Roos, M. Magnus Friedrich - Andachten zum Brief an die Römer
Römer 2
Ungnade und Zorn, Trübsal und Angst über alle Seelen der Menschen, die da Böses thun; Preis aber und Ehre und Friede allen denen, die da Gutes thun.
Röm. 2,9.10.
Paulus ist im zweiten Kapitel des Briefs an die Römer noch damit beschäftigt, daß er Juden und Griechen überweise, sie seien Sünder und der Verdammniß würdig, damit er hernach den Schluß machen könne: sie müssen, wenn sie selig werden wollen, ohne Verdienst gerecht werden aus der Gnade Gottes und durch die Erlösung, die durch Jesum Christum geschehen. Weil er sich aber die Juden als Juden und die Griechen als Heiden vorstellte, und sich nach ihrer Erkenntniß richten wollte, so konnte er ihnen den Unglauben, als die verdammliche Sünde, die man wider Jesum und Sein Evangelium begeht, nicht vorhalten, gleichwie man es auch bei vielen unwissenden Christen nicht thun kann, sondern berief sich auf ihre Werke, wegen deren sie durch das geschriebene Gesetz und durch ihr Gewissen verurtheilt wurden. Er sagte also V. 6.: Gott werde einem Jeden nach seinen Werken vergelten; wie aber? So, daß Ungnade und Zorn, Trübsal und Angst über alle Seelen komme, die Böses thun. Die Ungnade oder Grimm bezieht sich auf das Gericht, so lange es währt. Hier läßt Gott Seinen Unwillen ausbrechen. Hier läßt Er hören, sehen und fühlen, was Er schon lange, da Er in der Langmuth schwieg, von ihnen gedacht und ihnen bereitet habe. Von dieser Ungnade werden die Uebelthäter als von einem anbrechenden Wetter überfallen. Darauf folgt hernach der beständige Zorn, den sie durch eine fortwährend Verstoßung und Strafe leiden müssen. Trübsal ist eine gegenwärtige Noth, Angst aber entsteht aus der Vorstellung von der Dauer derselben Noth, oder auch von einem zukünftigen Uebel. Dieses Alles kommt nun über die Menschen, die unter der Langmuth Gottes, aber auch bei vielen Warnungen, Böses thun, vornämlich über die Juden, aber auch über die Griechen. Heutiges Tages aber kann man sagen: vornämlich über die Christen, aber auch über Juden, Mahomedaner und Heiden. Böses thun ist durch das Gewissen überall verboten. Paulus beruft sich nicht auf die Erbsünde, ob sie schon auch, wenn kein Erlöser wäre, vom ewigen Leben ausschlösse, sondern auf das Böse, das die Menschen wider ihre Überzeugung thun, und das sie auch nicht thun könnten, wenn sie der Stimme Gottes in ihrem Gewissen Gehör geben wollten. Was wird aber allen denen widerfahren, die Gutes thun? Herrlichkeit und Ehre und Friede, wie Paulus sagt. Herrlichkeit geht die Natur eines Menschen selber an. Wenn seine Seele ein weißes Kleid bekommt, wenn sein Leib dem verklärten Leib Christi ähnlich wird, wenn überhaupt der Mensch wie die Sonne im Reich Gottes leuchtet, so ist er herrlich Ehre schließt Lob und Gewalt in sich, und beides ist in dem Ausspruch des gnädigen Richters enthalten: ei du frommer und getreuer Knecht, ich will dich über viel setzen. Friede ist ein gesicherter Wohlstand, eine beständige Ruhe, eine Sättigung aller Begierden, eine Verwahrung vor allen Plagen. Obschon die Griechen dieses Alles nicht so deutlich und vollständig wußten, so konnten sie doch erkennen, daß derjenige, der bei Leibesleben Gutes thue, in jener Welt herrlicher als in dieser werden, und Ehre und Frieden nach dem Willen des höchsten Gottes genießen werde.(Magnus Friedrich Roos)
Gott wird geben einem Jeglichen nach seinen Werken: denn es ist kein Ansehen der Person vor Gott.
Röm. 2,6.11.
In den menschlichen Gerichten wird oft das Recht nach dem Ansehen der Person gebeugt, ja auch im gemeinen Umgang ist man gemeiniglich in der Beurtheilung der Werke gegen Bluts- und Gemüthsfreunde, Wohlthäter, Gönner, Landsleute, am allermeisten aber gegen sich selbst gelinder als gegen Andere, und meint alsdann, Gott werde solche parteiische Urtheile bestätigen, und auch so nach dem Ansehen der Person richten. Allein Gott ist nicht wie ein Mensch. Ein Mensch sieht, was vor Augen ist, und was ihm vor Augen steht, verdunkelt oft das Licht, in welchem er urtheilen soll, Gott aber sieht das Herz an, wieget die Geister, sieht in’s Verborgene, prüfet Herzen und Nieren, und gibt einem Jeglichen nach seinen Werken. Könige und Fürsten werden von ihm nach ihren Werken gerichtet, wie Taglöhner und Bettler nach den ihrigen. Er vergilt den Reichen wie den Armen, den Gelehrten wie den Ungelehrten nach ihren Werken. Gottlose Kinder frommer Eltern und Voreltern haben von ihm keine parteiische Nachsicht zu erwarten, und fromme Kinder gottloser Eltern keine parteiische Strenge, wie Er Ezech. 18. ausführlich bezeugt. Freilich beurtheilt Gott auch die Werke nicht nach ihrem äußerlichen Schein, ja auch nicht nach dem Nutzen, der zufälliger Weise daraus entsteht (denn sonst hätte er die Verrätherei des Judas und das Verfahren des Kaiphas und des Pilatus gegen Seinen hochgelobten Sohn billigen müssen), sondern Er beurtheilt sie nach dem Rath des Herzens, woraus sie fließen, und nach demjenigen, was den Menschen vorher gegeben war; denn wem viel gegeben ist, von dem wird man viel fordern, sagt Christus, und der Knecht, der seines Herrn Willen weiß, oder nicht weiß, wird doppelte oder weniger Streiche leiden. Auch beurtheilt Er sie nicht nach den menschlichen Gewohnheiten und Gesetzen, auch nicht nach den Sätzen der Weltweisen, sondern nach Seinem eigenen Gesetz, welches den Menschen theils in’s Herz geschrieben, theils aber wörtlich geoffenbart worden ist. Wie richtet aber Gott die Menschen, wenn Er einem Jeglichen nach seinen Werken vergilt? Paulus sagt Röm. 2,7. und ff.: Er werde Preis und Ehre und unvergängliches Wesen geben denen, die mit Geduld in guten Werken trachten nach dem ewigen Leben: aber denen, die zänkisch sind, und der Wahrheit nicht gehorchen, gehorchen aber dem Ungerechten, Ungnade und Zorn; Trübsal und Angst über alle Seelen der Menschen, die da Böses thun, vornehmlich der Juden (folglich auch der wohlunterrichteten Christen), und auch der Griechen (der unwissenden Leute) , Preis aber und Ehre und Frieden allen denen, die da Gutes thun, vornehmlich den Juden, und auch den Griechen. Wenn aber Gott nach den Werken richtet, so richtet Er auch nach dem Glauben und Unglauben, woraus sie fließen. Böse Werke verdienen Strafe, die Belohnung der guten Werke aber ist Gnade. HErr! mache uns fertig in allem guten Werk zu thun Deinen Willen.(Magnus Friedrich Roos)
Römer 3
Alle werden ohne Verdienst gerecht, aus Gottes Gnade, durch die Erlösung, so durch Christum Jesum geschehen ist.
Röm. 3,24.
Es ist hier kein Unterschied. sie sind allzumal Sünder, und mangeln der Herrlichkeit oder des Ebenbildes Gottes. Die Schrift hat Alles beschlossen unter die Sünde, das ist, sie hat alle Menschen für Sünder erklärt, Gal. 3,2. Durch Eines Adams Sünde ist die Verurtheilung zum Tod über alle Menschen gekommen, Röm. 5,18. Hieraus folgt, daß Alle, die gerecht werden, ohne eigenes Verdienst gerecht werden, aus Gottes Gnade, durch die Erlösung, so durch Christum Jesum geschehen ist. Es ist lieblich, wenn man sich selbst in der Gesellschaft Vieler, die ohne eigenes Verdienst gerecht werden, erblickt. Manchen schlägt der Gedanke darnieder: ich bin allein der Sünder, der nichts verdient; mir allein ist durch nichts als durch Gnade zu helfen; Andere haben sich besser verhalten; darum ist’s kein Wunder, daß sie Gunst bei Gott haben und selig werden. Dieser Gedanke entspringt daraus, daß ein Jeder sich seiner eigenen Sünde bewußt ist und die Sünden Anderer nicht weiß und fühlt. Allein Paulus und die ganze heilige Schrift macht aus allen Menschen nur Eine Klasse in Ansehung der Rechtfertigung, und sagt, sie Alle, auch die heilige Jungfrau Maria und die Apostel und Propheten nicht ausgenommen, werden ohne Verdienst und umsonst gerecht; sie bringen nichts Gutes mit, das die Rechtfertigung verdiente, weil sie von Natur nichts als Sünder seien, und in einem völligen Mangel des herrlichen Ebenbilds Gottes stehen, das allein Gott wohlgefallen könnte; nichts als Gottes Gnade helfe ihnen zur Rechtfertigung, welche Röm. 11,6. dem Verdienst der Werke entgegengesetzt ist. Uebrigens werden sie durch die Erlösung, so durch Christum Jesum geschehen ist, gerechtfertigt. Man darf sich also die Gnade nicht ohne die Erlösung, und die Erlösung nicht ohne die Gnade vorstellen. Wenn die Erlösung nicht wäre, so hätte die Gnade nicht Statt. Der Sünder würde alsdann vergeblich zu der Güte Gottes seine Zuflucht nehmen, denn der Fluch des Gesetzes schlüge ihn zurück. Weil ihn aber Christus vom Fluch des Gesetzes erlöst hat, so hat die Gnade Raum, und der Sünder darf zu derselben seine Zuflucht nehmen und sie ergreifen, Er kann also um Christi willen aus Gnade gerecht werden, ob er schon bisher ein Gottloser gewesen ist. Was ist aber dieses Gerechtwerden? Paulus sagt Röm. 4,6.: derjenige werde gerecht, welchem Gott die Gerechtigkeit zurechne ohne Zuthun der Werke, und erklärt seine Worte mit dem Ausspruch Davids, der Ps. 32,1.2. sagte: selig sind die, welchen ihre Ungerechtigkeiten vergeben sind, und welchen ihre Sünden bedeckt sind, selig ist der Mann, welchem Gott keine Sünde zurechnet. Wem also Gott alle Sünden vergibt, den macht Er durch ein gnädiges Urtheil gerecht. Und aus dieser großen Gnaden-Erweisung leitet Paulus Röm. 5. und 6. sehr große und herrliche Folgen her, die sich bis in die selige Ewigkeit hinein erstrecken. Dieses theure und klare Evangelium sollen wir täglich zu unserem Trost anwenden und bei demselben getrost und fröhlich sein, aber auch bedenken, daß Paulus, indem er es vorträgt, die zwei Fragen: sollen wir in der Sünde beharren? und sollen wir sündigen? zweimal mit einem ernstlichen Nein beantwortet, s. Röm. 6,1.15.(Magnus Friedrich Roos)
Gott hat Jesum Christum vorgestellt zu einem Gnadenstuhl durch den Glauben in Seinem Blut.
Röm. 3,25.
In dem Allerheiligsten der Stiftshütte und des Tempels war die sogenannte Bundeslade, die einen Deckel hatte, welcher der Gnadenstuhl genannt wurde, und über welcher der HErr zur Zeit Mosis in der Wolkensäule zu erscheinen, und zu reden pflegte. Dieser Gnadenstuhl nun wurde am Versühnungsfest, welches jährlich einmal gefeiert wurde, von dem Hohenpriester mit Opferblut besprengt, 3 Mos. 16. Nun sagt Paulus, Gott habe Jesum Christum zu einem Gnadenstuhl in Seinem Blut vorgestellt. Gleichwie also der Hohepriester und die geschlachteten Opferthiere Vorbilder Christi waren, also war auch der Gnadenstuhl Sein Vorbild. An Ihm selbst ist die Versühnung der Welt geschehen, und Er wurde deßwegen mit Seinem Blut benetzt. Es war nicht nur die Herrlichkeit des HErrn über Ihm, sondern es wohnte die ganze Fülle der Gottheit in Ihm, auch da Er Sein Blut vergoß. Er wurde aber nicht insgeheim, sondern öffentlich als der Gnadenstuhl mit Seinem Blut benetzt; weil es aber nicht alle Menschen sehen konnten, so ließ es Gott allen Menschen durch das Evangelium verkündigen, und schämte Sich dieser Seiner göttlichen Thorheit, wie Paulus redet, nicht, wie sie denn freilich, als die tiefste und höchste Weisheit, aller Menschen Weisheit zur wahren Thorheit macht. Doch ist der HErr Jesus Christus nur demjenigen, der an Ihn glaubt, ein wirklicher Gnadenstuhl, weil der Glaube allein den Menschen fähig macht, die durch Ihn zu Stand gebrachte Versühnung zu genießen.
Lasset uns also auf diesen mit Blut beflossenen Gnadenstuhl glaubig sehen, wenn uns die Anklage des Gesetzes und Gewissens wegen unserer Sünden bange macht. Unsere Bitten und Vorsätze, unsere Kasteiungen, und aller Zwang, den wir uns anthun, das Gethane nimmer zu thun, verschaffen uns die Vergebung der Sünden nicht: wenn wir aber unser Vertrauen auf diesen Gnadenstuhl setzen, uns glaubig darauf berufen, und zu der an demselben geschehen Versühnung Ja und Amen sagen, und zwar auch in der Absicht auf uns: so finden wir Barmherzigkeit, unsere Sünde verschwindet wie ein Nebel, das Licht der Gnade gehet uns auf, und der Zugang zu Gott steht uns offen. Der HErr Jesus hat Sein Blut unter so sonderbaren Umständen vergossen, auch war Sein ganzes Bezeugen in Seinem Leiden so sonderbar, Seine Traurigkeit und Angst so groß, Seiner Worte so wenig, daß man leichtlich erkennen kann, Er sei nicht nur wie ein Märtyrer zum Beispiel für Andere und zur Bestätigung Seiner Lehre gestorben. Durch Ihn und an Ihm selbst ist die Versühnung der Welt mit Gott, oder die Genugthuung für unsere Sünden geschehen. Die Opfer des Alten Testaments, und die Namen Versühnopfer, welche viele unter ihnen tragen, wie auch der Name Gnaden- oder Versühnungsstuhl, welchen Gott selbst dem Deckel auf der Bundeslade beigelegt hat, ja die ganze levitische Opferanstalt hätten keinen vernünftigen Grund, wenn nicht dadurch eine wahre und ewig geltende Versühnung, die durch Christi Leiden, Blut und Tod ausgerichtet werden sollte, vorbildlich angedeutet worden wäre. Christus Jesus, der auch mir als ein Gnadenstuhl in Seinem Blut vorgestellt ist, sei mein Trost in meinem Leben und Sterben. Im Aufsehen auf Ihn darf ich wie der Zöllner beten: Gott sei mir dem Sünder versühnt.(Magnus Friedrich Roos)
Auf daß er gerecht sei und gerecht mache den, der da ist des Glaubens an Jesu.
Röm. 3,26.
Die Rechtfertigung oder Begnadigung eines Sünders ist eine sehr erwünschte und große Wohlthat. Wer von Natur unrein ist, wer Millionen Sünden mit Gedanken, Worten und Werken begangen, wer deßwegen Gottes gerechtes Mißfallen sich zugezogen hat, kann nicht anders als mit Bewunderung und Beugung daran denken, daß ihn Gott rechtfertigen wolle, oder schon gerechtfertigt habe. Wie geschieht aber solches? Soll Gott Seine Gerechtigkeit dabei hintansetzen oder verläugnen? Dieses kann kein vernünftiger Mensch fordern. Wie aber? Wenn Gott nur vergäbe und nicht strafte, wenn Er nur begnadigte, und Sein Recht, zu verfluchen, das Er doch in Seinem Wort geoffenbart hat, nicht ausübte; würde Er als ein gerechter Gott erkannt? Mit nichten. Niemand denkt hiebei, es sei genug, daß Gott einen Jeden, den Er begnadigt, Sein Mißfallen an der Sünde in der Buße fühlen lasse, und ihn vor und nach der Begnadigung züchtige; denn jenes Mißfallen, insoweit Er’s den Menschen fühlen läßt, und diese Züchtigung ist bei Weitem nicht der ganze Zorn, Fluch und Strafe, so der gerechte Gott in Seinem Wort den Sündern gedroht hat. Auch würde die Gerechtigkeit Gottes nicht erkannt, wenn Er einen Theil des menschlichen Geschlechts verfluchte, und den Andern ohne weitere Verfügung selig machte, denn Seine Gerechtigkeit muß auch bei einem Jeden derer, die selig werden offenbar werden; auch bei einem Jeden, der gerechtfertigt wird, muß die Ehre Gottes unverletzt erhalten, und Seine Gerechtigkeit erkannt werden. Wie kann nun Solches geschehen? So daß der Sünder des Glaubens an Jesu ist, oder an Jesum Christum glaubt, der in Seinem Blut als ein Gnadenstuhl dargestellt, um unserer Missethat willen verwundet, um unserer Sünden willen zerschlagen, und am Kreuz ein Fluch für uns geworden ist. Durch den Glauben hält der Sünder diese schmerzliche Erlösung, bei welcher alle Drohungen des Gesetzes erfüllt wurden, für wahr und bezeugt vor Gott, er halte dafür, daß sie auch für ihn geschehen sei, und wolle nicht anders, als durch dieselbe selig werden. Der Glaube sagt zu Allem, was Christus für die Menschen gethan hat, ja und Amen, und hält seine Genugthuung für den einigen Grund der Vergebung der Sünden und der Hoffnung des ewigen Lebens. Hat sich Christus der Welt Sünde zugeeignet, und ist wegen derselben gerichtet und gestraft worden; so eignet sich der Sünder seine Erlösung zu, und wird wegen derselben gerechtfertigt.
Auf diese Weise bleibt Gott gerecht, indem Er den Sünder, der an Christum Jesum glaubt, rechtfertigt, denn, da Seine Gerechtigkeit sowohl eine göttliche Strenge, als auch eine göttliche Güte in sich faßt, jene aber auf die vollkommenste Art, nach dem ganzen Inhalt der Drohungen des Gesetzes, an Christo in Seinem Leiden erzeigt worden ist, so darf nun Niemand Gott einer Ungerechtigkeit beschuldigen, wenn Er den Sünder, der in Christo Jesu ist, durch die Rechtfertigung Seine Güte genießen läßt, gleichwie Er sie auf eine unermeßliche Weise an Christo dem Gerechten selber geoffenbart hat. Hallelujah. Gott ist gerecht und kann doch gerecht machen den, der da ist des Glaubens an Jesu.(Magnus Friedrich Roos)
Römer 4
Der HErr Jesus ist um unserer Sünde willen dahin gegeben, und um unserer Gerechtigkeit willen auferwecket.
Röm. 4,25.
Das Einzige, das den Menschen in seinem Sterben kränken kann, ist die Sünde, oder die ganze Sündenschuld, die er durch Begehung des Bösen und Unterlassung des Guten gemacht hat, und wofür er selbst Gott keine Genugthuung, oder keinen Beweggrund, um deßwillen sie ihm geschenkt werden sollte, darbringen kann. Wie erquicklich ist’s aber für ihn, wenn er sich glaubig erinnern kann, dass der HErr Jesus um seiner Sünde willen dahin gegeben worden sei! Wohin aber? In den schmählichen schmerzlichen Tod am Kreuz: durch diesen hat Er bezahlt, was Er nicht geraubt hatte, und die Strafe für die Missethaten aller Menschen zur Erweisung der Gerechtigkeit Gottes ausgestanden. Durch diesen Tod ist Er ein Sündopfer worden, auf welche alle Opfer des Alten Testaments als Vorbilder gezielt haben. Ich habe mich also um keinen andern Beweggrund, um deßwillen Gott mir die Sünde vergeben wolle, umzusehen, denn die Hingabe Christi in den Tod ist der einige und allgenugsame Beweggrund dazu, und wenn ich dieses von Herzen glaube, so ist mir meine Sündenschuld vergeben, und ich habe Gnade und Friede mit Gott. Ist aber die Hingabe Christi genugsam zur Tilgung meiner Sünde gewesen? Ja, weil Ihn der Vater von dem Tod wieder auferwecket hat. Seine Auferweckung war Seine Rechtfertigung gegen alle Anklagen Seiner Feinde und gegen alle Zweifel Seiner Freunde, und diese Seine Rechtfertigung rechtfertigt auch uns, wenn wir an Ihn glauben und durch Sein Blut gerecht werden wollen. Wäre Christus nicht auferstanden, so wäre unser Glaube eitel, und wir wären noch in unsern Sünden 1 Kor. 15,17., weil alsdann Seine Hingabe in den Tod keine Kraft zur Tilgung unserer Sünden gehabt hätte; da Er aber auferstanden und durch die Herrlichkeit des Vaters auferwecket worden ist, so ist der Glaube nicht eitel, und wir, die wir an Seinen Namen glauben, sind nicht mehr in unsern Sünden. Wer also an Jesum Christum glaubt, der gestorben und wieder auferstanden ist, wird nicht zu Schanden. Der Heilige Geist erhalte und vermehre diesen Glauben in mir, so wird er in mir immer der Sieg sein, der die Welt, den Satan, den Tod überwindet. Ich werde durch diesen Glauben im Tode als ein Gerechter erfunden werden: ich werde nach dem Tod eine ewige Herrlichkeit empfangen. Die Sünde ist der Stachel des Todes. Weil nun Jesus um unserer Sünde willen in den Tod dahin gegeben worden, so hat der Tod der Glaubigen keinen Stachel mehr, und weil Er um unserer Rechtfertigung willen auferwecket worden ist, so haben auch die Glaubigen durch Ihn das Recht, ein ewiges Leben für ihre Seelen und für ihre Leiber zu hoffen. Außer Christo ist freilich kein Heil, es gibt kein anderes Opfer für die Sünde als Seinen Tod. Gott bewahre mich, daß ich es nicht wage, mit meiner eigenen Gerechtigkeit dem Tod zu trotzen, und nach dem Tod vor ihm zu erscheinen. Nichts mehr, denn: lieber HErre mein, Dein Tod soll mir das Leben sein, Du hast für mich bezahlet; und der Beweis, daß Du für mich bezahlt habest, ist Deine Auferweckung vom Tod. Ich soll also im Leben und Sterben Dich ansehen, wie Du todt warst, und nun ewiglich lebest.(Magnus Friedrich Roos)
Christus ist um unserer Gerechtigkeit willen auferweckt.
Röm. 4,25.
So lange Christus auf Erden lebte, und insonderheit damals, da Er Sein letztes Leiden ertrug, und den Tod am Kreuz litt, trug Er der Menschen Sünden, als ob sie Seine Sünden wären, und bezahlte, was die Menschen geraubt hatten, das ist, Er litt die Strafe, welche die Menschen verdient hatten, und wurde ein Fluch für sie. Unter den Menschen ist damals Niemand gewesen, der diese Sache recht verstanden hätte, denn weder der Apostel, noch der übrigen Jünger und Jüngerinnen Augen waren zur Einsicht in das Geheimniß des Kreuzes Jesu genugsam geöffnet: die Welt aber lästerte Jesum, nannte Ihn auch noch nach Seinem Tod einen Verführer, und frohlockte darüber, daß sie Ihn, wie sie meinte, vertilgt habe. Nur die Engel Gottes sahen dem Leiden Jesu mit einer weisen Einsicht, und mit einer ehrerbietigen Verwunderung zu. Jesus starb am Kreuz, und wurde begraben. Er lag als todt im Grab bis an den dritten Tag. Nun mußte der menschliche Verstand, wenn er nicht auf die Weissagungen, welche weiter hinaus reichten, zurücksahe, still stehen, und erwarten, wo die Sache hinaus wolle. Der Erfolg mußte zeigen, ob Jesus den Handel der Menschen, den ER auszuführen übernommen hatte, gewonnen, ob Er alle Schulden der Sünder bezahlt, ob Er eine gültige Erlösung ausgerichtet habe. Ja, es mußte auch der Erfolg zeigen, ob Er wahrhaftig der Sohn Gottes und der Messias sei; denn wenn Ihn der Tod fest gehalten hätte, so wäre Er’s nicht gewesen, und der Glaube derer, die Ihn dafür gehalten hatten, wäre eitel gewesen. Was geschah nun? Christus wurde durch die Herrlichkeit des Vaters am dritten Tag auferweckt, und diese Auferweckung entschied Alles, vertrieb alle Nebel, machte alle Zweifel zur Gewißheit, und bestätigte die Wahrheit des ganzen Evangelium. Christus wurde im Geist oder in dem geistlichen Zustand, den Er durch Seine Auferstehung nach Seiner ganzen menschlichen Natur antrat, gerechtfertigt, 1 Tim. 3,16. Er wurde als der einige Sohn Gottes erwiesen oder ausgezeichnet, Röm. 1,4.; alle wider Ihn ausgestoßenen Lästerungen wurden thätlich widerlegt. Es wurde durch Seine Auferweckung geoffenbart, daß Gott die Gnaden, die Er David und durch ihn allen Glaubigen verheißen hatte, und die im Psalter reichlich beschrieben sind, treulich gehalten habe, und noch weiter halten wolle, Ap. Gesch. 13,34. Es kam aber damals durch die Gerechtigkeit Jesu die Rechtfertigung des Lebens auch über alle Menschen (Röm. 5,18.). Indem Jesus als ein Lebendiger gerechtfertigt wurde, wurde zugleich kund gemacht, daß alle Menschen ein Recht haben, das ewige Leben mit Christo und in Christo zu erlangen, und nunmehr keine unbezahlte Sündenschuld, kein unerfüllter Fluch des Gesetzes, ja keine Unwürdigkeit sie daran hindere. Wer nun dieses glaubt, erlangt durch diesen Glauben auch seine eigene besondere Rechtfertigung, bei welcher ihm alle Sünde wirklich vergeben, und das ewige Leben wirklich zuerkannt wird. Gelobt sei unser HErr Jesus, der Sein Leben, das Er freiwillig gelassen hatte, wieder genommen hat; damit Er unser Leben, König und Fürsprecher und die Ursache unserer Auferstehung zum ewigen Leben sein könnte! Gelobt sei der Heilige Geist, der uns dieses Alles durch’s Evangelium hat wissen lassen, und die Wahrheit des Evangeliums in unsern Herzen gewiß und kräftig macht!(Magnus Friedrich Roos)
Römer 5
Durch unsern HErrn Jesum Christum haben wir den Zugang im Glauben zu der Gnade, worin wir stehen, und rühmen uns der Hoffnung der Herrlichkeit.
Röm. 5,2.
Gerechtfertigt werden heißt: einen Zugang zu der Gnade haben, und gerechtfertigt sein heißt: in der Gnade stehen. Wenn ein wegen seiner Sünden geängsteter Sünder glaubig wird, so bekommt er einen Zugang zu der Gnade. Vorher war er von derselben entfernt, und konnte nicht glauben, daß auch für ihn Gnade bereitet sei: nun geht ihm aber ein neues Licht auf, nun erblickt er die Gnade, und fliehet zu derselben hin, wie Paulus Hebr. 6,18. redet, um zugleich die vor Augen liegende, und an dieselbe angeheftete Hoffnung der Herrlichkeit zu ergreifen. Es bekommt aber der Sünder diesen Zugang oder die Zuflucht zu der Gnade nicht anders, als durch den HErrn Jesum Christum. Keine eigene Gerechtigkeit oder Würdigkeit öffnet ihm diesen Zugang. Sein Beten, seine Thränen, seine guten Vorsätze und Versprechungen, seine angefangene bessere Einrichtung des Wandels verschafft ihm denselben noch nicht. Das Wort Gnade schließt alles Verdienst der Werke aus. Der HErr Jesus Christus aber ist’s werth, daß alle Sünder um Seinetwillen durch den Glauben Gnade erlangen. Seine verdienstlichen Werke und Leiden, Sein vergossenes Blut, Seinen Gehorsam bis zum Tod am Kreuz, Sein Versühnopfer, Seine Fürbitte siehet der himmlische Vater an, wenn Er einen Sünder, der sich mit einem noch schwachen, aber wahren Glauben darauf beruft, rechtfertigt und ihm den Zugang zur Gnade verstattet. Lange kann sich ein Sünder vor der Gnadenthüre vergeblich bemühen und abmatten, und dieselbe durch Anstrengung seiner Kräfte aufstoßen wollen: sie bleibt aber verschlossen, bis der Heilige Geist durch das Evangelium ihn überzeugt, daß sie nur um Christi willen geöffnet werde, und daß der Sünder als mühselig und beladen, ja als getödtet durch’s Gesetz, Christo die Ehre geben, und bekennen müsse, daß nur Sein Name den Menschen zum Heil gegeben sei, daß nur Sein Opfer sie mit Gott versöhnt habe, und daß die Menschen nur durch Seine Fürbitte Gott angenehm werden. Wenn der Mensch dieses durch die Kraft des Heiligen Geistes glaubt, folglich sein Glaube mit dem Zeugniß Gottes von Seinem Sohne übereinkommt, so hat er einen Zugang zu der Gnade, und fühlt es mit innigem Dank, zur Erquickung seines Geistes. Nun ist er dem Fluch entrückt, nun gilt ihm, was David Ps. 32,1. sagt: wohl dem, dem die Uebertretungen vergeben sind, dem die Sünde bedeckt ist, wohl dem Menschen, dem der HErr die Missethat nicht zurechnet, in deß Geist kein Falsch ist. Nun ist der verlorene Sohn bei dem Vater, und wird von Ihm geküßt, bekleidet und geschmückt. Auf diesen Zugang zu der Gnade folgt das Stehen in der Gnade. Und dieses Stehen soll ewiglich währen. Aus dieser Festung soll man nimmer entfallen. Der Glaube muß aber deßwegen fortwähren und mit seinen Früchten immer völliger werden. Aus der Gnade erwächst ewige Herrlichkeit. Wer in der Gnade steht, darf sich schon der Hoffnung der Herrlichkeit rühmen, und hat nicht nöthig, diese noch besonders zu verdienen. Zu einem solchen Gnadenstand verhelfe der HErr noch Vielen, und erhalte diejenigen darin, die in demselben stehen, zur Ehre Seines Namens.(Magnus Friedrich Roos)
Geduld bringet Erfahrung.
Röm. 5,4.
Paulus redet Röm. 5. von einem dreifachen Rühmen derer, die gerechtfertiget sind. Wir rühmen uns, sagt er, der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben soll, wir rühmen uns der Trübsale, und: wir rühmen uns Gottes. Der Trübsale, spricht er, rühmen wir uns, weil wir wissen, daß Trübsal Geduld bringet, Geduld bringet Erfahrung, Erfahrung oder Bewährung, Bewährung aber bringt Hoffnung, Hoffnung aber läßt nicht zu Schanden werden. Die Bewährung setzt eine Probe voraus. Wer eine Probe gut ablegt, ist bewährt. So lange nach der Bekehrung Alles leicht hergeht, und die Seele fröhlich sein kann, ist sie nicht bewährt. Wenn aber innerliche und äußerliche Trübsale einbrechen, so wird der Mensch bewährt, das ist, er hat Gelegenheit, eine gute Probe abzulegen, und legt sie dadurch ab, daß er die Trübsale mit Geduld erträgt, und wie Assaph Ps. 73,23. zu seinem Gott sagt: dennoch bleibe ich stets an Dir; folglich nicht von denen ist, die da weichen, sondern von denen, die da glauben und ihre Seele retten. Er wird alsdann von seiner unordentlichen Eigenliebe und Weltliebe mehr gereiniget, wie das Gold im Feuer von seinen Schlacken, das Licht und Leben in ihm wird vermehrt, und er bekommt zugleich ein beruhigendes gutes Zeugniß in seinem Gewissen, woraus hernach eine Hoffnung erwächst, die nicht zu Schanden werden läßt. Wer sollte also nicht gern die Züchtigung des HErrn erdulden? Wer sollte nicht gern auf dem Weg der Trübsal dem HErrn Jesu nachfolgen, da eine so edle Frucht auf diesem Wege zu finden ist? Man sage einem gutwilligen Menschen, so viel man will: er wird doch ohne Erduldung der Trübsal viele Stücke der seligmachenden Wahrheit nicht fassen, und ohne dieselbe viele geistliche Empfindungen und Erfahrungen nicht bekommen. Sein Christenthum wird ohne sein Wissen noch allerhand Unlauterkeit in sich haben, und die guten Tage werden seine Seele hindern, daß sie sich nicht recht zu Gott halten kann. Ich gebe mich also Dir, mein Gott, hin, daß Du mich nach Deinem Rath leitest, endlich aber mit Ehren annehmest. Lasse über mich kommen, was mir heilsam und nöthig ist: nur stehe mir durch Deinen Geist bei, daß ich Glauben halten, und im Glauben Geduld beweisen könne bis an mein Ende. Wenn durch die Trübsal zuerst nur meine Schwachheit, mein Unwille, meine Ungeduld, mein Anhangen an den Geschöpfen, und meine ganze verborgene Unreinigkeit entdeckt wird, so ist auch dieses ein großer Vortheil für mich: Du, o Gott, wirst’s alsdann nach Deiner großen Treue nicht dabei bewenden lassen, sondern meine Seele auch durch das Blut Deines Sohnes reinigen, aus Nichts bei mir Etwas machen, und mich ausrüsten und stärken, daß ich mich im Fortgang der Leiden immer besser beweisen könne. Meine letzte Krankheit sei mein letzter heilsamer Tiegel, aus dem Du meine Seele als ein geläutertes Gold im rechten Augenblick herausnehmen wirst. (Magnus Friedrich Roos)
Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.
Röm. 5,5.
Die Menschen machen sich von der Gnade Gottes mancherlei irrige und seltsame Vorstellungen. Viele meinen, der Mensch müsse sich’s nur steif einbilden, daß Gott ihm gnädig sei, und beschlossen habe, ihn selig zu machen: so habe Alles seine Richtigkeit; ob er schon von der Gnade Gottes bei seinem Leichtsinn niemals etwas empfindet. Andere halten nichts für die Gnade, als die Wirkungen des Heiligen Geistes in ihrem Herzen, und je nachdem sie diese mehr oder weniger empfinden, sind sie mehr oder weniger glaubig. Andere meinen, die Gnade sei etwas, da man umsonst empfange, damit man hernach durch Hülfe derselben andere Wohlthaten und insonderheit das ewige Leben verdienen könne. Andere meinen, sie müssen die Gnade selbst mit Werken verdienen. Endlich gibt es Leute, die es für unmöglich halten, der Gnade Gottes in diesem Leben gewiß zu werden. Die Lehre Pauli aber ist diesem Allem entgegengesetzt. Erstlich setzt er Röm. 11,6. 4,4. 5. die Gnade dem Verdienst der Werke entgegen, und lehrt, daß beide nicht beisammen stehen können. Hernach lehrt er Röm. 5,1.2., daß gerechtfertigt werden, und einen Zugang zu der Gnade bekommen, folglich auch gerechtfertigt sein, und in der Gnade stehen, einerlei sei, und daß derjenige, der in der Gnade stehe, sich schon der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit rühmen könne, ohne diese noch besonders zu verdienen. Er sagt ferner, daß ein Begnadigter sich auch der Trübsale rühmen dürfe, weil man unter denselben bei der Geduld bewährt werde, und eine neue festere und reinere Hoffnung der Herrlichkeit bekomme. Warum aber dieses? Darum, weil die Liebe Gottes bei der Begnadigung in dem Herzen ausgegossen werde durch den Heiligen Geist. Gnade ist Gottes Huld, Güte, Barmherzigkeit, nach welcher Er dem Menschen, sobald er glaubig wird, seine Sünden um Christi willen nicht mehr zurechnet, sondern vergibt (Röm. 4,6-8.). Von dieser Seiner Huld vergewissert Er aber den Menschen, indem Er Seine Liebe in dessen Herzen durch den Heiligen Geist, wie ein Oel, wie einen köstlichen Balsam zur empfindlichen Erquickung ausgießt. Ohne diese Ausgießung würde der Mensch immer suchen, und nie wissen, daß er das Gesuchte gefunden habe. Es würde ohne dieselbe niemals eine Zuversicht, Gewißheit, Freudigkeit, oder ein Rühmen bei den Menschen entstehen. Wer die Liebe Gottes empfunden hat (welches aber nur der Heilige Geist verschaffen kann), darf sich nicht nur einbilden, daß ihm Gott gnädig sei, sondern kann es mit Grund und Gewißheit glauben. Doch ist die Gnade, das ist die Huld Gottes, größer, als wir sie spüren, denn sie ist die unermeßliche Quelle alles Guten, welches die Gerechten ewiglich genießen sollen. Wem Gott gnädig ist, dem gibt Er Seinen Geist als das Siegel, womit er als Sein Eigenthum bezeichnet wird, und als das Angeld des himmlischen Erbes: die Gnade aber ist in Gott, die Wirkungen des Heiligen Geistes aber, welche aus derselben fließen, sind in uns, und obschon diese mancherlei und zuweilen schmerzhaft, zuweilen aber nicht merklich sind, so bleibt doch die Gnade gegen diejenigen, die im Glauben stehen, unverändert, und übertrifft Alles, was wir davon denken und fühlen können. Himmlischer Vater, gieße Deine Liebe immer mehr durch den Heiligen Geist in unsere Herzen aus, damit wir dadurch tüchtig werden, in der Hoffnung der ewigen Herrlichkeit fröhlich, und in Trübsalen geduldig zu sein!(Magnus Friedrich Roos)
Wir werden durch Christum behalten werden vor dem Zorn, nachdem wir durch Sein Blut gerecht worden sind.
Röm. 5,9.
Wer durch das Blut Jesu Christi gerecht geworden ist, hat nichts mehr zu verdienen und zu büßen, denn er kann sich schon der Hoffnung der Herrlichkeit, der Trübsale, und Gottes selber rühmen, wie Paulus Röm. 5. gelehret hat. Züchtigungen können über ihn kommen, aber unter denselben ist kein Zorn Gottes verborgen, denn die Liebe ist’s, die ihn züchtigt, Hebr. 12,5 ff. Und wenn der große Tag des Zorns kommen wird, von dem Röm. 2,5. und Offenb. Joh. 6,17. die Rede ist, so werden solche Gerechtfertigte vor dem Zorn behalten oder bewahrt, daß derselbe sie nicht treffe. Wie wichtig ist also die Gnade der Rechtfertigung! Und wie groß sind ihre Folgen! Wie nöthig ist’s aber auch, daß man nie aus dieser Feste falle, und wie sehr hat man sich zu hüten, daß man nicht zuletzt anstatt der Rechtfertigung selber nur das trockene Angedenken derselben, oder die Wissenschaft derselben habe. Wehe aber auch denjenigen, die sich selbst nach der Weise der Pharisäer rechtfertigen, folglich auch sich selber einen falschen Frieden machen; denn was ist der eigenliebige Mensch, daß er über sich selbst eigenmächtig ein Urtheil sprechen dürfte? Und was sind seine Gedanken, und was ist sein Muth, daß sie ihn wider den Zorn Gottes schützen könnten? Wer will sich verantworten? wer will seine Sache gewinnen? wer will bestehen? wenn Moses als Kläger auftritt, und Gott Sünden zurechnet. Niemand ist hier gerecht, als wer an das Blut Christi mit einem Geist ohne Falsch durch den Glauben appellirt, und vor Gott aufrichtig, demüthig und zuversichtlich bezeugt, daß er dieses Blut für das Lösegeld seiner Seele, für die Bezahlung seiner Schulden halte, und seinen Handel nicht anders als durch dasselbe gewinnen wolle. Wer dieses zur Ehre des HErrn Jesu und Seines himmlischen Vaters bekennt, wird gerechtfertigt, das ist, von aller Schuld und Strafe losgesprochen; folglich trifft ihn nun der Zorn Gottes nicht mehr, als welcher nur die Ungerechten und Unglaubigen ergreift und verzehrt. Er aber hat seine Sache gewonnen. Ueber ihm waltet Gnade und Wahrheit. Er hat Friede mit Gott. Er darf leben, ewiglich darf er leben. Habe ich also die Rechtfertigung durch das Blut Jesu erlangt, so darf ich nicht nur bei allen Begegnissen, die in meiner irdischen Wallfahrt noch vorkommen mögen, ruhig und getrost sein, sondern auch das Sterben für einen Gewinn halten, und überdieß die herrliche Erscheinung Jesu Christi lieb haben, und mit Verlangen darauf warten. Denn so empfindlich auch die Leiden sein mögen, die in meiner Wallfahrt und bei meinem Sterben auf mich fallen, und so fürchterlich es lautet, wenn gesagt wird, daß das Feuer den Himmel und die Erde am jüngsten Tag verzehren, und der HErr Jesus alsdann alle Menschen richten werde, so habe ich doch nichts zu befahren, wenn ich nur vor dem Zorn Gottes behalten werde. Nur der Zorn Gottes ist verderblich, wer aber vor demselben behalten wird, kann Alles getrost und ohne Schaden, ja mit Nutzen über sich ergehen lassen.(Magnus Friedrich Roos)
Wir sind durch Sein Blut gerecht worden.
Röm. 5,9.
Paulus lehrt in seinen Briefen, daß wir ohne eigenes Verdienst aus der Gnade Gottes durch die Erlösung, die durch Christum geschehen ist, gerecht werden, daß wir durch den Gehorsam Christi gerecht werden, daß wir in Ihm die Gerechtigkeit werden, die vor Gott gilt, daß Er uns zur Gerechtigkeit gemacht sei, daß wir ohne des Gesetzes Werke allein durch den Glauben gerecht werden, und, daß der Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet werde; Röm. 5,9. aber sagt er von sich und allen Glaubigen: wir sind durch’s Blut Christi gerecht worden. Dieses Alles muß man nun zusammen fassen, und Sein Blut hiebei nicht ohne Seinen Gehorsam und Seine ganze Erlösung, Seine Erlösung aber nicht ohne Ihn selber, Ihn selber aber nicht ohne die Gnade, die Gnade aber nicht ohne den Glauben betrachten, wenn man die Rechtfertigung eines Sünders vor Gott recht verstehen und hoch schätzen will. Welch’ ein großes Gut muß aber diese Rechtfertigung sein, weil sie aus Christo und Seinem vergossenen Blut hergeleitet wird. Es ist nicht recht, wenn man mit seinem Bestreben, fromm zu werden, gleichsam in’s weite Feld hinein kommt, und nirgends einen Ruheplatz findet, außer bei der Vollendung der Heiligung, welche in diesem Leben nicht erreicht wird. Es gibt aber einen solchen Ruheplatz schon in diesem Leben, durch den doch das Bestreben nach dem Wachsthum in der Heiligung, und das Verlangen nach der himmlischen Heimath nicht gedämpft wird. Dieser Ruheplatz aber ist die Rechtfertigung, denn nun wir den sind gerecht worden, sagt Paulus Röm. 5,1., durch den Glauben, so haben wir Friede mit Gott durch unsern HErrn Jesum Christ. Diejenigen sind aber gerecht worden, denen die Ungerechtigkeiten vergeben sind, denen ihre Sünden bedeckt sind, und denen Gott keine Sünde zurechnet (Röm. 4,7.8.). Wen Gott gerecht macht, den kann Niemand verdammen (Röm. 8,33.34.), diese Gnade aber erlangt man, so bald der Glaube an Jesum als den Heiland der Welt in dem Herzen durch das Evangelium gewirkt ist, und man bewahrt sie, so lange man im Glauben bleibt, welches aber bei der Wachsamkeit über sich selbst, bei dem Anhalten im Gebet, und bei dem beständigen Aufmerken auf das Evangelium bis an’s Ende des Lebens geschehen soll. Ein Gerechtfertigter hat also schon etwas Großes gewonnen. Er hat sich nicht selber nach der Weise der Pharisäer gerechtfertigt, denn hiemit hätte er sich selber betrogen; er hat auch seine Rechtfertigung nicht bei Menschen gesucht, und in ihrem Lob zu finden gemeint: sondern Gott selber hat ihn um Seines Sohnes willen gerechtfertigt, oder Seine Gnade zu ihm gewandt. Siehet er also über sich, so weiß er, daß er gesichert sei, und der Zorn des höchsten Gottes nicht mehr über ihm schwebe. Siehet er rückwärts auf die vergangene Zeit, so kann er zwar seine begangenen Sünden nicht ungeschehen machen, und auch nicht leugnen; er weiß aber, daß sie vergeben, bedeckt, und gleichsam in die Tiefe des Meeres geworfen seien. Siehet er aber vorwärts, so darf er sich der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit rühmen, die Gott geben will. Der Gnadenstand eines Gerechtfertigten ist also etwas sehr Wichtiges und Kostbares. Es ist nöthig, daß man sich desselben bewußt sei, und ihn bis an’s Ende bewahre. Das Blut Jesu ist für uns und für Viele zur Vergebung der Sünden vergossen worden, weil der Heiland damals die Welt mit Gott versöhnt hat, und aus dieser Versöhnung die Vergebung der Sünden, das ist die Rechtfertigung des Sünders fließt.(Magnus Friedrich Roos)
Wir sind Gott versöhnet durch den Tod Seines Sohnes, da wir noch Feinde waren.
Röm. 5,10.
Aus diesen Worten Pauli erhellt deutlich, daß durch Christum eine Versöhnung der Welt mit Gott geschehen sei, welche von der Bekehrung der Sünder unterschieden ist, und diese als eine Frucht nach sich zieht. Sie geschah damals, da Christus den Tod am Kreuz litt, folglich Sein kostbares Leben, wie Jesaias Kap. 53,10. sagt, zum Schuldopfer hingab. Gott sah uns damals als Feinde an, und wir waren’s auch nach der Beschaffenheit unserer Natur, und sollten als Feinde von Gott verworfen und verdammt werden: die Frucht der Versöhnung aber, die durch den Tod des Sohnes Gottes ausgerichtet worden, ist diese, daß wir durch Sein Leben, folglich durch die Kraft, die von Ihm als einem Lebendigen zu unserer Bekehrung, Erleuchtung und Heiligung ausgeht, wirklich selig werden können, nachdem wir nun versöhnt sind. Gott hätte das Recht gehabt, allen Menschen ihre Feindschaft wider Ihn auf eine unwiderrufliche Weise zu ihrer ewigen Verdammniß zuzurechnen: weil aber Gott in Christo war, und die Welt mit Ihm selber versöhnte, so rechnete Er ihnen die Sünden nicht zu ihrer nothwendigen Verdammniß zu, sondern richtete unter ihnen das Evangelium oder das Wort der Versöhnung auf, und ließ ihnen sagen: seid doch versöhnt mit eurem Gott, glaubet, daß ihr durch den Tod Seines Sohnes versöhnt seid, und lasset euch von eurer Feindschaft wider Ihn frei machen. 2 Kor. 5,19.20. Durch Eines Gerechtigkeit ist die Rechtfertigung des Lebens über alle Menschen gekommen. Röm. 5,18. Es ist nämlich ein gnädiges Urtheil gefällt worden, daß alle Menschen das ewige Leben erlangen können und sollen, ob schon viele dasselbe um ihres hartnäckigen Unglaubens willen nicht wirklich erlangen. Kurz zu sagen, die allgemeine Huld Gottes, nach welcher Gott an dem Tod des Gottlosen keinen Gefallen hat, sondern an seiner Bekehrung und an seinem ewigen Leben, und nach welcher Gott will, daß allen Menschen geholfen werde, und sie zur Erkenntniß der Wahrheit kommen, und hingegen nicht will, daß Jemand verloren werde, sondern daß sich Jedermann zur Buße kehre und lebe – diese allgemeine Huld und Barmherzigkeit Gottes mit allen ihren kräftigen und heilsamen Folgen hat ihren Grund in der Versöhnung, die durch den Tod Christi geschehen ist. Ein jeder Sünder darf und soll also glauben: ich bin Gott durch den Tod Jesu versöhnt worden: und mit diesem Glauben, welcher voraussetzt, daß der Mensch sich selbst als einen Feind Gottes ansehe, zu Ihm nahen, Ihm Alles bekennen, und Ihn um Alles bitten, was zum Seligwerden nöthig ist. Bei diesem Zunahen wird die Feindschaft wider Gott in seinem Herzen getödtet, und die Liebe Gottes durch den Heiligen Geist darin ausgegossen werden. Sind wir Gott versöhnt durch den Tod Seines Sohnes, vielmehr können wir selig werden durch Sein Leben, so wir nun versöhnt sind, denn das Seligmachen oder die Errettung aus den Trübsalen, von welchen Paulus V. 3. geredet hatte, kostet nun den HErrn Jesum keinen Tod mehr, und geschieht durch die Anwendung Seiner Lebenskraft. Sein Tod hat den Fluch weggenommen, daß nun die Erlösung aus allem Uebel ohne Anstand erfolgen muß. Ueber diejenigen kann nur der lebendige Heiland in Seinem Reich zu ihrem Heil ewiglich herrschen, die durch Seinen Tod versöhnt worden sind, und die Versöhnung durch den Glauben empfangen haben. Hat Er sich’s einen Tod kosten lassen, sie zu versöhnen: so wird Er vielmehr Seine Lebenskraft anwenden, sie selig zu machen.(Magnus Friedrich Roos)
Römer 7
Ich elender Mensch! wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes! Ich danke Gott durch Christum Jesum unsern HErrn.
Röm. 7,24.25.
Der Mensch, der vorher ohne Gesetz gelebt, das ist das Gesetz Gottes in seinem Leichtsinn nicht geachtet hatte, kommt in ein großes Gedränge, wenn das Gebot kommt, wie Paulus Röm. 7,9. sagt, das ist, wenn es seine Kraft in seiner Seele zu zeigen anfängt. Alsdann wird die Sünde lebendig, der Mensch aber stirbt V. 9.10., das ist er fühlt, daß er des Todes würdig sei. Ohne Gnade und Friede, ohne Licht und Leben zu haben, macht er alsdann nach dem Trieb seines aufgewachten Gewissens Versuche, sich selber zu helfen; fühlt aber mit Schmerzen, daß das Gesetz geistlich, er aber fleischlich und unter die Sünde verkauft sei, V. 14. Er findet, daß zwar das Wollen in ihm sei, das Vollbringen des Guten nach der Regel des geistlichen Gesetzes findet er nicht. Er thut wenigstens innerlich durch böse Lüste, was er nicht will, und was er will, nämlich heilige Gedanken und Begierden haben, thut er nicht, V. 19.20. Er hat Lust am Gesetz Gottes nach dem inwendigen Menschen, der aber noch kein neuer Mensch ist, und nichts als Triebe des Gewissens in sich hat; siehet aber ein anderes Gesetz, das ist einen andern Trieb, in seinen Gliedern, das da widerstreitet dem Gesetz in seinem Gemüthe, und ihn gefangen nimmt in der Sünden Gesetz, welches in seinen Gliedern ist, V. 22.23. Weil nun dieser Zustand sehr kümmerlich ist, und weil der Mensch dabei erkennt und fühlt, daß sein verstimmter Leib viele Reizungen zur Sünde macht, und die Sünde gleichsam in alle Glieder desselben ausgebreitet ist, so daß ein jedes Glied das Werkzeug zu einer besonderen Sünde sein will, ruft er aus: ich Elender, daß ich ein Mensch bin! wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes, oder von dem Leibe, worin die Sünde ihre Kraft beweist, und mir dadurch den Tod als den Sold der Sünde zuzieht? Wenn ihn aber doch dabei ein Licht des Evangeliums anstrahlt, und ihm Hoffnung macht, daß er aus seinem gegenwärtigen Zustand in einen bessern, wozu jener eine Vorbereitung sei, übergehen könne, so kann er schon auch sagen: ich danke Gott durch Jesum Christum unsern HErrn. Derjenige Zustand, den Paulus Röm. 7,10-25. beschreibt, war nicht der Zustand des begnadigten Apostels, als welcher Röm. 8. beschrieben wird, obwohl Paulus Röm. 7., um seinen Vortrag lebhafter zu machen, von sich selbst so schrieb, als ob er selber damals unter dem Gesetz stünde. Er erfuhr aber Alles, was er hier beschreibt, schnell auf dem Weg nach Damaskus, als ihm Jesus erschien, und in den dreien Tagen, die vor seiner Taufe hergingen. Uebrigens muß ein Jeder, der sich bekehrt, einmal unter dem Gesetz sein, wie es Paulus Röm. 7,10-25. beschreibt; denn das Gebot: du sollst dich nicht lassen gelüsten, V. 7., welches, wenn auch die äußerlichen Ausbrüche verhütet werden, die größte Noth verursacht, geht wegen der Heiligkeit Gottes alle Menschen an. Und wer wird die Erlösung Jesu Christi hochschätzen, wenn er sich selbst nicht vorher als fleischlich und todeswürdig gefühlt hat? Den ehrlichen Abschied von dem Gesetz bekommt man nur durch den Tod Jesu, wenn man glaubig wird, wie Paulus Röm. 7,1-6. lehrt. Wer dem Gesetz in einem fleischlichen Sinn entlaufen, oder sich seiner erwehren will, wird von ihm ein anders Mal wieder ergriffen, und, wenn dieses allzu spät geschieht, in die Hölle gestürzt.(Magnus Friedrich Roos)
Römer 8
Wer Christi Geist nicht hat, der ist nicht Sein.
Röm. 8,9.
Paulus hatte vor diesen Worten gelehrt, daß diejenigen, die in Christo Jesu sind und Christo angehören, von dem Gesetz, von der Herrschaft der Sünde und des Todes so ganz frei gemacht seien, daß nun nichts Verdammliches mehr an ihnen zu finden sei (Röm. 8,1.2.); denn Gott habe, was dem Gesetz unmöglich war (sintemal es durch das Fleisch, durch die natürliche Beschaffenheit des Menschen geschwächt war), selbst gethan oder veranstaltet, und Seinen Sohn gesandt in der Gestalt des sündlichen Fleisches zu einem Sündopfer, und die Sünde im Fleisch verdammt oder an Seiner Menschheit gestraft, auf daß die Gerechtigkeit, vom Gesetz erfordert, in uns erfüllt würde, wenn wir nur nicht mehr nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist leben (3.4.). nach dem Fleisch dürfen wir freilich nicht leben; denn die fleischlich seien, seien auch fleischlich gesinnt; hingegen die geistlich seien, seien geistlich gesinnt; aber fleischlich gesinnt sein, sei Tod und Verderben: geistlich gesinnt sein, Leben und Friede. Denn fleischlich gesinnt sein, sei eine Feindschaft wider Gott, sintemal das Fleisch dem Gesetz Gottes weder unterthan sei noch sein könne. Daher auch die fleischlich sind, Gott nicht gefallen mögen. Nun macht er die Anwendung auf seine glaubigen Leser: ihr aber seid nicht fleischlich sondern geistlich, so anders Gottes Geist in euch wohnet. Das muß aber sein, Gottes und Christi Geist müsset ihr haben, wenn ihr Ihm angehören wollt. Denn wer Christi Geist nicht hat, der ist nicht Sein. Christi Geist haben heißt aber nicht, zuweilen gute Rührungen bekommen, und nach denselben gute Vorsätze fassen, und diese bald wieder aufgeben. Der Geist Christi und Gottes will in uns wohnen, und freilich alsdann auch das Regiment über unsere Seele führen, und unsern ganzen Wandel nach Gottes Wohlgefallen einrichten. Ein wahrer Christ hat den Heiligen Geist, auch wenn er schläft, auch wenn er mit irdischen Geschäften bemüht ist, auch wenn er in einer tödtlichen Schwachheit sich seiner nicht bewußt ist. Nichts verursacht Ihn, die Seele als Seinen Tempel wieder zu verlassen, als die neue halsstarrige Neigung derselben zu der Welt. Da nun nach dieser Lehre Pauli zum Seligwerden nöthig ist, daß der Mensch nicht nur durch die Wiedergeburt geistlich worden sei, sondern auch den ewigen Geist Gottes empfangen habe, so mache ich billig diese Fragen an mich selber: bin ich nicht fleischlich, sondern geistlich? lebe und richte ich mich nicht mehr nach dem Fleisch, nach der natürlichen Beschaffenheit, die eine Feindschaft wider Gott, Gottes Gesetz zuwider, Gott mißfällig, und eben deßwegen der gerade Weg zu Tod und Verderben ist, sondern nach dem Geist, dessen Herrschaft zum Leben und zur Seligkeit führt? habe ich Gottes und Christi Geist in mir wohnend? bin ich mithin Sein? bin ich durch den Glauben in Christo Jesu, stehe ich in Gemeinschaft mit Ihm? habe ich als ein Angehöriger Jesu Christi Gottes Gnade, Freiheit von den Strafen der Sünde und ewige Seligkeit zu gewarten?
Diese Fragen sind doch gewißlich alles meines Nachdenkens werth. Wer aber den Geist Christi nicht hat, ist nicht Sein Kind, Schaf, Unterthan, Eigenthum, Miterbe, folglich höchst unglücklich und verloren. Ich will die Worte Pauli nicht brauchen, Andere zu richten, sondern mich selber zu untersuchen.(Magnus Friedrich Roos)
Derselbige, der Christum von den Todten auferwecket hat, wird auch eure sterblichen Leiber lebendig machen, um deßwillen, daß Sein Geist in euch wohnet.
Röm. 8,11.
Der Geist Gottes wohnt in den Glaubigen, und dieser Geist ist auch der Geist Christi; denn so fließt die Rede Pauli nach einander: ihr seid nicht fleischlich, sondern geistlich, so anders Gottes Geist in euch wohnet, wer aber Christi Geist nicht hat, der ist nicht Sein, V. 9. Da nun Paulus hernach weiter hätte sagen können: so aber der Geist Christi in euch ist u.s.w., so sagt er: so aber Christus in euch ist (weil Er nämlich selber ist, wo Sein Geist ist), so ist er, der Leib, zwar todt um der Sünde willen, der Geist aber ist Leben um der Gerechtigkeit willen. Die Inwohnung Christi und Seines Geistes heiligt also den Leib, hebt aber die sterbliche Beschaffenheit desselben nicht auf: hingegen ist der durch die Wiedergeburt in der Seele entstandene Geist lauter Leben, und zwar unzerstörliches Leben, und dieses Leben ist da wegen der Gerechtigkeit, die dem Glauben zugerechnet worden. Nun kommt Paulus wieder zurück auf die Rede vom Geist, und sagt: so der Geist deß, der Jesum von den Todten auferwecket hat, in euch wohnet, so wird auch derselbe, der Christum von den Todten erwecket hat, eure sterblichen Leiber lebendig machen, um deßwillen, daß Sein (nämlich Christi) Geist in euch wohnet. Der göttliche Geist also, der ein Geist des Vaters und des Sohnes ist, wohnet in den Glaubigen. Weil Er aber in ihnen wohnet, so wird der Vater unsers HErrn Jesu Christi ihre sterblichen Leiber lebendig machen; denn es gebührt sich nicht, daß ein Leib, welcher ein Tempel des Heiligen Geistes gewesen war, todt bleibe: auch gebühret es sich nicht, daß diejenigen, in denen der Geist Christi wohnet, an Seinem Leben, das Er bei Seiner Auferstehung angenommen hat, keinen Antheil haben. Nein, sondern weil Christus durch die Herrlichkeit des Vaters auferweckt worden ist, und nun nach Seiner ganzen menschlichen Natur ewiglich lebet, so müssen auch diejenigen, die Seinen Geist empfangen haben, und durch denselben Geist mit Ihm, wie Glieder mit ihrem Haupt, verbunden sind, nach ihrer ganzen menschlichen Natur ewiglich mit Ihm leben. Ein Kind Gottes hat also etwas in sich, das nicht stirbt, und dieses ist der Geist: dieser Geist ist lauter Leben. Nach demselben wird das Wort Christi, Joh. 11,26., an ihm erfüllt: wer da lebet und glaubet an Mich, wird nimmermehr sterben. Ein Kind Gottes hat aber auch etwas Sterbliches an sich, und dieses ist sein Leib, welcher ungeachtet der Begnadigung und der Inwohnung des Heiligen Geistes wegen der Sünde sterben muß. Aber auch diesen wird der Vater unsers HErrn Jesu Christi lebendig machen, denn Er hat alle Seine Kinder dazu bestimmt, daß sie dem Ebenbild Seines Sohnes, der auferstanden ist, und nun ewig lebt, gleich werden, auf daß derselbe der Erstgeborne unter vielen Brüdern sei, Röm. 8,29. Der Erstling des Heiligen Geistes, den sie hier schon empfangen haben, vergewissert sie davon durch Seine Inwohnung, und durch die Zueignung der göttlichen Verheißungen.(Magnus Friedrich Roos)
Welche der Geist Gotte treibet, die sind Gottes Kinder.
Röm. 8,14.
Paulus, der die Lehre von der Rechtfertigung durch den Glauben in dem Brief an die Römer vorgetragen hat, behauptet in diesem Brief und in allen seinen Schriften, daß man nicht gerechtfertigt werden könne, ohne zugleich ein geistlicher Mensch, folglich wiedergeboren zu werden, und daß Niemand ein geistlicher oder wiedergeborner Mensch sei, der nicht auch den Geist des Vaters, der Jesum von den Todten auferweckt hat, welcher auch der Geist Christi ist, empfange. Er nennt diesen Geist Röm. 8,14. den Geist Gottes, und sagt von ihm, daß Er die wiedergebornen Christen treibe, belebe, führe, folglich immer in einer guten Bewegung erhalte. Ob also gleich ein wiedergeborner Christ geistlich ist, und eine neue Natur, welche Geist heißt, in sich selbst hat, so ist doch dieser sein Geist nicht sich selber überlassen, sondern steht an Einem fort unter dem Trieb oder unter der Regierung des göttlichen Geistes. So lange der Mensch diesen göttlichen Geist in sich wohnend hat, bleibt er ein geistlicher und geistlich gesinnter Mensch, und kann nicht faul, kalt, träg, todt und unfruchtbar werden, weil durch denselben Geist immer gute Bewegungen und Regungen in ihm erweckt werden, welche in Worte und Werke, die Gott wohl gefallen, ausbrechen. Paulus sagt Röm. 8,13., daß die Glaubigen des Fleisches Geschäfte tödten: dazu treibt sie aber der Geist Gottes. Er sagt V. 15., daß sie Gott als Abba, Vater anrufen: sie thun es auch durch Seinen Geist. Hernach redet er von einer innerlichen Sehnsucht nach der Kindschaft, von der Hoffnung der Herrlichkeit, vom Beten und Seufzen, vom Feststehen und Ueberwinden: dieses Alles aber wirket derselbige ewige Geist Gottes, der in den Herzen der Wiedergebornen wohnet, und sie treibet. Indem Er sie aber treibet, dürfen sie gewiß sein, daß sie Gottes Kinder seien, denn Er ist ein kindlicher Geist, oder das Siegel der Kindschaft Gottes, und der Urheber wahrer kindlicher Gesinnungen gegen Gott. Er zeuget auch mit ihrem Geist, daß sie Gottes Kinder seien; sind sie aber Kinder, so sind sie auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi; so sie anders mit leiden, auf daß sie auch mit zur Herrlichkeit erhoben werden, V. 16.17.
Aus diesem Allem läßt sich erkennen, wie thöricht diejenigen zu ihrem eigenen Schaden seien, welche durch die Kraft ihrer natürlichen Vernunft wahre Christen sein und Gott gefallen wollen. Obschon von weltklugen, gelehrten und witzigen Leuten zuweilen gesagt wird, daß sie geistreich seien, oder viel Geist haben, so sind sie doch im biblischen Verstand keine geistlichen Menschen, es sei denn, daß sie aus Gott geboren seien. Ist dieses nicht geschehen, so muß ihre Vernunft zu dem Fleisch gerechnet werden, von welchem Paulus Röm. 8. redet, und weil solche fleischliche Menschen auch fleischlich gesinnt sind, so ist gewiß, daß sie auch eine Feindschaft wider Gott in sich haben, und dem Gesetz Gottes nicht unterthan sein können. Ist aber ein Mensch nicht mehr fleischlich, sondern geistlich, so muß auch der Geist Gottes in ihm wohnen, und wenn er diesen nicht hat, so ist er nicht Christi. Er ist weder wiedergeboren noch gerechtfertigt, und weder ein Kind noch Erbe Gottes. Lasset uns diese Wahrheiten wohl bedenken, und uns hüten, den Heiligen Geist, wenn wir Ihn empfangen haben, zu betrüben. Sein Trieb werde in uns immer kräftiger.
Der Geist gibt Zeugniß unserm Geist, daß wir Gottes Kinder sind.
Röm. 8,16.
Ein Christ soll eine Gewißheit von Seinem Gnadenstand erlangen, damit er nicht immer fürchten müsse, es gehe ihm, wie Salomo Spr. 14,12. 16,2. und Paulus Gal. 6,3. sagt. Wie erlangt man diese Gewißheit? Erstlich werden wir durch’s Gesetz, wenn es kommt (Röm. 7,9.), oder mit einer tödtenden Kraft und mit der Zuneigung seines verdammenden Urtheils auf uns selbst in unsere Seele eindringt, vergewissert, daß wir mit unsern Werken unter dem Fluch liegen, und gleichsam am Rand der Hölle stehen, in welche wir geworfen werden könnten. Nehmen wir diese Ueberzeugung geduldig an, und werden wir dabei durch die Kraft des Evangeliums an Christum, welcher des Gesetzes Ende ist, glaubig, so entsteht nach und nach eine andere Gewißheit in uns, nämlich diejenige, auf welche Paulus deutete, da er sagte: der (kindliche) Geist gibt Zeugniß unserm Geist, daß wir Gottes Kinder sind. Er setzt also voraus, das wir eine neue Natur von Gott empfangen haben, und nennt diese neue Natur unsern Geist, s. Joh. 3,6. Niemand kann also vergewissert werden, daß er ein Kind Gottes sei, außer wer wiedergeboren ist, und Niemand ist auch ein Kind Gottes als ein Wiedergeborner. In diesem aber zeugt der Geist oder die wiedergeborne Seele nach ihrem von Gott empfangenen Licht von der Kindschaft Gottes, weil er durch die Aufmerksamkeit auf dasjenige, was Gott in ihm schon gewirkt hat und täglich wirkt, und durch die Vergleichung seines Zustandes mit dem Wort Gottes den richtigen Schluß machen kann, daß er ein Kind Gottes sei. Aber der kindliche Geist, durch welchen man Abba, Vater ruft, der Geist des Vaters und des Sohnes, der Tröster oder Beistand, welchen der Vater in Jesu Namen sendet, zeuget auch mit dem Geist des Menschen von der Kindschaft Gottes, indem Er seinem Herzen manch’ süßes Trostwort zuspricht, ihn die Liebe Gottes deutlich empfinden läßt, und ihn zuweilen durch Kräfte der zukünftigen Welt erquickt. Dieses Zeugniß des Heiligen Geistes hat in sich selbst eine solche Klarheit, und unterscheidet sich durch seine göttliche Kraft und Lieblichkeit, die man empfinden kann, so deutlich von Allem, was die Natur thut, daß der Mensch nicht zweifeln kann, es sei ein Zeugniß des ewigen und göttlichen Geistes, da man hingegen die Kennzeichen desselben der Welt, die Ihn nicht kennt (Joh. 14,17.) nicht begreiflich machen kann. Uebrigens wäre es seltsam, wenn man erwarten wollte, daß das Zeugniß unseres Geistes, und das Zeugniß des Heiligen Geistes, welcher jenes bekräftigt, an Einem fort währen sollte. Der Heilige Geist zeuget, wann Er will, und insonderheit alsdann, wenn Furcht und Zweifel, Angst und Schmerzen vorhanden sind. Hernach glaubt man an Einem fort, und dieser Glaube wird wieder durch Sein Zeugniß gestärkt, wenn es Ihm gefällt: bis er in’s Schauen verwandelt wird. Johannes schrieb an wiedergeborne Christen mit einer innigen Freude 1 Joh. 3,1.2.3.: sehet, welch’ eine Liebe hat uns der Vater erzeiget, daß wir Gottes Kinder sollen heißen. Darum kennet euch die Welt nicht, denn sie kennet Ihn nicht. Meine Lieben, wir sind nun Gottes Kinder, und ist noch nicht erschienen, was wir sein werden: wir wissen aber, wenn es erscheinen wird, daß wir Ihm gleich sein werden; denn wir werden Ihn sehen, wie Er ist. Und ein Jeglicher, der solche Hoffnung hat zu Ihm, der reiniget sich, gleichwie Er auch rein ist.(Magnus Friedrich Roos)
Der Geist gibt Zeugniß unserem Geist, daß wir Gottes Kinder sind. Sind wir denn Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi.
Röm. 8,16.17.
Wenn ein Mensch wiedergeboren wird, so wird er ein geistlicher Mensch, das ist, er bekommt eine neue Natur, welche Gott ähnlich ist, und ein neues Leben, welches dem Leben des auferstandenen HErrn Jesu ähnlich ist. Diesen Geist des Menschen gelüstet wider das Fleisch, oder wider die in der Natur des Menschen noch übrige Verderbniß, und das Fleisch wider den Geist; diese zwei sind wider einander: wiewohl doch der Geist regieren soll, Gal. 5,17.18. Nach diesem Geist, oder nach diesem von Gott geschenkten Licht und Leben kann ein Christ sich selber das Zeugniß geben, daß er ein Kind Gottes sei, wenn er sich nämlich dem Wort Gottes aufrichtig prüft, und sich dessen bewußt ist, was das Wort Gottes von der Wiedergeburt, von dem Haß des Bösen, von der Liebe Gottes und des Nächsten, vom Trieb des Heiligen Geistes, vom Glauben und von dem Fortgang in der Heiligung als von Kennzeichen der Kindschaft Gottes lehrt. Dieses Zeugniß aber, welches der Christ sich selbst durch den Geist gibt, wird je und je von dem Geist Gottes durch kräftige Empfindungen der Liebe Gottes, oder durch eine kräftige Zueignung dieses oder jenes evangelischen Spruches bestätigt, und dieses ist der Fall, da der Geist Gottes mit unserem Geist zeuget, daß wir Gottes Kinder seien. Es ist unmöglich, daß man dieses Zeugniß des Geistes Gottes an Einem fort spüre; denn Er hat uns noch mehr zu sagen und zu entdecken, als nur die Wahrheit, daß wir Gottes Kinder seien. Er hat uns auch zu bestrafen, Er hat uns zu unterweisen, wie wir wandeln sollen, Er hat uns zu entdecken, was der Wille Gottes in vorkommenden Fällen sei, Er hat uns überhaupt in alle Wahrheit zu leiten. Auch ruhet Er zuweilen gleichsam, und hält inne mit Seinen kräftigen Wirkungen, bis wieder etwas vorkommt, welches sie nothwendig macht; und dieses ist der Fall, da man ohne Fühlen trauen muß. Zu geschweigen, daß auch der Satan die Seele unter der Zulassung Gottes mit Finsterniß und schreckhaften oder andern scheußlichen Bildern bestürmen kann. Wenn wir aber wahrhaftig Gottes Kinder sind, und Solches aus dem Zeugniß unseres Geistes und des Heiligen Geistes wissen, so dürfen wir den Schluß machen, daß wir auch Erben seien, nämlich Gottes Erben. Welche’ ein Ausdruck ist das! Ein Erbe Gottes sein, Seine Ruhe, Seine Freude, Sein Reich erben! Und Miterben Christi. Welch’ eine Herrlichkeit ist das! Christus hat als der Erstgeborne unter vielen Brüdern von dem Vater Alles empfangen oder geerbt; nun sagt aber der Vater zu einem jeden unter diesen vielen Brüdern: Alles, was Mein ist, das ist dein, Luk. 15,31., und da Er dem Johannes den neuen Himmel, die neue Erde und das neue Jerusalem gezeigt hatte, so thut Er den Ausspruch: wer überwindet, soll dieses ererben, und Ich werde sein Vater sein, und er wird Mein Sohn sein, Off. Joh. 21,7. Wer sollte nicht allen Fleiß anwenden, ein Kind Gottes zu werden und zu bleiben! Wer sollte sich über einen zeitlichen Mangel kränken, wenn er Hoffnung hat, ein Erbe Gottes und Miterbe Christi zu werden, und ewiglich zu bleiben!(Magnus Friedrich Roos)
Denn ich halte es dafür, daß dieser Zeit Leiden der Herrlichkeit nicht werth sei, die an uns soll offenbaret werden.
Röm. 8,18.
Den Menschen dünken oft ihre eigenen Leiden, und die Leiden anderer Leute, welche sie mitleidig ansehen, sehr groß und schwer zu sein; und fürwahr, wenn man nur so geradezu auf diese Leiden hinsieht, und sie nicht mit etwas Anderem vergleicht, so kann man so davon urtheilen; ja man kann in die Versuchung gerathen, den großen Gott gleichsam bei Ihm selber zu verklagen, weil Er den Menschen und auch den Gerechten unter ihnen das Leben so sehr erschwere und verbittere, und Einige unter ihnen auch von dem Guten, welches Andern noch vergönnt ist, so wenig genießen lasse. Allein wenn die Seele mehr Licht bekommt, und anstatt ihren Blick nur auf das Leiden zu heften, rückwärts, vorwärts und himmelwärts sehen kann, so urtheilt sie gar anders. Das Leiden, worüber sie Klage führte, ist ein Leiden dieser Zeit, folglich kein ewiges Leiden. Diese Zeit ist kurz. Von dieser kurzen zeit ist gemeiniglich alsdann, wenn das Leiden langwierig und sehr schwer zu sein scheint, schon ein namhafter Theil verflossen. Der übrige Theil der Leidenszeit ist vielleicht kleiner, als der Leidende vermuthet; gesetzt aber auch, er sei länger, so geht er doch auch schnell vorbei, und nimmt, weil das Leben eines Menschen nur einer Hand breit ist, bald ein Ende. Wenn man sich nun unter dem Leiden zu Gott wendet, fleißig betet, sich an Sein Wort hält, und sich von Ihm zerknirschen, erleuchten und läutern läßt, so folgt auf das Leiden etwas Neues; und was denn? Nicht nur ein Zustand, da man zwischen Freude und Leid gleichsam mitten inne säße, nicht nur eine kleine Erholung und Erquickung, sondern eine Herrlichkeit. Der Leidende wird aus der Tiefe seines Elends bis zu einer ewigen und über alle Maßen wichtigen Herrlichkeit, folglich bis zur Aehnlichkeit mit dem verherrlichten Heiland erhoben. Was kann Größeres gedacht und gesagt werden? Vorher fiel man andern Leuten als ein Leidender in’s Gesicht, und wurde von Einigen mit Verachtung, von Andern aber mit Mitleiden angesehen: am Tage Jesu Christi aber wird die Herrlichkeit an denen, die durch das Leiden bewährt worden sind, vor Engeln und Menschen offenbar werden, daß Niemand mehr Mitleiden mit ihnen haben, sondern Jedermann sie bewundern wird. Diese Herrlichkeit wird so groß sein, daß man schon jetzt, wenn man sie nach dem Wort Gottes betrachtet, sagen muß, dieser Zeit Leiden sei derselben nicht werth, oder es sei in der Vergleichung mit derselben für sehr klein, ja für nichts zu achten, und die Herrlichkeit sei insonderheit für keinen verdienten Lohn des Leidenden zu halten. Weil denn also dieser Zeit Leiden der Herrlichkeit nicht werth ist, die an uns offenbaret werden soll, so muß, weil Gott nichts ohne Ursache thut, etwas anders die Ursache der Schenkung dieser Herrlichkeit sein; und was ist die Ursache? Nichts als die Gerechtigkeit des eingebornen Sohnes Jesu Christi, des Mittlers zwischen Gott und den Menschen. Das Lamm, das geschlachtet worden, ist würdig zu nehmen Kraft und Reichthum und Weisheit und Stärke und Ehre und Herrlichkeit und Lob, Offenb. 5,12. Weil nun Jesus würdig war, dieses Alles zu empfangen, so ist Er auch berechtigt, es denjenigen mitzutheilen, die Er für Seine Knechte, Kinder, Brüder und Miterben hält. Ihre Würdigkeit beruhet auf der Seinigen, ja sie ist in der Seinigen enthalten.
Wir, die wir haben des Geistes Erstling, sehnen uns bei uns selbst nach der Kindschaft, und warten auf unsers Leibes Erlösung.
Röm. 8,23.
Paulus hatte Röm. 8. von den Glaubigen gesagt, der Geist Gottes, der Geist dessen, der Jesum von den Todten auferweckt hat, wohne in ihnen, und treibe sie, und zeuge mit ihrem Geist, daß sie Gottes Kinder seien. Dieses ist schon etwas sehr Kostbares und Großes: aber doch ist’s nur der Erstling des Geistes. Gleichwie auf die erste Garbe, die man schneidet, die völlige Ernte folgt, also folgt auf diejenige Mittheilung des Heiligen Geistes, deren die Glaubigen in ihrem irdischen Zustand fähig sind, die völlige Mittheilung desselben, deren ihre menschliche Natur fähig ist, welche sie so erfüllen und sättigen wird, daß sie alsdann ruhen werden, und nach keinem weitern Wachsthum streben können. Diejenigen aber, die nun des Geistes Erstling haben, sehnen sich mit einem unaussprechlichen Seufzen, welches dieser Geist selber wirkt, V. 26., bei sich selbst in dem tiefsten Grund ihrer Seelen, und so, daß sie sich dessen bewußt sind, folglich auf eine edlere Art als andere Kreaturen, nach etwas, das besser ist als ihr gegenwärtiger Zustand. Und was ist dann dasselbe? Es ist die Kindschaft. Wie aber? möchte man sagen, sind sie denn nicht schon Kinder? Sagt nicht solches Paulus V. 14.16. und 17. und anderswo deutlich genug? Ist nicht der Erstling des Geistes, den sie haben, schon das Siegel, oder Beweis dieser Kindschaft? Ja wohl. Gleichwie aber die Glaubigen unter dem Alten Testament Kinder Gottes waren, und doch hernach erst die Kindschaft empfingen, als das Neue Testament anbrach, s. Gal. 4,1-6., also sind jetzt die Glaubigen und geistlich gesinnten Christen Kinder Gottes, und warten doch mit Seufzen auf die Kindschaft. Das Seufzen zeigt an, daß sie unter einem Druck des Leidens stehen: die Kindschaft aber, auf welche sie warten, ist nach V. 17. die Empfahung des Erbes, wobei man ein Erbe Gottes und Miterbe Christi ist, ingleichem die Erhöhung zur Herrlichkeit in der Gemeinschaft mit Christo. V. 18. wird sie die Herrlichkeit genannt, die an den Kindern Gottes soll offenbaret werden, V. 19. aber die Offenbarung der Kinder Gottes, und V. 21. die herrliche Freiheit der Kinder Gottes. Der Zustand der Seele nach dem Tod, ob er schon sehr herrlich sein kann, kann dieses Alles noch nicht völlig enthalten, sondern die Erlösung des Leibes von der irdischen Schwachheit, welche 1 Kor. 15,42. u.ff. ausführlich, und Phil. 3,21. kurz beschrieben wird, ist dazu nöthig. Durch die Auferstehung und Verklärung der Leiber werden also die Gerechten fähig werden, ihr Kindsrecht völlig zu genießen. Alsdann wird das Gericht gehalten werden, bei welchem der HErr Jesus sagen wird: kommet her ihr Gesegneten Meines Vaters, ererbet das Reich das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt. Alsdann wird auch in einem völligen Verstand geschehen, was Johannes 1 Joh. 3,2. sagt, wir werden nämlich dem HErrn Jesu ähnlich werden, weil wir Ihn sehen werden, wie Er ist. Indessen prüfe sich ein Jeder, ob er des Geistes Erstling habe, weil nur derjenige, der ihn hat, wegen desselben die herrliche Kindschaft hoffen darf. Ein Jeglicher aber, der solche Hoffnung hat in Jesu Christo, der reinige sich, gleichwie Er auch rein ist, 1 Joh. 3,3.(Magnus Friedrich Roos)
Nicht allein sie, sondern auch wir selbst, die wir haben des Geistes Erstlinge, sehnen uns auch bei uns selbst nach der Kindschaft, und warten auf unseres Leibes Erlösung.
Röm. 8,23.
Wiedergeborne und glaubige Christen werden in der heiligen Schrift Kinder Zions, Kinder des obern Jerusalems und der Freien, Kinder des Lichts und des Reiches genannt: ihr prächtigster Name aber ist dieser, daß sie Kinder Gottes genannt werden. Die frommen und ehrwürdigen Männer vor der Sündfluth, an denen man etwas von dem Ebenbild Gottes wahrnehmen konnte, wurden Söhne Gottes, die frechen Weibsbilder aber Töchter der Menschen genannt, weil das Gute göttlich, und das böse nach dem Sündenfall menschlich ist. Hernach wurde das ganze Volk Israel Gottes erstgeborner Sohn genannt, 2 Mos. 4,22. Moses aber, als er die Israeliten hoch ehren und zur Haltung gewisser Gebote willig machen wollte, sagte 5 Mos. 14,1. im Eingang zu ihnen: ihr seid Kinder des HErrn, eures Gottes. Im Neuen Testament kommt dieser Name oft vor, und wird aus der Geburt aus Gott, und aus dem Glauben an den Sohn Gottes, welcher Seinen Namen und Seine Würde denen, die an Ihn glauben, nach ihrer Fähigkeit mittheilt, hergeleitet. Glaubige Christen werden durch diesen Namen hoch geehrt, und zu Gegenständen der väterlichen Liebe Gottes, wie auch zu Erben Gottes erklärt, und des Geistes Erstling, das ist der Heilige Geist in demjenigen Maße, nach welchem man Ihn auf Erden empfangen kann, ist das Siegel, wodurch sie als solche ausgezeichnet sind, und welches sie selbst versichert, daß sie solche seien, und sich erkühnen dürfen, nach dem Vorgang Johannis 1 Joh. 3,2. zu sagen: wir sind nun Gottes Kinder. So herrlich aber dieses Bekenntniß lautet, so gewiß ist es auch, daß wir dabei sagen müssen: so wir sagen, wir haben keine Sünde, so verführen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns; dieweil wir in der Hütte des sterbliches Leibes sind, sehnen wir uns, und sind beschwert; wir müssen durch viel Trübsal in’s Reich Gottes eingehen; unser Leib ist sterblich um der Sünde willen u.s.w. Wo ist nun eure Herrlichkeit? möchte man sagen. Sie ist freilich nicht sichtbar, und fällt insonderheit der Welt nicht in die Augen; weßwegen Johannes 1 Joh. 3,1. schreiben konnte: sehet, welch’ eine Liebe hat uns der Vater erzeiget, daß wir Kinder Gottes sollen heißen; darum kennet euch die Welt nicht, denn sie kennet Ihn nicht. Auch Kinder Gottes kennen sie (die Herrlichkeit) zuweilen nicht, und lassen sich ihre göttliche Kindschaft durch das Gefühl ihrer Mängel und Leiden aus dem Gesicht rücken oder verdecken. Was wird aber dereinst geschehen? Sie werden in den völligen Genuß ihres Kindsrechts eingesetzt werden, sie werden offenbar und zur Herrlichkeit erhoben werden, es wird, wie Johannes sagt, erscheinen, was sie sein werden, und alsdann werden sie dem verklärten HErrn Jesu ähnlich sein, denn sie werden Ihn sehen wie Er ist, und bei diesem beständigen Sehen als reine Crystalle von Seiner Herrlichkeit an Einem fort durchleuchtet werden. Dieses Alles ist die Kindschaft, nach welcher sich wahre Christen bei sich selbst sehnen. Durch nichts wird ihre Sehnsucht völlig gestillt werden, als durch diese Kindschaft. Diese ist nicht eitel, wie alles dasjenige, das unter der Sonne ist. Sie warten auch auf ihres Leibes Erlösung aus dem Grabe, denn diese muß geschehen, und wird geschehen, damit sie als Kinder Gottes dem HErrn Jesu, welcher auch aus dem Grabe erweckt worden, und einen verklärte Leib hat, völlig ähnlich werden.
Denn wir sind wohl selig, aber in der Hoffnung.
Röm. 8,24.
Als Paulus Eph. 2,8. schrieb: aus Gnaden seid ihr selig worden durch den Glauben, so dachte er an die selige Veränderung, die mit dem Menschen durch seine Bekehrung vorgeht, da er aber Röm. 8,4. schrieb: wir sind wohl selig, doch in der Hoffnung, so sahe er auf die selige Veränderung, welche mit den Gerechten durch ihre Verklärung vorgeht. Nach dem ersten Spruch ist ein wahrer Christ schon auf Erden durch den Glauben selig gemacht. Er war nämlich vorher todt gewesen durch den Glauben selig gemacht. Er war nämlich vorher todt gewesen durch Uebertretung und Sünden, und hatte darin gewandelt nach dem Laufe dieser Welt, und nach dem Fürsten, der in der Luft herrschet, nämlich nach dem Geist, der sein Werk in den Kindern des Unglaubens hat. Unter diesen hatte er auch seinen Wandel gehabt in den Lüsten des Fleisches, und den Willen des Fleisches und der Vernunft gethan, und war ein Kind des Zorns von Natur. Aus diesem großen Elend, aus diesem unaussprechlich jämmerlichen Zustand hat ihn Gott erlöset, da Er ihn sammt Christo lebendig machte, und sammt Ihm auferweckte, und sammt Ihm in’s himmlische Wesen versetzte: und hat dadurch den überschwänglichen Reichthum Seiner Gnade an ihm geoffenbart, Eph. 2,1-7. Dieses Alles faßt nun Paulus V. 8. in diese wenigen Worte zusammen: aus Gnaden seid ihr selig (das ist, aus eurem geistlichen Tod, und allem damit verbundenen Jammer errettet) worden, durch den Glauben. Wenn aber auch dieses geschehen ist, so sind noch Leiden dieser Zeit übrig, Röm. 8,18.; alle Kreatur sehnet und ängstet sich mit den Glaubigen immerdar, V. 22., und sie warten insonderheit auf ihres Leibes Erlösung, V. 3., folglich auf die Verklärung desselben, welche auch die höchste Seligkeit der Seele mit sich führen wird. Dieses Alles faßt nun Paulus V. 24. in diesen kurzen Worten zusammen: wir sind selig gemacht, oder von allem Uebel erlöset, in der Hoffnung. Wir sehen diese Erlösung in der Hoffnung vor uns, wir stellen uns dieselbe in der Hoffnung als gewiß vor. Die göttlichen Verheißungen stellen dieselbe unserm Gemüth als nahe vor: wir sehen sie aber noch nicht, wir haben sie noch nicht; hingegen warten wir derselben durch Geduld. Es gibt also nach Eph. 2,8. eine Seligkeit, die man durch den Glauben hat, und nach Röm. 8,24. eine solche, deren man in der Hoffnung wartet: diese hängt an jener, und wird nicht ohne jene erlangt. Paulus drückt die Gewißheit der Seligkeit, die man hoffen muß, so aus, daß er nicht sagt: wir sind selig gemacht nach der Hoffnung. Die Sache, will er sagen, ist schon entschieden, schon verheißen, schon in die Regierung Gottes eingeflochten, wir haben sie schon, aber nur in der Hoffnung, die nicht siehet, sondern mit Geduld wartet. Auf diese Weise redeten die Propheten des Alten Testaments oft von dem Heiland der Welt, als ob Er schon da wäre, sie sahen Ihn, aber von ferne: sie hatten Ihn, aber in der Hoffnung. Da aber nun die Verheißung von der Sendung des Sohnes Gottes in die Welt erfüllt worden, so will ich die Verheißung der künftigen Herrlichkeit mit einem hoffenden Glauben von ferne sehen (wie von jenen, Hebr. 11,13., in Ansehung Christi gesagt wird), und mich derselben vertrösten und wohl begnügen lassen. Nach der Rechtfertigung und Bewährung in der Trübsal läßt die Hoffnung nicht zu Schanden werden.(Magnus Friedrich Roos)
Wir sind wohl selig, doch in der Hoffnung – so wir aber deß hoffen, was wir nicht sehen, so warten wir sein durch Geduld.
Röm. 8,24.25.
Da Paulus Eph. 2,8. schrieb: aus Gnaden seid ihr selig worden durch den Glauben, so deutete er auf den Gnadenstand, worin die Epheser stunden, welcher freilich schon eine Seligkeit oder eine Errettung von dem ehemaligen heillosen Zustand ist, der eben daselbst V. 1.2.3.12. beschrieben wird. Sonst aber, wo von der Seligkeit als dem Ende des Glaubens in der Verbindung mit dem himmlischen Reich Gottes und der Zukunft des HErrn die Rede ist, bedeutet dieses Wort die vollkommene Befreiung von allem Uebel und den Genuß der Ruhe und Freude des HErrn, welcher allein in der zukünftigen Welt möglich ist. In eben diesem Sinne redet Paulus Röm. 8,24. von der Seligkeit, nachdem er von der Herrlichkeit, Offenbarung und herrlichen Freiheit der Kinder Gottes gehandelt, und zuletzt V. 23. geschrieben hatte: wir sehnen uns bei uns selbst nach der Kindschaft, und warten auf unseres Leibes Erlösung, das ist auf seine Auferweckung und Verklärung. Um nun dieses Sehnen und Warten deutlicher zu erklären, setzt er hinzu: denn wir sind wohl selig, das ist, wir sind schon von allem Uebel errettet durch Christum, wir sind schon erkauft zu Seinem herrlichen Eigenthum, doch müssen wir den Genuß dieses vollkommenen Heiles noch hoffen. Wir sehen die uns bereitete Herrlichkeit noch nicht, folglich ist sie noch nicht gegenwärtig, wir hoffen sie aber, ob wir sie schon nicht sehen, und warten derselben durch Geduld. Johannes drückt eben diese Wahrheit 1 Joh. 3,1.2. so aus: sehet, welch’ eine Liebe hat uns der Vater erzeiget, daß wir Gottes Kinder sollen heißen. Darum kennet euch die Welt nicht, denn sie kennet Ihn nicht. Meine Lieben, wir sind nun Gottes Kinder, und ist noch nicht erschienen, was wir sein werden. Wir wissen aber, wenn es erscheinen wird, daß wir Ihm gleich sein werden; denn wir werden Ihn sehen, wie Er ist. Gleichwie aber Johannes V. 3. von der Hoffnung redet, wie sie den Christen zu dem Fleiß, sich selber nach dem Vorbild Jesu zu reinigen, oder keusch zu machen, antreiben soll, also redet Paulus Röm. 8,25. von dem geduldigen Warten, welches mit dieser Hoffnung verbunden sein soll. Warten muß ein Christ auf den Tag seiner eigenen Hinfahrt aus der Welt, und auf den Tag Jesu Christi selber, und es steht nicht in seiner Macht, die göttliche Uhr hurtiger laufen zu lassen; wie er dann solches auch nicht wünschen soll. Weil aber der Weg bis zu diesem Ziel, besonders nach dem letzten Theil desselben, mit Leiden umsteckt ist, so hat er Geduld, oder eine Unterwürfigkeit seines Willens unter die züchtigende Hand Gottes nöthig. Seid fröhlich in der Hoffnung, sagt Paulus Röm. 12,12., geduldig in Trübsal, haltet an im Gebet. Die Hoffnung bringt und erhält die Geduld. Wer die ewige und über alle Maßen wichtige Herrlichkeit, die den Kindern Gottes bereitet ist, mit Hoffnungsblicken vor sich sieht, kann die Trübsal für zeitlich und leicht halten, folglich geduldig darin ausharren; da hingegen Niemand, der eine finstere Ewigkeit vor sich sieht, sich der Ungeduld erwehren kann, wenn er in dem Genuß der irdischen Glückseligkeit gestört wird.(Magnus Friedrich Roos)
So wir aber deß hoffen, das wir nicht sehen, so warten wir sein durch Geduld.
Röm. 8,25.
Etwas hoffen, das man nicht gesehen hat, und nicht siehet, und bei Leibesleben nicht sehen kann, und das auch noch Keiner von denjenigen, unter denen man lebt, jemals gesehen hat, wäre eine große Thorheit, wenn man nicht eine gewisse Nachricht oder ein zuverläßiges Zeugniß davon hätte. Diese Nachricht und dieses Zeugniß finden wir aber in der Bibel. Diejenigen, welche dieselbe geschrieben haben, sind zuweilen entzückt oder im Geist gewesen und haben himmlische Dinge gesehen, und was sie gesehen hatten, treulich beschrieben. Aber auch außer dem Fall einer solchen Entzückung haben sie als getrieben von dem Heiligen Geist davon geredet und geschrieben. Wenn wir keine solche von Gott eingegebene Bibel hätten, so wäre die Hoffnung einer zukünftigen Seligkeit und Herrlichkeit sehr schwach, wankend und unkräftig, wie die Bücher der klügsten Heiden und aller Weltweisen genugsam beweisen. Nun steht aber unsere Hoffnung auf dem Zeugniß Gottes, der nicht lügen kann, fest, und läßt Niemand, der dieselbe in der rechten Ordnung und durch die Kraft des Heiligen Geistes gefaßt hat, zu Schanden werden. Uebrigens ist freilich die gehoffte Freude, Ruhe und Herrlichkeit nicht alsbald da, wenn man sie hofft. Man darf nicht alsbald in den Himmel eingehen, wenn man auf Erden Gnade erlangt hat. Man muß vorher einen Lauf machen, und zwar durch Leiden, unter denen es Seufzer gibt. Unser Lauf ist kurz, wenn man ihn mit dem Lauf der Patriarchen vor der Sündfluth vergleicht; vielleicht sind aber auch unsere Leiden gehäufter, als die ihrigen waren. Es scheine aber der Lauf eines Christen kurz oder lang zu sein, so muß er eben warten lernen, und zwar mit Geduld. Gott thut Alles fein zu seiner Zeit, und der Mensch kann mit Ungeduld nichts ereilen und erzwingen. So lange das Leben währt, muß auch das geduldige Warten bei der Hoffnung währen, welches im Psalter oft ein Harren genannt wird. Auch nach dem Tod währet das Warten auf den Tag Jesu Christi noch fort, wiewohl bei den Seelen, die in den himmlischen Tempel aufgenommen sind, die Geduld im eigentlichen Verstand nicht mehr statthaben wird.
Auch ich soll also hoffen, was ich nicht sehe, was mir aber im Wort Gottes verheißen wird, und dessen, so lange meine Wallfahrt währet, durch Geduld warten. Das Warten der Gerechten wird Freude werden, aber der Gottlosen Hoffnung wird verloren sein. Viele Klagen werden durch den einzigen Zuspruch: warte mit Geduld, beantwortet. Die Zeit des geduldigen Wartens ist kurz; der Genuß aber und Besitz dessen, was man erwartet hat, wird ewig sein, und die Sache selbst alle Erwartung, insofern sie in eine deutliche Erkenntniß gefaßt ist, übertreffen. Hallelujah! Die Menschen nennen ihre Zeit kurz oder lang, je nachdem sie von demjenigen, das ihnen darin begegnet, ein Angedenken oder eine Empfindung haben. Die vergangene Zeit, von welcher ihnen das Wenigste im Angedenken geblieben ist, däucht sie kurz zu sein, die gegenwärtigen traurigen Tage aber lang, die fröhlichen aber ebenfalls kurz. Was wird man wohl im Himmel von der zurückgelegten Zeit denken? Gewiß ist’s, daß man sie für wichtig aber sehr klein halten wird.(Magnus Friedrich Roos)
Wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie sich’s gebühret, sondern der Geist vertritt uns auf’s Beste mit unaussprechlichem Seufzen.
Röm. 8,26.
Von Gott, durch Gott und zu Gott sind alle Dinge, Röm. 11,36. Alles Gute kommt vom Vater durch Christum zu uns, und geht wieder durch den Heiligen Geist zu Ihm zurück, indem derselbe durch Christum und um Christi willen die Menschen zum Glauben an Gott, zur Liebe Gottes, zum Beten, Loben und Danken, ja zur ewigen Vereinigung mit Gott erweckt und leitet. Beten, was und wie sich’s gebührt, ist eine wichtigere Sache, als Viele meinen. Zwar ist es leicht, allgemeine Gebetsformeln zu finden, die man Gott vorsagen darf, aber in besondern Fällen kann nur die Regung des Heiligen Geistes bestimmen, was man bitten dürfe. Wer kann ferner dem betenden Menschen den Glauben, die Liebe, die Demuth geben, welche in sein Gebet einfließen müssen? Wer will seinen Sinn so bilden, daß er Gott bei der Anbetung gefallen kann? Dieses kann Niemand, als der Geist des Vaters und des Sohnes. Dieser kommt dem Sünder sogleich bei seiner Erweckung aus dem Sündenschlaf zu Hülfe, und steht ihm bei, daß er erhörlich beten kann. Wenn Er aber in das Herz desselben bei der Rechtfertigung gesandt und ausgegossen wird, so ist Er immer die wirkende Ursache aller Gott geziemenden Gebete. Ein wiedergeborner Christ soll hiebei seine natürliche Schwachheit bekennen, gleichwie sie auch Paulus bekannt hat, da er sagte: wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie sich’s gebühret, er soll sich aber auch auf den Heiligen Geist verlassen, welcher seiner Schwachheit auch bei dem Beten aufhelfen, und ihn mit unaussprechlichem Seufzen vertreten will. Paulus redet hier von dem Heiligen Geist als demjenigen, der die Stelle des betenden Menschen vertrete, folglich selber in ihm bete. Er betet aber so, daß Er des Menschen Verstand und Willen dazu braucht, und das Gebet nach dem Zustand des Menschen, und insonderheit nach seinem Verhältniß gegen Gott einrichtet. Hier gibt es aber auch unaussprechliche Seufzer; denn weil der Betende immer in einer Enge oder in einem Gedräng ist, so ist sein Beten ein Seufzen, sowohl wenn er sein Verlangen ohne Worte zu Gott richtet, als auch wenn er Worte denkt und ausspricht. Doch sind Worte immer unfähig, sein Verlangen, welches auf unaussprechliche Dinge geht, ganz zu beschreiben. Wenn ein Christ betet: himmlischer Vater, Dein Name werde geheiliget, Dein Reich komme, Dein Wille geschehe u.s.w., so spricht er zwar etwas Vernehmliches aus, und versteht, was er bittet, einigermaßen; wer will aber Worte finden, welche Alles ausdrücken und deutlich machen, was der Name Gottes und die Heiligung desselben, das Reich Gottes und die Zukunft desselben, der Wille Gottes und die Erfüllung desselben in sich fassen. Hier geht der Sinn des Geistes, von dem Paulus V. 27. redet, immer weiter, als die Sprache und der Verstand des Menschen. Ebenso geht es, so oft ein Christ in seinem seufzenden Gebet göttliche und himmlische Dinge nennt. Sein Verlangen ist zwar unter dem Trieb des Geistes darauf gerichtet, auch weiß er, daß sie gut, herrlich, ewig seien: ihre ganze Beschaffenheit aber kann er nicht aussprechen, folglich auch nicht erkennen.(Magnus Friedrich Roos)
Desselbigen gleichen auch der Geist hilft unserer Schwachheit auf.
Röm. 8,26.
Wenn der Mensch todt in Sünden ist, so ist er zu Allem, was wahrhaftig gut und Gott gefällig heißen kann, untüchtig, wenn er aber wiedergeboren ist, wie Paulus und die glaubigen Römer, an die er schrieb, so ist er geistlich und geistlich gesinnt, und hat eine Kraft zu glauben, zu lieben, zu hoffen, und Gott anzubeten. Dessen ungeachtet aber ist er schwach, weil alles Erschaffene und Eingeschränkte in der Vergleichung mit dem allmächtigen Gott schwach ist, und weil er überdieß noch nicht vollendet, nicht ausgewachsen, und nicht völlig von der Sünde frei gemacht ist. Paulus sagt aber: der Geist (Gottes) hilft unserer Schwachheit auf. Er lehret hiemit, daß wir uns einen geistlichen Menschen nicht ohne die beständige Inwohnung und Wirkung des göttlichen Geistes vorstellen sollen. Es wird zwar durch die Wiedergeburt eine neue Kraft oder Natur in dem Menschen hervorgebracht, welche Geist heißt, denn was vom Geist Gottes geboren ist, das ist Geist: allein dieser Geist des Menschen ist beständig abhängig von dem Geist Gottes, wird immer von diesem unendlichen Geist bewohnt, regiert, erhalten und bewegt, und hörete auf zu sein, wenn dieser Geist wiche; deßwegen schrieb Paulus Röm. 8,9.: ihr seid nicht fleischlich, sondern geistlich, so anders Gottes Geist in euch wohnet; wer aber Christus Geist nicht hat, der ist auch nicht Sein (und höret also auf, geistlich zu sein, wenn er’s auch gewesen ist), der geistliche Mensch aber wird von dem Heiligen Geist als Sein Tempel bewohnet, V. 1., als ein Mensch, der thätig sein soll, getrieben, V. 14., und als ein Mensch, der wissen muß, wessen er sich zu Gott versehen solle, durch Sein Zeugniß getröstet und erfreuet, V. 16. Derselbige Geist hilft auch seiner Schwachheit im Beten auf; als welches eine so wichtige Sache ist, daß ohne Ihn auch der geistliche Mensch nicht wüßte, was er beten sollte, wie sich’s gebühret, V. 26. Wer dieses Alles bedenkt, erkennt leichtlich, daß ein wiedergeborener Christ seinen Geist oder sein geistliches Leben nicht eigenmächtig besitzen dürfe. Wir werden darum wiedergeboren, daß Gott durch Seinen Geist wieder in uns wohnen und wirken könne. Im Stand der Unschuld war in dem wesentlichen Wort das Leben und Licht der Menschen, nun soll es mit den gefallenen Menschen wieder dahin kommen, daß Gott Alles in Allen sei, oder daß des Menschen Gedanken, Worte und Werke von Gott, durch Gott und zu Gott seien, und Gott an ihm verherrlicht werde. Schwach ist ein jedes Geschöpf für sich selbst. Schwach ist insonderheit ein Mensch. Er weiß nicht, wie er dem heiligen Gott begegnen soll, und hat die Kraft nicht, sich gegen Ihm aufzurichten, und zu Ihm zu nahen. Aber der ewige Geist Gottes, der vom Vater ausgeht, kommt ihm zu Hülfe, bietet ihm gleichsam die Hand, und hilft seiner Schwachheit auf. Die ganze Anbetung Gottes soll durch diese Handreichung des Heiligen Geistes regiert werden, und der geistliche Mensch soll darauf merken, wie weit, und wozu ihn der Heilige Geist dabei treibe, und Seiner Handreichung sich nicht aus Trägheit entziehen, aber dieselbe auch nicht mit seiner natürlichen Wirksamkeit überschreiten wollen.(Magnus Friedrich Roos)
Gott, der die Herzen forschet, weiß, was des Geistes Sinn sei, denn Er vertritt die Heiligen, nachdem es Gott gefällt.
Röm. 8,27.
Paulus hatte vor diesem Spruch von dem Leiden dieser Zeit geredet, das die Kinder Gottes ausstehen müssen, und von dem Dienst der Aufzehrung, dem die Kreatur unterworfen sei. Er hatte auch V. 22.23. gesagt: alle übrigen Kreaturen seufzen zusammen, und haben Geburtswehen mit einander bis jetzt: nicht allein aber sie, sondern auch wir selbst, die wir den Erstling des Geistes haben, seufzen in uns selbst, und warten auf die Erlösung des Leibes (von dem Stand des Leidens und der Verwesung), folglich auf den Stand der Herrlichkeit, V. 17., oder der vollkommenen Seligkeit, die noch unsichtbar und zukünftig ist, V. 24.5. Es ist aber das Seufzen der Glaubigen von einer höheren Art, als das Seufzen der übrigen irdischen Kreaturen; denn bei jenem hilft der ewige Geist Gottes ihrer Schwachheit auf, und vertritt sie, oder seufzet in ihnen, indem Er sich mit ihren Seelen vereiniget, und die Seufzer oder dringenden Gebete in ihnen erweckt und bildet. Diese Seufzer aber sind unaussprechlich. Sind sie aber unaussprechlich, so sind sie auch nicht in Gedanken zu fassen: denn, wenn ein Mensch denkt, so spricht er bei sich selbst, und er kann ohne Worte nicht denken. Das vom Geist Gottes erweckte sehnliche Verlangen geht also weiter als der menschliche Verstand, welcher Gedanken ausbildet. Es geht auf eine Ruhe, Freude und Herrlichkeit, die übersinnlich und unausdenklich sind. Es geht darauf, daß der Mensch ein Erbe Gottes und Miterbe Christi werden soll: welches Menschenherz kann sich aber dieses Erbe in seinen Gedanken vorbilden, oder seinen ewigen Werth mit seinem Verstand begreifen? Wie aber? Wenn der Mensch, der darnach ein Verlangen hat, nicht denken, folglich auch nicht deutlich sagen kann, was er will: wird wohl der große Gott sein Verlangen verstehen, und sein Seufzen gewähren? Paulus bejahet solches indem er sagt: Gott, der die Herzen forschet, folglich das verborgene, unerklärliche Verlangen derselben weiß, verstehet den Sinn des (Heiligen) Geistes, denn Er vertritt die Heiligen gegen Gott. Der Mensch hat ein Herz, das sich auch ohne eine vollständige Klarheit der Gedanken nach einer ewigen Ruhe und Herrlichkeit sehnet: denn Gott hat dem Menschen die Ewigkeit, das ist das Verlangen nach einem ewigen Gut, in’s Herz gegeben, wie Salomo Pred. 3,11. sagt. Gott forschet aber die Herzen der Menschen, das ist, Er erkennt die verborgene Sehnsucht, die darin liegt. wie denn die Allwissenheit Gottes, insofern sie sich auf etwas Tiefes und Geheimes bezieht, oft ein Forschen genannt wird. In den Herzen der Glaubigen wohnt und wirkt aber auch der Geist Gottes, und vertritt die Glaubigen bei dem Seufzen. Diesem ist klar, was die Glaubigen bedürfen und verlangen: dieser weiß vollkommen, was die Worte Ruhe, Freiheit, Herrlichkeit, Erbe u.s.w. bedeuten, und lenket ihre Herzen zum Verlangen nach diesen Dingen. Gott aber weiß hinwiederum, was des Geistes Sinn sei, Er versteht den Heiligen Geist, der die Glaubigen vertritt, wohl, und gewährt ihre von demselben erweckten Seufzer, ob sie schon selbst dieselben nicht ganz verstehen. Ehre sei dem großen Gott! von Ihm, durch Ihn, und zu Ihm sind alle Dinge. Das Seufzen der Glaubigen hat einen göttlichen Urheber, und ihr Ziel ist Gott.(Magnus Friedrich Roos)
Wir wissen, daß denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen.
Röm. 8,28.
Es ist unbegreiflich, wie Gott die Welt regiere. Unbegreiflich sind Seine Gerichte, und unerforschlich Seine Wege. Wir wissen sehr wenig von der Regierung Gottes. Die meisten Werke Gottes sind uns einzeln und im Zusammenhang unbekannt. Niemand weiß, was ihm selbst morgen begegnen werde. Wir wissen von den allermeisten Begebenheiten die besondern Ursachen und Absichten nicht: doch wissen wir dieses, daß denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, und wenn wir nur dieses wissen, so ist es zu unserer Beruhigung genug. Die Augen des HErrn sehen also auf die Gerechten, die Ihn lieben, und Er regiert die Welt so, daß alle Dinge zu ihrem Besten mitwirken müssen. Wie aber, wenn unter diesen Dingen auch Trübsal, Angst, Verfolgung, Hunger, Blöße, Fährlichkeit, Schwert, der Tod, ein langes und beschwerliches Leben, Anfälle von bösen Engeln und dergleichen Sachen vorkommen? Sollen denn auch diese denen, die Gott lieben, zum Besten dienen? Freilich, denn Paulus redet ja von allen Dingen. Solche Dinge sind Gelegenheiten zum Ueberwinden: wer aber überwindet, wird die Krone des Lebens empfangen. Alles, was mich dem Ebenbild des Sohnes Gottes, der durch’s Leiden zur Herrlichkeit gegangen ist, ähnlich macht, V. 29., Alles, was zur Erfüllung des Vorsatzes Gottes, der auf’s Gerecht- und Herrlichmachen zielt, bei mir hilft, dienet mir zum Besten. Hier muß man aber eine Zeitlang nicht sehen, und doch glauben. In den Werken Gottes ist das Ende immer besser als der Anfang. Alle Züchtigung, wenn sie da ist, dünket uns nicht Freude, sondern Traurigkeit zu sein, aber darnach, oder zuletzt, wird sie geben eine friedsame Frucht der Gerechtigkeit denen, die dadurch geübet sind, Hebr. 12,11. Das Wissen also, von dem Paulus redet, ist ein glaubiges Wissen, und muß mit einer wartenden Geduld verbunden sein. Man muß sich eine Zeit lang üben lassen, man muß auf dasjenige warten, was hintennach kommt. Was kommt aber hintennach? Dieses, daß man der Gerechtigkeit und des Friedens Gottes noch mehr froh wird, als vor der Züchtigung. Ach daß wir dieses Alles immer vor Augen hätten, wenn wir wahrnehmen, daß Gott Seine Heiligen wunderlich führe! Sie fragen zuweilen in ihrem Geist oder mit Worten: warum lässest Du mich so traurig gehen? warum hast Du uns das gethan? Die allgemeine Antwort aber, die Gott gibt, ist diese: um eures Besten willen. Euer Unglück ist euer Glück, eure Armuth hilft euch zum ewigen Reichthum, eure Schmach zur himmlischen Ehre, euer verlassener Zustand zur Aufnahme in die ewigen Hütten, euer Schmerz zur Freude, euer Sterben zum Leben. Kurz: alle Dinge müssen euch zum Besten dienen. Unschätzbares Privilegium! Wen geht es aber an? Diejenigen, die Gott liebe, der sie zuerst geliebt hat. Diese Liebe zu Gott muß man also durch den Beistand des Heiligen Geistes unter allen Umständen behaupten, ja darin wachsen: denn wer ihrer mangelt, oder sie verliert, wird im Glück trotzig, und im Unglück verzagt, und die bestgemeinten Werke der Vorsehung Gottes gereichen ihm zum Schaden.(Magnus Friedrich Roos)
Welche Gott versehen hat, die hat Er auch verordnet, daß sei gleich sein sollen dem Ebenbild Seines Sohnes, daß derselbe der Erstgeborne sei unter vielen Brüdern. Welche Er aber verordnet hat, die hat Er auch berufen, welche Er aber berufen hat, die hat Er auch gerecht gemacht, welche Er aber gerecht gemacht, die hat Er auch herrlich gemacht.
Röm. 8,29.30.
Paulus macht hier große Schritte von der Ewigkeit, die vor der Welt war, bis zu der Ewigkeit, die nach dieser Welt sein wird. Von Ewigkeit, ehe der Welt Grund gelegt war, hat Gott diejenigen, die selig werden, versehen, oder liebreich erkannt, oder erwählt, und zugleich zu einem sehr edeln und herrlichen Zustand verordnet oder bestimmt. Was ist aber dieses für ein Zustand? Es ist die Gleichförmigkeit mit Seinem Sohn. Die Auserwählten sollen Seinem Sohn gleich werden, 1 Joh. 3,2. Auch ihre auferweckten Leiber sollen so verherrlicht werden, daß sie Seinem verklärten Leibe ähnlich werden, Phil. 3,21. Der Sohn Gottes gibt ihnen die Herrlichkeit, die Ihm der Vater gegeben hat, Joh. 17,22. Der Zweck hievon ist dieser, daß derselbe der Erstgeborne sei unter vielen Brüdern. Als der eingeborne Sohn Gottes hat Christus keine Brüder, wie dieser Name selber anzeigt, und Er kann Niemand die Herrlichkeit mittheilen, die Er als ein Solcher zur Rechten des Vaters hat: aber als der Erstgeborne hat Er viele Brüder. Als der Erstgeborne hat Er den Vorzug vor Allen. Sein ist die Herrschaft und das Priesterthum; doch ist es Sein und des Vaters Wille, daß Seine vielen Brüder Seinem Ebenbild ähnlich und Seine Miterben seien. Bis dahin will es also die Liebe Gottes bei allen Auserwählten bringen; und wer ist, der sich einen herrlicheren Zustand vorstellen könnte?
Nachdem Paulus dieses geschrieben hatte, so ging er zurück, und fing wieder bei der göttlichen Verordnung oder Bestimmung an, welche vor der Schöpfung der Welt in der göttlichen Vorsehung oder Erwählung enthalten gewesen war, und zeigte die Ordnung, in welcher Gott diese Seine Verordnung zur Erfüllung bringe. Erstlich redete er von dem kräftigen Beruf, der an einen jeden Auserwählten in seiner Lebenszeit von Gottes wegen ergehe, und schritt hernach fort zu der Rechtfertigung, welche allen denjenigen widerfährt, welche durch die berufene Gnade zum Glauben an Jesum gelangen, von dieser aber zur Verherrlichung. Es ist klar, daß Paulus hier voraussetze, es gehe Alles in der Ordnung nach dem Willen Gottes, und der Mensch widerstrebe dem göttlichen Beruf nicht, und weiche auch nach der Rechtfertigung nicht mehr von Gott ab. Wo bleibt aber, möchte man fragen, die Heiligung, ohne welche Niemand den HErrn sehen wird? Diese ist schon der Anfang der Verherrlichung; denn Paulus sagte 2 Kor. 3,18., indem er von derselben redete: nun spiegelt sich in uns Allen des HErrn Herrlichkeit mit aufgedecktem Angesicht, und wir werden verherrlicht in dasselbe Bild von einer Herrlichkeit zu der andern als vom HErrn, der der Geist ist. Und fürwahr, wenn heilige Menschen sagen können: wir haben Christi Sinn, und: wie Er ist, so sind auch wir in dieser Welt, so hat ihre Verherrlichung, folglich auch ihre Gleichheit mit dem Ebenbild des Sohnes Gottes, schon angefangen, und die göttliche Verordnung schon etwas von ihrem Zweck erreicht. O Gott! wir sind nichts werth. Laß uns aber werden, was Du aus uns machen willst, zum Lob Deiner Herrlichkeit.
Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein?
Röm. 8,31.
Ein Mensch ist in der großen Welt, die Gott geschaffen hat, ein sehr kleines und fast unmerkliches Stäublein, aber diese große Welt – wie klein, ja wie gar nichts ist sie in der Vergleichung mit dem großen und allerhöchsten Gott! Er träget sie immer ohne Mühe mit Seinem kräftigen Wort, damit sie nicht in ihr Nichts zurückfalle. Was insonderheit den Erdboden und dasjenige, das darauf ist, anbelangt, so sagt Jesajas Kap. 40,15.17.: siehe die Heiden sind geachtet wie ein Tropfen, so im Eimer bleibet, wenn er ausgeschüttet wird, und dessen man nicht mehr achtet, und wie ein Scherflein, so in der Wage bleibet, und keinen Ausschlag mehr gibt. Siehe, die Inseln sind wie ein Stäublein. Alle Heiden sind vor Ihm Nichts, und wie ein Nichtiges und Eiteles geachtet. Bei einem solchen Blick auf die unvergleichliche Größe Gottes und auf die Kleinheit und Schwachheit der ganzen Welt und insonderheit der Menschen hat Paulus geschrieben: ist Gott für uns, wer mag wider uns sein? Durch die Frage: wer mag wider uns sein? fordert er alle Geschöpfe in der ganzen Welt heraus, und bezeuget, sie können mit Nachdruck und Erreichung ihres Zweckes nicht wider uns sein, wenn Gott für uns sei. Es ist zwar Vieles in der Welt wider uns, wenn aber Gott für uns ist, so kann uns nichts schaden oder überwältigen. Man stelle sich auf der einen Seite oder vielmehr in der Höhe den großen Gott, und auf der andern Seite oder vielmehr in der Tiefe die ganze Welt mit allen feindseligen Geschöpfen vor, die Auserwählten aber in der Mitte. Wer wird diese verderben können, wenn Gott sie schützet? Welcher Haß wird ihnen schaden, wenn Gott sie liebet? Welche Schmach wird sie verunehren, wenn Gott sie ehret? Welcher Tod wird sie verschlingen, wenn Gott ihnen ewiges Leben schenkt? Der Heiland sagte Joh. 10,29.30. von den Auserwählten: der Vater, der sie Mir gegeben hat, ist größer denn Alles, und Niemand kann sie aus Meines Vaters Hand reißen. Ich und der Vater sind Eins, darum kann sie auch Niemand aus Meiner Hand reißen. Es ist aber das Wort, daß Gott für uns sei, ein Wort für den Glauben, und wer Glauben hat, kann es auf sich deuten, und den Beweis davon darin finden, daß Gott Seines eigenen Sohnes nicht verschonet, sondern Ihn für uns Alle dahin gegeben hat. Mehr bedarf es nicht zum Beweis dieser großen Wahrheit: weniger aber ist auch nicht genug; denn was man auch ohne Absicht auf Christum von der wesentlichen Güte und Barmherzigkeit Gottes denken und sagen möchte, reicht nicht hin, um Geschöpfe, welche Sünder sind, zu überzeugen, daß Gott für sie sei; weil man zu gleicher Zeit aus der wesentlichen Gerechtigkeit Gottes und aus den Drohungen des in’s Herz geschriebenen und in der Bibel enthaltenen Gesetzes beweisen könnte, daß Er wider sie sei. Christus aber ist derjenige, um deßwillen Gott ohne Verleugnung einer einigen Seiner Eigenschaften mit uns sein will und kann. Auf Ihn sehe also ein Jeder, der glauben will, daß Gott mit uns sei, trachte Ihn zu gewinnen und in Ihm erfunden zu werden, und leite alsdann aus der göttlichen Größe und Hoheit den Schluß her: wer mag wider uns sein?
Gott hat Seines eigenen Sohnes nicht verschonet, sondern hat Ihn für uns Alle dahin gegeben: wie sollte Er uns mit Ihm nicht Alles schenken?
Röm. 8,32.
Wenn gesagt wird, daß Gott für uns sei, so ist von Seiner Huld, Barmherzigkeit, und Menschenliebe die Rede, nach welcher Er um Seines Sohnes willen, der ein Mensch worden ist, an der Menschen Tod kein Wohlgefallen hat, sondern an ihrer Bekehrung und an ihrem Leben. Nun redet Paulus auch vom Schenken. Wir arme Menschen bedürfen sehr, daß uns Gott Vieles, ja Alles schenke, weil wir nichts haben, weil mit unserer Macht nichts gethan ist, weil wir leere und noch dazu unreine Gefässe sind. Weil wir Ihm aber nichts vorher geben, und auch hintennach nichts vergelten können, so bedürfen wir, daß er uns Alles umsonst und aus Gnaden schenke; und von einem solchen Schenken redet auch hier Paulus. Wie beweiset er aber, daß Gott geneigt sei, uns alles zu schenken? Er beweist es so, daß er sagt: Gott hat Seines eigenen Sohnes nicht verschonet, sondern Ihn für uns Alle dahin gegeben, wie sollte Er uns mit Ihm nicht Alles schenken? Indem Christus der eigene Sohn Gottes genannt wird, wird Er von allen Kindern Gottes unterschieden. Ein Christ ist ein Eigenthum Gottes, aber nicht Sein eigener Sohn. Christus ist Gottes eigener Sohn, weil Er in des Vaters Schooß ist, weil Er und der Vater Eins sind, weil Er Ihm gegeben hat, das Leben in Sich selber zu haben, gleichwie Er selber das Leben in Sich selber hat, und weil Er Ihn liebt, wie Er Sich selbst liebt. Dieses eigenen Sohnes hat Gott nicht verschont, sondern Ihn für uns Alle in die Armuth, Schmach, Schmerzen, Angst, und in den Tod selber gegeben. Was sollte nun so kostbar sein, das Gott uns nicht auch schenken wollte? Für uns kann Er nichts mehr geben, aber uns will Er nun schenken, was uns nöthig ist. Und was ist’s denn? Regen und Sonnenschein, Brod und Kleidung ist zur Erfüllung unserer Nothdurft nicht genug. Etwas Kostbares, Vortreffliches, Erhabenes, etwas, das so viel werth ist als der eigene Sohn, etwas, das auch ein göttliches Wesen hat, will uns Gott schenken. Und was ist dieses? Sein Geist. Durch die Schenkung dieses Geistes macht Er uns Seines göttlichen Lichtes und Lebens theilhaftig; durch dieselbe werden wir heilige und selige Menschen. Wer Seinen Geist empfängt, empfängt Alles; denn was man in der Bibel von dem Reich Gottes als einem Erbe, oder von dem neuen Himmel, von der neuen Erde, und von dem neuen Jerusalem liest, ist denen auch als eine Zugabe verheißen, die den Geist des Vaters und des Sohnes empfangen. Aber insofern alle diese dinge von Gott erschaffen sind, stehen sie in keiner Vergleichung mit dem göttlichen Geist, und sind unter dem Ausspruch begriffen: HErr, wenn ich nur Dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde.
Lasset uns also bei dem Gefühl unseres Mangels die evangelische Wahrheit fest halten: Gott will uns Alles schenken. Weil Er Seinen eigenen göttlichen Sohn für uns Alle dahin gegeben hat, so will Er uns keine Gabe, sollte sie auch eines göttlichen Wesens sein, versagen. Er will uns mit Seinem Sohn Alles schenken. Empfangen wir Seinen Sohn durch den Glauben, so empfangen wir mit Ihm Alles. Wer ist, der nicht bei der Erkenntnis dieser Wahrheit getrost sein könnte?
Gott hat Seinen Sohn für uns alle dahin gegeben: wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen?
Röm. 8,32.33.
Nachdem Paulus in den vorhergehenden Worten die große Huld Gottes gegen die Auserwählten, und Seine Bereitwilligkeit, ihnen Alles zu schenken, gepriesen hatte, so erinnerte er sich, daß sie Sünder seien, und deßhalb eine große Anklage bei dem allerhöchsten göttlichen Gericht wider sie eingebracht werden könnte, eine Anklage, welche die Huld Gottes von ihnen abwenden, und Seine heilsamen Schenkungen von ihnen ableiten könnte. Allein er war auch hierüber gutes Muths, und sagte: Gott hat Seinen eigenen Sohn für uns Alle dahin gegeben: wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Gleichwie Paulus durch die Frage: Paulus durch die Frage: wer mag wider uns sein? nicht hat andeuten wollen, daß Niemand wider uns sei, sondern, daß Niemand mit Recht und mit Erreichung seiner Absicht wider uns sein könne, also hat er auch durch die Frage: wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? angezeigt, daß Niemand diese so bei dem höchsten göttlichen Gericht oder auch in ihrem Gewissen belangen könne, daß er mit seiner Anklage durchdringe. Paulus wußte wohl, daß der große Drache, die alte Schlange, welche der Teufel und Satanas (Verleumder und Widersacher) heißt, sein und seiner Brüder Verkläger sei, der sie Tag und Nacht bei Gott verklage. Auch wurden er und seine Brüder von Vielen auf Erden der Heuchelei, Ketzerei und vieler bösen Tücke so beschuldiget, daß ihre Widersacher immer meinten, Gott selber werde jene für schuldig erkennen; wie es auch noch heutiges Tags geht. Allein, obschon Paulus dieses Alles wußte, so sagte er doch: wer will die Auserwählten Gottes (mit Recht und so, daß er bei Gott Gehör finde) beschuldigen? Niemand weder in der sichtbaren noch in der unsichtbaren Welt kann solches thun? Warum? Weil Gott Seinen Sohn für uns Alle dahin gegeben hat. Die erstaunliche Probe der Liebe, die Gott durch diese Hingabe Seines Sohnes abgelegt hat, sollte freilich alle Ankläger schüchtern machen, wie jene, deren 1 Makk. 10,64. Meldung geschieht. Der Teufel aber ist unverschämt, und seine Anhänger auch. Sie wagen es doch, die Auserwählten zu verklagen, weil sie wissen, daß sie Sünder seien. Allein die Hingabe des Sohnes Gottes in den Tod, Offenb. 12,11. Die Engel des Lichts, und die Menschen, die Licht genug haben, die Hingabe des Sohnes Gottes für die Auserwählten zu verstehen, verklagen diese niemals deßwegen, weil sie Sünder sind. Nur müssen die Auserwählten auch aus den Werken, wie Jakobus sagt, gerechtfertigt, das ist, als Leute, die wahrhaftig an Jesum glauben, erkannt werden. Zu diesem Ende aber wird ihnen mit Jesu auch Sein Geist geschenkt.
Gott ist hie, der gerecht macht: wer will verdammen?
Röm. 8,33.34.
Nachdem Paulus gesagt hatte, daß kein Ankläger wider die Auserwählten Gottes mit Recht auftreten und Gehör finden könne, so sagte er ferner: Gott ist hie, der gerecht macht, wer will verdammen? Der Teufel nämlich und die bösen Menschen wollen nicht nur Ankläger, sondern auch Richter der Auserwählten sein, und als Richter sie verdammen. Da die Apostel in den jüdischen Schulen in den Bann gethan wurden, da Stephanus und viele Andere als Ketzer oder Aufrührer zum Tod verdammt wurden, da man die Knechte Gottes für ein Fegopfer hielt, das ist für Leute, die man tödten müsse, um den Zorn der Gottheit, der ihretwegen entbrannt sei, von einem Land abzuwenden, da man das Anathema oder den Fluch über viele Rechtglaubige und Heilige aussprach, maßte sich der Teufel an, ihr Richter zu sein, und ein Verdammungsurtheil durch böse Menschen über sie auszusprechen. Eben dieses geschieht noch täglich, wenn dergleichen öffentliche unbefugte Gerichte über die Jünger Jesu gehalten werden, oder wenn sie auch im gemeinen Leben gerichtet, gescholten, geschmähet, und als boshaftige Leute verworfen werden. Was thut nun der Glaube hiebei? Er erinnert ich zuvörderst des HErrn Jesu. Gleichwie damals, da Er in Seinem Leiden stand, unsichtbare und sichtbare Feinde wider Ihn waren, und er vor dem jüdischen und römischen Gericht angeklagt wurde, also ist Er auch zuerst von dem jüdischen Rath, und hernach von dem Landpfleger Pilatus zum Tod verdammt worden. Was dachte Er aber dabei? Er dachte: es ist nahe, der Mir Recht spricht, wer will mit Mir hadern? Lasset uns zusammen treten: wer ist, der Recht zu Mir hat? der komme her zu Mir. Siehe der HErr, HErr hilft Mir: wie ein Kleid veralten, Motten werden sie fressen, Jes. 50,8.9. Paulus war in seinem Glauben freimüthig genug, im Namen aller Auserwählten ebenfalls aufzutreten und zu sagen: Gott ist hie, der gerecht macht, wer will verdammen? Weil Gott Gott ist, so zernichtet freilich die göttliche Rechtfertigung alle Verdammung der unmächtigen Geschöpfe, deren keines Er bevollmächtiget hat, ein Urtheil über Seine Auserwählten zu fällen. Er rechtfertiget sie durch Seinen Sohn, an den sie glauben, und dessen Gerechtigkeit sie anziehen. Er rechtfertiget sie so, daß er sie von aller Schuld und Strafe losspricht, sie für Seine Kinder erklärt, und ihnen das himmlische Erbe zuspricht. Wie will nun eine Verdammung dagegen aufkommen? Er hat, indem Er sie rechtfertiget, ein Wohlgefallen an ihrem Glauben, den die Welt eine Ketzerei nennt. Er nennt sie Seine Kinder, Schafe, Erben u.s.w., alldieweil die Welt sie Bösewichter nennt. Wer wird’s gewinnen? Ohne Zweifel Gott. Aber wenn man’s nur immer wüßte, daß man von Gott so gerechtfertigt werde! Wohlan, Stephanus hat’s gewußt, Paulus hat’s gewußt, und viele Märtyrer in alten und neuen Zeiten haben’s gewußt, weil ihnen ihr Gewissen ein gutes Zeugniß gab durch den Heiligen Geist. Und fürwahr, wer um der Wahrheit und des Namens Jesu willen verdammt wird, wird alsdann, weil er es eben nöthig hat, gewißlich inne werden, wie der Geist Gottes mit seinem Geist zeuge, daß er ein Kind Gottes, folglich von Gott gerechtfertigt sei. Wer Licht genug hat, kann bei diesem Zeugniß unter dem verdammenden Gericht der Welt sich freuen und hüpfen, weil für denjenigen, der es leidet, der Lohn im Himmel groß ist, Luk. 6,23.
Christus ist hie, der gestorben ist, ja vielmehr, der auch auferwecket ist, welcher ist zur Rechten Gottes, und vertritt uns: wer will uns scheiden von der Liebe Gottes?
Röm. 8,34.35.
Nachdem Paulus bezeugt hatte, wie die Auserwählten Gottes wegen der göttlichen Huld nicht angeklagt, und wegen der göttlichen Rechtfertigung nicht verdammt werden können, folglich gegen diese beiden rechtlichen Angriffe gesichert seien, so erinnerte ihn der Heilige Geist, daß zuweilen nach dem gemeinen Sprüchwort Gewalt für Recht gehe, oder daß oft gewaltthätige Angriffe mit den rechtlichen verbunden werden. Und fürwahr diese gewaltthätigen Angriffe sind die gewöhnlichsten und währen bis an’s Ende des Lebens. Sie kommen zuweilen unmittelbar von Feinden her, zuweilen aber sind sie auch Folgen der Zerrüttung, welche durch die Sünde in der Welt angerichtet, und in den Lauf der Welt, ja in die Beschaffenheit unserer sterblichen Natur so eingeflochten worden, daß sie eine unhintertreibliche Zugabe zum Christenlauf sind, da dann die Sache selbst, insofern sie den Leib oder die Seele angreift, für einen Feind, der überwunden werden muß, zu halten ist. Paulus nennt in dieser Absicht Trübsal, Angst, Verfolgung, Hunger, Blöße, Gefährlichkeit, Schwert, Leben, Tod u.s.w. Es ist klar, daß er hiebei zunächst auf seine Zeit, da die Christen schweren Verfolgungen ausgesetzt waren, gesehen, aber auch solche Dinge namhaft gemacht habe, welche zu allen Zeiten nach dem Lauf der Welt vorkommen. Er sagt aber: nichts von diesem Allem soll uns scheiden von der Liebe Gottes. Und hernach: in dem Allem überwinden wir weit. Was ist aber der Grund dieser Zuversicht? Christus ist dieser Grund, der gestorben ist, und durch den Tod die Macht genommen hat dem, der des Todes Gewalt hat, das ist dem Teufel, und der durch Sein Sterben verursacht hat, daß das gewaltsame oder natürliche Sterben, und was demselben anhängt, zu Seiner Nachfolge zu rechnen, folglich eine unschädliche, ja gesegnete Sache ist. Allein gegen eine anfechtende Gewalt fällt ein lebendiger, erhabener und treuer Schutzherr vornämlich in’s Gesicht; darum sagt Paulus von Christo: ja vielmehr, der auch auferwecket ist, und nun ewiglich lebet. Die Dinge, die uns anfechten, mögen also immerhin auch lebendig oder wenigstens wirksam sein. Christus, unser Haupt, lebet auch. Ist Er aber auch mächtiger und höher als Alles? Ja, denn Er ist zur Rechten Gottes. Er ist als Mensch bis zur göttlichen Würde und Hoheit erhoben. Er ist der Höchste und der allmächtige Beherrscher des Himmels und der Erde. Alles stehet unter Ihm. Der Vater hat Ihm Alles unter Seine Füße gethan. Wen Er in Seiner Hand hält, den kann Niemand von der Liebe Gottes scheiden; wen Er schützt und stärkt, den kann Niemand verderben, sondern der überwindet in allem weit. Ist Er aber auch den Auserwählten hold? nimmt Er ihre Angelegenheiten zu Herzen? und darf man ich bei seiner Huld auch auf die Huld des Vaters verlassen? Ja, denn Er vertritt uns bei dem Vater. Dieses Vertreten oder diese Fürsprache, die Er auf eine Gott geziemende Weise bei dem Vater für uns einlegt, beweist nicht nur, daß Er ein treuer und barmherziger Hoherpriester sei, sondern auch, daß um Seinetwillen auch der Vater den Auserwählten günstig sei, und sie vor dem Verderben bewahre. Ihr Verderben bestünde darin, wenn sie von der Liebe Gottes geschieden würden. Aber nichts soll sie davon scheiden. Sie sollen Geliebte Gottes bleiben. Wer ist, der daran nicht sollte eine Genüge haben können?
Ich bin gewiß, daß weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstenthum, noch Gewalt, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes, noch keine andere Kreatur mag uns scheiden von der Liebe Gottes, die da ist in Christo Jesu, unserm HErrn.
Röm. 8,38.39.
Paulus hatte schon vorher, V. 35.36., eine Reihe beschwerlicher Dinge, welche die Auserwählten gefährden können, namhaft gemacht, und V. 37. hinzugesetzt: aber in dem Allem überwinden wir weit, so daß unser Sieg sehr völlig und herrlich ist, und wir es allenfalls noch mit mehr Feinden aufnehmen können, um deßwillen, der uns lieb gewonnen hat, nämlich um Christi willen, von dessen Tod, Leben und Herrlichkeit er V. 34. ein Zeugniß abgelegt hatte. Da Paulus dieses geschrieben hatte, stieg sein Geist noch mehr empor. Es war ihm nicht genug, den sieg der Auserwählten über die irdischen Bedrängnisse, die V. 35.36. erzählt sind, zu beschreiben: er übersieht nun die ganze Welt mit einem hellen Glaubensblick. Hier konnte er, wie David Ps. 18,34., zu dem HErrn sagen: Du stellest mich auf meine Höhe. Er sagte also: ich bin durch die Erkenntniß Jesu Christi, der todt war, und nun lebet und zur Rechten Gottes mein Fürsprecher ist, gewiß, daß er Tod uns nicht von der Liebe Gottes scheiden wird, es sei nun, daß wir an einer Krankheit, oder durch’s Schwert sterben. Als Todte sind wir dennoch des HErrn, und genießen Seine Liebe noch völliger als vorher. Auch das Leben, das lange Leben, das voll von ermüdender Mühseligkeit, voll von drückenden Beschwerden ist, soll uns nicht von der Liebe Gottes scheiden; denn Christus gibt uns täglich eine frische Lebenskraft, erhält Seine Reden grün, und hilft durch Alles hindurch. Aber Engel, böse Engel sind starke Feinde, und was oll man von den sichtbaren und unsichtbaren Fürstenthümern sagen, nämlich von den regierenden Personen, welche ganze Reihen von Geschöpfen unter sich haben, und mit denselben zu Feld ziehen können; ingleichen von den Personen oder Dingen, die in sich selbst sehr stark sind, und große Kräfte haben? Auch diese sollen uns nicht scheiden: weil Christus Jesus, unser HErr, zur Rechten Gottes sitzt, folglich größer als Alles ist. Und was will man weiter sagen? Man richte seinen Blick auf gegenwärtige und zukünftige Dinge, auf Alles, was eine Höhe heißt, und uns arme Erdenwürmer überfallen wollte, und auf Alles, was eine Tiefe heißt, und uns in ein tiefes Verderben hinabziehen könnte; ja man richte seinen Blick auf alle Kreaturen: was darf man mit fester Ueberzeugung glauben? Dieses darf man glauben, daß unter diesem Allem nichts sei, das uns von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu, unserm HErrn, ist, und durch Ihn auch von dem Vater auf uns fließt, und durch den Heiligen Geist in unsern Herzen ausgegossen wird, scheiden könne. Diese Liebe bleibt beständig auf uns gerichtet, und wir werden dieselbe ewiglich genießen.
Paulus sagt dieses Alles von sich selbst und von allen Auserwählten Gotte. Doch dürfen wir nicht meinen, daß er dadurch, daß er von Auserwählten redet, den überschwänglichen Trost, der in seinen Worten liegt, hat in eine Dunkelheit einhüllen, und ungewiß, folglich unbrauchbar machen wollen. Auserwählte Gottes sind diejenigen, die nach dem göttlichen Vorsatz berufen sind, und die Gott auch gerecht gemacht hat, und endlich herrlich machen will, V. 28.30. Wer sich also seiner Rechtfertigung bewußt ist, ist ein Auserwählter Gottes, und darf mit Andern beten: HErr, mehre uns den Glauben; damit wir Paulo seinen Glaubensruhm nachsprechen können.
Römer 11
Gott hat Alles beschlossen unter den Unglauben, auf daß Er Sich Aller erbarme. Röm. 11, 32.
So lange die Herrlichkeit Gottes den Menschen unsichtbar ist, ist keine Verehrung Gottes möglich als durch den Glauben. Gott offenbart sich nämlich ihnen durch Seine Werke, noch mehr aber durch Sein Wort; was Er aber offenbaret, muß geglaubt werden, und zwar mit einem Glauben, der dem Schauen entgegengesetzt ist. Aus diesem Glauben folgt Liebe, Ehrfurcht, Gehorsam und die ganze Anbetung Gotte. Menschen, die auf die Werke Gottes nicht mit einer gehörigen Achtsamkeit merken, und entweder das Wort Gottes nicht haben, oder es nicht zu Herzen nehmen, sind unglaubig, sonderlich in Ansehung Christi, außer welchem kein Heil ist, und welcher der einzige Weg ist, durch den man zum Vater kommt. In diesem Zustand waren und sind noch die abgöttischen und unwissenden Heiden; aber auch die Juden die Christum verwerfen, und vom Glauben Abrahams abgetreten sind, sind solche unglaubige Leute. Wenn sich nun die Heiden über die Juden und die Juden über die Heiden erheben, oder der eine Theil die Bekehrung des andern für unmöglich halten wollte, so sagte Paulus: auch ihr seid alle mit einander vor eurer Bekehrung unglaubige Leute. Gott hat Alles unter den Unglauben beschlossen: Er hat über Alles, was Er auf der Erde sieht, das unwidersprechliche Urtheil gefällt, daß es vor Seiner wirksamen Erbarmung, durch die der Glaube und durch den Glauben Gnade geschenkt wird, unglaubig, folglich zu Seinem Reich untüchtig sei. Weil nun hier die Menschen in Einen Haufen von dem wahrhaftigen HErrn zusammengeschlossen sind, so kann dem einen Theil wie dem andern durch nichts als durch das Erbarmen Gottes geholfen werden, und wenn Gott Sich des einen Theils erbarmet, so darf man es nicht für unglaublich ansehen, daß Er sich auch des andern Theils erbarmen werde. Darum schrieb Paulus V. 30.1.: gleicherweise, wie ihr Heiden weiland nicht habt geglaubet an Gott, nun aber habt ihr Barmherzigkeit überkommen bei dem Unglauben der Juden, indem man sich erst alsdann mit dem Evangelio zu euch wandte, wenn die Juden das Reich Gottes im Unglauben von sich stießen, also haben auch diese Juden nicht geglaubt, auf daß bei eurer Begnadigung auch sie dereinst begnadigt werden. Wenn also ein begnadigter Mensch auf seinen ehemaligen Zustand zurücksieht, so erkennt er, daß er ein unglaubiger Mensch gewesen sei. Wie ist ihm also geholfen worden? Durch die unverdiente Erbarmung Gottes. Wenn er nun die Seinigen oder auch andere Menschen in ihrem Unglauben dahin gehen sieht, so kann er um eine gleiche Erbarmung Gottes für sie bitten, und zugleich hoffen, daß auch ihnen Barmherzigkeit widerfahren werde. Ein Unglaubiger kann sich nicht selber helfen, denn die Wahrheit, welche von der Sünde frei machen kann, ist nicht in ihm. Er hat kein wahres Licht und kein geistliches Leben in seiner Seele. Das Erbarmen Gottes muß ihm von vorne an Alles schenken. Ach Gott, erbarme Dich Aller, die noch im Unglauben stecken, unter denen sich immer Einer über den Andern erhebt, ein Jeder aber sich selber gefällt. Du aber siehest sie als Unglaubige an, und weißt, daß Alle elend sind, und Keiner ich selber helfen kann. Erbarme Dich also Aller um Deines lieben Sohnes willen, und rette, was zu retten ist.
Römer 13
Wir wissen, daß die Stunde da ist, aufzustehen von dem Schlaf, sintemal unser Heil jetzt näher ist, denn da wir glaubten. Röm. 13,11.
Das wahre Christenthum wird so fortgesetzt, wie es angefangen worden ist. Ist man im Anfang vom geistlichen Schlaf und Tod erweckt worden, so steht man hernach noch weiter vom Schlaf auf, und es werden alle Seelenkräfte durch das Leben und Licht Jesu immer stärker und munterer zur Anbetung Gottes und zu Seinem Dienst. Hat man Jesum durch den Glauben angezogen, so ziehet man Ihn noch weiter an, damit Er in der Seele eine Gestalt gewinne, und sie nach Ihm gebildet werde, Röm. 13,14. Hat man die Werke der Finsterniß, wie eben dieser Apostel V. 2. sagt, abgelegt, oder hat man den alten Menschen, der sich durch Lüste in Irrthum verderbet, durch die glaubige Einsenkung in den Tod Jesu abgelegt, so ist man doch noch nicht so weit gekommen, daß nicht der Apostel noch immer zurufen dürfte: leget ab, ziehet an, erneuret euch u.s.w., wie Eph. 4. Kol. 3. gesagt wird. Die Ursache dieser Ermahnungen ist die in der Seele noch übrige Verderbniß, oder das Fleisch, welches wider den Geist gelüstet, und das, wenn es nicht immer gedämpft wird, den Verlust des Gnadenstandes verursachen kann. Als Paulus Röm. 3,11. sagte, das die Stunde da sei, von dem Schlaf aufzustehen, so hatte er die Zeit, worin er und die Römer lebten, vor Augen. Die Nacht des Alten Testaments war vergangen, da die Kerze des prophetischen Wortes in einem dunkeln Ort schien, und der Tag war herbei genahet. Was für ein Tag? Ohne Zweifel der Tag der Erscheinung Jesu Christi zum Gericht, welcher in der heiligen Schrift oft der Tag in besonderem Verstand genennet, und als nahe vorgestellt wird. Von diesem Tag unterscheidet Paulus die Stunde, da man von dem Schlaf aufstehen soll, folglich die Morgenstunde, da das Licht dieses hellen Tages schon anbricht. Diese Stunde, sagt er, ist da, weil der Tag herbei genahet ist. Es ist also jetzt nimmer Schlafenszeit, sintemal unser Heil, oder unsere Erlösung jetzt näher ist, als da wir glaubig wurden. Er hätte sagen können: die Zeit ist kurz, der Richter ist vor der Thüre, es ist nahe gekommen das Ende aller Dinge; weil er’s aber mit Glaubigen zu thun hatte, so schrieb er: das Heil ist nahe, ja es ist jetzt schon näher, als da wir glaubig wurden; das Heil, von dem er redet, ist die Erlösung aus allem Uebel und Alles, was die Glaubigen bei der Erscheinung ihres HErrn zu empfangen hoffen dürfen. Wie aber, möchte man sagen, ist denn nicht von der Zeit an, da Paulus den Brief an die Römer schrieb, schon eine lange Zeit verflossen, ohne daß der HErr erschienen wäre? Und trägt denn der kleine Zeitraum von ihrer Bekehrung an bis auf das Datum dieses Briefes etwas Namhaftes bei diesem großen Zeitraum aus? Ja, wenn man bedenkt, daß der Tod eines jeden Christen und die Zukunft des HErrn gleichsam an einander stoßen, und die Zwischenzeit keine Saatzeit mehr sei. Ich soll wachen; denn der HErr kommt, und meine Zeit, die mir zur Vorbereitung auf Seine Zukunft gegeben wird, ist kurz, und schon auf der Neige. Das völlige Heil wird mir immer näher: folglich soll ich mich vollends so verhalten, daß ich dessen theilhaftig werden könne.(Magnus Friedrich Roos)
Römer 14
Christus ist gestorben und lebendig geworden, auf daß Er über Todte und Lebendige Herr sei.
Röm. 14,9.
Wir Alle sind ein Eigenthum Jesu Christi, und seine leibeigenen Knechte und Mägde. Wir stehen und fallen Ihm als unserem HErrn. Ihm leben und sterben wir auch. Vor Seinem Richterstuhl werden wir Alle dargestellt werden. Er spricht: so wahr Ich lebe, Mir sollen alle Kniee gebeuget werden, und alle Zungen Gott bekennen (der im Fleisch geoffenbart worden ist), Ihm muß ein Jeglicher für sich selbst Rechenschaft geben. Dieses sind Aussprüche des Heiligen Geistes durch Paulus Röm. 14., und es wird daselbst der Schluß daraus hergeleitet, daß kein Bruder den andern wegen einer gleichgültigen Sache, welche der Seele an sich selbst weder schadet noch nützt, herrschsüchtig richten solle. Indem aber Paulus auch sagte: Christus ist gestorben und wieder lebendig geworden, auf daß Er über Todte und Lebendige ein HErr sei, so zeigte er den tiefen Grund der übrigen Aussprüche an. Christus ist als Gott und Schöpfer der HErr über die Todten und Lebendigen. Er ist’s aber auch nach den Rechten des Himmelreichs, welches Er durch Seien Erlösung angerichtet hat. Die Menschen sind nicht nur Seiner Hände Werk, sondern auch Sein erkauftes Eigenthum. Seine Knechte stehen auch vor Ihm, leben und sterben Ihm, und beugen die Kniee vor Ihm, nicht nur, weil Er ihr Gott, sondern auch, weil Er ihr Erlöser ist. Ihm muß ein Jeglicher für sich selbst Rechenschaft geben, wie er nicht nur Ihn als Gott und Schöpfer geehret, sondern auch, wie er sich Seine Erlösung zu Nutz gemacht habe. Zu diesem Verhältniß, worin Todte und Lebendige mit dem HErrn Jesu stehen sollen, war nöthig, daß Er sterbe und wieder lebendig werde. Er starb um der Menschen willen, V. 15. Auf Seinen Tod gründet sich das neue Recht, das Er an die Menschen hat. Ja, Er mußte den Tod schmecken, damit Ihm Alles außer Gott unterworfen würde, Ebr. 2,9-14. Es war aber nicht genug, daß der HErr Jesus nur durch den Tod das Recht erwürbe, über Todte und Lebendige HErr zu sein, sondern Er mußte auch dieses Recht wirklich ergreifen und ausüben. Hiezu machte Er den Anfang, als Er nach dem Fleisch todt, aber nach dem Geist lebendig gemacht war, denn in diesem ging Er hin, und predigte den Geistern im Gefängniß, 1 Petr. 3,19.20. Ja Er fuhr überhaupt in die untersten Oerter der Erde, oder in das finstere Todtenbehältniß, um Sich da als der HErr zu zeigen, Eph. 4,9. Als Er aber auferstanden war, sagte Er zu Seinen Aposteln, was Matth. 28,18.19.20. steht, und that, was Eph. 4,11.12. gesagt wird. Hiemit nahm Er dann Besitz von dem Erdboden, und richtete Sein Reich nach derjenigen Form, welche es bis an’s Ende der Welt haben soll, wirklich darauf an, wiewohl Er hier mitten unter Seinen Feinden herrscht, und deßwegen Sein Reich durch alle die in der Offenbarung Johannis geweissagten Drangsale durchbrechen muß, bis es sein herrliches Ziel erreicht. Er fuhr aber auch gen Himmel, um ein Reich, ja den Himmel selbst einzunehmen, Luk. 19,12. Ap. Gesch. 3,21., und sitzt als ein Lebendiger zur Rechten Seines Vaters, und verwaltet Sein Königreich und Sein Priesterthum auf Seinem Thron, und wird mit großer Kraft und Herrlichkeit kommen, um die Lebendigen und die Todten zu richten; nach diesem Gericht aber wird Sein und Seines Vaters Thron im neuen Jerusalem sein, wo Er Könige zu Knechte haben, und über sie als der höchste König herrschen wird.(Magnus Friedrich Roos)
Das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit, Friede und Freude in dem Heiligen Geist. Röm. 14,17.
Es wurde zur Zeit Pauli unter den römischen und andern Christen die Frage aufgeworfen, ob man von dem Fleisch der Thiere essen dürfe, welche den Götzen zu Ehren geschlachtet, und wovon ein Theil auf den abgöttischen Altären geopfert worden. Paulus entschied diese Frage so, daß er sagte, man dürfe davon essen: doch setzte er hinzu, wer sich ein Gewissen daraus mache, solle es unterlassen. Gleichwie aber alle Dinge die Ursache einer Trennung unter den Christen werden können, also konnte auch das Essen des Götzenopferfleisches eine solche verursachen. Derjenige, der davon aß, konnte denjenigen, der nicht davon essen wollte, als einen schwachen Menschen, der sich mit unnöthigen Scrupeln schleppe, verachten; dieser aber konnte jenen als einen frechen Menschen richten. Paulus warnte vor beiden Versündigungen V. 3., und sagte auch V. 17. wegen derjenigen, welche sich ihres Essens rühmen wollten: das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken. Durch Essen und Trinken erlangt man das Reich Gottes nicht, und wer auch drinnen ist, darf seinen Vorzug nicht im Essen und Trinken suchen, oder dieses Essen und Trinken nicht als ein Kennzeichen seines Gnadenstandes ansehen. Man darf vom Essen und Trinken ohne Zweifel den Schluß auf ähnliche Dinge machen, und sagen: das Reich Gottes ist nicht: diese oder jene Kleider tragen, diese oder jene Geberden machen, diesen oder jenen öffentlichen oder besondern Versammlungen beiwohnen. Es besteht, wie Paulus 1 Kor. 4,20. sagt, nicht in Worten, folglich auch nicht in Ceremonien, in äußerlichen Uebungen, in vielem Wissen, oder in der Feier gewisser Zeiten: und überhaupt in nichts, das an sich unkräftig ist, und worunter ein ungeändertes Herz verborgen bleiben könnte. Obschon alle diese Dinge auch nützlich sein können: so besteht doch das Reich Gottes nicht darin. Sie sind, wenn’s hoch kommt, Mittel und nicht der Zweck; sie gehören zur äußerlichen Ordnung und nicht zum innerlichen Wesen des Christenthums. Hingegen besteht das Reich Gottes in Gerechtigkeit, daß man nämlich durch den Glauben an Christum vor Gott gerecht sei, und auch gegen die Menschen Gerechtigkeit beweise. Es besteht im Frieden mit Gott und Menschen, und in der Freude im Heiligen Geist, welche aus den erquicklichen Tröstungen desselben entsteht. Hier prüfe sich nun ein Jeder, der bei einem guten Schein ein todtes Herz, bei einem beredten Mund eine finstere trockene Seele, und bei der Verachtung Anderer ein unruhiges Gewissen, und dabei eine anstößige und beleidigende Lebensart hat. Diesen gelten die Worte Jesu: du hast den Namen, daß du lebest, und bist todt; und: du sprichst, ich bin reich und habe gar satt und bedarf nichts, und weißt nicht, daß du bist elend, jämmerlich, arm, blind und bloß. Darum sehe ein Jeder auf die Hauptsache, und prüfe sich, ob die drei Stücke, die Paulus dazu rechnet, nämlich Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist bei ihm vorhanden seien. Die Freude im Heiligen Geist empfindet man nicht immerdar, doch empfindet man sie zuweilen; den Frieden mit Gott fühlt man, den Frieden mit den Menschen nimmt man bei sich selbst wahr, wenn man sich seiner Liebe gegen alle Menschen, auch gegen die feindseligen, bewußt ist; daß man aber vor Gott gerecht sei, glaubet man, wenn man sich seines Glaubens an Christum bewußt ist, und dabei muß das Gewissen dem Menschen Zeugniß geben, daß er sich auch der Gerechtigkeit gegen andere Menschen befleißige.(Magnus Friedrich Roos)
Röm. 15
Gott ist ein Gott der Geduld.
Röm. 15,5.
Geduld ist uns Noth, daß wir den Willen Gottes thun, und die Verheißung, oder das verheißene himmlische Erbe empfahen, Hebr. 10,36. Geduld ist bei uns das Ausharren im Leiden. Unser Weg zum himmlischen Vaterland ist ein schmaler dornichter Weg. Hier sollen wir nun nicht verdrossen werden, wie die Israeliten in der Wüste, und das Vertrauen nicht wegwerfen, welches eine große Belohnung hat, Hebr. 10,35. Wir sollen nicht sein von denen, die da weichen und verdammt werden, sondern von denen, die glauben und durch den Glauben Geduld beweisen, und die Seele erretten, V. 39. Gott heißt ein Gott der Geduld, weil Er allein durch Seine Weisheit, Treue und Kraft die Geduld in uns wirken will und kann. Er hat uns in der heiligen Schrift von der guten Ursache und von dem heilsamen Zweck unserer leiden reichlich unterrichtet; Er hat uns das Beispiel Seines lieben Sohnes, dem wir auch im Leiden und in der Geduld ähnlich werden sollen, vor die Augen gemalet; Er hat uns auch die Beispiele vieler leidender Heiligen, welche nicht ohne Schwachheit Geduld bewiesen haben, und den guten Ausgang ihrer Leiden beschreiben lassen. Er hat uns die Versicherung gegeben, daß Er uns nie verlassen noch versäumen, und nie über Vermögen versucht werden lassen wolle. Er hat uns endlich von der ewigen Ruhe und Freude, in die wir nach der Bewährung eingehen sollen, und von dem himmlischen Erbe, das wir nach der Beharrlichkeit im Glauben und in der Geduld empfangen sollen, eine genugsame und sehr tröstliche Nachricht gegeben. Ja Er will selbst nebst dem Sohn und Heiligen Geist unter dem Leiden in unsern Herzen wohnen, uns halten und stärken, und uns Seine Liebe, so oft es nöthig ist, empfinden lassen. Weil nun dieses Alles vermögend ist, uns geduldig zu machen, so heißt Gott ein Gott der Geduld.
Wenn wir aber in unserer deutschen Bibel lesen, daß Gott selber Geduld habe oder geduldig sei, so werden wir belehret, daß Gott die Strafe aufschiebt, und den Sündern Zeit zur Buße läßt. Er trägt die Gefässe des Zorns, die zur Verdammniß zugerichtet sind, mit großer Geduld (Röm. 9,22.), indem Er sie nicht bald vertilgt, sondern sie wenigstens unentschuldbar macht, sie ihr Gutes in diesem Leben empfangen läßt, und durch sie als Leute Seiner Hand, das ist als Werkzeuge, allerhand ausrichtet. Er ist auch barmherzig und gnädig, geduldig und von großer Güte gegen diejenigen, die Ihn fürchten, indem Er nicht immer mit ihnen hadert, nicht ewiglich Zorn hält, ob Er sie gleich denselben eine Zeit lang spüren läßt, und nicht nach ihren Sünden mit ihnen handelt, Ps. 103,8.9.10. Wider diese Geduld Gottes, welche auch Langmuth heißt, murren oft die Menschen, indem sie meinen, Gott lasse die Gottlosen allzulange ungestraft; Andere mißbrauchen die Geduld Gottes zur frechen Ausübung der Bosheit, siehe Pred. Sal. 8,11., Andere meinen, sie seien unschuldig, weil Gott geduldig gegen sie ist: das Gegentheil aber wird 2 Mos. 34,6.7. Nah. 1,3. bezeugt. Wir sollen die Geduld Gottes für unsere Seligkeit achten, 2 Petr. 3,15., und derselben in der Liebe des Nächsten nachahmen, 1 Kor. 13,4.7. HErr schenke mir eine genugsame Geduld im Leiden, und habe Geduld mit mir Elenden.(Magnus Friedrich Roos)
Gott ist ein Gott der Hoffnung.
Röm. 15,13.
Paulus redet in dem Brief an die Römer oft von der Hoffnung der Glaubigen, und macht Röm. 8,24.25. diese Erklärung von derselben: die Hoffnung oder die gehoffte Sache, die man siehet, ist nicht Hoffnung, oder keine Sache, die man hoffet, denn wie kann man das hoffen, das man siehet, weil es schon gegenwärtig ist, und weil man’s schon hat und durch das Sehen genießt. So wir aber deß hoffen, das wir nicht sehen, so warten wir sein durch Geduld. Hieraus erhellt, daß bei Gott im eigentlichen Verstand keine Hoffnung sein kann, weil Er Alles immer sieht und hat, und Er auf nichts mit einer Geduld, die ein Leiden voraussetzt, wartet. Indem Er also ein Gott der Hoffnung genannt wird, so wird hiemit auf uns Menschen gesehen, deren Glückseligkeit bei dem Mangel und Druck, den wir leiden müssen, großentheils im Hoffen besteht. Gott ist aber ein Gott der Hoffnung, indem Er uns in Seinem Wort die theuersten und allergrößten Verheißungen von einem ewigen Genuß Seiner Liebe, von einer Aufnahme in Sein himmlisches Haus, und in die Stadt, deren Schöpfer und Baumeister Er selbst ist, und von einem unvergänglichen, unbefleckten und unverwelklichen Erbe, das Er uns bereitet hat, wie auch von Seinem Schutz, gnädiger Leitung, Mittheilung geistlicher Gaben und kräftiger Ausrüstung, die Er uns unterwegs, ehe wir zu diesem Ziel gelangen, angedeihen lassen wolle, gegeben hat. Er hat diese Verheißungen hie und da mit einem Eid bestätigt. Er hat sie durch den Tod Seines Sohnes bestätigt, weßwegen sie die Form eines unwiderruflichen Testaments bekommen haben. Er ist auch treu und wahrhaftig, und überdieß reich und mächtig genug, dasjenige zu leisten, was Er versprochen hat. Auch will Er durch Seinen Geist Seine Verheißungen uns klar machen und zueignen, und in unsern verzagten Herzen den Glauben in Ansehung der gegebenen Verheißungen und die daraus fließende Hoffnung künftiger Güter wirken; weßwegen Paulus Röm. 15,13.: sagt: Gott aber der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Friede im Glauben, daß ihr völlige Hoffnung habt durch die Kraft des Heiligen Geistes. Wohl dem, der mit einer solchen auf die göttlichen Verheißungen gegründeten Hoffnung, welche der Heilige Geist wirket, leben und sterben kann. Ps. 130,5. wird ein Christ angewiesen zu sagen: ich harre des HErrn, meine Seele harret, und ich hoffe auf Sein Wort. Wie aber, wenn ich nach der Lüsternheit meines Herzens hoffe reicher, vornehmer, gesünder zu werden, und diesen oder jenen zeitlichen Vortheil zu erreichen, welches Alles mir doch im Wort Gottes nicht namentlich versprochen ist, und allerhand Verheißungen Gottes darauf deute, und heftig darum bete? Ach da kann offenbar werden, daß Gottes Gedanken nicht meine Gedanken, und Gottes Wege nicht meine Wege seien. Salomo sagt Pred. 5,1.: Gott ist im Himmel, und du auf Erden, darum laß deine Worte (Wünschen und Bitten in Ansehung zeitlicher Dinge) wenig sein. Auch sagt er Sprüchw. 1,32.: das die Albernen gelüstet, tödtet sie. Es ist also der Barmherzigkeit Gottes zuzuschreiben, wenn er alberne Menschen, denen Er zum ewigen Leben verhelfen will, Vieles versagt, wornach es sie gelüstet, und das sie auch eben deßwegen, weil sie darnach gelüstet, eine Zeitlang hoffen.(Magnus Friedrich Roos)
Römer 16
Der Gott des Friedens zertrete den Satan unter eure Füße in Kurzem
Röm. 16,20.
Paulus hat den Brief an die Römer nach der Weisheit, die ihm gegeben war, mit großer Vorsichtigkeit geschrieben. Rom war die Hauptstadt des römischen Reichs, wo der Kaiser und vornehme Rathsherren, Ritter und Beamte, welche alle Heiden waren, auf die Christen Achtung geben konnten. Ob nun gleich Paulus in diesem Brief den Heiden nicht schmeichelte, sondern Kap. 1 von ihren Lastern, von ihrem thörichten Götzendienst, und von dem Recht Gottes, sie zu verdammen, freimüthig schrieb, so ermahnte er doch die Christen zu Rom Kor. 13. ausführlicher, als er in andern Briefen that, zum Gehorsam gegen die Obrigkeit, und nannte diese eine Ordnung Gottes, welcher man nicht widerstreben dürfe. Weil auch die Christen zu Rom damals verfolgt wurden, obschon vielleicht kein kaiserlicher Befehl dazu ausgegangen war, so gab er ihnen so gar keine Anweisung, ihren Verfolgern Böses mit Bösem zu vergelten, daß er vielmehr Röm. 12,14. schrieb: segnet die euch verfolgen, segnet und fluchet nicht, und V. 19.: rächet euch selber nicht, meine Lieben, sondern gebet Raum dem (heiligen) Zorn (Gottes), denn es stehet geschrieben: die Rache ist Mein, ich will vergelten, spricht der HErr. Weil er aber doch den römischen Christen Ruhe in Ansehung ihrer Verfolger wünschte, so that er Kap. 16,20. den Wunsch: der Gott des Friedens zertrete den Satan unter eure Füße in Kurzem. Daß er hiebei nicht an die Errettung der Römer von der Gewalt des Satans gezielt habe, ist gewiß, weil sie schon davon errettet waren. Und weil er in diesem Wunsch Gott den Gott des Friedens nennt, so ist klar, daß er nicht auf geistliche Anfechtungen, sondern auf feindselige Obrigkeiten, Götzenpriester oder Bürger zu Rom gezielet habe, welche auf Anstiften des Satans die Christen daselbst so plagten, daß diese nicht friedlich unter ihnen leben konnten. Doch sagt Paulus nicht, der Gott des Friedens trete den Kaiser, oder den obersten Hauptmann (Apost. Gesch. 28,16. d.i. den Präfectum prätorio) oder die Götzenpriestern, oder andere Menschen unter eure Füße; wie denn ein solcher Wunsch ungeziemend gewesen wäre: sondern er wünschet solches in Ansehung des Satans, der schon gerichtet ist, und den der Gott des Friedens unter die Füße gläubiger Beter tritt, wenn Er ihm nach Seiner Allmacht auf ihr Bitten verwehrt, jene durch böse Menschen zu plagen und zu verfolgen. Wenn glaubige Christen einen solchen Sieg durch ihr Gebet erlangt haben, so können sie auf Löwen und Ottern gehen, und treten auf die jungen Löwen und Drachen. Paulus erkannte in seinem Geist, daß er den römischen Christen eine solche Zertretung des Satans unter ihre Füße nach dem Willen Gottes wünschen dürfe. Sonst aber läßt Gott nach Seiner Weisheit und Gerechtigkeit dem Satan Vieles zu, s. 1 Thess. 2,18. Offenb. Joh. 2,10. Auch zu Rom durfte hernach der Satan durch den Kaiser Nero wider die Christen wüthen, da dann auch die zwei Apostel Petrus und Paulus geopfert, das ist um des Evangelii willen hingerichtet wurden. Wer aber bedenkt, was Röm. 8,35-39. steht, muß bekennen, daß der Sieg immer auf der Seite wahrer Christen sei. Wenn sie allenthalben Trübsal haben, so ängsten sie sich nicht; wenn ihnen bange ist, so verzagen sie nicht; wenn sie Verfolgung leiden, so werden sie nicht verlassen; wenn sie unterdrückt werden, so kommen sie nicht um, wie Paulus 2 Kor. 4,8.9. sagt. Ja, wenn sie getödtet werden, so ist es ihr Gewinn, weil sie dadurch zu ihrem HErrn Christo kommen.(Magnus Friedrich Roos)