ist aber zu bedenken, daß alle Trübsale von GOtt kommen. Alsbald nach dem Sündenfall hat nemlich der große GOtt zu der Eva gesagt: „ich will dir viel Schmerzen schaffen, wenn du schwanger wirst: du sollt mit Schmerzen Kinder gebären; und dein Wille soll deinem Manne unterworfen seyn, und er soll dein Herr seyn. Und zu Adam sprach er: dieweil du gehorchet hast der Stimme des Weibes und gegessen von dem Baum, davon ich dir gebot und sprach: du sollt nicht davon essen; verflucht sei der Acker um deinetwillen, mit Kummer sollt du dich darauf nähren, dein Lebenlang. Dorn und Distel soll er dir tragen, und sollt das Kraut auf dem Felde essen. Im Schweiß deines Angesichts sollt du dein Brod essen, bis daß du wieder zur Erden werdest, davon du genommen bist; denn du bist Erde, und sollst zur Erde werden.“ 1 Mos. 3, 16. 17. 18. 19. Dieser Ausspruch GOttes wird bis an's Ende der Welt an allen Menschen, als die von Adam und der Eva herkommen, erfüllet, sie seien vornehm oder gering, reich oder arm; und zwar an einem jeden in gewissem Maaße; denn obschon nicht alle im Ehestand leben, oder den Acker bauen, so müssen doch alle Schmerzen und Kummer ausstehen, mühselige Arbeiten verrichten, und zuletzt sterben und dem Leibe nach zur Erde werden. GOtt selbst hat es so verordnet; weßwegen kein Mensch diesem Schicksal entrinnen kann. Neben dieser allgemeinen Mühseligkeit und Plage aber, schickt GOtt dem Menschen auch besondere Leiden zu, je nachdem es ihm gefällt; und diese sind entweder Landplagen, welche weit um sich greifen, als Krieg, Theurung, Hungersnoth, Pestilenz und andere tödtliche Seuchen, von welchen Ezech. 14, 13-23. und in vielen andern Sprüchen der heiligen Schrift, die Rede ist; theils sind es besondere Nöthen und Unglücksfälle, die GOtt einzelnen Menschen und Häusern zuschickt; wie dann ein Mensch vor dem andern mit Armuth oder einem siechen Leib, oder natürlicher Schwermuth, oder satanischen Anfechtungen, oder mannigfaltiger Schmach, die ihm Andere anthun, oder auch mit frühzeitigen Sterbensfällen in seinem Geschlecht, mit bösen Nachbarn, mit Unglück am Vieh und an Guter n und mit andern dergleichen Zufällen heimgesucht wird; wobei dann ein jeder Mensch glauben soll, was GOtt Jes. 45, 6. 7. sagt: „ich bin der HErr, der solches alles thut, der ich das Licht mache, und schaffe die Finsterniß; der ich Friede gebe und schaffe das Uebel. Ich bin der HErr, der solches alles thut.“ Und was Arnos 3, 6. steht: „ist auch ein Unglück in der Stadt, das der HErr nicht thue?“

3. Es ist ferner hiebei zu bedenken, wie der wohlgefällige und der zulassende Wille GOttes fast bet einem jeden Leiden zusammen kommen: So war es GOttes Wohlgefälliger Wille, daß Christus für die Sun den der Menschen leiden und sterben sollte: daß aber Judas JEsum verrathen, Caiphas und der hohe Rath zu Jerusalem ihn zum Tod verdammen, und Pilatus ihn kreuzigen lassen sollte, war nur der zulassende Wille GOttes. Christus aber faßte sowohl den wohlgefälligen als auch den zulassenden Willen GOttes in Eines zusammen, und sagte, da er von seinem Leiden redete, zu seinem himmlischen Vater: „nicht mein Wille“, in so fern er nemlich ein menschlicher Wille ist, „sondern dein göttlicher Wille geschehe.“ Auch sagte er zu Petro: „soll ich den Kelch nicht trinken, den mir mein Vater gegeben hat?“ das ist, soll ich nicht nach meines Vaters Willen leiden und sterben? Bei Hiob war es GOttes wohlgefälliger Wille, daß er zu seiner Bewährung und Läuterung vieles leiden sollte, daß ihm aber Räuber seine Rinder und Cameele nahmen, und seine Knechte tödteten, war dabei GOttes Zulassung. Hiob aber faßte auch alles zusammen, und sahe steif auf den Willen GOttes, da er sagte: „der HErr hat's gegeben, der HErr hat's genommen, der Name des HErrn sei gelobet.“ Hiob 1, 21. Hieraus sollen wir lernen, wie wir uns nicht ärgern und erzürnen sollen, wenn wir sehen, daß böse Menschen Andern viele Plagen anthun und sie beleidigen; denn auch diese böse Menschen stehen unter der Gewalt GOttes, der ihnen zuläßt so viel er will, und dabei ist es sein wohlgefälliger Wille, daß Andere diese Plagen geduldig leiden sollen. GOtt ist und bleibt heilig, und sein Name soll hochgelobet werden, sowohl wenn er etwas Gutes mit Wohlgefallen wirket und schafft, als auch wenn er etwas Böses zuläßt. Auch seine Zulassung gereicht zu seiner Ehre, und zum Heil desjenigen, der sich derselben mit gläubiger Geduld unterwirft.

4. Eine ganz besondere Bewandniß hat es mit dem Leiden, welches der Mensch sich selber zuziehet, wie denn freilich viele Leute sich selber in die Armuth stürzen, oder sich selber um ihren guten Namen und um ihre Gesundheit bringen, oder gar als Uebelthäter in die Hände der Obrigkeit fallen. Hiebei ist nun freilich auch die Zulassung GOttes zu erkennen, der Mensch aber, der sich selber unglücklich macht, soll wissen, daß er sich hoch versündiget habe, weil er ein ungetreuer Haushalter über die Gaben GOttes oder auch ein böser Unterthan der Obrigkeit gewesen, und deßwegen, wenn er sein Unglück empfindet, sagen: „ich will des HErrn Zorn ertragen, denn ich habe wider ihn gesündiget“, Micha 7, 9., oder mit dem bußfertigen Schacher: „ich empfahe, was meine Thaten werth sind“, Luc. 23, 41. Wenn auch das zeitliche Unglück oder die leibliche Strafe nicht mehr ersetzt oder abgewendet werden könnte, so soll er desto mehr nach der Errettung und dem Heil seiner Seele begierig seyn, und GOtt um Gnade und die Aufnahme in sein himmlisches Reich bitten. Wer aber noch nicht in ein solches selbstgemachtes Unglück oder in eine solche zeitliche Strafe verfallen ist, hüte sich sorgfältig davor, und wandle m der Furcht GOttes, damit an ihm erfüllet werden könne, was Ps. 25,12, steht: „wer ist der den HErrn fürchtet? Er wird ihn unterweisen den besten Weg. Seine Seele wird im Guten wohnen, und sein Same wird das Land besitzen.“

5. Weil nun alles Leiden von GOttes Rathschluß oder Zulassung herkommt, so soll man daraus erstlich seine große Macht erkennen. „Sehet ihr“, sagt er 5 Mos. 32, 39., „daß ich's allein bin, und ist kein GOtt neben mir. Ich kann todten und lebendig machen: Ich kann schlagen und kann heilen: und ist niemand, der aus meiner Hand errette.“ Niemand ist so reich, den Er nicht arm machen könnte, niemand so stark und mächtig, den Er nicht bis in den Staub, ja bis in die Hölle hinabstürzen könnte. Auch kann keine menschliche Arglist und Klugheit etwas wider ihn ausrichten; denn er kann machen, daß die Weisheit der Weisen untergehe, und der Verstand der Klugen verblendet werde, Jes. 29,14. Wie dann solches aus alten und neuen Geschichten leicht zu erweisen wäre. Deßwegen spricht auch der HErr Jer. 9, 23: „Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reichthums; sondern wer sich rühmen will, der rühme sich deß, daß er mich wisse und kenne, daß ich der HErr sei, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übet auf Erden; denn solches gefällt mir, spricht der HErr.“

6. Es ist auch ferner aus dem Leiden der Menschen GOttes Gerechtigkeit zu erkennen. Es ist nemlich recht bei GOtt, daß er alle Menschen fühlen läßt, was der Sündenfall Adams, ihres Stammvaters, für ein großes Unheil angerichtet habe, und was ferner die Sünden eines jeden Menschen für bittere Folgen haben. Die Sünde ist nemlich die bittere Quelle, woraus alles Unglück stießt. Wäre keine Sünde in der Welt, so wäre auch keine Noth und kein Tod in der Welt. Weil nun die Menschen insgemein die Sünde wenig achten, und sich dabei noch entschuldigen und rechtfertigen: so läßt sie GOtt oft durch allerlei Plagen inne werden und erfahren, was es für Jammer und Herzleid bringe, den HErrn seinen GOtt verlassen und ihn nicht fürchten. Jer. 2,19. Ertüchtiget sie, und zwar mit Maaße, damit ne sich nicht für unschuldig halten. Jer. 30,11. Wollen sie sich auch unter solchen Plagen und Züchtigungen nicht bekehren, so bricht sein gerechter Zorn endlich völlig aus, und stürzet die Menschen in die Hölle, wo sie Pein leiden müssen, das ewige Verderben, von dem Angesicht des HErrn und von seiner herrlichen Macht. 2 Thess. 1, 9.

7. Es ist ferner aus den Leiden der Menschen GOttes unermeßliche Weisheit zu erkennen, welche weiß und bestimmt, was und wie viel ein jeder Mensch leiden soll. Am jüngsten Tag wird offenbar werden, und ist auch jetzt schon zum Theil offenbar, wie keines Menschen Lebenslauf und Leiden den Schicksalen der übrigen Menschen Völlig gleich sei. O welch eine Tiefe der Weisheit GOttes, die für einen jeden Menschen in dem unzahlbaren menschlichen Geschlecht einen eigenen Lebenslauf, und also auch einen eigenen und besonderen Leidensweg ausgedacht und verordnet hat! Und zwar bestimmt die Weisheit GOttes einem jeden Menschen dasjenige Leiden, das ihm angemessen ist, oder für ihn taugt. Darum hat schon ein Heide gesagt: daß, wenn alle Menschen ihre Leiden auf einen Haufen zusammen trügen, so würde ein jeder das seinige wieder nehmen, weil er nemlich merkte, daß ihm dasselbe und kein anderes angemessen sei. Es ist also thöricht und sündlich, wenn ein Mensch den andern beneidet, oder sagt: es geht keinem Menschen so übel als mir. Ach nein. Ein anderer hat auch sein angemessenes Leiden: vielleicht ein heimliches, das ihn härter drückt als ein öffentliches. Vielleicht hat er seinen schwersten Tag noch nicht gehabt, sondern noch zu gewarten: da alsdann du es besser haben wirst als er. Und gesetzt: GOtt lege dir mehr Leiden auf als einem andern, so glaube, daß es so für dich tauge, und er's weislich so verordnet habe. Wer bist du, daß du mit GOtt rechten willst?

8. Endlich kann man auch aus einem jeden Leiden GOttes Güte herausleuchten sehen. Zwar gibt es auch schwere und empfindliche Leiden, unter welchen man klagen und heulen muß Ps. 55,18., ja schier verzagen möchte Ps. 83,16. Doch darf man nicht verzagen, wenn man sich an das Wort GOttes hält. Wer in die Verzweiflung versinkt, wie Judas Ischarioth, ist selbst schuld daran, weil er dem Teufel so viel Raum und Eingang bei sich gelassen, daß er alles Wort GOttes von und aus dem Herzen wegnehmen konnte. Wer aber seinen Trost im Wort GOttes sucht, wird ihn finden, ja er wird erfahren, daß ihm GOtt durch sein Wort Kraft darreichen werde, das aufgelegte Leiden zu ertragen. GOtt züchtiget die Menschen mit Maaße. Die heftigsten Leiden währen gemeiniglich nicht lang, und werden wenigstens durch Erquickungen, die GOtt dazwischen hineinschickt, unterbrochen. Auch macht der Tod allem zeitlichen Leiden bald ein Ende. Bitte also GOtt, daß er dich zu einem seligen Tod bereite, so darfst du, wenn deine Bitte erhört und gewährt wird, nicht lang leiden, und siehest das Ende deiner Noth nahe vor dir. Ueberhaupt ist es ein Beweis der göttlichen Güte, daß er die Menschen nicht sicher und ungeahndet dahin gehen läßt, sondern Trübsale über sie verhängt, die ihnen heilsam werden können.

Zugabe.

Scriver's Seelenschatz IV. Theil.

Der HErr JEsus sagt Luc. 1l, 23: wer mir folgen will, der nehme sein Kreuz, nemlich das ihm verordnet, bereitet und zugedacht ist, das GOtt für ihn dienlich befunden, versehen und hingelegt hat, auf sich, und zwar gerne und willig. Gleichwie ein jedweder Christ durch GOttes Vorsehung und Verordnung seinen Theil hat von den irdischen Gütern viel oder wenig, nachdem es dem Höchsten gefallen, gleichwie ihm sein Räumlein verordnet ist, wo er leben und sterben soll; gleichwie er seine Zeit und Ziel hat von GOtt gesetzt, das er nicht überschreiten kann: also hat er auch sein Kreuz, das ihm verordnet und weggelegt ist. Niemand bekommt ein fremdes Kreuz; niemand wird auch vergessen. Wenn die Zeit kommt, die GOtt bestimmet hat, so wird er bald einen Boten und Diener finden, der einem, jedweden sein Kreuz in's Haus bringe und darlege. Willst du nun, mein Christ, ein geruhiges Herz haben bei aller Trübsal, so erwäge diese Dinge wohl. Wenn dir ein Unglück zur Hand kommt, so denke straks: das ist mein Kreuz, von meinem GOtt mir verordnet und gegeben. Sollt ich mich weigern das anzunehmen, was mein Vater mir von Ewigkeit zugedacht hat? Und was hilft's, wenn ich mich gleich sperre, und den Rücken unter das Kreuz ungern beugen will? Es ist mein Kreuz, ich muß es tragen, ich will oder will nicht. Ein Anderer wird's für mich nicht tragen. So sei mir willkommen mein liebes Kreuz! Wir sind durch eine hohe Hand und Liebesband zusammengeordnet. Du bist mir lieb um deswillen, der mich von Ewigkeit her geliebet, und dich aus Liebe an mich verwiesen hat.

Ebendaselbst S. l8.

Die Schrift sagt: daß GOtt die Glaubigen von Ewigkeit her zum Kreuz versehen, verordnet und gesetzt habe. Der heilige Paulus sagt Rom. 8, 29: welche GOtt zuvor versehen hat, die hat er auch verordnet, daß sie gleich seyn sollen dem Ebenbild feines Sohnes (hier im Leiden, dort in der Freude; hier in der Trübseligkeit, dort in der Herrlichkeit). Er lehret auch, daß wir dazu gesetzt sind, daß wir Trübsal haben sollen. 1 Thess. 3, 3. Und ist merkwürdig, daß, gleichwie der Apostel sagt: GOtt hat uns gesetzt die Seligkeit zu besitzen durch unfern HErrn JEsum Christum, 1 Thess. 5, 9. Also sagt er auch, Er habe uns zur Trübsal und zum Kreuz gesetzt, das ist, verordnet und versehen. Als GOtt uns von Ewigkeit her aus lauter Gnad in Christo zum ewigen Leben erwählt hat, da hat er auch zugleich nach seinem allweisen Rath dieses versehen und verordnet, daß wir durch die Trübsal sollten in das Reich GOttes eingehen, welches mit denen andern Gnaden und Gaben unsers GOttes, deren wir genießen, aus Einer Quelle fließet, und einerlei Ursprung hat, nemlich seine ewige Liebe. Er hat uns aus Liebe erwählet, aus Liebe berufen, aus Liebe zum Glauben gebracht, aus Liebe die Erstlinge seines Geistes gegeben, aus Liebe mit Kreuz und Trübsal belegt, aus Liebe mit Trost und Kraft versehen, daß wir's ertragen können. So hangt nun alles, wie eine Kette aneinander. Es ist die Trübsal sowohl ein goldener Ring an dieser Kette, als ein anderer, welchen niemand herausreißen kann oder muß.

Ebendaselbst 2. Pred. 8. 23.

Das heilige und gesegnete Kreuz der Glaubigen, oder, wie es der Apostel nennet, das Leiden Christi ist. von dem unheiligen und gemeinen Leiden der Welt wohl zu unterscheiden. Es ist hieran ein Großes gelegen, weil, wie in andern Dingen, das Christenthum betreffend, also auch hierin ein großer Betrug vorgehet, und mancher Mensch, der wegen seiner vielfältigen Widerwärtigkeit, die ihm begegnet, sich fast den heiligen Märtyrern beizählt, und einen großen Lohn im Himmel erwartet, wenn er sich nicht bekehrt, der Hölle nicht entrinnen wird. Es hat zwar das Kreuz Christi die Verheißung, daß die, so es ihm nachtragen, sollen in dieser Welt reichen Trost und nach dieser Welt eine ewige und über alle Maaß wichtige Herrlichkeit zu erwarten haben. Es ist aber nicht alles Kreuz Christi Kreuze und nicht ein jedweder, der etwas leiden muß, kann sich solche Verheißung mit Recht anmaßen. Der HErr JEsus, als er am Kreuz hieng, hatte auf beiden Seiten Schächer bei ihm, die sowohl als Er, was solche Todesart mit sich brachte, leiden mußten. Des Einen Kreuz aber, der nach herzlicher Bereuung seiner Sünden durch den Glauben in die Gemeinschaft Christi des Gekreuzigten aufgenommen ward, war geheiliget und gesegnet, und mußte ihm nicht allein an seiner Seligkeit nicht schaden, sondern auf gewisse Weise zuträglich seyn. Des Andern aber, der in seiner Bosheit verharrete, und Christum bis an sein Ende verlästerte, blieb unheilig und verflucht, und lieferte ihn noch selbigen Tags der höllischen Qual und Pein. So geht's auch jetzt in der Welt zu. Es kann seyn, daß zwei Nachbarn beieinander wohnen, die beide arm und elend sind, und sich kümmerlich erhalten und durchbringen müssen, deren Einer doch dem HErrn Jesu sein Kreuz nachträgt, und ihm auf dem Weg der Seligkeit mit Seufzen und Thränen folgt, der Andere aber in des Satans Banden geht, und das Joch der Sünden auf dem Hals hat. Es geschieht öfters, daß eine allgemeine Trübsal über eine Stadt, Land oder ganzes Königreich kommt, dadurch die Frommen nebst den Gottlosen hart gedrückt werden, also, daß sie scheinen, vor Menschenaugen, in gleicher Verdammniß zu seyn. Jedoch ist vor GOtt ein großer Unterschied, und der Ausgang bezeuget's, daß, was den Gottlosen eine harte Strafe ist, und sie mit lauter Fluch, Gift und Galle überschüttet, den Gottseligen nur eine väterliche Züchtigung ist, die ihnen oft zu ihrer zeitlichen und ewigen Wohlfahrt hilft. Augustinus schreibt daher in dem Buch von der Stadt GOttes: „wie unter einerlei Feuer das Gold glänzt, das Stroh aber einen Rauch gibt, und unter einerlei Dreschwagen die Stoppeln zerrieben, die Früchte aber gesäubert werden: so findet sich's auch, daß einerlei Trübsalssturm die Guten bewährt, läutert und schmelzet, die Bösen aber als verwerflich darstellet, verderbet und vertilget. Daher unter einerlei Trübsal die Bösen GOtt fluchen und lästern, die Guten aber ihn segnen und preisen. So viel kommt darauf an, nicht was man leide, sondern wer etwas leide.“

D. Luther über Ps. 32, 10.

GOtt spricht: ich will dir Verstand geben, und dich unterweisen in dem Weg, darin du wandeln sollest, und darin ich dich haben will. Du bittest, ich solle dich erlösen. Laß dir nicht leid seyn, lehre du mich nicht, lehre dich auch nicht, laß mir dich: Ich will dir Meisters genug seyn. Ich will dich führen den Weg, darin du mir gefällig wandelst. Dich dünkt, es sei verderbt, wenn es nicht geht, wie du denkest. Dieß Denken ist dir schädlich und hindert mich. Es muß gehen nicht nach deinem Verstand, sondern über deinen Verstand - nicht wissen, wohin du gehest, das ist recht wissen, wohin du gehest -. So gieng Abraham aus von seinem Vaterland, und wußte nicht wohin. Er gab sich in mein Wissen, und ließ fahren sein Wissen, und ist kommen den rechten Weg, an das rechte Ende. Siehe, das ist der Weg des Kreuzes, den kannst du nicht finden, sondern ich muß dich führen als einen Blinden. Darum nicht du, nicht ein Mensch, nicht eine Kreatur, sondern Ich, Ich selbst will dich unterweisen, den Weg, da du inne wandeln sollest. Nicht das Werk, das du erwählest, nicht das Leiden, das du erdenkest, sondern das dir wider dein Erwählen, Denken und Begehren kommt: da folge, da rufe Ich: da sei Schüler, da ist es Zeit. Dein Meister ist da kommen. Da sei nicht ein Pferd oder unvernünftig Thier. Folgest du mir, und verlassest dich selbst, siehe alsdann will ich meine Augen stets auf dich haben, will dich nicht lassen, du sollest nicht versinken. Ich will dein nicht vergessen. Deine Augen sollen zu seyn über dich; dieweil meine Augen offen seyn über dich.

Gebet.

Lieber himmlischer Vater! Es soll nach deinem heiligen Rath und Willen niemand in der Welt vom Leiden frei seyn, seitdem der Sündenfall geschehen, und die menschliche Natur verderbt ist: und deßwegen Haft du auch allerhand Trübsale in mein irdisches Leben eingeflochten, um der Sünde bei mir zu wehren, mich von der Welt abzuziehen, zur Buße und zum Gebet anzutreiben, und mir dein Wort lieber und Werther m machen. Schaffe durch deine Gnade, daß dieser gute Endzweck bei mir erreicht werde, und die leiblichen Trübsale durch einen geistlichen und ewigen Nutzen, den sie bei mir haben, überschwänglich bezahlt werden. Wenn der Satan oder die Menschen mir Böses zufügen: so ist es dein zulassender Wille; daß ich aber dieses Böse leide, ist dein wohlgefälliger Wille, unter den du meinen bösen menschlichen Willen beugen wollest. Habe ich mir selber durch Unvorsichtigkeit oder Uebelthaten ein Leiden zugezogen, so demüthige ich mich vor deinem Angesicht, und bitte, du wollest mir, was ich hiebei gesündiget habe, um deines Sohnes Jesu Christi willen gnädiglich vergeben, das Leiden aber, das nicht mehr abzuwenden, mir zum Besten dienen lassen. Lehre mich in allem Leiden deine Macht verstehen, nach welcher du allein schlagen und auch heilen kannst. Laß mich deine Gerechtigkeit erkennen, nach welcher es recht bei dir ist, die Sünder zu züchtigen, und deinen Abscheu an der Sünde fühlen zu lassen. Lehre mich auf deine Weisheit merken, nach welcher du einem jeden Menschen seinen ihm allein angemessenen Theil von Leiden zuschickest. Offenbare mir aber auch deine Güte, nach welcher du den Auserwählten nach dem Ungewitter die Freudensonne wieder scheinen lassest, und sie, wenn sie durch Leiden wohl geläutert sind, deiner ewigen Herrlichkeit und Ruhe theilhaftig machest. Schenke mir den Geist der Weisheit und der Offenbarung zu deiner Selbst-Erkenntniß. Vertreibe durch das Licht der Wahrheit die thörichte und sündliche Gedanken, wodurch ich deine Ehre oft angetastet, und Mich selbst auf eine unnöthige und unnützliche Weise gekrankt habe. Schaffe und stärke den neuen Menschen in mir, der geistlich gesinnet ist, und sich in alles wohl schicken kann. Laß meinen Gang auch in trüben Zeiten richtig und gewiß seyn nach deinem Wort, und die Trübsal mich in meinem Christenlauf nie matt und trag machen. Endlich bringe mich zum Ziel, da die Nöthen und Gefahren aufhören, und ewige Freude und Ruhe anfangen wird. Deinem Namen sei Ehre in Ewigkeit. Amen.

1. Kein Mensch soll in dem Jammerthal
Den Nächsten je beneiden;
Denn jeder Tag hat seine Qual,
Und jeder Mensch sein Leiden.
Sag nicht bei deiner Armuths-Last:
Wie glücklich sind die Reichen!
Sieh' wie vom reichen Erden-Gast
Die Plagen niemals weichen.

2. Gerechter GOtt! dieß kommt von dir.
Du wiegst auf deiner Wage
Der Eva ihre Wehe für,
Dem Adam Schweiß und Plage;
Du bist in den Gerichten scharf
Auf dieser ganzen Erde;
Weil es der Fromme selbst bedarf,
Daß er geläutert werde.

3. So fasse dich, o Christen-Herz,
Verehre GOttes Willen.
Schilt keinen Feind. Sieh himmelwärts.
Laß GOttes Wort dich stillen.
Es ist kein Unglück in der Stadt,
Das GOtt der HErr nicht thue:
Doch du genießst nach seinem Rath
Auch Frieden, Wonne, Ruhe.

4. Er bleibet heilig und gerecht.
Sein Name sei verehret,
Auch wenn er dich als seinen Knecht
Mit einer Last beschweret.
Zu seinem Preis und deinem Wohl
Muß alles Elend dienen.
Auch unter Dornen kann und soll
Dein Heil durch Christum grünen.

5. Wenn der sich fast zum Bettler sauft,
Wenn hier ein Sklav der Schande
Durch Laster in den Kerker lauft,
Und in des Henkers Bande,
Wenn den die Sünden, die er that,
Nun auf das Siechbett werfen;
Was werden wir für einen Rath
Demselben geben dürfen?

6. Wer so der Narrheit Lohn erfährt,
Soll mit dem Schacher sagen:
Dieß waren meine Thaten werth,
Und an die Brust sich schlagen.
Er leide seine Strafe gern,
Wenn sie die Glieder tödtet,
Und danke seinem guten HErrn,
Wenn er die Seele rettet.

7. Kurz, suche GOtt, wenn Er dich sucht.
Bekenne deine Sünden.
Schau Christum an, wenn Moses flucht:
So wirst du Gnade finden.
Sei deinem Schöpfer unterthan,
Und laß Ihn dich regieren.
Er will dich auf der Leidensbahn
Zur Himmelsfreude führen.

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